Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. September 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 75/00
(BPatG: Beschluss v. 25.09.2002, Az.: 29 W (pat) 75/00)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 1999 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Dienstleistungen "Verkauf, Vermietung und Vermittlung von Sendezeiten; Marktforschung und -analyse" zurückgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortfolge
"Viel Spass"
soll für die Waren und Dienstleistungen Klasse 16: Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Buchbinderartikel, Poster, Aufkleber, Kalender, Schilder, Modelle, Fotografien und Lichtbilderzeugnisse, Papier, Pappe, Schreibwaren und Büroartikel, Lehr- und Unterrichtsmittel (soweit in Klasse 16 enthalten)
Klasse 35: Werbung und Dienstleistungen einer Werbeagentur, einschließlich Vermittlung, Durchführung und Produktion von Hörfunk- und Fernsehwerbesendungen sowie Print- und Internetwerbung; Verkauf, Vermietung und Vermittlung von Sendezeiten; Marketing, Marktforschung und -analyse; Verteilung von Waren zu Werbezwecken, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und dazugehörige Dienstleistungen; Durchführung von Werbeveranstaltungen Klasse 41: Veröffentlichung unter Herausgabe von Druckereierzeugnissen, insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial einschließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger; Vorführung und Vermietung von Ton- und Bildaufzeichnungen; Unterhaltung, Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen; Durchführung von Schulungsveranstaltungen, Durchführung von Bildungsveranstaltungen und kulturellen Aktivitäten, soweit in Klasse 41 enthaltenin das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 2. Dezember 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, der Wortfolge "Viel Spass" fehle jegliche Unterscheidungskraft. Es handle sich hierbei um eine gebräuchliche Wortkombination der Alltagssprache, die allein und stets als solche aufgenommen und verstanden werde. Sie beinhalte einen Wunsch im täglichen Leben der Menschen, der mit einer Grußformel wie "Guten Tag" vergleichbar sei. Daher könne offen bleiben, ob dem angemeldeten Zeichen auch ein Freihaltungsbedürfnis entgegenstehe.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin geltend, dass dem Ausdruck "Viel Spass" die erforderliche Unterscheidungskraft zukomme. Er besitze keinen ausschließlich beschreibenden Inhalt, sondern sei vage und unbestimmt, so dass der Verbraucher aus dem Markennamen nicht auf das konkret geschützte Produkt schließen könne. Unbeachtlich sei, dass das Markenwort auch als Attribut des konkreten Produkts verstanden werden könne, denn seine Beschaffenheit erschließe sich dem Verbraucher erst durch den tatsächlichen Zusammenhang zwischen Wort und Produkt. Auch wenn "Viel Spass" ein Alltagsbegriff sei, reiche dies nicht aus, um die Unterscheidungskraft zu verneinen. Denn es handle sich nicht um einen Ausdruck, der stets nur als solcher gebraucht und verstanden werde. Er verlange nach einem Bezugspunkt, d.h. eine bestimmte Erwartung an zukünftige Ereignisse. Dies zeige auch die Internetrecherche des Senats. Ohne einen solchen Bezugspunkt mache das Markenwort keinen Sinn, was den wesentlichen Unterschied zu dem Gruß "Guten Tag" ausmache. Dem angemeldeten Zeichen stehe mangels beschreibenden Charakters kein Freihaltungsbedürfnis entgegen und es handle sich auch nicht um eine für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen übliche gewordene Bezeichnung.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Die zulässige Beschwerde hat überwiegend keinen Erfolg, da der angemeldeten Marke mit Ausnahme der im Tenor genannten Dienstleistungen das Eintragungshindernis der mangelnden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegensteht.
1. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 1150 - LOOK; GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE). Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 924 Tz. 28 - Canon; BGH GRUR 2001, 413, 414 f - SWATCH). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d.h. jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN; BGH GRUR 2002, 64 f. - INDIVIDUELLE). Diese Grundsätze gelten auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen (hier einer Redewendung), ohne dass unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Vielmehr ist in jedem Fall zu prüfen, ob die Wortfolge einen ausschließlich produktbeschreibenden Inhalt hat oder ob ihr über diesen hinaus eine, wenn auch noch so geringe Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen zukommt. Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb bei einer Wortfolge lediglich bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig werden des weiteren in der Regel längere Wortfolgen sein. Indizien für die Eignung, die Waren und Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sein. Auch die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage kann einen Anhalt für eine hinreichende Unterscheidungskraft bieten. Dabei dürfen die Anforderungen an die Eigenart im Rahmen der Bewertung der Unterscheidungskraft von Wortfolgen nicht überspannt werden. Auch einer für sich genommen eher einfachen Aussage kann nicht von vornherein die Eignung zur Produktidentifikation abgesprochen werden. Ein selbständig kennzeichnender Bestandteil oder ein phantasievoller Überschuss sind nicht Voraussetzung der Unterscheidungseignung einer Wortfolge (vgl. BGH, MarkenR 2002, 338 - Bar jeglicher Vernunft, m.w.N.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen fehlt der Wortfolge "Viel Spass" jegliche Unterscheidungskraft für alle beanspruchten Waren und die meisten Dienstleistungen. Zwar ist die Wortfolge auf sie bezogen nicht eindeutig beschreibend; sie ist auch kurz und prägnant. "Viel Spass" ist aber eine gebräuchliche Redewendung mit einem eindeutigen Sinngehalt, der sich ohne weiteres erschließt. Mit ihr wird im umgangssprachlichen Wortgebrauch, der auch in der Werbung der vorliegend beanspruchten Waren und Dienstleistungen belegbar ist, schlagwortartig verkürzt entweder die Aussage getroffen, der Verbraucher oder Abnehmer habe mit ihnen viel Spass, oder es wird der Wunsch ausgedrückt, der Adressat möge oder solle viel Spass haben. Hierin erschöpft sich die Aussage. Wird sie wie hier in Alleinstellung gebraucht, ist für die mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Verkehrskreise - Fachleute und gewerbliche Unternehmen ebenso wie interessierte Privatpersonen des allgemeinen Publikums - eine konkrete Ergänzung nicht erforderlich. Aus der Alleinstellung ergibt sich nämlich ohne weiteres der einzige kontextbezogene richtige Sinn, dass der Verbraucher Spass beim bestimmungsgemäßen Gebrauch der Waren, der Inanspruchnahme der Dienstleistungen oder der Beschäftigung mit ihnen haben solle oder ihm das gewünscht werde. Der Umstand, dass "Viel Spass" als Wunsch und als schlagwortartige Feststellung wirken kann, macht die Aussage nicht mehrdeutig. Ihr Aussageinhalt ändert sich nämlich nicht. Auf Grund der überaus weiten Verbreitung der angemeldeten Redewendung in der Werbung werden die inländischen Verkehrskreise sie nach der Lebenserfahrung ausschließlich in dem genannten Sinn verstehen, der im Trend der sogenannten "Spassgesellschaft" liegt. Mit ihm assoziiert das Publikum aufgrund der durch die Internetrecherche nachgewiesenen Verbreitung das Versprechen im oben genannten Sinne einer unbeschwerten, fröhlichen, also insgesamt positiven Nutzung bzw. eines entsprechenden Inhalts. In dieser Verwendung von "viel Spass" durch unterschiedliche Anbieter in nahezu jedem denkbaren Gebiet, auch in Verbindung mit vorliegend beanspruchten Waren und Dienstleistungen, ist die Wortfolge belegbar. Die teilweise vorhandenen Ergänzungen z.B. bei den Druckschriften mit "viel Spass beim Lesen, beim Schmökern, beim Blättern, mit unseren Zeitschriften, beim Puzzeln, an dem Aufkleber, beim Postern" oder auf Websites, die mehrere Angebote enthalten, ein produktbezogenes "viel Spass beim Stöbern, beim Surfen" enthalten nichts anderes als die Ausformulierung der bestimmungsgemäßen Verwendung der betreffenden Produkte, also die Langform dessen, was der angesprochene Verbraucher spontan der schlagwortartigen Verkürzung "Viel Spass" als Aussage entnimmt. Dementsprechend musste die Anmeldung für alle Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen werden, in deren Kontext "Viel Spass" eine sinnvolle, weil sachbezogene Aussage darstellt. Das ist bei sämtlichen in Klasse 16 beanspruchten Waren der Fall, bei den Druckereierzeugnissen, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen und Büchern wegen ihres Inhalts. Dies gilt ebenso für Poster, Aufkleber, Kalender, Schilder, Fotografien und Lichtbilderzeugnisse. Hier ist nicht nur der mögliche Inhalt von Bedeutung, sondern auch, dass Buchbinderartikel, Kalender, Modelle, Fotografien und Lichtbilderzeugnisse sowie Papier und Pappe als Hobbyartikel geeignet oder bestimmt sein können. Schreibwaren können durch ihr Design oder durch ergonomische Feinheiten Spass bereiten, ebenso Büroartikel; Lehr- und Unterrichtsmittel können durch entsprechende Inhalte oder Gestaltung Spass am Lernen hervorrufen. Bezogen auf die in den Klassen 35 - abgesehen von den im Tenor genannten - und 41 angemeldeten Dienstleistungen nimmt die angemeldete Wortfolge auf die spassbezogene Gestaltung der jeweiligen Medien- oder Werbe-, Sende- und Marketinginhalte sachlichen Bezug.
2. Keine sinnvolle sachbezogene Aussage enthält die angemeldete Redensart dagegen für "Verkauf, Vermietung und Vermittlung von Sendezeiten; Marktforschung und -analyse", denen daher keine Eintragungshindernisse entgegenstehen. Diese Dienstleistungen betreffen keinen Emotionsbezug. Sendezeiten sind neutral, sie haben selbst keinen unterhaltsamen (oder informativen) Inhalt, sondern müssen erst durch entsprechende Programme ausgefüllt werden. Marktforschung und -analyse sind wissenschaftliche Tätigkeiten, die die angesprochenen Interessenten wegen ihrer wesensimmanenten Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit in Anspruch nehmen, beispielsweise Unternehmen, um zukünftige oder gegenwärtige Markauftritte auf Erfolgsaussichten oder Wirkung überprüfen zu lassen, wozu die saloppe Wendung "viel Spass" nicht sprachangemessen ist. Wegen des festgestellten fehlenden Sachbezugs weist das Zeichen insoweit nicht nur die erforderliche Unterscheidungskraft auf, ihm steht auch nicht das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegen. Danach sind nämlich nur solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Beschaffenheit, des Wertes oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale von Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dies ist, wie ausgeführt, nicht der Fall. Deshalb besteht weder ein gegenwärtiges Bedürfnis etwaiger Mitbewerber, die Wortfolge "viel Spass" im hier beanspruchten Dienstleistungsbereich zu benutzen, noch liegen konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende zukünftige Entwicklung vor.
Grabrucker Baumgärtner Pagenberg Fa
BPatG:
Beschluss v. 25.09.2002
Az: 29 W (pat) 75/00
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