Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Dezember 2001
Aktenzeichen: 5 W (pat) 414/00
(BPatG: Beschluss v. 05.12.2001, Az.: 5 W (pat) 414/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung II - vom 1. Dezember 1999 aufgehoben.
Das Gebrauchsmuster 297 18 702 wird im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 6 gelöscht.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug trägt die Antragsgegnerin; von den Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug trägt die Antragsgegnerin 9/10 und die Antragstellerin 1/10.
Gründe
I.
Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des am 21. Oktober 1997 angemeldeten und am 18. Dezember 1997 unter der Bezeichnung Dämmelement aus Mineralwollein die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters 297 18 702. Die eingetragenen Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:
1. Dämmelement aus Mineralwolle, vorzugsweise in formatierter, nichtbrennbarer Ausführung, mit senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf, mit einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, dadurch gekennzeichnet, daß die als Sichtfläche ausgewählte Oberfläche, des in einem Breitenbereich von 230 bis 2400 mm, mit variabel wählbarer Längenbegrenzung, des in der Fertigungsstrecke eines durchlaufend gefertigten Faservlieses, hergestellten Elementes (1), mit einer Beschichtung (2) zu versehen ist, die auf den Querschnittsflächen der senkrecht zu den großen Achsen (6;6') stehend verlaufenden Fasern (4), deren Faserschäfte (7) in geringer Tiefe (8) umfassend, mit gleichhoher Abrißfestigkeit wie die des Dämmelementes (1), im Bereich von 40 bis 100 kPa, aufgebracht ist.
2. Dämmelement nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Begrenzung des Dämmelementes (1) in seiner Längserstreckung nach der Beschichtung (2) seiner Oberfläche, den technologischen Anforderungen der Bauwerksausführung entsprechend, ausgeführt ist.
3. Dämmelement nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung (2) aus einem nichtbrennbaren Material ausgebildet ist.
4. Dämmelement nach den Ansprüchen 1 und 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung (2) aus einem silikatischen Material besteht.
5. Dämmelement nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung (2), als Trägerschicht einer abschließenden, gesondert aufzutragenden Deckschicht, diffusionsoffen ausgebildet ist.
6. Dämmelement nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung (2) als abschließende Deckschicht koloriert gestaltet ist.
7. Dämmelement nach Anspruch 1 und einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
8. Dämmelement nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung (2), über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten, bis in den Bereich der äußeren Kanten der vertikalen Seitenflächen (5) des Elementes (1) geführt ist.
Die Schutzdauer ist verlängert.
Am 22. August 1998 hat sie neue Schutzansprüche 1 bis 3 zur Registerakte eingereicht.
Diese Schutzansprüche haben folgenden Wortlaut:
1. Dämmelement aus Mineralwolle, vorzugsweise in formatierter, nichtbrennbarer Ausführung, mit senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf, mit einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, dadurch gekennzeichnet, daß die als Sichtfläche ausgewählte Oberfläche, des in einem Breitenbereich von 650 bis 2400 mm, mit variabel wählbarer Längenbegrenzung, des in der Fertigungsstrecke eines durchlaufend gefertigten Faservlieses, hergestellten Elementes (1), mit einer Beschichtung (2) versehen ist, die auf den Querschnittsflächen der senkrecht zu den großen Achsen (6;6') stehend verlaufenden Fasern (4), deren Faserschäfte (7) in geringer Tiefe (8) umfassend, mit gleichhoher Abrißfestigkeit wie die des Dämmelementes (1), im Bereich von 55 bis 100 kPa, aufgebracht ist.
2. Dämmelement nach Anspruch 1 und einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
3. Dämmelement nach Anspruch 1 und einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Beschichtung (2), über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten, bis in den Bereich der äußeren Kanten der vertikalen Seitenflächen (5) des Elementes (1) geführt ist.
Die Beschwerdeführerin hat am 20. Oktober 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der Ansprüche 1 bis 6 beantragt. Sie hat mangelnde Schutzfähigkeit geltend gemacht. Zur Begründung ihres Antrags hat sie sich ua auf die AT 378 805 gestützt.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Antrag widersprochen. Sie hat das Gebrauchsmuster mit den Schutzansprüchen 1 bis 6 nach Hauptantrag und hilfsweise mit den Schutzansprüchen nach den Hilfsanträgen I bis III (jeweils in der Fassung vom 1. Dezember 1999) verteidigt.
Diese Schutzansprüche lauten:
Ansprüche nach Hauptantrag:
1. Dämmelement aus Mineralwolle mit folgenden Merkmalen:
a) einer Breite zwischen 650 und 2.400 mm, b) einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, c) senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf, undd) einer Beschichtung (2) auf seiner als Sichtfläche dienenden Oberfläche, wobeie) die Beschichtung (2) Querschnittsflächen der Fasern (4) bedeckt und deren Schäfte (7) in geringer Tiefe umfaßt sowief) eine Abrißfestigkeit im Bereich 55 bis 100 kPa aufweist, die gleichhoch ist wie die Abrißfestigkeit des Dämmelementes.
2. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
3. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten bis in den Bereich der äußeren Kanten von vertikalen Seitenflächen (5) des Dämmelementes geführt ist.
4. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) aus einem nicht brennbaren Material besteht.
5. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) aus einem silikatischen Material besteht.
6. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) diffusionsoffen ausgebildet ist.
Ansprüche nach Hilfsantrag I:
1. Dämmelement aus Mineralwolle mit folgenden Merkmalen:
a) einer Breite zwischen 650 und 2.400 mm, b) einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, c) senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf, undd) einer Beschichtung (2) auf seiner als Sichtfläche dienenden Oberfläche, wobeie) die Beschichtung (2) Querschnittsflächen der Fasern (4) bedeckt und deren Schäfte (7) in geringer Tiefe umfaßt sowief) eine Abrißfestigkeit im Bereich 55 bis 100 kPa aufweist, die gleichhoch ist wie die Abrißfestigkeit des Dämmelementes.
2. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
3. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten bis in den Bereich der äußeren Kanten von vertikalen Seitenflächen (5) des Dämmelementes geführt ist.
4. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) diffusionsoffen ausgebildet ist.
Ansprüche nach Hilfsantrag II:
1. Dämmelement aus Mineralwolle mit folgenden Merkmalen:
a) einer Breite zwischen 650 und 2.400 mm, b) einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, c) senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf, undd) einer Beschichtung (2) auf seiner als Sichtfläche dienenden Oberfläche, wobeie) die Beschichtung (2) Querschnittsflächen der Fasern (4) bedeckt und deren Schäfte (7) in geringer Tiefe umfaßt sowief) eine Abrißfestigkeit im Bereich 55 bis 100 kPa aufweist, die gleichhoch ist wie die Abrißfestigkeit des Dämmelementes.
2. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
3. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten bis in den Bereich der äußeren Kanten von vertikalen Seitenflächen (5) des Dämmelementes geführt ist.
Ansprüche nach Hilfsantrag III:
1. Dämmelement aus Mineralwolle, vorzugsweise in formatierter, nicht brennbarer Ausführung, mit senkrecht zu seinen großen Körperachsen (6,6') gerichtetem Faserverlauf, mit einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, wobei die als Sichtfläche ausgewählte Oberfläche des in einem Breitenbereich von 650 bis 2.400 mm, mit variabel wählbarer Längenbegrenzung des in einer Fertigungsstrecke eines durchlaufend gefertigten Faservlieses hergestellten Elements (1) mit einer Beschichtung (2) versehen ist, die auf den Querschnittsflächen der senkrecht zu den großen Körperachsen (6;6') stehend verlaufenden Fasern (4), deren Faserschäfte (7) in geringer Tiefe (8) umfassend, mit gleich hoher Abrißfestigkeit wie die des Dämmelementes (1) im Bereich 55 bis 100 kPa aufgebracht ist.
2. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
3. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten bis in den Bereich der äußeren Kanten von vertikalen Seitenflächen (5) des Dämmelementes geführt ist.
Die Gebrauchsmusterabteilung II hat mit Beschluss vom 1. Dezember 1999 das Gebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die Schutzansprüche nach Hilfsantrag II hinausgeht.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass der Gegenstand nach dem Schutzanspruch 1 gemäß jenem Hilfsantrag II unzulässig erweitert worden sei. Außerdem sei dieser durch die DE 40 32 769 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen, zumindest aber durch den Stand der Technik nach der AT 378 805 nahegelegt.
Die Antragsgegnerin verteidigt das Gebrauchsmuster unter Erhebung der Anschlussbeschwerde mit den Schutzansprüchen gemäß dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I bis III (jeweils in der Fassung vom 5. Dezember 2001). In vierter Linie hilfsweise verteidigt sie das Gebrauchsmuster in der Fassung nach dem vorgenannten Hilfsantrag III unter der Ergänzung der Angabe "und vernadelungsfreien" in dem Merkmal b) nach "klebestoßfreien".
Die Schutzansprüche nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen I und II stimmen mit denen nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen, die sie vor der Gebrauchsmusterabteilung gestellt hat, überein. Die Schutzansprüche nach dem Hauptantrag III vom 5. Dezember 2001 haben folgende Fassung:
1. Dämmelement aus Mineralwolle, hergestellt in einer Fertigungsstrecke eines durchlaufend gefertigten Faservlieses mit variabel wählbarer Längenbegrenzung, mit folgenden Merkmalen:
a) einer Breite zwischen 650 und 2.400 mm, b) einem durchgängig klebestoßfreien, kontinuierlich produzierten Lamellenaufbau, c) senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf, undd) einer Beschichtung (2) auf seiner als Sichtfläche dienenden Oberfläche, wobeie) die Beschichtung (2) Querschnittsflächen der Fasern (4) bedeckt und deren Schäfte (7) in geringer Tiefe umfaßt sowief) eine Abrißfestigkeit im Bereich 55 bis 100 kPa aufweist, die gleichhoch ist wie die Abrißfestigkeit des Dämmelementes.
2. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Abrißfestigkeit 60 bis 80 kPa beträgt.
3. Dämmelement nach Anspruch 1, bei dem die Beschichtung (2) über seitliche Anfasungen der umlaufenden Kanten bis in den Bereich der äußeren Kanten von vertikalen Seitenflächen (5) des Dämmelementes geführt ist.
Die Antragstellerin beantragt, das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 6 zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt demgegenüber und im Wege der Anschlussbeschwerde, den Löschungsantrag zurückzuweisenim Umfang der Schutzansprüche gemäß dem Hauptantrag, hilfsweise im Umfang der Schutzansprüche gemäß den Hilfsanträgen I bis IV.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, die zulässige Anschlussbeschwerde dagegen unbegründet. Denn der Löschungsantrag ist sachlich gerechtfertigt. Der geltend gemachte Löschungsanspruch wegen mangelnder Schutzfähigkeit (§ 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG) ist in dem erhobenen Umfang, also gegenüber den Schutzansprüchen 1 bis 6 in der der Eintragung zugrunde liegenden Fassung, gegeben.
1. Soweit das Gebrauchsmuster auch nach dem Hauptantrag der Antragsgegnerin nicht mehr verteidigt worden ist und insoweit die Löschung auf der Grundlage des § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG zu erfolgen hatte, hat es mit der bereits von der Gebrauchsmusterabteilung ausgesprochenen Löschung sein Bewenden.
2.a)
aa) Soweit die Antragsgegnerin - mit dem Hauptantrag im Wege der Anschlussbeschwerde - dem Löschungsantrag unter Rückgriff auf die Schutzansprüche 1 bis 6 vom 1. Dezember 1999 entgegentritt, ist ihr dies nur bezüglich des Schutzanspruchs 1 möglich.
Der Verteidigung dieses Schutzanspruchs steht nicht das Verbot (arg. § 5 GebrMG) entgegen, den Gegenstand mit einer Anspruchsänderung über den ursprünglich offenbarten Umfang hinaus zu erweitern. Denn eine solche unzulässige Erweiterung liegt nicht vor.
Der Schutzanspruch 1 in dieser Fassung unterscheidet sich von der ursprünglichen Fassung - durch den Fortfall des auf den Begriff Mineralwolle bezogenen Merkmals "vorzugsweise in formatierter, nichtbrennbarer Ausführung",
- durch die Einschränkung des Breitenbereichs von 230 bis 2400 mm auf 650 bis 2400 mm und - durch Weglassen der Merkmale, dass das Faservlies mit variabel wählbarer Längenbegrenzungin einer Fertigungsstrecke durchlaufend gefertigt ist;
- außerdem wurde das Merkmal, dass die Beschichtung auf den Querschnittsflächen der Fasern aufgebracht ist, in die Formulierung geändert, dass die Beschichtung die Querschnittsflächen der Fasern bedeckt.
Das fakultative Merkmal ("vorzugsweise ...") ist für die technische Lehre nicht notwendig, sein Fortfall also für den Gegenstand unbeachtlich.
Der in der verteidigten Fassung angegebene Breitenbereich liegt innerhalb des Breitenbereichs nach der angemeldeten Fassung.
Regelmäßig führt zwar das Weglassen eines nicht fakultativen Merkmals zu einer Erweiterung des Gegenstandes. Anders liegt es im vorliegenden Fall hinsichtlich des Merkmals, dass das Faservlies mit variabel wählbarer Längenbegrenzung gefertigt ist. Es schließt nämlich alle Vlieslängen außer der unendlichen ein; letztere ist jedoch nur theoretisch möglich. Somit kann dieses Merkmal auch weggelassen werden, da das Merkmal der variabel wählbaren Längenbegrenzung ohnehin alle realen Vlieslängen einschließt.
Das Merkmal, dass das Faservlies in einer Fertigungsstrecke durchlaufend gefertigt ist, gibt das Herstellungsverfahren an, nach dem das Vlies gefertigt sein soll. Dem fertigen Produkt ist aber hier nicht anzusehen, nach welchem Verfahren es hergestellt wurde. Somit kann das Merkmal weggelassen werden, ohne dass der Gegenstand unzulässig erweitert wird.
Mit der Änderung, dass die Beschichtung die Querschnittsflächen bedeckt anstatt dass sie auf diese aufgebracht ist, wird nunmehr der Endzustand des fertigen Gegenstands angegeben und nicht der Vorgang, wie dieser Endzustand erreicht wird. Dadurch wird der Gegenstand aber nicht verändert.
Soweit sich allerdings die Verteidigung nach dem Hauptantrag auf die Schutzansprüche 2 und 3 bezieht, ist sie gegenstandslos.
Die Schutzansprüche 2 und 3 entsprechen den eingetragenen Schutzansprüchen 7 und 8, die nicht angegriffen und somit nicht Gegenstand des Löschungsverfahrens sind.
Was die Schutzansprüche 4 bis 6 betrifft, scheitert die Verteidigung des angegriffenen Gegenstandes in diesem Umfang an der von der Antragsgegnerin abgegebenen Erklärung vom 22. August 1998. Sie hat damals "beantragt, ... den Schutzumfang des Gebrauchsmusters ab jetzt auf den [mit den zur Registerakte eingereichten neuen Schutzansprüchen 1 bis 3] präzisierten Inhalt zu beschränken". Damit hat sie zum Ausdruck gebracht, das Gebrauchsmuster nicht mehr in einem über die Schutzansprüche 1 bis 3 vom 22. August 1998 hinausgehenden Umfang - und die jetzt mit dem Hauptantrag verteidigten Schutzansprüche 4 bis 6 gehen über die "präzisierten" Schutzansprüche 1 bis 3 vom 22. August 1998 hinaus - geltend machen zu wollen In einer solchen Erklärung liegt, wie allgemein anerkannt ist, ein vorweggenommener Verzicht auf einen Widerspruch in dem entsprechenden Umfang gegen einen Löschungsantrag. Hieran ist sie festzuhalten, da ein solcher Verzicht nicht frei widerruflich ist.
bb) Der Gegenstand nach dem Schutzanspruch 1 in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung hat zwar als neu (§ 3 GebrMG) zu gelten, da keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen ein Dämmelement mit allen in diesem Schutzanspruch angegebenen Merkmale aufweist. Er beruht jedoch nicht auf einem erfinderischen Schritt (§ 1 GebrMG), so dass es ihm an der Schutzfähigkeit ermangelt.
Durch die AT 378 805 ist ein Dämmelement aus Mineralwolle bekannt mit senkrecht zu seinen großen Körperachsen gerichtetem Faserverlauf (vgl die Angaben auf S 5, Z 12). Nach den weiteren Angaben in der Druckschrift (S 5, Z 9 bis 13) sind die Lamellen auch durch Vernadeln miteinander verbunden, so dass die Lamellierung ebenfalls durchgängig klebstoßfrei ist und dadurch ebenfalls ein hoher Grad an Brandsicherheit erreicht wird.
Auf seiner als Sichtfläche dienenden Oberfläche ist eine Beschichtung vorgesehen, die die Querschnittsflächen der Fasern bedeckt und deren Schäfte in geringer Tiefe umfasst. Dies geht aus den Angaben (S 3, Z 40 ff) hervor, dass die Faserbündel mit Ihren Faserenden infolge ihres Eigengewichts in das fließfähige Bindemittel eindringen. Auf S 4, Z 27 - 32 ist angegeben, dass die Dämmelemente eine Oberfläche mit dekorativem Aussehen aufweisen. Dies zeigt, dass die Beschichtung auf der Sichtfläche des Dämmelements angeordnet ist.
Das Merkmal, dass der Lamellenaufbau kontinuierlich hergestellt ist, ist kein gegenständliches Merkmal, da es dem fertigen Produkt nicht anzusehen ist, nach welchem Verfahren der Faseraufbau produziert wurde. Zudem ist davon auszugehen, dass der Lamellenaufbau des bekannten Dämmelements, ungeachtet der Vernadelung der Lamellen miteinander, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ebenfalls kontinuierlich hergestellt ist.
Von diesem bekannten Dämmelement unterscheidet sich der Gegenstand nach dem Schutzanspruch 1 demnach noch durch die Angaben, dass das Dämmelement - eine Breite zwischen 650 und 2400 mm hat und - eine Abrissfestigkeit im Bereich 55 bis 100 kPa aufweist, die gleich hoch ist wie die Abrissfestigkeit des Dämmelements.
In der AT 378 805 werden (S 4, Z 17) Breiten von 500 bis 1000 mm als üblich bezeichnet. Andere Breitenbereiche zu wählen, bedarf keines erfinderischen Schrittes, sondern die Abmessungen werden vom Anwender solcher Dämmelemente, wie bspw von Fassadenbauern oder Dachdeckern, entsprechend dem Verwendungszweck gefordert.
Ebenso ist der Wert für die Abrissfestigkeit abhängig vom Einsatzzweck eines Dämmelements. Dem Fachmann - hier einem Ingenieur der Chemie- und Verfahrenstechnik mit Fachhochschulabschluss, der in der Produktion von Mineralfaserwerkstoffen eingesetzt ist - werden die einzuhaltenden Werte vom Anwender vorgegeben. So haben Dämmelemente, die zur Wärmedämmung von Gebäudefassaden verwendet werden, auch hohen Belastungen infolge Windsog standzuhalten. Die an der Außenschicht der Fassade angreifenden Belastungen müssen über die einzelnen Schichten des Fassadenaufbaus an die tragende Gebäudestruktur weitergeleitet werden, so dass die für ein Dämmelement definierte Abrissfestigkeit als integrale Festigkeit des gesamten Elements gilt. Bei der Ermittlung der Abrissfestigkeit eines Elements wird deshalb auch der Wert für das gesamte Element bestimmt und nicht für einzelne Schichten, aus denen das Element gebildet ist. In der AT 378 805 sind zwar keine Werte für die Abrissfestigkeit des Dämmelements angegeben worden. Doch wird dort (S 3, Z 37 ff) besonderer Wert auf eine "äußerst innige integrale Verknüpfung von Faser-Dämmschicht und Überzugsschicht" gelegt. Nach den weiteren Angaben dort "verhindert die integrale Übergangszone ... die Trennung von Dämmschicht und Überzugsschicht voneinander" und es kommt "zu einem praktisch kontinuierlichen Übergang von den Eigenschaften der Faser- Dämmschicht zu den physikalischen Eigenheiten der Überzugsschicht", "wobei die senkrechte Orientierung der Fasern noch synergistisch zur endgültigen Rigidität der Schicht beiträgt". Diesen Ausführungen entnimmt der Fachmann, dass das bekannte Dämmelement eine integrale Abrissfestigkeit aufweist und die Abrissfestigkeit der Beschichtung somit gleich hoch ist wie die des Dämmelements.
Der Gegenstand nach den Schutzansprüchen 4 bis 6 unterliegt der Löschung bereits nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG, da - wie oben dargetan - insoweit (wegen der Erklärung vom 22. August 1998) kein wirksamer Widerspruch vorliegt.
b) Soweit die Antragsgegnerin mit dem Hilfsantrag I - wiederum im Wege der Anschlussbeschwerde - das Gebrauchsmuster verteidigt, ist dies nur bezüglich des Schutzanspruchs 1 zulässig; er ist mit dem gemäß dem Hauptantrag verteidigten Schutzanspruch 1 identisch, so dass auf die im Vorausgehenden zur Zulässigkeit einer solchen Verteidigung erfolgten Ausführungen verwiesen werden kann - wenngleich der Gegenstand, wie ebenfalls bereits dargetan, nicht schutzfähig ist.
Die Unteransprüche 2, 3 und 4 entsprechen den mit dem Hauptanspruch verteidigten Schutzansprüchen 2, 3 und 6. Auf die oben zur Unzulässigkeit ihrer Verteidigung gemachten Ausführungen wird Bezug genommen.
c) Hinsichtlich der mit dem Hilfsantrag II der Antragsgegnerin vorgenommenen Verteidigung mit Schutzansprüchen 1 bis 3 ist auf das zu den inhaltlich entsprechenden Schutzansprüchen 1 bis 3 gemäß dem Hauptantrag bereits Gesagte zu verweisen.
d)
aa) Der Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III entspricht dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag unter Hinzufügung der Merkmale aus dem eingetragenen Schutzanspruch 1, dass das Dämmelement hergestellt ist "in einer Fertigungstrecke eines durchlaufend gefertigten Faservlieses mit variabel wählbarer Längenbegrenzung".
Der Schutzanspruch 1 ist zulässig, weil die darin angegebenen Merkmale auf die eingetragenen Unterlagen gestützt sind.
Die Schutzansprüche 2 und 3 entsprechen den nicht angegriffenen Schutzansprüchen 2 und 3 gemäß dem Hauptantrag, sind also nicht Gegenstand des Löschungsverfahrens.
bb) Die im Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag III gegenüber der Fassung des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag hinzugefügten Merkmale, dass das Dämmelement hergestellt ist "in einer Fertigungstrecke eines durchlaufend gefertigten Faservlieses mit variabel wählbarer Längenbegrenzung", sind ohne Relevanz für den Gegenstand, wie er nach dem Schutzanspruch 1 unter Schutz gestellt ist.
Wie bereits ausgeführt worden ist, schließt das Merkmal, dass das Faservlies mit variabel wählbarer Längenbegrenzung gefertigt ist, alle ausführbaren Vlieslängen außer der unendlichen ein, die nur theoretisch möglich ist.
Das Merkmal, dass das Faservlies in einer Fertigungsstrecke durchlaufend gefertigt ist, gibt das Herstellungsverfahren an, nach dem das Vlies gefertigt sein soll. Dem fertigen Produkt ist nicht anzusehen, nach welchem Verfahren es hergestellt wurde. Einen erfinderischen Beitrag zu der unter Gebrauchsmusterschutz gestellten Lehre, es bereitzustellen, leistet das Verfahren nicht.
e) Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag IV entspricht dem Schutzanspruch 1 in der Fassung nach dem Hilfsantrag III unter der Ergänzung der Angabe "und vernadelungsfreien" in dem Merkmal b) nach "klebestoßfreien". Dieser Schutzanspruch erweitert den Gegenstand unzulässig, so dass er mit dieser Ergänzung der Verteidigung nicht zugrunde gelegt werden kann.
Dieses Merkmal ist in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbart und kann nicht nachgeholt werden. Ursprünglich offenbart ist nur ein Dämmelement mit einem durchgängig klebstoßfreien Lamellenaufbau. Damit sind zwar alle Dämmelemente eingeschlossen, deren Lamellen zur Verbesserung des Brandschutzes nicht mittels Klebstoff verbunden sind, dh darunter fallen Dämmelemente sowohl mit miteinander verbundenen - außer mittels Klebstoff - als auch mit nicht miteinander verbundenen Lamellen. Die im Schutzanspruch nunmehr beanspruchte Vernadelungsfreiheit ist jedoch weder als eine von mehreren Varianten eines klebstoßfreien Lamellenaufbaus in den eingetragenen Unterlagen offenbart, noch hat sie der Fachmann mit der Forderung nach Klebstofffreiheit ohne weiteres vor Augen, sondern sie ist ein neues Merkmal, in dem jetzt erstmals in Kenntnis des Standes der Technik die eigentliche Erfindung gesehen wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG und § 91 ZPO (hinsichtlich des ersten Rechtszuges), §§ 92, 269 ZPO (hinsichtlich des Beschwerderechtszuges, in dem die Antragstellerin zunächst die Löschung in vollem Umfang verfolgt, sie aber dann wieder auf die Schutzansprüche 1 bis 6 beschränkt hat). Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
Goebel Dr. Huber Gießen Fa/Ju
BPatG:
Beschluss v. 05.12.2001
Az: 5 W (pat) 414/00
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