Bundesgerichtshof:
Urteil vom 15. März 2012
Aktenzeichen: III ZR 190/11

(BGH: Urteil v. 15.03.2012, Az.: III ZR 190/11)

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg aufgehoben, soweit sie die Berufung des Beklagten gegen seine Verurteilung zur Zahlung von mehr als 12,74 € nebst anteiliger Zinsen durch das Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 7. Dezember 2010 zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Berechtigung einer Entgeltforderung der Klägerin für die Erbringung von Mobilfunkleistungen. Die Parteien schlossen 2004 einen Mobilfunkvertrag, der seinerzeit eine Datenübertragung per Mobiltelefon noch nicht erfasste. Die dem Vertrag zu Grunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin lauteten auszugsweise wie folgt:

"4.1 Der Kunde ist zur Zahlung der Benutzungsbeträge verpflichtet, wie sie sich aus den von Cellway veröffentlichten Tarifen in der jeweils gültigen Fassung im Einzelnen ergeben ...

4.10 Sämtliche Bepreisungen für die Nutzung neuer Zugangs- und Sonderdienste, die erst zukünftig eingeführt oder in modifizierter Form angeboten werden, stellt unser Kundendienst auf Anfrage zur Verfügung."

Im Mai 2007 erwarb der Beklagte bei einem anderen Unternehmen ein internetfähiges Mobiltelefon zu. Am 1. Januar 2008 rief er mit diesem Gerät über die Internetseite "youtube" einen Film ab, der eine Datenmenge von 45.835 KB beanspruchte und dessen Übertragung 21 Minuten und 17 Sekunden dauerte. Hierfür stellte die Klägerin dem Beklagten am 10. Januar 2008 750,8444 € nebst Umsatzsteuer in Rechnung. Dabei legte sie ihren Tarif "surfbycall" zu Grunde, der 0,19 € brutto für zehn Kilobyte (KB) zuzüglich eines "Onlinepreises" von 0,02 € je angefangene Stunde vorsah. In der Rechnung war auch das Entgelt für eine weitere Datenverbindung mit einer abgerufenen Datenkapazität von 1.188 KB zum selben Tarif enthalten. Ferner umfasste sie die Grundgebühr und das Entgelt für zwei netzinterne Verbindungen. Insgesamt belief sich die Rechnung vom 10. Januar 2008 auf 929,46 €.

Nachdem der Beklagte die Begleichung der Entgeltforderung der Klägerin verweigerte, kündigte diese den Mobilfunkvertrag im Mai 2008. Sie verlangt mit ihrer Klage den offenen Rechnungsbetrag nebst Schadensersatz von 16,31 € wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung. Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, soweit der Klägerin ein höherer Betrag als die Grundgebühr und die Vergütung für zwei netz-2 interne Verbindungen (10,71 € nebst Umsatzsteuer = 12,74 €) zuerkannt worden ist.

Gründe

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage in vollem Umfang begründet. Die Klägerin habe die dem Beklagten unter dem 10. Januar 2008 in Rechnung gestellten Leistungen erbracht. Dieser könne sich nicht darauf berufen, dass ihm die Tarife für die Internetdienste nicht mitgeteilt worden seien. Als der Vertrag zwischen den Parteien abgeschlossen worden sei, sei ein Surfen per Handy im Internet noch nicht möglich gewesen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin bestimmten hinsichtlich möglicher künftiger Dienste, dass diese nach den jeweils geltenden Tarifen berechnet würden, welche auf Anfrage zugesandt würden. In diesen Bestimmungen könne keine unangemessene Benachteiligung für den Nutzer erkannt werden. Der Beklagte habe als Durchschnittskunde davon ausgehen müssen, dass, wenn inzwischen eine Benutzung des Internets auch mit dem Handy möglich sei, die Klägerin bei entsprechenden Verbindungen diese nach dem Datenvolumen vergütet haben wolle. Es sei ihm zuzumuten gewesen, sich über die hierfür berechneten Tarife zu informieren. Anhaltspunkte dafür, dass das in Rechnung gestellte Entgelt von 4 0,19 € je zehn KB Anfang 2008 als auffällig über dem Marktpreis liegender Wucherpreis anzusehen gewesen sei, gebe es nicht.

Entgegen der Ansicht des Beklagten habe die Klägerin im Hinblick auf die Kosten der Internetverbindungen auch keine Hinweis- oder Aufklärungspflicht gehabt. Grundsätzlich sei es die Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Es dürfte jedem Internetnutzer bekannt sein, dass, wenn keine Flatrate vereinbart sei, die Gefahr hoher Kosten bestehe.

Insbesondere habe die Klägerin als Mobilfunkanbieterin keine Pflicht zu einem Hinweis auf die Datenmenge gehabt. Der Klägerin sei es gar nicht bekannt, welche Datenmenge ein Film habe, den der Nutzer herunterladen wolle. Selbst wenn eine technische Möglichkeit für die Klägerin bestanden haben sollte, festzustellen, welche Daten ein Nutzer herunterlade, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Verbindung die notwendigen Erkenntnisse habe, um ihren Vertragspartner im Vorfeld zu warnen. Auch habe zumindest 2008 keine Verpflichtung des Verbindungsanbieters bestanden, bei Erreichen einer bestimmten Datenmenge die Verbindung zu kappen oder zumindest ab einer bestimmten Datenmenge eine Warnung vorzunehmen. Wenn ein Handybesitzer im Bewusstsein, dass er keine Datenflatrate besitze, über sein Gerät ins Internet gehe, liege dies in dessen Eigenverantwortung. Wolle er mögliche Kostenfallen vermeiden, obliege es ihm, sich entsprechend vorher zu informieren und sich gegebenenfalls eine Warnanzeige ab einer bestimmten Datenmenge selbst zu installieren.

II.

Dies hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Dem Berufungsgericht ist jedoch darin beizupflichten, dass die Klägerin im Ausgangspunkt einen Entgeltanspruch gegen den Beklagten erworben hat, weil dieser sich mit seinem Mobiltelefon in das Internet eingewählt und Daten heruntergeladen hat. Die Ausführungen der Vorinstanz zur Erweiterung des ursprünglich zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags um die Option, das Mobilfunkgerät auch zum Empfang von Daten aus dem Internet zu nutzen, sind nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die Erwägungen zu dem hierfür zu entrichtenden Entgelt und zu dessen Höhe. Insbesondere bestehen keine Bedenken dagegen, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Erweiterung des ursprünglich vereinbarten Leistungsspektrums vorgesehen und für den Fall, dass der Kunde die zusätzliche Option, wie hier die Datenübertragung per Internet, in Anspruch nimmt, auf den jeweils gültigen veröffentlichten Tarif verwiesen wird. Nicht zuletzt im Hinblick auf die ständige Fortentwicklung der Kommunikationstechnik besteht keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB), wenn der Vertrag der Klägerin die Möglichkeit einräumt, zusätzliche Leistungen anzubieten, sofern deren Inanspruchnahme, wie im vorliegenden Sachverhalt, dem Kunden frei gestellt ist. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die weitgehend dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung des Berufungsgerichts, der Preis von 0,19 € für je zehn KB sei zumindest 2008 nicht sittenwidrig überhöht gewesen (siehe zu einem solchen Preis im Jahr 2008 jedoch auch Schmidt MMR 2011, 838 f in der Anmerkung zu OLG Schleswig MMR 2011, 836). Zu allen diesen Punkten erhebt auch die Revision keine Rügen.

2. Demgegenüber ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweispflicht (§ 241 BGB) nicht auszuschließen, der zur Folge hat, dass der Forderung der Klägerin zumindest teilweise gemäß § 242 BGB der Einwand des "dolo agit, qui petit quod statim redditurus est" entgegen steht. Die Klägerin war bei Erweiterung ihres Angebots um den mobilen Internetzugang zu einem Hinweis auf die mit der volumenabhängigen Entgeltberechnung verbundenen Gefahren verpflichtet. Es kommt darüber hinaus je nach den im Januar 2008 bestehenden technischen Möglichkeiten und Usancen in Betracht, dass die Klägerin verpflichtet war, den Beklagten durch eine auf sein Mobilfunkgerät zu sendende Mitteilung zu warnen, sobald eine von dem normalen Nutzungsverhalten außergewöhnlich abweichende Gebührenhöhe erreicht war, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Datenübertragung abzubrechen und so das Entstehen einer unerwünscht hohen weiteren Entgeltforderung zu verhindern.

a) Allerdings bestand und besteht noch keine gesetzlich normierte Pflicht der Diensteanbieter zu derartigen Hinweisen.

§ 45n Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 TKG in der noch nicht im Bundesgesetzblatt verkündeten Fassung des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen (Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestags vom 27. Oktober 2011, Plenarprotokoll 17/136, S. 1609) sieht zwar eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung vor, durch die Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste verpflichtet werden können, geeignete Einrichtungen anzubieten, um die Kosten der Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienste zu kontrollieren. Diese Befugnis schließt die Verpflichtung zu unentgeltlichen Warnhinweisen bei anormalen oder übermäßigem Verbraucherver-10 halten ein. Das Gesetz ist jedoch noch nicht in Kraft getreten; eine Rechtsverordnung ist noch nicht erlassen worden.

b) Dies schließt indessen nicht aus, dass sich eine solche Verpflichtung bereits als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Mobilfunkvertrag ergab.

aa) Grundsätzlich hat zwar jede Partei im Rahmen vertraglicher Beziehungen aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Privatautonomie ihre Belange selbst wahrzunehmen. Insbesondere obliegt es einem Vertragspartner, selbst darauf bedacht zu sein, die Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Umfang in Anspruch zu nehmen, der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt. In Fallgestaltungen jedoch, in denen der Vertragsgegner über eine überlegene Sachkunde verfügt, können ihn gemäß § 241 Abs. 2 BGB Hinweis- und Aufklärungspflichten zur Wahrung des Leistungs- oder Integritätsinteresses seines Partners treffen, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken kann (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 19. Februar 1975 - VIII ZR 144/73, BGHZ 64, 46, 49; Bamberger/Roth/Grüneberg/Sutschet, BGB, 2. Aufl., § 241 Rn. 77; Palandt/ Grüneberg, BGB, 71. Aufl., § 280 Rn. 30). Insbesondere in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die Nutzung anspruchsvoller Technik angeboten wird, kommen solche Hinweis- und Aufklärungspflichten des Vertragspartners in Betracht, der im Gegensatz zur anderen Seite über den notwendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch und gerade auf den Telekommunikationssektor zu. In diesem kommt nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon schwer zu überblickenden Fülle von Anwendungsmöglichkeiten und Tarifen zum Einsatz. Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich überdies im Verbund mit der Computertechnologie durch eine besonders dynamische Fort-13 entwicklung aus (vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 28), die der Durchschnittsverbraucher nicht ständig nachverfolgt.

Der Senat hat dementsprechend in seinem vorzitierten Urteil vom 9. Juni 2011 (aaO Rn. 14) im Hinblick auf die schwer zu durchschauende Vielzahl von Mobilfunktarifen eine Pflicht des Diensteanbieters angenommen, Kunden, die sein Angebot nur im Rahmen einer Kreditlinie nutzen dürfen, rechtzeitig vor Erreichen des Limits zu warnen, bevor er seine Leistungen einstellt. Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung werden Hinweis- und Aufklärungspflichten des Anbieters von Telekommunikationsdienstleistungen gegenüber seinen Kunden zur Vermeidung unerwartet hoher Rechnungen für unterschiedliche Konstellationen angenommen (OLG Schleswig MMR 2011, 836, 837 mit zustimmender Anmerkung von Schmidt aaO S. 838; LG Münster K&R 2011, 359, 360 jeweils zur Aktualisierung von Navigationskarten mit großem Datenvolumen auf einem neu erworbenen beziehungsweise vermieteten Mobilfunkgerät; LG Kleve, Urteil vom 15. Juni 2011 - 2 O 9/11, juris Rn. 22 zum Entstehen hoher nutzungsabhängiger Durchleitungsgebühren im Ausland [Roaming] bei Vereinbarung einer Flatrate im Inlandsverkehr; LG Bonn K&R 2010, 679 mit zustimmender Anmerkung von Schmidt aaO S. 680, 681 zur ständigen Verbindung eines Routers mit dem Internet bei zeitabhängigem Tarif; LG Kiel MMR 2003, 422, 423 zur Einwahl in das Internet zu beinahe 200-fachen Kosten einer Standardverbindung; AG Frankfurt am Main MMR 2008, 496, 497 zum permanenten Einwählen eines Mobiltelefons in einen analogen Internetzugang; vgl. auch Landesgericht Feldkirch [Österreich], Urteil vom 7. September 2010 - 2 R 284/10w, im Internet abrufbar unter www.vol.at/2012/02/Entscheidung-LG-Feldkirch-2r284_10w.pdf zum unbeabsichtigten Roaming im Grenzgebiet).

bb) Auch in der vorliegenden Fallgestaltung bestand eine Hinweispflicht der Klägerin. Sie war gehalten, ihre Kunden bei Einführung des neuen Dienstes hinreichend deutlich - etwa durch ein Anschreiben, einen Hinweis auf den Rechnungen oder eine SMS - darüber zu unterrichten, dass der Zugang zum Internet per Mobilfunkgerät im Gegensatz zu den Telefonverbindungen nicht nach der Verbindungsdauer, sondern nach dem heruntergeladenen Datenvolumen berechnet wird. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste ein Durchschnittskunde bei der Erweiterung des Leistungsspektrums der Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie das Entgelt für den neuen Dienst nach anderen Parametern berechnen werde als für den Telefonverkehr, zumal bei der Internetnutzung über das Festnetz außerhalb von Pauschaltarifen eine zeitabhängige Entgeltberechnung zumindest weit verbreitet war. Darüber hinaus war die Klägerin verpflichtet, ihre Kunden darauf hinzuweisen, dass auch bei Nutzung nicht außergewöhnlich erscheinender Internetangebote sehr große Datenmengen anfallen können, die bei volumenabhängigen Verbindungsentgelten für den mobilen Netzzugang zu ungewöhnlich hohen Kosten führen. Der Durchschnittskunde musste auch hiermit mangels entsprechender Kenntnisse nicht rechnen, während der Klägerin als Telekommunikationsanbieter dies bekannt war. Hiernach bestand das Informationsgefälle, das für die Begründung von Hinweispflichten einer Vertragsseite zur Wahrung der Interessen des Gegners ausschlaggebend ist.

Ob die Klägerin diese Pflicht verletzt hat und ob solche notwendig abstrakt gehaltenen Hinweise den Beklagten davon abgehalten hätten, sein Mobilfunkgerät am 1. Januar 2008 wie geschehen zu nutzen, mithin ob der etwaige Verstoß dieser Pflichten kausal für den eingetretenen Schaden war, wird im neuen Berufungsverfahren festzustellen sein.

cc) Unter dem Vorbehalt im neuen Berufungsverfahren noch nachzuholender weiterer tatsächlicher Feststellungen bestand - neben der Pflicht zu den abstrakten Warnhinweisen bei Einführung der neuen Leistung - die Verpflichtung der Klägerin als Diensteanbieterin, ihre Kunden, etwa mittels einer SMS, zu warnen, wenn die Kosten für die jeweilige Inanspruchnahme des Internetdienstes den üblicherweise von einem durchschnittlichen Nutzer ausgeschöpften Rahmen signifikant überstiegen, so dass die Gefahr einer unbewussten Selbstschädigung nahe lag. Hierdurch hatte die Klägerin dem Nutzer die Möglichkeit zu geben, die Verbindung zur Vermeidung weiterer unerwünscht hoher Kosten zu beenden.

(1) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, dass der Beklagte im Januar 2008 im Gegensatz zur Klägerin keine zureichenden Möglichkeiten hatte, das durch die jeweilige Internetnutzung angefallene Entgeltaufkommen während der Verbindung zu verfolgen. Bei einem zeitabhängigen Tarif hat der Nutzer wenigstens die Chance, die entstehenden Gebühren abzuschätzen, da er die hierfür maßgeblichen Parameter - die Dauer der Verbindung und das vereinbarte Entgelt pro Zeiteinheit - kennen kann, wenngleich Letzteres angesichts der weitverbreiteten Unübersichtlichkeit der Tarife schon nur mit Einschränkungen gilt (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 14). Demgegenüber ist es den Nutzern regelmäßig nicht möglich, die im vorliegenden Fall für die Entgelthöhe maßgeblichen, von dem Mobilfunkgerät heruntergeladenen Datenmengen zu überblicken (Schmidt MMR 2011, 838). Diese hängen von der Größe der jeweils angewählten Dateien ab, welche für den Kunden mit seinem Mobiltelefon regelmäßig nicht erkennbar ist. Hiervon ist jedenfalls im Revisionsverfahren auszugehen, da gegenteilige Feststellungen insoweit fehlen. Dies gilt auch, soweit das Berufungsgericht meint, es obliege dem Besitzer eines Mobil-18 funkgeräts, sich eine Warnanzeige selbst zu installieren. Damit setzt das Berufungsgericht das Bestehen einer solchen Möglichkeit und die Zumutbarkeit für den Durchschnittskunden, diese wahrzunehmen, voraus, ohne allerdings die tatsächlichen Voraussetzungen hierfür festzustellen. Auch im Vortrag der Parteien findet sich für diese Annahme keine Grundlage, da dieser Gesichtspunkt von keiner Seite angesprochen wurde. Fehlt damit dem Nutzer ein Gebührenparameter, kann er die anfallenden Entgelte bei der mobilen Internetnutzung noch nicht einmal schätzen. Demgegenüber muss der Diensteanbieter die abgerufenen Datenmengen erfassen, da er sie zur Entgeltermittlung und -abrechnung benötigt (§ 97 Abs. 1 TKG). Hiernach besteht ein weiteres Informationsgefälle zwischen dem Nutzer und dem Diensteanbieter, das Hinweispflichten des Letzteren zur Wahrung der Interessen seiner Kunden begründen kann.

(2) Weitere Voraussetzung für eine Hinweispflicht der Klägerin gegenüber dem Beklagten ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der dem Rechtsstreit zu Grunde liegenden Internetnutzungen, also im Januar 2008, bereits die technischen Möglichkeiten bestanden, das übliche Entgeltaufkommen eines Kunden festzustellen, mit dem aktuellen Gebührenanfall abzugleichen und während des laufenden von dem Mobilfunkgerät abgewickelten Datenverkehrs eine Warnung zu versenden. Sollte es nicht möglich gewesen sein, das übliche Entgeltaufkommen des jeweiligen Kunden individuell zu erfassen, war auf den Durchschnittsnutzer abzustellen. Weiterhin muss der Einsatz der entsprechenden Computerprogramme wirtschaftlich zumutbar gewesen sein.

(3) Zu den unter Nummern (1) und (2) angeführten tatsächlichen Umständen fehlen bislang Feststellungen des Berufungsgerichts. Für die Voraussetzungen einer Pflichtverletzung der Klägerin ist grundsätzlich der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Für das weitere Verfahren weist der Senat jedoch darauf hin, dass an die Substantiierung des Vortrags des Beklagten keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen, obgleich er die Darlegungslast trägt. Vielmehr trifft die Klägerin eine sekundäre Darlegungslast, da der Beklagte keinen Einblick in die den Diensteanbietern im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten haben kann, die Klägerin hingegen die wesentlichen Tatsachen kennt und ihr deshalb nähere Angaben möglich und zumutbar sind (vgl. Senatsurteil vom 17. Januar 2008 - III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 214 jeweils mwN; siehe auch Senatsurteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 20).

(4) Ein der Entgeltforderung der Klägerin entgegenzusetzender Schadensersatzanspruch des Beklagten wegen Verletzung einer Hinweispflicht scheidet jedoch aus, wenn die Klägerin den Pflichtenverstoß nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist namentlich dann nicht anzunehmen, wenn im Januar 2008 zwar schon die technischen Möglichkeiten für die in Rede stehenden Warnhinweise bestanden, deren praktische Anwendung jedoch noch völlig unüblich war. In diesem Fall kann es der Klägerin nicht zum Vorwurf der Fahrlässigkeit (§ 276 Abs. 1, 2 BGB) gereichen, wenn sie die (etwaig) vorhandenen Computerprogramme noch nicht zum Einsatz gebracht hat.

3. Da der Rechtsstreit wegen der nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

Schlick Dörr Herrmann Seiters Tombrink Vorinstanzen:

AG Duisburg, Entscheidung vom 04.01.2011 - 2 C 2984/10 -

LG Duisburg, Entscheidung vom 13.07.2011 - 11 S 25/11 - 23






BGH:
Urteil v. 15.03.2012
Az: III ZR 190/11


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