Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2005
Aktenzeichen: 6 W (pat) 304/02

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2005, Az.: 6 W (pat) 304/02)

Tenor

Das Patent 196 27 833 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

Gegen die am 7.2.2002 veröffentlichte Erteilung des Patents 196 27 833 mit der Bezeichnung "Scheibenanordnung mit Dämpfer" ist am 7.5.2002 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei, zumindest aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Zur Begründung verweist die Einsprechende auf die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtige Druckschrift DE 35 42 847 A1 sowie auf die neu genannten Druckschriften DE 33 15 484 A1 und EP 0 134 139 A1. Sie ist der Auffassung, dass die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1, 10 und 12 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik nicht neu und nicht erfinderisch seien.

Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten.

Sie ist der Auffassung, dass die Gegenstände nach den nebengeordneten Ansprüchen 1, 10 und 12 durch den nachgewiesenen Stand der Technik weder vorweggenommen noch nahegelegt seien.

Im Prüfungsverfahren sind noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:

- DE 196 11 029 A1,

- DE 36 24 496 A1,

- DE 35 15 928 A1,

- DE 35 07 076 A1,

- DE-OS 23 36 365,

- JP 57-167 523 (Abstract),

- DE-Z: Industrieanzeiger Nr. 89/90, 1983, S. 20-22.

Der erteilte Anspruch 1 lautet:

"Scheibenanordnung (1) mit Dämpfer, welcher folgende Elemente aufweist:

eine erste Drehplatte (3) mit Fenstern, die einen ersten Aufnahmebereich (3c) bilden und ein Paar zweite, konzentrisch zur und seitlich der ersten Drehplatte (3) angeordnete Drehplatten (4, 5), welche relativ zur ersten Drehplatte (3) drehbar und entsprechend dem ersten Aufnahmebereich (3c) zweite Aufnahmebereiche (4a, 5a) aufweisen;

ein innerhalb jeweils eines ersten und zweiten Aufnahmebereichs (3c, 4a, 5a) angeordnetes elastisches Element (7), welches die erste Drehplatte (3) mit den zweiten Drehplatten (4, 5) in Umfangsrichtung elastisch koppelt, und am radialen Außenrand der ersten Aufnahmebereiche (3c) in beiden Seitenflächen der ersten Drehplatte vorgesehene, in Umfangsrichtung verlaufende Nuten (3e) aufweist, in denen je ein schmiermittelimprägniertes Element (11a, 11b) angeordnet ist, so dass in Abhängigkeit von Zentrifugalkräften das elastische Element (7) die schmiermittelimprägnierten Elemente (11a, 11b) berührt.".

Der nebengeordnete Anspruch 10 lautet:

"Scheibenanordnung (100) mit Dämpfer, welche folgende Elemente aufweist:

eine erste und zumindest eine zweite Drehplatte (102, 105, 106) mit mehreren darin ausgebildeten Fenstern (102d), in denen jeweils ein elastisches Element (108) angeordnet ist, um die erste und zweite Drehplatte drehelastisch zu verbinden;

wobei die Fenster (102d) der ersten Drehplatte (105, 106) am radialen Außenrand einen axial ausgestellten erhabenen Bereich (105a, 106a) aufweisen, der mit mehreren winzigen Öffnungen (140) versehen ist, die in den erhabenen Bereich eindringen oder ihn durchdringen, und die Oberflächen jedes erhabenen Bereichs (105a, 106a) und der winzigen Öffnungen (140) gehärtet sind."

Der nebengeordnete Anspruch 12 lautet:

"Scheibenanordnung (100) mit Dämpfer, welche folgende Elemente aufweist:

eine erste und zumindest eine zweite Drehplatte (102, 105, 106) mit mehreren darin ausgebildeten Fenstern (102d), in denen jeweils ein elastisches Element (108) angeordnet ist, um die erste und zweite Drehplatte drehelastisch zu verbinden;

wobei die Fenster (102d) der ersten Drehplatte (105, 106) am radialen Außenrand einen axial ausgestellten erhabenen Bereich (105a, 106a) aufweisen, und Schmiermittelelemente (211, 311), die an den erhabenen Bereichen derart angeordnet sind, dass in Abhängigkeit von Zentrifugalkräften die elastischen Elemente (108) ein entsprechendes Schmiermittelelement (211; 311) berühren, und jeder erhabene Bereich (105a, 106a; 206a; 306a) mit mehreren Ausnehmungen (206b, 306c) an dessen Oberfläche ausgebildet ist, in denen das Schmiermittelelement verankert ist."

Wegen der Unteransprüche 2 bis 9, 11 und 13 bis 16 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig, was auch von der Patentinhaberin nicht in Zweifel gezogen worden ist.

3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die Gegenstände der erteilten Ansprüche 1 bis 16 sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart, die Ansprüche sind somit zulässig.

Der erteilte Anspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 i. V. m. S. 9, Abs. 2 und den Fig. 1 bis 3, der erteilte Anspruch 10 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 12 und der erteilte Anspruch 12 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 14. Die erteilten Ansprüche 2 bis 9, 11 und 13 bis 16 entsprechen im Wesentlichen den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 9, 11, 13 und 15 bis 18.

Die Zulässigkeit der erteilten Ansprüche ist im übrigen von der Einsprechenden auch nicht in Zweifel gezogen worden.

b. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Scheibenanordnung nach Anspruch 1 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche in diesem Anspruch enthaltenen Merkmale zeigt, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.

c. Die Scheibenanordnung gemäß dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 ergebe sich aus einer Zusammenschau der DE 35 42 847 A1 und der DE 33 15 484 A1.

Die DE 35 42 847 A1 erläutert eine Scheibenanordnung, bei welcher die Verschleißzonen durch Flammschockspritzen mit einem Metallkarbid beschichtet sind. Diese Beschichtung soll zu einem geringeren Verschleiß führen. Ein Hinweis auf das Anbringen von schmiermittelimprägnierten Elementen ist dieser Druckschrift jedoch nicht zu entnehmen.

In der DE 33 15 484 A1 ist eine Scheibenanordnung erläutert, bei welcher Reibsegmente 16, 17 vorgesehen sind. Diese Reibsegmente dienen - wie der Name schon sagt - zur Erzeugung oder Erhöhung der Reibung (vgl. auch die Zusammenfassung, S. 4, Abs. 1 oder S. 6, Z. 13 und 14). Die Reibsegmente bewirken somit genau das Gegenteil der schmiermittelimprägnierten Elemente der Erfindung, die eine Herabsetzung der Reibung erzeugen sollen (vgl. auch Abs. [0051] in der Streitpatentschrift). Da die DE 33 15 484 A1 und die Streitpatentschrift grundsätzlich andere, einander entgegen gesetzte Zielrichtungen verfolgen, kann somit von der DE 33 15 484 A1 keine Anregung in Richtung auf den Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehen, zumal in der DE 33 15 484 A1 darüber hinaus auch die konstruktive Ausgestaltung mit am radialen Außenrand der ersten Aufnahmebereiche in beiden Seitenflächen der ersten Drehplatte vorgesehenen, in Umfangsrichtung verlaufenden Nuten fehlt.

Auch eine Zusammenschau der DE 35 42 847 A1 mit der DE 33 15 484 A1 ergibt keine andere Betrachtungsweise, da dem Fachmann - einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet von Schwingungsdämpfern - die spezielle Anordnung und Wirkung von schmiermittelimprägnierten Elementen durch keine der beiden Druckschriften nahegebracht wird.

Eine solche Anregung erhält der Fachmann auch nicht bei Kenntnis der übrigen, seitens der Einsprechenden zwar genannten, aber im Zusammenhang mit dem Anspruch 1 nicht mehr aufgegriffenen bzw. im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften, da diese allesamt noch weiter vom Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 abliegen. Folglich konnte auch eine Zusammenschau des Standes der Technik nicht zum beanspruchten Gegenstand führen.

d. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Scheibenanordnung nach dem nebengeordneten Anspruch 10 ist neu, da keine der genannten Druckschriften sämtliche in diesem Anspruch enthaltenen Merkmale zeigt, wie sich auch aus den folgenden Ausführungen ergibt.

e. Die Scheibenanordnung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 10 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie die Einsprechende selbst zutreffend in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, unterscheidet sich der Gegenstand des erteilten Anspruch 10 dadurch von dem Gegenstand der DE 35 42 847 A1, dass der erhabene Bereich mit mehreren winzigen Öffnungen versehen ist, die in den erhabenen Bereich eindringen oder ihn durchdringen.

Zu einer solchen Ausgestaltung wird der Fachmann aber weder durch die DE 35 42 847 A1 noch durch den übrigen Stand der Technik angeregt, da entsprechende Hinweise fehlen und auch das allgemeine Fachwissen keine Fingerzeige liefert, um durch die Anordnung von mehreren winzigen Öffnungen, deren Oberflächen gehärtet sind, in dem erhabenen Bereich den Verschleiß zu verringern (vgl. Abs. [0056] in der Streitpatentschrift).

f. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Scheibenanordnung nach dem nebengeordneten Anspruch 12 ist neu, da keine der genannten Druckschriften eine Scheibenanordnung mit sämtlichen Merkmalen dieses Anspruchs zeigt.

Dies wird auch von der Einsprechenden nicht bestritten.

g. Die Scheibenanordnung gemäß dem nebengeordneten Anspruch 12 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Zum nebengeordneten Anspruch 12 verweist die Einsprechende auf die EP 0 134 139 A1 und die DE 33 15 484 A1 und hält den Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 12 für nicht erfinderisch gegenüber diesen Druckschriften.

Die EP 0 134 139 A1 offenbart eine Scheibenanordnung, bei welcher die elastischen Elemente von Führungsgliedern gehalten werden, welche die elastischen Elemente seitlich umschließen. Diese Führungsglieder bestehen aus einem Material mit einem geringen Reibungskoeffizienten (vgl. S. 4, Z. 31 und 32), um so die Reibung zwischen den elastischen Elementen und den Führungsgliedern zu verringern (vgl. S. 2, Z. 3 bis 8). Eine Ausgestaltung, bei welcher erfindungsgemäß die Schmiermittelelemente an den erhabenen Bereichen angeordnet sind und jeder erhabene Bereich an seiner Oberfläche mit mehreren Ausnehmungen versehen ist, in denen die Schmiermittelelemente verankert sind, kann mangels entsprechender Hinweise durch die in der EP 0 134 139 A1 offenbarte Ausbildung aber schon allein deshalb nicht nahegebracht werden, da dort keinerlei erhabene Bereiche im erfindungsgemäßen Sinne vorhanden sind.

Auch die DE 33 15 484 A1 kann weder allein betrachtet noch in Verbindung mit der EP 0 134139 A1 zum Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 12 führen. Denn in der DE 33 15 484 A1 sind weder Schmiermittelelemente an den erhabenen Bereichen angeordnet, noch ist jeder erhabene Bereich an seiner Oberfläche mit mehreren Ausnehmungen versehen, in denen die Schmiermittelelemente verankert sind. Vielmehr sind dort die an den elastischen Elementen anliegenden Teile 16 als Reibsegmente ausgebildet, welche - wie bereits oben ausgeführt - eine grundsätzlich andere Funktion und Wirkungsweise als die erfindungsgemäßen Schmiermittelelemente haben.

Die übrigen seitens der Einsprechenden zwar genannten, aber im Zusammenhang mit dem Anspruch 12 nicht mehr aufgegriffenen bzw. im Prüfungsverfahren berücksichtigten Druckschriften liegen allesamt noch weiter vom Gegenstand des nebengeordneten Anspruchs 12 ab, so dass dem Stand der Technik weder einzeln betrachtet noch in einer Zusammenschau weiterführende Hinweise entnommen werden können.

h. Zusammen mit den Ansprüchen 1, 10 und 12 sind auch die auf sie unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 9, 11 und 13 bis 16 bestandsfähig, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen der Scheibenanordnungen nach den Ansprüchen 1, 10 und 12 betreffen.

Lischke Schmidt-Kolb Schneider Müller Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2005
Az: 6 W (pat) 304/02


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