Landgericht Bonn:
Urteil vom 7. September 2011
Aktenzeichen: 16 O 15/11

(LG Bonn: Urteil v. 07.09.2011, Az.: 16 O 15/11)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, zu dessen Mitgliedern auch Industrie- und Handelskammern gehören. Der Beklagte ist Architekt (BDA), seit nahezu 30 Jahren Mitglied der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, und als Sachverständiger in erheblichem Umfang ausschließlich für Gerichte tätig. Mitglied einer Industrie- und Handelskammer ist der Beklagte nicht. Am 22.06.2011 bezeichnete sich der Beklagte auf der von dem Cer Gerichtssachverständigenverein e.V. betriebenen Internetseite www.sv-C.de im Mitgliederverzeichnis u.a. wie folgt:

„Name: T

Vorname: L

akad. Titel: Architekt BDA

sonst. Titel: Bau-Sachverständiger

(…)

Tätigkeitsschwerpunkte:

- Schäden an Gebäuden *

- Architektenleistungen und Architektenhonorare *

- Prüfung des Schallschutzes DIN 4109 und des Wärmeschutzes DIN 4108

- Bauabrechnungssachen“

Diesen Umstand nahm der Kläger zum Anlass, den Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2010 abzumahnen und ihn aufzufordern, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit folgendem Inhalt abzugeben:

„(…)

1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit der Angabe „Bau-Sachverständiger“ ohne Nennung eines oder mehrerer Sachgebiete zu werben.

2. für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen die unter Ziffer 1. aufgeführte/n Verpflichtung an die Wettbewerbszentrale eine Vertragsstrafe von 4.000,00 EUR (viertausend) zu zahlen.

(…)

Der Beklagte trat dem Unterlassungsbegehren mit anwaltlichem Schreiben vom 07.07.2010 entgegen und verlangte unter dem 14.07.2010 seinerseits von dem Kläger die Erklärung, dass die Bezeichnung als „Bau-Sachverständiger i.V.m. der auf der Homepage des C Gerichtssachverständigenvereins e.V. aufgeführten Erläuterungen hierzu“ keinen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG darstelle. Wegen des vollständigen Inhalts der vorbezeichneten Schreibens wird auf die von dem Kläger in Kopie zur Akte gereichte Fassung, Bl. ... bis ... der Akte, verwiesen. Ein von dem Kläger bei der Einigungsstelle der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg eingeleitetes Einigungsverfahren gemäß § 15 UWG blieb ergebnislos.

Der Kläger begehrt Unterlassung und Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten. Er behauptet, die „Sachgebietseinteilung im Bauwesen“ umfasse insgesamt 23 Sachgebiete mit einer Vielzahl von Untergruppen, auf denen durchgängig eine Einzelperson in keinem Fall auch nur ansatzweise über eine überdurchschnittliche Sach- und Fachkunde verfügen könne. Der Beklagte maße sich hingegen, so die Ansicht des Klägers, mit der Bezeichnung „Bau-Sachverständiger“ eine Befähigung „als Experte im gesamten Baubereich“ an.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, zu unterlassen, sich bei geschäftlichen Handlungen als „Bau-Sachverständiger“ ohne Nennung eines oder mehrerer Sachgebiete zu bezeichnen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 208,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte sieht sich zur Unterlassung und Kostenerstattung nicht verpflichtet. Die Bezeichnung „Bau-Sachverständiger“ stelle eine Oberkategorie dar, die der Abgrenzung von anderen Sachverständigen diene und, so behauptet der Beklagte, von den angesprochenen Verkehrskreise auch nicht missverstanden werde, zumal er diese.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch darauf, es zu unterlassen, sich bei geschäftlichen Handlungen als „Bau-Sachverständiger“ ohne Nennung eines oder mehrerer Sachgebiete zu bezeichnen. Ein dahingehender Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 in Verb. mit §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG, wonach derjenige, der irreführende und damit unlautere Wettbewerbsmaßnahmen ergreift, Mitbewerbern und Wettbewerbsverbänden zur Unterlassung verpflichtet ist. Zwar zählt zu werbenden geschäftlichen Handlungen im Sinne von § 2 UWG auch die Veranlassung kommerzieller Mitteilungen, die (mittelbar) der Förderung des Absatzes von Dienstleistungen dienen. Dies gilt für die Nutzung von Mitgliedsverzeichnissen, wenn die darin enthaltenen Angaben - wie hier - zur Information der angesprochenen Verkehrskreise frei zugänglich in das Internet eingestellt werden (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 14.3.2001 - 14 U 2585/00, WRP 2001, 840). Dem geltend gemachten Anspruch steht jedoch entgegen, dass der Beklagte diesem nicht zuwider gehandelt hat. Denn mit den Angaben auf der Internetseite des Cer Gerichtssachverständigenvereins vom 22.06.2010 erfüllt der Beklagte das streitgegenständliche Unterlassungsbegehren (ungeachtet seiner inhaltlichen Berechtigung). Es fehlt bereits an einer Erstbegehungsgefahr. So erfolgt die dortige Verwendung der Bezeichnung als „Bau-Sachverständiger“ - bei verständiger Würdigung - unter Bezugnahme auf näher bezeichnete Tätigkeitsschwerpunkte und damit auf bestimmte Sachgebiete. Dass diese der Sachgebietseinteilung der Industrie- und Handelskammern nicht entsprechen, hat der Kläger weder behauptet noch ergibt sich das aus der von ihm zur Akte gereichten „Sachgebietseinteilung Bauwesen“ (vgl. die dortigen Ziffer 1., 1.2, 1.3, 18. und 22.). Ungeachtet dessen begegnet die Annahme, eine Aufteilung des Bauwesens in Sachgebiete könne durch die Industrie- und Handelskammern über das Wettbewerbsrecht mit verbindlicher Wirkung auch für Nichtmitglieder festgelegt werden, durchgreifenden Bedenken.

Unabhängig davon fehlt es an einer irreführenden Werbung des Beklagten. Bei der Frage, in welcher Weise der angesprochene Verkehr die Werbung versteht, ist darauf abzustellen, ob die Angaben so gestaltet sind, dass sie bei einem nicht unerheblichen Teil der durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, die das Geschehen mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgen, über wesentliche Merkmale der beworbenen Leistung eine Fehlvorstellung verursachen (OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2007 - 2 U 13/07, WRP 2008, 151). Nach dieser Maßgabe verstößt eine Werbung mit der Bezeichnung als „Bau-Sachverständiger“ ohne Angabe von Sachgebieten nicht gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG (ebenso LG Hamburg, Urt. v. 2.8.2005 - 312 O 211/05, MD 2006, 264; offenlassend LG Tübingen, Urt. v. 2.2.2007 - 20 O 34/06, WRP 2008, 151; a.A. LG Regensburg, Urt. v. 28.2.2002 - 1 HK O 1970/01, WRP 2003, 122). Das kann die Kammer, deren Mitglieder sowohl zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören als auch regelmäßig mit Wettbewerbssachen befasst sind, aus eigener Sachkunde beurteilen.

Von einem „Sachverständigen“ wird erwartet, dass er über die erforderliche Sachkunde in einem bestimmten Fachgebiet, d.h. über uneingeschränkt fundiertes Fach- und Erfahrungswissen sowie einen entsprechenden Ausbildungs- oder Studienabschluss verfügt (BGH, Urt. v. 6.2.1997 - I ZR 234/94, MDR 1997, 1049; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2007 - 2 U 13/07, WRP 2008, 151; LG Hamburg, Urt. v. 2.8.2005 - 312 O 211/05, MD 2006, 264). Der demnach - hier - für das „Bauwesen“ erforderliche Sachverstand ist bei einem Architekten schon aufgrund seiner Ausbildung und der damit erworbenen Befähigung vorhanden. Ein Befund von dem im Übrigen auch der Gesetzgeber ausgeht. Gemäß § 1 BauKaG NRW obliegt dem Architekten die Planung von Bauwerken einschließlich der Beratung, Betreuung und Vertretung des Auftraggebers in den mit der Planung und Ausführung eines Vorhabens zusammenhängenden Angelegenheiten sowie die Überwachung der Ausführung. Hierzu gehören nach § 1 Abs. 5 BauKaG NRW auch Sachverständigen-, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sowie Dienstleistungen bei der Vorbereitung und Steuerung von Planungs- und Baumaßnahmen (im Ergebnis ebenso LG Hamburg, Urt. v. 2.8.2005 - 312 O 211/05, MD 2006, 264). Dass es im Einzelfall der Begutachtung eines weitergehenden Studiums bereits von Dritten gewonnener Erkenntnisse bedarf, liegt in der Natur der Sache und ist kein Phänomen der Tätigkeit des Architekten als einem Sachverständigen. Diese Annahme liegt auch der bei den angesprochenen Verkehrskreisen anzutreffenden Verwendung der Bezeichnung „Bausachverständiger“ zugrunde (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.09.2005 - I-20 U 213/04, NZBau 2006, 517 - Architekt als Bausachverständiger; Bogusch/Weber, Prüfungsfragen für Bausachverständige, 4. Auflage, 2011; Leupertz/Hettler, Der Bausachverständige vor Gericht, Praxisleitfaden, 2007; Röhrich, Das Gutachten des Bausachverständigen, 2. Auflage, 2007; Krell/Renz, Die Haftung des Bausachverständigen, 1. Auflage 2007) und entspricht dem historisch gewachsenen Begriffsverständnis. Zudem würde vorliegend eine aus der Verwendung der Bezeichnung „Bau-Sachverständiger“ - bei abweichender Betrachtung - erwachsene Irreführung durch die dem Leser der Internetseite anderweitig zu Teil gewordene Aufklärung verhindert. Denn etwaigen Fehlvorstellungen über die Reichweite der dem Beklagten zukommenden Sachkunde wird durch die dort aufgeführten Tätigkeitsschwerpunkte begegnet.

Die für die Werbung als „öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger“ aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1984 - I ZR 93/82, MDR 1985, 27 - bestellter Kfz-Sachverständiger; OLG Hamm, Urt. v. 7.12.1982 - 4 U 178/82, GRUR 1983, 673; OLG Stuttgart, Urt. v. 27.9.2007 - 2 U 13/07, WRP 2008, 151) rechtfertigen keine abweichende Bewertung. Den dort beruht die Annahme der Irreführung darauf, dass der Werbende den Hinweis auf eine uneingeschränkte Anerkennung durch die Industrie- und Handelskammer mit dem Angebot von Leistungen verbindet, die jedenfalls dem Anschein nach dem Fachgebiet der Bestellung entsprechen. Es liegt nahe, dass bei einem derartigen Vorgehen alle Leistungen von den angesprochenen Verkehrskreisen als von der öffentlichen Bestellung erfasst angesehen sein werden und die irrige Annahme begründet, sein durch eine Prüfung nachgewiesenes - und deshalb von dritter Seite anerkanntes - Fachwissen den Standard seiner Mitbewerber auch in den von der Bestellung nicht erfassten Bereiche übertreffe (vgl. BGH, a.a.O.).

II. Mangels Wettbewerbsverletzung kommt auch ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der ihm mit der Abmahnung entstandenen Kosten gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG nicht in Betracht.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1, 2 ZPO.

Streitwert: 15.000,00 €






LG Bonn:
Urteil v. 07.09.2011
Az: 16 O 15/11


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