Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. August 1993
Aktenzeichen: 6 U 19/93
(OLG Köln: Urteil v. 13.08.1993, Az.: 6 U 19/93)
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 1. Dezember 1992 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 430/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die zulässige Berufung der
Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die einstweilige Verfügung des
Landgerichts Köln vom 7. August 1992 ist auch nach dem
Berufungsvorbringen der Parteien gerechtfertigt. Der
Antragsteller kann von der Antragsgegnerin aufgrund des Vertrags
der Parteien vom Januar 1992 Unterlassung des Vertriebs des im
vorliegenden Verfahren beanstandeten Modells "S." verlangen.
Daß zwischen den Parteien im Januar
1992 ein Unterlassungsvertrag mit dem Inhalt zustandegekommen ist,
wie er sich aus der Unterwerfungserklärung der Antragsgegnerin vom
21. Januar 1992 ergibt, ist unstreitig. Gegenstand dieser
Unterwerfung sind unter anderem auch Tischböcke mit der
Bezeichnung "S.", hinsichtlich deren sich die Antragsgegnerin
verpflichtet hat, es zu unterlassen, diese Möbelstücke
"gemäß den beigefügten Abbildungen
herzustellen und/oder zu vertreiben und/oder zu bewerben".
Die nunmehr von dem Antragsteller
angegriffenen Tischböcke "S." der Antragsgegnerin sind zwar nicht
völlig identisch mit den in der Unterwerfungserklärung vom 21.
Januar 1992 abgebildeten Modellen. Sie werden aber dennoch von der
vertraglichen Unterlassungsverpflichtung der Antragsgegnerin
umfaßt.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts
ist es allerdings nicht zwangsläufig, daß sich eine vertragliche
Unterlassungspflicht auch auf solche Verhaltensweisen erstreckt,
die nur im "Kern" der Wettbewerbshandlung entsprechen, die von den
Parteien zum Gegenstand des Unterlassungsvertrags gemacht wurde.
Die Parteien können eine vertragliche Verpflichtung beliebig
gestalten und haben es folglich auch in der Hand, eine derartige
Ausdehnung des Unterlassungsvertrags über die ganz konkrete
Verletzungsform hinaus auszuschließen. Es ist daher in jedem
Einzelfall nach den allgemein für eine Vertragsauslegung gültigen
Regeln der §§ 133, 157, 242 BGB zu ermitteln, was Inhalt und
Reichweite des Unterlassungsvertrags ist (vgl. dazu BGH GRUR
1992/61 f. "Preisvergleich"; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche
Ansprüche, 6. Aufl., Kap. 12, Rn. 13, m.w.N.). Im Streitfall ergibt
jedoch eine Auslegung nach diesen Grundsätzen, daß die im Vertrag
vom Januar 1992 begründete Unterlassungspflicht der
Antragsgegnerin nicht nur eine identische Wiederholung der
damaligen Verletzungsform der Tischböcke "S." umfaßt, sondern
ebenfalls Formen, die - wie die nunmehr beanstandeten Tischböcke
"S." - trotz ihrer Abweichungen das Charakteristische der zur
Unterlassung erklärten Handlung aufweisen.
Maßgebliche Bedeutung kommt bei der
Auslegung dem Wortlaut der Unterwerfungserklärung der
Antragsgegnerin vom 21. Januar 1992 zu. Dieser Wortlaut bietet
aber keine Grundlage für die von der Antragsgegnerin geltend
gemachte Begrenzung ihrer Unterlassungspflicht auf die in der
Unterwerfungserklärung abgebildeten Möbelstücke in ihrer ganz
konkreten Gestaltung. Ausdrückliche oder sinngemä-ße verbale
Hinweise auf einen derartigen (dem Antragsteller auch erkennbaren)
Willen der Antragsgegnerin bei Abgabe der Unterwerfung wie z.B.
Formulierungen wie "nur" oder "ausschließlich" sind der Erklärung
vom 21. Januar 1992 nicht zu entnehmen.
Eine andere Beurteilung der Reichweite
des Unterlassungsvertrags ergibt sich auch nicht daraus, daß die
Unterwerfungserklärung der Antragsgegnerin auf die dort
abgebildeten Möbelstücke Bezug nimmt. Hierbei handelt es sich um
die in Wettbewerbsstreitigkeiten übliche Form einer Unterwerfung,
bei der die verbale Umschreibung der zur Unterlassung erklärten
Handlung durch die bildliche Wiedergabe der sog. konkreten
Verletzungsform ersetzt wird, eine Verfahrensweise, die sich gerade
in Streitigkeiten um Ausstattungen anbietet, da sich die Merkmale,
die die Wettbewerbswidrigkeit begründen (sollen), meist nur schwer
bzw. unvollkommen mit Worten darstellen lassen. Rückschlüsse auf
einen Willen des (vermeintlichen) Verletzers, seine
Unterlassungspflicht ausschließlich auf diese konkrete
Verletzungsform zu begrenzen, lassen sich somit (allein) aus einer
derartigen Form der Unterwerfungserklärung nicht ziehen.
Aber auch das Abmahnschreiben des
Antragstellers vom 9. Januar 1992, mit dem der Antragsteller von
der Antragsgegnerin die dann am 21. Januar 1992 abgegebene
Unterwerfungserklärung gefordert hatte, sowie der übrige Inhalt des
Antwortschreibens der Antragsgegnerin vom 21. Januar 1992 stützen
nicht die Ansicht der Antragsgegnerin zum Umfang ihrer
Unterwerfung. Diese Schreiben bestätigen vielmehr, daß sich die
Parteien bei Abschluß des Unterlassungsvertrags sehr wohl bewußt
waren, daß nicht sämtliche Merkmale des damals beanstandeten
Modells "S." mit den für das Modell "V." des Antragstellers
charakteristischen und prägenden Merkmale übereinstimmten. Der
Antragsteller hat in seiner Abmahnung vom 9. Januar 1992 geltend
gemacht,daß er "S." als sklavische Nachahmung von "V." ansehe und
die bei dem Modell der Antragsgegnerin vorhandenen "Durchbrüche"
"...keine hinreichende Abweichung von der stark charakteristischen
Form des geschützten Musters schaffen" könnten. Die Antragsgegnerin
hat ihrerseits im Schreiben vom 21. Januar 1992 auf die "3
auffälligen trapezförmigen Ausnehmungen" bei ihren Tischböcken im
Unterschied zu "V." hingewiesen, aber dennoch die von dem
Antragsteller geforderte Unterwerfungserklärung zu dem damals
beworbenen Modell "S." abgegeben. In Verbindung mit dem Wortlaut
der Unterwerfung rechtfertigen diese Umstände den Schluß, daß die
Parteien im Januar 1992 den Unterlassungsvertrag nicht auf die
konkrete Verletzungsform mit ihren sämtlichen Details beschränkt
haben, vielmehr eine Unterlassungspflicht der Antragsgegnerin
hinsichtlich solcher Modelle begründen wollten, die ungeachtet
ihrer Abweichungen gegenüber der Gestaltung von "V." im
Gesamteindruck mit diesen Tischböcken des Antragstellers in
gleicher Weise übereinstimmen wie die in der
Unterwerfungserklä-rung der Antragsgegnerin bildlich
wiedergegebenen Tischböcke "S.".
Bei diesem Verständnis der Reichweite
der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung der Antragsgegnerin
kann aber kein Zweifel bestehen, daß die Antragsgegnerin aufgrund
ihres Vertrags vom Januar 1992 mit dem Antragsteller auch zur
Unterlassung des Vertriebs der in ihrem Katalog "C. 1992"
beworbenen Form der Tischböcke "S." verpflichtet ist. Dieses
aktuelle und von dem Antragsteller mit seinem Verfügungsantrag
beanstandete Modell von "S." stimmt nahezu vollständig mit der
früheren Gestaltung von "S. " überein. Die Abweichungen beider
Modelle beschränken sich, wie bereits vom Landgericht zutreffend
ausgeführt, auf eine im unteren Bereich der äußeren Wange
vorgenommene Abknickung sowie darin, daß der Fuß der inneren Wange
nunmehr nach außen zeigt, während sie bei dem früheren Modell der
Antragsgegnerin nach innen gebogen war. Diese Unterschiede sind
jedoch nicht geeignet, einen abweichenden Gesamteindruck des neuen
Modell "S." gegenüber dem zur Unterlassung erklärten Modell zu
begründen.
Für die abweichende Gestaltung am Fuß
der inneren Wange gilt dies schon deshalb, weil dieser Unterschied
selbst von dem sorgfältigen Betrachter nicht bemerkt wird,
geschweige denn vom durchschnittlichen flüchtigen Betrachter,
zumal die Spitze der inneren Wange nur leicht abgeknickt ist. In
entsprechender Weise ist die Abknickung im unteren Bereich der
äußeren Wange der Tischböcke zu beurteilen. Diese Abknickung
erscheint schon in der zeichnerischen Darstellung des
streitgegenständlichen Modells "S." als wenig auffällig. Bei dem
Original der Tischböcke fällt diese in der Zeichnung als scharfe
Linie dargestellte Abknickung wegen ihres sehr stumpfen Winkels dem
Betrachter noch weniger auf, wie schon vom Landgericht zu Recht
festgestellt, und wird letztlich weder in der Seitenansicht noch in
der Vorderansicht als Unterbrechung der charakteristischen Schräge
der äußeren Wange empfunden. Dazu trägt auch bei, daß sich der
Knick am unteren Ende der Wange befindet und dadurch zusätzlich
unauffällig wirkt. Die vorgenannten Unterschiede verändern daher
nicht die charakteristische Form von "S.", wie sie Gegenstand des
Unterlassungsvertrags der Parteien vom Januar 1992 ist, und
vermögen insbesondere auch nichts daran zu ändern, daß das neue
Modell "S." der Antragsgegnerin nach dem maßgeblichen
Gesamteindruck der Modelle in der selben Weise mit den Tischböcken
"V." des Antragstellers übereinstimmt wie die frühere Gestaltung
von "S.". Im übrigen sind diese Unterschiede dergestalt, daß sie
nach dem derzeitigen Sachstand als offensichtlicher Versuch der
Antragsgegnerin erscheinen, ihre Unterlassungspflicht aus dem
Vertrag mit dem Antragsteller zu umgehen, so daß ein vertraglicher
Unterlassungsanspruch des Antragstellers im Streitfall selbst dann
zu bejahen wäre, wenn sich der Unterlassungsvertrag tatsächlich nur
auf die ganz konkrete Verletzungsform des damals
streitgegenständlichen Modells "S." beziehen würde.
Ist somit das Unterlassungsbegehren des
Antragstellers schon aufgrund des Vertrags der Parteien vom Januar
1992 begründet, kann dahinstehen, ob der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung ebenfalls gem. §§ 14 a GeschmG, 1 UWG
erfolgreich ist.
Die Entscheidung über die Kosten der
Berufungsinstanz beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gem. § 545 Abs. 2 ZPO
mit der Verkündung rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 13.08.1993
Az: 6 U 19/93
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