Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2005
Aktenzeichen: 5 W (pat) 17/04
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2005, Az.: 5 W (pat) 17/04)
Tenor
Die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterstelle - vom 5. April 2004 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Anmelderin hat am 31. Oktober 2003 bei der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts eine Gebrauchsmusteranmeldung mit der Bezeichnung "Bearbeitungszentrum für Holz- und Kunststoff-Werkstoffe" eingereicht und die Abzweigung aus dem deutschen Patent 195 18 965.5 erklärt. Dieses Patent war am 23. Mai 1995 angemeldet und im Jahr 1999 erteilt worden. Gegen die Patenterteilung wurde Einspruch eingelegt. In dem sich anschließenden Einspruchsverfahren verteidigte die Antragstellerin das Patent im Umfang der mit Schriftsatz vom 8. Januar 2003 eingereichten Patentansprüche 1 bis 17, die sich von den der Patenterteilung zugrundegelegten Patentansprüchen 1 bis 17 nur durch die Berichtigung eines offensichtlichen Schreibfehlers des ersten Wortes des Patentanspruchs 7 von "Bearbeitungsmagazin" in "Bearbeitungszentrum" unterschieden. Der Einsprechende hat seinen Einspruch zurückgenommen. Die Patentabteilung 14 hat das Patent mit Beschluss vom 21. Mai 2003 aufrechterhalten. Für den Inhalt dieses Beschlusses und den Verlauf des vorangegangenen Einspruchsverfahrens wird in vollem Umfang Bezug genommen auf die Folgeakte I zu der patentamtlichen Akte über das Erteilungsverfahren zu der deutschen Patentanmeldung 195 18 965.5-14 (patentamtliche Folgeakte I). Der Aufrechterhaltungsbeschluss vom 21. Mai 2003 wurde der Anmelderin am 16. Juni 2003 zugestellt.
Die zugestellte Ausfertigung unterschied sich von dem bei den patentamtlichen Akten befindlichen Original in folgendem Punkt: Während es im Original (Rückseite von Bl 54 der patentamtlichen Folgeakte I) im Tenor ua lautet:
"Folgende Änderungen der Unterlagen sind vorgenommen worden:
Im Patentanspruch 7 ist das Wort "Bearbeitungsmagazin" durch "Bearbeitungszentrum" zu ersetzen.", heißt es an der entsprechenden Stelle in der zugestellten Ausfertigung "Patentanspruch 1" (und nicht "Patentanspruch 7").
Am 23. Juni 2003 hat die Anmelderin bei der Patentabteilung 14 eine Berichtigung des Aufrechterhaltungsbeschlusses vom 21. Mai 2003 beantragt und diesen Antrag wie folgt begründet:
"Auf Seite 1 des Beschlusses in der vorletzten Zeile wird hinsichtlich der Änderung der Unterlagen Patentanspruch 1 genannt. Die Patentabteilung 14 meint jedoch hinsichtlich dieser Änderung den Patentanspruch 7, wie sich aus dem vorletzten Satz der Seite 5 des Beschlusses ergibt. Der vorletzte Satz der Seite 5 des Beschlusses steht im übrigen in Übereinstimmung mit dem Antrag der Anmelderin mit Schriftsatz vom 8. Januar 2001."
Daraufhin hat die Patentabteilung 14 den Beschluss vom 21. Mai 2003 mit Beschluss vom 24. Juli 2003 antragsgemäß berichtigt. In den Gründen dieses Beschlusses heißt es:
"In o.g. Beschluss wurde eine bei der Ausfertigung des Beschlusses entstandene offenbare Unrichtigkeit (Schreibfehler) berichtigt, weil für jeden Dritten aus den Unterlagen - Original des Beschlusses - klar erkennbar ist, dass die genannte Änderung im Patentan-
spruch 7 vorgenommen wurde."
Dieser Beschluss wurde der Anmelderin am 5. August 2003 zugestellt.
In dem gebrauchsmusterrechtlichen Anmeldeverfahren hat die Gebrauchsmusterstelle mit Bescheid vom 17. Dezember 2003 die Auffassung vertreten, dass die für die Gebrauchsmusteranmeldung vom 31. Oktober 2003 erklärte Abzweigungserklärung aus dem deutschen Patent 195 18 965.5 unwirksam sei, weil diese Erklärung später als zwei Monate nach dem Ende des Monats abgegeben worden sei, in dem das Einspruchverfahren gegen dieses Patent abgeschlossen war. Maßgebend für die Berechnung dieser Frist sei der Eintritt der Bestandskraft des Aufrechterhaltungsbeschlusses vom 21. Mai 2003, der der Anmelderin am 16. Juni 2003 zugestellt worden war. Die Bestandskraft dieses Beschlusses sei am 17. Juli 2003 eingetreten. Weiter hat die Gebrauchsmusterstelle mitgeteilt, dass sie die Gebrauchsmusteranmeldung zurückweisen werde, sofern die Anmelderin nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheids ihre Abzweigungserklärung zurücknehmen werde.
Dem gegenüber hat die Anmelderin die Auffassung vertreten, das Einspruchsverfahren gegen das Patent 195 18 965.5 sei erst mit Eintritt der Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Juli 2003 iSv § 5 Abs 1 Satz 3 GebrMG abgeschlossen worden. Mit Rücksicht auf die Zustellung dieses Beschlusses am 5. August 2003 bei der Anmelderin könne dieser erst im September 2003 rechtskräftig geworden sei. Die Abzweigungserklärung vom 31. Oktober 2003 sei daher rechtzeitig iSv § 5 Abs 1 Satz 3 GebrMG.
Mit Beschluss vom 5. April 2004 hat die Gebrauchsmusterstelle die Gebrauchsmusteranmeldung vom 31. Oktober 2003 im wesentlichen aus den mit Bescheid vom 17. Dezember 2003 dargetanen Gründen zurückgewiesen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Gebrauchsmusteranmeldung und ihre Abzweigungserklärung vom 31. Oktober 2003 weiter.
Sie beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Eintragung der Gebrauchsmusteranmeldung vom 31. Oktober 2003 mit dem Anmeldetag des deutschen Patents 195 18 965.5 vom 23. Mai 1995 anzuordnen.
Die Anmelderin meint ua, dass mit dem Berichtigungsbeschluss vom 24. Juli 2003, der der Anmelderin am 5. August 2003 zugestellt wurde, auch für den dadurch berichtigten Aufrechterhaltungsbeschluss vom 21. Mai 2003, der der Anmelderin am 16. Juni 2003 zugestellt worden war, eine neue Beschwerdefrist in Gang gesetzt worden sei. Der Fehler in der zugestellten Ausfertigung des Aufrechterhaltungsbeschlusses vom 21. Mai 2003 habe dessen Tenor betroffen. Wegen dieses Fehlers sei für die Anmelderin nicht erkennbar gewesen, ob über deren Antrag auf Änderung des Patentanspruches 7 entschieden worden war. Statt dessen wäre mit Eintritt der Rechtskraft des - unberichtigten - Beschlusses Patentanspruch 1 geändert worden, was eine erhebliche Bedeutung für das aufrechterhaltene Patent gehabt hätte.
Wegen dieser Ungewißheit sei bis zu der Entscheidung der Patentabteilung 14 über den Berichtigungsantrag der Anmelderin für diese nicht erkennbar gewesen, ob sie durch den Aufrechterhaltungsbeschluss vom 21. Mai 2003 beschwert worden war oder nicht. Wenn aber die Feststellung einer Beschwer aus dem unberichtigten Beschluss nicht möglich sei, werde mit dem Berichtigungsbeschluss auch eine neue Beschwerdefrist in Gang gesetzt.
Zum weiteren Vortrag der Anmelderin zur Sach- und Rechtslage wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II. A. Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. Insbesondere hat sich das Rechtsschutzinteresse der Anmelderin nicht dadurch erledigt, dass - die Wirksamkeit der Abzweigungserklärung vom 31. Oktober 2002 unterstellt - mit Wirkung vom 24. Mai 2005 die maximale zehnjährige Schutzdauer des angemeldeten Gebrauchsmusters abgelaufen war. Die Eintragung eines Gebrauchsmusters bleibt auch nach Ablauf der maximalen Schutzdauer zulässig (vgl BGH BlPMZ 1977, 294 ff, 299 - UHF-Empfänger II, seitdem ständige Rspr).
B. In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Die Anmelderin hat die Abzweigung verspätet erklärt. Deswegen hat die Gebrauchsmusterstelle die Gebrauchsmusteranmeldung, für die die Anmelderin die Erklärung über die Abzweigung aus der deutschen Patentanmeldung 195 18 965.5 aufrechterhalten hat, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 GebrMG zu Recht zurückgewiesen.
Die Eintragung in das Gebrauchsmusterregister setzt nach § 8 Abs 1 Satz 1 GebrMG voraus, dass die Anmeldung den Anforderungen der §§ 4, 4a GebrMG genügt. Im Fall einer Abzweigung aus einer früheren Patentanmeldung hat die Eintragungsbehörde (bzw. das Beschwerdegericht) auch deren Erfordernisse zu prüfen. Insbesondere darf eine Eintragung mit dem Anmeldetag einer früheren Patentanmeldung dann nicht erfolgen, wenn die Abzweigung verspätet und damit nicht wirksam erklärt worden ist. So verhält es sich hier.
Gemäß § 5 Abs 1 Satz 3 GebrMG konnte die Anmelderin das in § 5 Abs 1 Satz 1 GebrMG begründete Recht, für ihre Gebrauchsmusteranmeldung den früheren Anmeldetag einer Patentanmeldung in Anspruch zu nehmen, nur innerhalb einer Frist von "zwei Monaten nach dem Ende des Monats, in dem die Patentanmeldung erledigt oder ein etwaiges Einspruchsverfahren abgeschlossen" wurde, ausüben. Für die Frage, ob die Anmelderin mit ihrer am 31. Oktober 2003 erklärten Abzweigung diese Frist gewahrt hat, ist mithin entscheidend, ob bis zu diesem Datum überhaupt eine Erledigung des Einspruchsverfahrens eingetreten ist und ggfs zu welchem Zeitpunkt.
Das Einspruchsverfahren gegen das deutsche Patent 195 18 965.5 war mit Eintritt der Bestandskraft des Aufrechterhaltungsbeschlusses vom 21. Mai 2003 iSv § 5 Abs 1 Satz 3 GebrMG abgeschlossen. Die Bestandskraft des Aufrechterhaltungsbeschlusses trat ein mit Ablauf der Beschwerdefrist. Gem § 73 Abs 2 PatG beträgt die Beschwerdefrist einen Monat und wurde mit der Zustellung des patentamtlichen Beschlusses bei der Anmelderin als der einzigen Verfahrensbeteiligten in Gang gesetzt. Diese Zustellung erfolgte am Montag, den 16. Juni 2003. Die Bestandskraft trat daher ein am Donnerstag, den 17. Juli 2003. Demnach endete die Abzweigungsfrist nach § 5 Abs1 Satz 3 GebrMG am Dienstag, den 30. September 2003. Mit der Einreichung der Gebrauchsmusteranmeldung am 31.Oktober 2003 hat die Anmelderin diese Frist nicht mehr gewahrt.
Der Berichtigungsbeschluss vom 24. Juli 2003, zugestellt bei der Anmelderin am 5. August 2003, hat für den Aufrechterhaltungsbeschluss vom 21. Mai 2003 keine neue Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt. Grundsätzlich wird die Rechtsmittelfrist für eine ordnungsgemäß zugestellte, das Verfahren abschließenden Entscheidung nicht durch ein späteres Berichtigungsverfahren beeinflußt. Denn in der Regel wirkt der im Berichtigungsbeschluss getroffene Ausspruch auf den Zeitpunkt der Zustellung des berichtigten Beschlusses zurück, die Neufassung gilt als die ursprüngliche (vgl BPatGE 9, 128 ff, ständige Rechtsprechung). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der zu berichtigende Beschluss von vornherein in sich unklar ist und erst durch die Berichtigung die Grundlage für weitere Überlegungen der betroffenen Parteien geschaffen werden können (vgl BGH NJW 1977, 297, 298 - Wirksamkeit der Zustellung einer fehlerhaften Urteilsausfertigung; BPatG aaO). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Fehler bereits in der Urschrift der Entscheidung enthalten ist oder - wie im vorliegenden Fall - erst der davon erteilten Ausfertigung anhaftet (vgl BGH aaO).
Der hier bestehende Schreibfehler in der zugestellten Ausfertigung des Aufrechterhaltungsbeschlusses konnte aus dem Empfängerhorizont der anwaltlich vertretenen Anmelderin zu keiner Ungewißheit über den Inhalt der Entscheidung der Patentabteilung 14 führen. Das gilt insbesondere auch für die Bedeutung des zugestellten Beschlusses für die künftige Fassung von Patentanspruch 1. Denn die fehlerhafte Formulierung im Tenor
"Folgende Änderungen der Unterlagen sind vorgenommen worden:
Im Patentanspruch (fälschlich) 1 ist das Wort "Bearbeitungsmagazin" durch "Bearbeitungszentrum" zu ersetzen"
ging schon deswegen ins Leere, weil - für die Anmelderin ohne weiteres erkennbar - eine entsprechende Anordnung der Patentabteilung keine Änderung von Patentanspruch 1 bedeutet hätte. Patentanspruch 1 hat nämlich in der erteilten und später im Einspruchsverfahren auch von der Anmelderin verteidigten Fassung den Ausdruck "Bearbeitungszentrum" bereits enthalten, den Ausdruck "Bearbeitungsmagazin" dagegen nicht enthalten (vgl Wiedergabe des Patentanspruchs 1 im Aufrechterhaltungsbeschluss vom 21. Mai 2003, Bl 55 der patentamtlichen Folgeakte I, und in dem Text der zugestellten Ausfertigung (dort Seite 4), Blatt 62 der patentamtlichen Folgeakte I).
Die Anmelderin wußte, dass sie im Einspruchsverfahren das Patent im Umfang der der Patenterteilung zugrundegelegten Patentansprüchen 1 bis 17 verteidigt hatte mit dem einen Unterschied, dass sie im Einspruchsverfahren die Berichtigung eines offensichtlichen Schreibfehlers des ersten Wortes des Patentanspruchs 7 von "Bearbeitungsmagazin" in "Bearbeitungszentrum" beantragt hatte.
Weiter heißt es in der zugestellten - und insoweit korrekten - Ausfertigung des Aufrechterhaltungsbeschlusses:
"Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem Stand der Technik neu, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist gewerblich anwendbar.
Der erteilte Patentanspruch 1 hat somit Bestand.
Die auf den erteilten Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 17 sind als Unteransprüche ebenfalls rechtsbeständig.
Das Patent ist somit gemäß Antrag mit der redaktionellen Änderung des Patentanspruchs 7 im vollen Umfang aufrechtzuerhalten."
Bei dieser Sachlage konnte aus der Sicht der Anmelderin kein Zweifel daran bestehen, dass die Patentabteilung 14 das Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten und nur in Patentanspruch 7 die von der Anmelderin beantragte Berichtigung im Wege einer Ersetzung des Wortes "Bearbeitungsmagazin" durch das Wort "Bearbeitungszentrum" vornehmen wollte.
Dass die Anmelderin den Fehler in der ihr zugestellten Ausfertigung tatsächlich nur als eine offenbare Unrichtigkeit (Schreibfehler) iSv § 95 Abs 1 PatG angesehen hat, geht aus ihrem Berichtigungsantrag vom 23. Juni 2003 hervor (vgl Bl 65 f der patentamtlichen Folgeakte I).
Müllner Hildebrandt Werner Pr
BPatG:
Beschluss v. 03.08.2005
Az: 5 W (pat) 17/04
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