Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Dezember 2000
Aktenzeichen: 5 W (pat) 436/99

(BPatG: Beschluss v. 20.12.2000, Az.: 5 W (pat) 436/99)

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 15. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

I Der Antragsgegner und Beschwerdeführer ist Inhaber des am 19. April 1994 angemeldeten und am 11. August 1994 in die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters G 94 08 610 mit der Bezeichnung "Bituminöse Abdichtung auf Betontragdecken." Der Anmeldetag der Patentanmeldung DE 44 13 624.2 (19. April 1994) ist in Anspruch genommen.

Wegen des mit der Anmeldung am Anmeldetag eingereichten einzigen Schutzanspuchs, der der Eintragung zugrunde liegt, wird auf die Gebrauchsmusterakte verwiesen.

Die Antragstellerin hat am 21. Januar 1997 die Löschung des Gebrauchsmusters beantragt, da dessen Gegenstand nicht schutzfähig sei. Zur Begründung hat die Antragstellerin ua auf die deutsche Offenlegungsschrift 25 49 993 Bezug genommen und die Neuheit des Gebrauchsmustergegenstands demgegenüber bestritten.

Der Antragsgegner hat dem Antrag auf Löschung widersprochen. Er hat das Gebrauchsmuster vor der Gebrauchsmusterabteilung mit dem eingetragenen Schutzanspruch verteidigt.

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat das Gebrauchsmuster mit Beschluß vom 15. Juni 1999 gelöscht.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners.

Er trägt vor, daß der im Verfahren eingeführte Stand der Technik den Gegenstand des Gebrauchsmusters weder vorwegnehme noch nahelege. Er verteidigt das Gebrauchsmuster zuletzt mit dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Schutzanspruch. Dieser lautet:

Bituminöse Abdichtung für genutzte Dach- oder Bauwerksflächen auf Betontragdecken (10), bei der Bahnenwerkstoff (14) auf der Betontragdecke (10) unter Verwendung einer heißen bituminösen Schmelzmasse (13) verlegt ist, die an der Betontragdecke (10) vollflächig haftet, dadurch gekennzeichnet, daß die Abdichtung ein auf der Betontragdecke (10) verlegtes Bewehrungsgitter (12) aufweist, das von der mit dem Bahnenwerkstoff (14) im Gießverfahren aufgebrachten Schmelzmasse (13) durch Aufschwimmen umhüllt ist.

Der Antragsgegner beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor, auch der Gegenstand nach dem Schutzanspruch in der zuletzt verteidigten Fassung seien nicht neu gegenüber dem Gegenstand der DE 25 49 993 A1. Bezüglich des angewandten Gießverfahrens verweist sie auch noch auf die DIN 18195 Teil 3 (August 1983).

II Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Denn der Löschungsantrag ist begründet. Soweit das Gebrauchsmuster nicht mehr verteidigt wird, folgt dies aus § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG, weil insoweit der Widerspruch gegen die Löschung fallengelassen worden ist. Im übrigen ist der Löschungsanspruch aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG gegeben.

1. Gegenstand des noch verteidigten Schutzanspruchs ist eine bituminöse Abdichtung auf Betontragdecken mit folgenden Merkmalen:

0 Die bituminöse Abdichtung dient für genutzte Dach- oder Bauwerksflächen auf Betontragdecken;

1 die Abdichtung enthält einen Bahnenwerkstoff;

1.1 der Bahnenwerkstoff ist auf der Betontragdeckeverlegt;

2 die Abdichtung enthält eine Schmelzmasse;

2.1 die Schmelzmasse ist heiß bituminös;

2.2 die Schmelzmasse ist im Gießverfahren aufgebracht;

2.3 die Schmelzmasse haftet vollflächig an der Betontragdecke;

3 die Abdichtung weist ein Bewehrungsgitter auf;

3.1 das Bewehrungsgitter ist auf der Betontragdeckeverlegt;

3.2 das Bewehrungsgitter ist von der Schmelzmasseumhüllt;

3.2.1 durch Aufschwimmen.

2. Der Schutzanspruch beruht auf dem eingetragenen Schutzanspruch unter Hinzunahme von weiteren Merkmalen (Merkmal 2.2 und 3.2.1 obiger Gliederung) aus der eingetragenen Beschreibung, insbesondere S 4, Abs 2. Alle dort aufgeführten und in den Anspruch aufgenommenen Merkmale sind als zur Erfindung gehörig offenbart. Der Anspruchsgegenstand beschränkt somit den eingetragenen Schutzanspruchsgegenstand in zulässiger Weise und geht nicht über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus.

3. Der Gegenstand nach Schutzanspruch ist nicht schutzfähig. Denn er weist nicht die erforderliche Neuheit (§ 1 GebrMG) auf.

Aus der DE 2 549 993 A1 geht eine Bauwerksbeschichtung für Dächer hervor, die bereits alle Bestandteile der - wie oben entnehmbar gegliederten - beanspruchten Abdichtung aufweist. Von den dort beschriebenen Alternativen ist hier die zu Fig 2 beschriebene Vorgehensweise des Auftragens von heißflüssiger Abdichtmasse von Bedeutung.

Dabei wird übereinstimmend mit den Merkmalen 0,1 und 1.1 obiger Anspruchsgliederung ein bahnenförmiger Abdeckbelag auf eine bspw. aus Beton bestehende Dachdecke (s Beschr S 5, Abs 1) aufgebracht (s S 8 Abs 3 der Entgegenhaltung). Die heiße Schmelzmasse wird auch schon im "Gieß- und Einrollverfahren" aufgebracht und haftet dadurch vollflächig an der Betontragdecke (s S 8, Abs 3). Dieser Sachverhalt wird nochmals in Zusammenhang mit der Fig 2 beschriebenen (S 10, letzter Abs.).

Somit sind auch die Merkmale 2 mit 2.1 bis 2.3 vorbekannt.

Die bekannte Abdichtung kann auch schon einen Stützkörper aus ua Glasgittergewebe enthalten (s S 8, Abs 2, Anspruch 5 und s 11, Abs 2). Die Angabe, daß die Abdichtungsmasse den Stützkörper "enthält", bringt zum Ausdruck, daß der Stützkörper von der Masse umhüllt ist, womit auch die Merkmale 3 mit 3.2 bekannt sind.

Der Stützkörper liegt bei der bekannten fertigen Bauwerksabdichtung gleichfalls schon auf der Betontragdecke auf. Denn durch die Beschreibung in Zusammenhang mit der Fig 2 wird deutlich, wo ein solcher Stützkörper, sollte er in der Abdichtungsschicht 22 enthalten sein, nur liegen kann, nämlich in der die Tragdecke 11 bedeckenden Schicht 22 unterhalb der Abdeckschicht 24. Daraus ergibt sich, daß auch das Merkmal 3.1 bekannt ist.

Die Antragsgegnerin hat zum noch verbleibenden Merkmal des Umhüllens durch Aufschwimmen (Merkmal 3.2.1) vorgetragen, der bekannten Abdichtung und auch dem sonstigen im Verfahren befindlichen Stand der Technik sei nirgends entnehmbar, daß das Bewehrungsgitter in der Schmelzmasse aufschwimmt. Dieses Aufschwimmen erfolge nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung durch den beim Einrollen des abdeckenden Bahnenwerkstoffs vor der Bahnenrolle entstehenden Wulst von flüssiger Schmelzmasse. Durch die Dynamik dieses Wulstes werde das lose auf der Tragdecke liegende Bewehrungsgitter angehoben und vollständig von der Schmelzmasse umhüllt. Nur so sei ein vollständiges und durchgängiges Beschichten der Betontragdecke unterhalb des Bewehrungsgitters mit Schmelzmasse möglich.

Von diesen Einzelheiten ist in der DE 25 49 993 A1 in der Tat nirgends die Rede. In Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel nach Fig 2 ist auf S 10, letzter Abs., lediglich erklärt, daß die schmelzflüssige Abdichtmasse im "Gieß- und Einrollverfahren" aufgebracht wird und daß sowohl das Aufschmelzen als auch das Aufbringen "Techniken, die von Dachdeckern langjährig praktiziert werden", seien.

Die in der DE 25 49 993 A1 getroffene Feststellung, daß es sich bei diesem "Gieß- und Einrollverfahren" um ein bewährtes und bekanntes Vorgehen handelt, wird durch die DIN 18195 Teil 3 (August 1983) bestätigt. Dort wird auf der Seite 2 in Kap 7.3 ein "Gießverfahren" beschrieben, bei dem beim Ausrollen der Bitumenbahn der Bahnenrolle in ganzer Breite ein Klebemassewulst vorlaufen und die Klebemasse an den Rändern der Bitumenbahn austreten muß.

Genau so wie in der DIN-Schrift beschrieben bildet sich somit auch bei dem in der DE 25 49 993 A1 verwendeten Verfahren beim Ausrollen der Abdeckschicht 24 in der heißen Abdichtungsmasse vor der Abdeckrolle ein Wulst aus zähflüssiger Abdichtungsmasse.

Sollte nun in dieser Abdichtungsmasse ein Glasgittergewebe enthalten sein, wie dies ua in Anspruch 5 der Entgegenhaltung fakultativ beansprucht wird, so wird dieses Glasgittergewebe in der Abdichtungsmasse aufschwimmen. Denn die Ursache dafür ist ja, wie die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der vor der Rolle herlaufende Abdichtungsmassenwulst, dessen "Dynamik" das Glasgittergewebe aufschwimmen läßt. Dieses Aufschwimmen hängt auch nicht vom Zeitpunkt des Auflegens des Glasgittergewebes ab. Denn infolge der Dynamik des Wulstes beim Einrollen der Bahnware hebt das Glasgittergewebe vom Boden ab, unabhängig davon, ob es zuvor auf die noch trockene Betontragdecke oder in die bereits aufgebrachte heiße Abdichtungsmasse gelegt worden ist.

Der Antragsgegner weist zwar in diesem Zusammenhang noch darauf hin, daß es gemäß der Beschreibung im Streitgebrauchsmuster S 4, Abs 2 darauf ankäme, "daß das Bewehrungsgitter verlegt wird, bevor der Bahnenwerkstoff mit der Schmelzmasse ... verlegt wird". Doch kann für diese eine zeitliche Reihenfolge kennzeichnende Lehre jedenfalls dann kein Gebrauchsmusterschutz gewährt werden, wenn sie beim fertigen Produkt nicht mehr erkennbar ist und sich deshalb in einer - vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossenen - Verfahrenserfindung erschöpft. Daß sich das beim Streitgebrauchsmuster verwendete Gießverfahren ansonsten von dem bekannten und beschriebenen unterscheidet, ist überdies nicht geltend gemacht worden. Vielmehr wird auf S 4, Abs 2 darauf hingewiesen, daß das Gießverfahren "bekannt und bewährt" sei und die Schmelzmasse "in übllicher Weise" aufzugießen ist.

Der beanspruchte Effekt des Aufschwimmens des Bewehrungsgitters wird sich mithin bei dem bekannten Verfahren bei der beschriebenen Alternative einer Verwendung eines Bewehrungsgitters in einer flüssigen Abdichtungsmasse zwangsläufig ebenfalls einstellen, so daß sich auch dieses Merkmal, obgleich es in der Entgegenhaltung nicht explizit beschrieben ist, bei der bekannten fertigen Abdichtung einstellen wird und somit nicht mehr neu ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 3 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG, § 97 Abs 1 ZPO. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Goebel Richter Dehne ist wegen Ausscheidens aus dem richterlichen Dienst gehindert zu unterschreiben.

Goebel Dr. Huber Hu






BPatG:
Beschluss v. 20.12.2000
Az: 5 W (pat) 436/99


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