Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Januar 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 44/04
(BPatG: Beschluss v. 22.01.2007, Az.: 19 W (pat) 44/04)
Tenor
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 B des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. April 2004 wird aufgehoben und das Patent erteilt.
Bezeichnung: Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente eines KFZ-Sitzes.
Anmeldetag: 7. November 2000 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:
Patentansprüche 1 bis 5 und geänderte Beschreibung, jeweils übergeben in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2007.
Gründe
I.
Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 05 B - hat die am 7. November 2000 eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 7. April 2004 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Heizleiter gemäß dem mit Eingabe vom 6. November 2001 eingereichten Patentanspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2007 neue Unterlagen eingereicht und beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 B des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 7. April 2004 aufzuheben und das Patent zu erteilen.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:
Patentansprüche 1 bis 5 und geänderte Beschreibung, jeweils übergeben in der mündlichen Verhandlung vom 22. Januar 2007.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente eines Kfz-Sitzes, wobei der Heizleiter im wesentlichen besteht aus nahezu in einem Strang zueinander laufenden, sich berührenden Einzelleitern aus leitfähigem Material, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Einzelleiter durch eine Isolation von allen anderen Einzelleitern elektrisch getrennt ist, wobei die Isolation aus Polyurethan besteht."
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente eines Kfz-Sitzes bereitzustellen, der gegenüber in Sitzen auftretenden Korrosionserscheinungen resistent ist und eine hohe mechanische Flexibilität aufweist (S. 4 Abs. 2 der geltenden Beschreibung).
Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass der Fachmann im gesamten Stand der Technik keinen Hinweis darauf bekomme, dass sich Polyurethan dazu eigne, der in Autositzen auftretende Korrosionsgefahr durch Feuchtigkeits- und Salzeinfluss (Schweiß) durch eine Polyurethan-Isolation zu begegnen, mit der die Einzelleiter des Heizleiters anspruchsgemäß gegeneinander isoliert sind.
Nicht nur der fehlende Nachweis der Eignung von Polyurethan für diese Verwendung, sondern auch der große wirtschaftliche Erfolg dieser Lösung seien Indizien dafür, dass diese Lösung nicht nahegelegen habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren auch Erfolg. Denn die Verwendung eines Heizleiters mit den im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen für Kfz-Sitze ist gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns.
Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur (FH) der Elektrotechnik anzusehen mit Berufserfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und dem Betrieb von Kfz-Sitzheizungen, der hinsichtlich der bei der Verwendung von Isolierkunststoffen einen auf dem Gebiet der Isolierstoffe tätigen Diplom-Chemiker zu Rate zieht oder bei der Entwicklung von Kfz-Sitzheizungen mit diesem im Team arbeitet.
1. Zur Offenbarung der geltenden Patentansprüche Die Beschränkung auf die Verwendung eines anspruchsgemäß ausgebildeten und allein mit Polyurethan isolierten Heizleiters für Heizelemente eines Kfz-Sitzes entnimmt der Fachmann dem ursprünglichen Anspruch 15 hinsichtlich der insbesondere beanspruchten Ausführungsform in seiner Rückbeziehung auf den vorangehenden Anspruch 5 in dessen alleiniger Rückbeziehung auf den Anspruch 1.
Die ursprüngliche Beschreibung stützt diese Offenbarung; denn dort ist angegeben, dass die Isolation vorteilhafterweise aus Polyurethan besteht (S. 2 Abs. 3), vorteilhafterweise (aber auch) aus einer inneren Schicht aus Polyurethan und mindestens einer äußeren Schicht aus zwei anderen genannten Kunststoffen (S. 2 Abs. 4) besteht.
Der geltende Anspruch 3, der mithin eine nebengeordnete Lösung der Aufgabe betrifft, enthält im Vergleich zum ursprünglichen Anspruch 7 die Angabe "mindestens" im Zusammenhang mit der inneren Schicht nicht mehr, da nur eine einzige Schicht an der Oberfläche des leitfähigen Materials anliegen kann.
3. Neuheit Die Verwendung eines Heizleiters mit den im geltenden Anspruch 1 angegebenen Sachmerkmalen für Heizelemente eines Kfz-Sitzes ist neu.
Aus der DE-GM 1 891 074 ist die Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente bekannt, wobei der Heizleiter besteht aus nahezu in einem Strang zueinander laufenden, sich berührenden Einzelleitern 4 aus leitfähigem Material (Fig. 1 und 2 i. V. m. S. 2 Abs. 4 bis S. 3 Abs. 2), wobei mindestens ein Einzelleiter - dort alle - durch eine Isolation 5 von allen anderen Einzelleitern elektrisch getrennt ist.
Als einziges Beispiel für die Isolation ist dort eine Oxidschicht auf jedem Draht genannt (S. 2 Abs. 5 und Anspr. 1), als Verwendungen biegsame elektrische Wärmegeräte, insbesondere Heizkissen und Heizdecken.
Der geltende Anspruch 1 unterscheidet demnach von diesem Stand der Technik dadurch, dassa) der Heizleiter für Heizelemente eines Kfz-Sitzes verwendet wird, undb) der mindestens eine Einzelleiter eine Isolation aus Polyurethan aufweist.
Die DE-GM 1 798 802 zeigt die Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente, wobei der Heizleiter im wesentlichen besteht aus nahezu in einem Strang zueinander laufenden, sich berührenden Einzelleitern 1 aus leitfähigem Material, wobei mindestens ein Einzelleiter 1 - dort alle - durch eine Isolation 2 von allen anderen Einzelleitern elektrisch getrennt ist.
Der geltende Anspruch 1 unterscheidet sich auch von dieser Druckschrift durch die Unterschiedmerkmale a) und b); denn das Heizelement ist und für eine Verwendung beim Beheizen von Erdölpumpanlagen (S. 1 Abs. 3) oder allgemein in Erdölleitungen (S. 2 Abs. 1 und 3) als Heizkabel ausgebildet und mit einer Isolation 2 jedes Einzelleiters 1 aus Silikongummi versehen (Anspr. 1).
Auch die EP 0 930 804 A2 betrifft Heizkabel (Titel). Die Isolation 2 (Fig. 1), mit der jeder Einzelleiter 20, 21 (Fig. 8 i. V. m. Fig. 1) von allen anderen Einzelleitern elektrisch getrennt ist, besteht aus einem polymeren Kunststoff (Anspr. 4, 6 bis 9, 12 bis 14). Unter den in der Beschreibung (Abs [0013]) zahlreich genannten Kunststoffen ist Polyurethan nicht enthalten.
Aus den fünf Druckschriften DE 41 24 684 A1, DE 41 42 774 A1, DE 43 12 622 A1, DE 35 44 499 C1 und DE 40 20 580 A1 ist jeweils in Übereinstimmung mit dem Oberbegriff des geltenden Patentanspruchs 1 die Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente eines Kfz-Sitzes bekannt (DE 41 24 684 A1: Sp. 1 Z 62 bis Sp. 2 Z. 7, DE 41 42 774 A1: Anspr. 1, DE 43 12 622 A1: Sp. 1 Z. 3 bis 10, DE 35 44 499 C1: Anspr. 1, DE 40 20 580 A1: Anspr. 1 i. V. m. Sp. 4 Z. 13 bis 17).
Der Heizleiter besteht jeweils im Wesentlichen aus nahezu in einem Strang zueinander laufenden, sich berührenden Einzelleitern aus leitfähigem Material (DE 41 24 684 A1: Sp. 1 Z. 68: Bündel feiner Stahldrähte, DE 41 42 774 A1: Anspr. 7: gebündelte Kohlefasern, DE 43 12 622 A1: Sp. 1 Z. 3 bis 10, DE 35 44 499 C1: gemäß Sp. 2 Z. 11 bis 16 und Z. 40 bis 42 wird dort offensichtlich sowohl für den Gegenstand des Patents als auch für den Stand der Technik eine Litzenstruktur vorausgesetzt, DE 40 20 580 A1: Sp. 3 Z. 57 bis 60).
Abweichend vom gesamten kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 sind dort jeweils die Einzelleiter der Heizleiter unisoliert (DE 41 24 684 A1 Sp. 2 Z. 21 und 22 und Anspr 6, DE 41 42 774 A1 Anspr. 2 und 11: elektrisch leitende Verbindung mit den Kontaktleisten durch Anpressen erfordert unisolierte Einzelleiter, DE 43 12 622 A1 Anspr. 2 und 3 i. V. m. Fig. 2 und 3: allenfalls eine gemeinsame Umhüllung der gebündeltem Einzelleiter, DE 35 44 499 C1 Anspr. 4 und 5 sowie Sp. 3 Z. 50 bis 56: Umhüllung des gesamten Heizleiters, DE 40 20 580 A1 Sp. 3 Z. 24 bis 40: einander in der Maschenware kreuzend kontaktierende Leiter müssen beide unisoliert sein).
Die vom Senat in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingeführte EP 0 347 969 A1 zeigt die Verwendung eines Heizleiters 18 für Heizelemente eines Kfz-Sitzes (Titel und Fig. 1).
Zwar kann der Heizleiter sowohl mit einer Isolation versehen sein als auch unisoliert (Anspr. 9 i. V. m. Sp. 2 Z. 40 bis 42 und Sp. 4 Z. 52 bis 56 sowie Sp. 10 Z. 5 und 5 "bzw."), und es kann der Träger 6 (Fig. 1) aus einer mit Polyurethanfolie 10 abgedeckten Polyurethanschaumstoffschicht 9 bestehen, der für einen unisolierten Heizleiter - aufgrund der dem Träger innewohnenden Isoliereigenschaft - damit auch eine Isolation für die Heizleiter bildet.
Jedoch ist dort nicht angegeben, dass der Heizleiter aus Einzelleitern aus leitfähigem Material besteht, so dass auch die kennzeichnenden Merkmale des geltenden Anspruchs 1 nicht vorhanden sind.
4. Erfinderische Tätigkeit Die nunmehr beanspruchte Verwendung eines Heizleiters gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zwar stellt sich dem Fachmann die Aufgabe, eine Verwendung eines Heizleiters für Heizelemente eines Kfz-Sitzes bereitzustellen, der gegenüber in Sitzen auftretenden Korrosionserscheinungen resistent ist und eine hohe mechanische Flexibilität aufweist, in der Praxis von selbst, wenn die Auswertung von Langzeitversuchen oder von Schäden, die dem Hersteller im Rahmen von Garantieansprüchen oder Reparaturfällen bekannt geworden sind, Entsprechendes ergibt.
Der Fachmann findet aber im bekannt gewordenen Stand der Technik weder Hinweise noch eine Anregung auf die anspruchsgemäße Verwendung eines Heizleiters für ein Heizelement eines Kfz-Sitzes, dessen Einzelleiter mit einer Isolation aus Polyurethan in der anspruchsgemäßen Weise elektrisch voneinander getrennt sind.
Zwar handelt es sich bei dem Kunststoff Polyurethan - wie die Prüfungsstelle schon im Erstbescheid zutreffend festgestellt hat - um ein gängiges Isolationsmaterial. Gängig war aber am Anmeldetag der vorliegenden Anmeldung eine fast schon unübersehbare Zahl weiterer Isolationsmaterialien mit unterschiedlich elektrischen, mechanischen und thermischen Eigenschaften, die angesichts der nahezu unbegrenzten Einsatzfelder von Isoliermaterialien regelmäßig nur in engen Grenzen oder für bestimmte Werte tabellarisch erfasst sind.
Vor dem Hintergrund der sehr speziellen Anforderungen an Heizleiter für Kfz-Sitze einerseits und der großen Zahl von Isolationsmaterialien andererseits, hätte es deshalb eines deutlichen Hinweises im Stand der Technik bedurft, damit der Fachmann für Kfz-Sitze die Verwendung eines Heizleiters in Betracht zieht, dessen Einzelleiter mit Polyurethan gegeneinander elektrisch isoliert sind.
Dieser fehlt aber im bekannt gewordenen Stand der Technik.
Ausgehend von dem aus der DE-GM 1 891 074 bekannten Heizleiter für Heizkissen oder Heizdecken mag der Fachmann zwar daran denken, diesen Heizleiter auch für Kfz-Sitze zu verwenden.
Falls sich die auf den Einzelleitern vorgesehene Oxidschicht für eine solche Verwendung als ungeeignet erweist, fehlt ihm im Stand der Technik aber schon eine Anregung, auf den Einzelleitern eines Heizleiters für Kfz-Sitze eine Isolation aus Kunststoff in Betracht zu ziehen.
Denn obwohl die Verwendung mit Heizleitern mit gegenseitig isolierten Einzelleitern eines Heizleiters der Fachwelt aus der DE-GM 1 891 074 fast vierzig Jahre vor dem Anmeldetag bekannt wurde, sind im weiteren Stand der Technik für diese Verwendung keine Heizleiter mit kunststoffisolierten Einzelleitern beschrieben (s. o.) sondern nur Heizleiter, die insgesamt isolierend umhüllt sind (DE 43 12 622 A1 bzw. DE 35 44 499 C1), wobei jeweils auch nicht ein Polyurethan sondern fluorierte Polymere vorgesehen sind.
Abgesehen davon, dass der Fachmann bei der Suche nach Heizleitern, die er für einen Kfz-Sitz verwenden will, keine Heizkabel in Betracht zieht, weil für deren übliche Anwendungen in Gebäuden (z. B. Fußboden- oder Dachrinnenheizungen) oder in Industrieanlagen völlig andere Anforderungen bestehen, ist Polyurethan auch in keiner der beiden Heizkabel betreffenden Schriften DE-GM 1 798 802 (dort nur Silikongummi, vgl. Anspr. 1) bzw. im Abschnitt [0013] der EP 0 930 804 A2 genannt.
Auch die EP 0 347 969 A1 vermag dem Fachmann keine Anregung auf die im geltenden Anspruch 1 angegebene Verwendung zu geben. Denn diese Druckschrift offenbart lediglich die Eignung von Polyurethan bei einem Träger 6, auf dem der Heizleiter 18 vorläufig fixiert wird (Fig. 1 mit Text), bevor der Schichtenverband in einem Formhohlraum zur Bildung eines Fahrzeugsitzes umschäumt wird (Sp. 5 Z. 57 bis Sp. 6 Z. 6).
Zwar bildet im Falle eines unisolierten Leiters die Polyurethanfolie einen isolierenden Träger, der einen Kurzschluss der Heizleiterwindungen verhindert, jedoch ist dort die Auswahl von Polyurethan nicht nach Isolationsgesichtspunkten getroffen sondern im Blick auf eine gute Verbindbarkeit des Schichtverbandes mit dem üblicherweise aus Polyurethan bestehenden Schaum des Sitzes (Sp. 1 Z. 46 bis Sp. 2 Z. 10). Deshalb fehlt in dieser Druckschrift auch jeder Hinweis auf einen geeigneten Werkstoff für die den gesamten Leiter 18 umhüllende Isolation.
Dass nicht nur der Korrosion von Einzelleitern eines Heizleiters für Kfz-Sitzheizungen infolge Feuchtigkeit und Salzeinfluss durch deren gegenseitige Isolation mit Polyurethan entgegengewirkt wird, sondern gleichzeitig auch noch fertigungstechnische Vorteile erzielt werden, indem diese Isolation durch einfaches Eintauchen in ein Zinnbad beim Löten selbst entfernbar ist, worauf die Anmelderin bereits in den ursprünglichen Unterlagen (S. 1 le. Abs. bis S. 2 Abs. 1) hingewiesen hat, konnte der Fachmann deshalb weder aus dem Stand der Technik noch aus seinem Fachwissen finden.
Die beanspruchte Verwendung stellt sich dem Senat angesichts einer objektiven Vielzahl von Möglichkeiten demnach als patentwürdiger glücklicher Griff dar (vgl. Schulte PatG, 7. Auflage, Rn. 94 zu § 4).
5. Weitere Erfordernisse Die Patentfähigkeit des eine nebengeordnete Lösung betreffenden geltenden Anspruchs 3 wird aus den vorgenannten Gründen durch die - auf dem mindestens einen Einzelleiter aufgebrachte - innere Schicht aus Polyurethan getragen.
Die Unteransprüche 2, 4 und 5 betreffen vorteilhafte Verwendungen von Heizleitern, die gegenüber dem Patentanspruch 1 bzw. 3 durch weitere Merkmale beschränkt sind.
Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
BPatG:
Beschluss v. 22.01.2007
Az: 19 W (pat) 44/04
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