Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: II ZR 148/07
(BGH: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: II ZR 148/07)
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Streithelferin der Beklagten durch Beschluss gemäß § 552 a ZPO zurückzuweisen.
Streitwert: 250.000,00 €
Gründe
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) liegen - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht vor. Es handelt sich um einen atypischen Sonderfall, dem eine grundsätzliche Bedeutung nicht zukommt und der eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts nicht erfordert. Die Revision hat im Ergebnis auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552 a ZPO).
1. Im Ergebnis nicht entscheidungserheblich ist die in dem Berufungsurteil (ZIP 2007, 2214 = AG 2008, 129) aufgeworfene und der Zulassungsentscheidung zugrunde gelegte Rechtsfrage, ob ein temporärer Verlust der Rechte eines Aktionärs gemäß § 20 Abs. 7 AktG im Zeitpunkt der Fassung eines Hauptversammlungsbeschlusses sich auch auf die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 3 AktG erstreckt. Denn die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 25. März 2006 gefassten Beschlüsse sind gemäß § 241 Nr. 1 AktG wegen Verstoßes gegen § 121 Abs. 4 AktG nichtig.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die an der Beschlussfassung beteiligten "Altaktionäre" mit der handstreichartigen Abhaltung einer "Vollversammlung" an einem Samstag - zwei Tage nach verspäteter Mitteilung gemäß § 20 Abs. 1 AktG eines von ihnen - das vermutete Fehlen einer entsprechenden Mitteilung seitens der Klägerin zu 1 gezielt dazu ausgenutzt, eine anderenfalls nicht mögliche Beschlussfassung gegen die Interessen der Klägerin zu 1 ohne deren Beteiligung zu ermöglichen und damit der kurzfristig zu erwartenden Nachholung einer Mitteilung der Klägerin zu 1 gemäß § 20 Abs. 1, 4 AktG zuvor zu kommen. Damit haben sie in anstößiger Weise gegen ihre gesellschafterliche Treuepflicht (vgl. dazu BGHZ 103, 184, 194 f.) und darüber hinaus gegen das in § 226 BGB kodifizierte Verbot einer unzulässigen Rechtsausübung zu Lasten der Klägerin zu 1 verstoßen (vgl. zu diesem Aspekt Sen.Urt. v. 16. Februar 1976 - II ZR 71/74, JZ 1976, 561 f.). Der temporäre Rechtsverlust der Klägerin zu 1 gemäß § 20 Abs. 7 AktG berührte nicht ihre - als solche sanktionsfeste - Mitgliedschaft selbst (vgl. nur Hüffer, AktG 8. Aufl. § 20 Rdn. 12) und damit auch nicht die Treuepflicht der Mitaktionäre bzw. das Verbot eines Rechtsmissbrauchs ihr gegenüber. Rechtsmissbräuchlich war unter den vorliegenden Umständen schon die gegenüber der Klägerin zu 1 verheimlichte Abhaltung einer "Vollversammlung", was zur Rechtswidrigkeit und Unverbindlichkeit dieser Art der Rechtsverfolgung und damit zur Unanwendbarkeit des § 121 Abs. 6 AktG mit der Folge führt, dass die in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse wegen Verstoßes gegen die Einberufungserfordernisse gemäß § 121 Abs. 4 i.V. mit § 9 Abs. 2, 3 der Satzung der Beklagten nichtig sind (§ 241 Nr. 1 AktG).
2. Von der Nichtigkeit der von den Klägern angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse gemäß § 241 Nr. 1 AktG abgesehen wären diese aber auch wegen Verstoßes gegen §§ 243 Abs. 2, 245 Nr. 3 AktG anfechtbar und auf die Anfechtungsklage der Kläger für nichtig zu erklären, wie von dem Berufungsgericht angenommen (im Ergebnis zustimmend Hüffer, AktG 8. Aufl. § 20 Rdn. 14). Der temporäre Rechtsverlust auf Seiten der Klägerin zu 1 gemäß § 20 Abs. 7 AktG ergreift nur die Anfechtungsbefugnis gemäß § 245 Nr. 1 und 2 AktG (vgl. BGHZ 167, 204 Tz. 14), nicht aber diejenige nach § 245 Nr. 3 AktG, wenn die gemäß § 20 AktG erforderliche Mitteilung - wie hier - vor Ablauf der Anfechtungsfrist erfolgt (vgl. Hüffer aaO). Eine unzulässige Verfolgung von Sondervorteilen i.S. des § 243 Abs. 2 AktG lag vor. Darunter fällt jeder Vorteil, sofern es bei einer Gesamtwürdigung als sachwidrige Bevorzugung erscheint, dem Aktionär oder einem Dritten den Vorteilserwerb zu gestatten oder einen bereits vollzogenen Erwerb hinzunehmen (BGHZ 138, 71, 80 f.). Soweit neben diesen Voraussetzungen dem Erfordernis eines Schadens der Gesellschaft oder anderer Aktionäre (§ 243 Abs. 2 AktG) überhaupt noch selbständige Bedeutung zukommt (vgl. Hüffer aaO § 243 Rdn. 33), genügte dafür jedenfalls die von den "Altaktionären" der Beklagten gewollte Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse durch die beschlossene Kapitalerhöhung unter Ausschluss desBezugsrechts der Klägerin zu 1 sowie die Anerkennung des Jahresabschlusses mit der darin ausgewiesenen Tantiemeforderung zugunsten des Gesellschaftsgründers.
Goette Kraemer Strohn Caliebe Richterin am BGH Dr. Reichart kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben Goette Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Lübeck, Entscheidung vom 17.10.2006 - 11 O 38/06 -
OLG Schleswig, Entscheidung vom 31.05.2007 - 5 U 177/06 -
BGH:
Beschluss v. 20.04.2009
Az: II ZR 148/07
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