Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Oktober 2001
Aktenzeichen: 26 W (pat) 160/00

(BPatG: Beschluss v. 10.10.2001, Az.: 26 W (pat) 160/00)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die für die Waren

"Weine, Schaumweine, Liköre und Spirituosen, sämtliche ungarischer Herkunft"

eingetragene Marke 396 27 821.3 Fürst Györgyist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Marke 2 074 712 GEORGI die für Waren "alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" geschützt ist.

Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit den Beschlüssen vom 1. September 1998 und 3. März 2000 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Beide Entscheidungen sind im wesentlichen damit begründet, daß trotz möglicher Identität der beiderseitigen Waren und normaler Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens der erforderliche Markenabstand gewahrt sei, weil eine isolierte Kollisionsprüfung nur anhand des Wortelements "György" nicht in Betracht komme, denn dieser Markenbestandteil wirke für das angegriffene Gesamtzeichen nicht derart prägend, daß der weitere Bestandteil "Fürst" für den Verkehr in einer Weise zurücktrete, daß er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könnte. Die aus dem Adelstitel "Fürst" und dem ungarisch anmutenden Namen "György" gebildete jüngere Marke stelle nämlich ersichtlich eine begriffliche Einheit dar. Bei einer Verkürzung auf "György" würde sie ihren besonderen Charakter und Wohlklang verlieren. Die Regel, daß Mehrwortmarken, die aus Vor- und Nachname zusammengesetzt seien, im geschäftlichen Verkehr auf den Familiennamen verkürzt würden, lasse sich auf Adelsbezeichnungen nicht ohne weiteres übertragen. Allenfalls bei bekannten Persönlichkeiten sei ein Weglassen des Titels "Fürst" denkbar. Diese Voraussetzung treffe jedoch im vorliegenden Fall nicht zu. Schließlich lege auch die geringe Länge der angemeldeten Marke keine Verkürzung nahe. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, zumal sich auch die Markenwörter "György" und "GEORGI" deutlich unterschieden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach hält die angegriffene Marke angesichts der möglichen Identität der beiderseitigen Waren nicht den erforderlichen Abstand zu der Widerspruchsmarke ein. Anders als von der Markenstelle angenommen, werde der Verkehr dem Bestandteil "Fürst" der jüngeren Marke keinen individualisierenden Charakter beimessen, sondern diesen Bestandteil als nicht unterscheidungskräftigen und nicht dominierenden Bestandteil der Gesamtmarke vernachlässigen und sich allein an dem Bestandteil "György" orientieren, denn Adelsbezeichnungen seien auf dem Gebiet der alkoholischen Getränke als Hinweis auf eine gehobene Qualität sehr beliebt. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde deshalb allein durch den Bestandteil "György" geprägt, der klanglich und schriftbildlich mit der Widerspruchsmarke "GEORGI" verwechselbar sei. Beachtliche Teile des Verkehrs würden annehmen, daß ihnen mit der jüngeren Marke nur die vollständige Bezeichnung der Widerspruchsmarke gegenübertrete.

Demgemäß beantragt sie sinngemäß, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.

Sie regte die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die kostenpflichtige Zurückweisung der Beschwerde.

Sie verteidigt die angefochtenen Beschlüsse.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet, denn auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der jüngeren Marke "Fürst György" und der Widerspruchsmarke "GEORGI" keine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Gefahr markenrechtlich erheblicher Verwechslungen ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, umfassend zu beurteilen. Zu den maßgeblichen Umständen gehört insbesondere die Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren sowie die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; BGH GRUR 1995, 216, 219 "Oxygenol II").

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist im vorliegenden Fall von Warenidentität auszugehen, denn beide Kennzeichnungen sind für "alkoholische Getränke" bestimmt. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "GEORGI" ist als durchschnittlich anzusehen, denn für eine Erweiterung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke liegen keine Anhaltspunkte vor. Selbst wenn an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken danach erhebliche Anforderungen zu stellen sind, ist dieser gewahrt.

Bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHÉ/TISSERAND mwN). Insoweit weichen die sich gegenüberstehenden Kennzeichnungen "Fürst György" und "GEORGI" so deutlich voneinander ab, daß Verwechslungen ausgeschlossen sind.

Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Übereinstimmung prägender Markenbestandteile besteht ebenfalls nicht. Zwar kann ausnahmsweise einem einzelnen Markenbestandteil eine besondere, daß Gesamtzeichen prägende Unterscheidungskraft zugemessen werden, wenn diesem Bestandteil in der Marke eine selbständige kennzeichnende Stellung zukommt und er deshalb geeignet ist, die Erinnerung an das Gesamtzeichen wachzurufen, während die weiteren Elemente der Marke nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Deshalb setzt die Feststellung der Prägung des Gesamteindrucks eines mehrteiligen Zeichens durch einen Bestandteil voraus, daß die weiteren Bestandteile so in den Hintergrund treten, daß sie für den Verkehr an Bedeutung verlieren und zum Gesamteindruck des Zeichens nicht beitragen (vgl BGH WRP 2000, 173 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Bei dieser Beurteilung ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren abzustellen (vgl EuGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; BGH aaO - ATTACHÉ/TISSERAND).

Entgegen der von der Widersprechenden vertretenen Auffassung kann nicht davon ausgegangen werden, daß dem Zeichenteil "György" in der jüngeren Marke eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt. Es trifft zwar zu, daß auf dem Gebiet der alkoholischen Getränke eine Vielzahl von Kennzeichnungen verwendet werden, die mit einem Adelsprädikat als Bestandteil gebildet sind. Dieser Umstand rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, daß in diesen Fällen der adelige Titel jeweils so in den Hintergrund tritt, daß er zum Gesamteindruck des Zeichens nichts beiträgt. Denn Adelsprädikate wirken eher wie neutrale Titel, die in aller Regel der Ergänzung durch individualisierende (Vor-)Namen bedürfen, um den adligen Namensträger näher zu charakterisieren. Der Verkehr wird sich daher bei Adelsbezeichnungen, sofern es sich nicht um sehr bekannte Adelige wie etwa "Fürst Bismarck" oder "Fürst Metternich" handelt, zumindest auch an den weiteren Vor- oder Nachnamen orientieren (vgl dazu BPatGE 35, 218 - Adalbert Prinz von Bayern).

Da die angegriffene Bezeichnung keinen allgemein bekannten Adelsnamen zum Gegenstand hat, wird ihr Gesamteindruck nicht allein von dem weiteren Bestandteil "György" geprägt. Auch wegen der Kürze der angegriffenen Marke hat der angesprochene Verkehr keine Veranlassung, dem Bestandteil "György" eine selbständig kennzeichnende Stellung beizumessen, zumal erst der Fürstentitel der Bezeichnung und damit den unter dieser Kennzeichnung vertriebenen Produkten ein besonderes Flair verleiht.

Anhaltspunkte dafür, daß die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, liegen ebenfalls nicht vor, zumal sich die Markenwörter "György" und "GEORGI" klanglich, schriftbildlich und durch den ungarischen Anklang von "György" erheblich unterscheiden.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Absatz 1 MarkenG bestand kein Anlaß. Auszugehen ist von dem Grundsatz, daß jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt. Ein Abweichen von diesem Grundsatz wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn ein Verhalten vorliegen würde, daß mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Hierfür lagen jedoch keine Anhaltspunkte vor.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Absatz 2 MarkenG lagen ebenfalls nicht vor.

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BPatG:
Beschluss v. 10.10.2001
Az: 26 W (pat) 160/00


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