Bundesgerichtshof:
Urteil vom 21. Januar 2010
Aktenzeichen: I ZR 27/07

(BGH: Urteil v. 21.01.2010, Az.: I ZR 27/07)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 16. Januar 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte bewarb das von ihr hergestellte und im Rahmen ihrer Produktlinie "P. " vertriebene Haarpflegemittel "Coffein-Shampoo" in einer am 6. März 2006 in der Zeitschrift "B. " erschienenen Anzeige mit den Angaben, die im nachstehend wiedergegebenen Klageantrag unter den Nummern 1 und 2 aufgeführt sind. In ihrem Internetauftritt warb die Beklagte für die Produktlinie "P. " mit den im Klageantrag unter den Nummern 3 bis 9 genannten Angaben.

Der Kläger, der Verein Sozialer Wettbewerb e.V., dem unter anderem Heilpraktiker, Hersteller von Kosmetika, Betreiber von Kurkliniken, Hersteller und Vertreiber von Naturheilmitteln und pharmazeutischer Produkte sowie Lebensmittelunternehmer angehören, hält diese Werbeaussagen für sachlich unrichtig, weil Coffein die ihm dort in Bezug auf Haarausfall zugeschriebenen Wirkungen nicht habe. Jedenfalls seien solche Wirkungen nicht wissenschaftlich gesichert. Dasselbe gelte für die im Internetauftritt der Beklagten auch angesprochenen Inhaltsstoffe aus der Traubensilberkerze und das dort ebenfalls erwähnte natürliche Soja.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für "P. "-Produkte wie folgt zu werben 1. Mit Coffein gegen Haarausfall 2. Jetzt haben deutsche Wissenschaftler einen Stoff entwickelt, der die Haarwurzel vor hormonbedingten Erschöpfungszuständen schützt: Ein Phyto-Coffein-Complex ...

wie geschehen in der Werbung in der Zeitschrift "B. " gemäß Anla- ge K 2 und mit den Aussagen 3. In der Menopause (Wechseljahre) gerät der Hormonhaushalt einer Frau aus dem Gleichgewicht und stört so das Haarwachstum. Unsere Forschung hat mit renommierten Wissenschaftlern und modernsten Technologien daran gearbeitet, eine Lösung für dieses Problem zu finden. Daraus wurde ein Phyto-Coffein-Complex entwickelt, der die Haarwurzeln vor dem negativen Einfluss des männlichen Hormons (Testosteron) schützt, wenn der Anteil weiblicher Hormone (Östrogene) sinkt. Daher ist dieser Wirkstoff-Complex ein wichtiger Bestandteil aller P. Produkte.

4. Die Dr. W. -Forschung hat in Zusammenarbeit mit dem dermato- logischen Fachbereich der Universitätsklinik Jena einen Phyto-Coffein-Complex entwickelt, der die Haarwurzeln vor hormonbedingten Erschöpfungszuständen schützt. Er verhindert, dass Testosteron die Haarwurzeln angreift und so die Energieversorgung einschänkt.

5. Für kräftigen Haarwuchs und festes Haar ab Vierzig. Die coffeinhaltige Rezeptur dieses Tonikums trägt dazu bei, dass das Haarwachstum nach der Menopause (Wechseljahre) nicht erschlafft.

6. Durch erbliche Veranlagung wächst in der Menopause der Einfluss von Testosteron. Er stört auch das Haarwachstum, weil die Haarwurzeln vorzeitig erschlaffen. Hochkonzentrierte Pflanzenwirkstoffe schützen davor und normalisieren die Haarproduktion. Coffein und weitere wertvolle Inhaltsstoffe aus Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa) und natürliches Soja (Glycine soja) ergänzen sich in der Schutzwirkung und kräftigen die geschwächten Haarwurzeln.

7. P. Coffein-Tonikum:

Eine Anwendungsbeobachtung an der Universitätsklinik Jena zeigt: 75% der Testpersonen stellen subjektiv einen deutlichen bis sehr starken Haarausfall fest, der sich teilweise um bis zu 3 Schweregrade verbesserte.

8. P. Außen-Innen-Kur:

Eine Anwendungsbeobachtung des Privatdozenten Dr. med. G. L. hat gezeigt:

Eine viermonatige Kombinationsbehandlung aus P. Haar- Aktiv-Kapseln und Coffein-Serum führte zu einer Verringerung des androgenetischen Haarausfalls bei 85% der Probandinnen.

9. Die antiandrogene Wirkung der Phytoflavone helfen auch in der Haarwurzel, deren Widerstandskraft zu stärken und die Energieversorgung zu verbessern. Damit unterstützen sie das Wachstum und die Regeneration der Haarwurzeln. Frauen in der Menopause, die den nachlassenden Östrogenschutz an der steigenden Zahl der ausfallenden Haare messen, können mit den phytoöstrogenen Pflanzeninhaltsstoffen, Radikalfängern und Coffein diesen Haarausfall wirksam und nachhaltig bekämpfen. Sie erhalten ihr Haar in einem gesunden und kraftvollen Zustand.

wie geschehen in der Internetwerbung der Beklagten vom 14. Februar 2006 gemäß Anlage K 3.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Bielefeld MD 2006, 948). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat die Unterlassungsklage für gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG (2004) i.V. mit § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB begründet erachtet. Die Beklagte habe die Wirkungsweise ihrer Mittel mit den beanstandeten Aussagen als wissenschaftlich gesichert dargestellt. Sie habe aber nicht bewiesen, dass ihre Werbeaussage gesicherter Stand der Wissenschaft sei. Die Beklagte könne den ihr insoweit obliegenden Beweis nicht durch den Nachweis erbringen, dass die von ihr vorgelegten Untersuchungen lege artis durchgeführt worden seien und die sich aus ihnen ergebenden Wirkungsaussagen zuträfen, weil auch etwaige neue Erkenntnisse immer noch nicht als gesicherter Stand der Wissenschaft angesehen werden könnten. Diese Untersuchungen wiesen im Übrigen selbst nicht aus, dass die Wirkung von Coffein gegen erbbedingten Haarausfall als gesicherter Stand der medizinischen Wissenschaft angesehen werden könne.

II. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die von diesem bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht seine Annahme, dem Kläger stünden die Klageansprüche zu, weil die Beklagte nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB irreführend für ihre kosmetischen Mittel geworben habe.

1. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB ist es verboten, kosmetische Mittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für kosmetische Mittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB liegt eine Irreführung insbesondere dann vor, wenn einem kosmetischen Mittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Werbeaussage, die inhaltlich zutrifft, nicht irreführend i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LFGB.

a) Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 LFGB enthält keine Erweiterung, sondern lediglich eine der Konkretisierung dienende Erläuterung des Irreführungsverbots in § 27 Abs. 1 Satz 1 LFGB. Dies folgt aus dem Wortlaut ("insbesondere") sowie aus dem systematischen Verhältnis dieser Bestimmung zum ihr vorangehenden Satz 1. Die Vorschrift des § 27 Abs. 1 Satz 2 LFGB enthält lediglich nicht abschließende Regelbeispiele des in Satz 1 geregelten Irreführungsverbots (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 102, Stand November 2005, § 27 LFGB Rdn. 34 f. und 41; Reinhart in Meyer/Streinz, LFGB BasisVO, § 27 LFGB Rdn. 33; Zindel, ZLR 1983, 396, 397; vgl. ferner - zur entsprechenden Regelung für Lebensmittel in § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB - Zipfel/Rathke aaO C 102, Stand Juli 2005, § 11 LFGB Rdn. 186).

b) Die Regelung des § 27 Abs. 1 LFGB ist zudem richtlinienkonform in diesem Sinne auszulegen, weil die Richtlinie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel für diese Mittel - im vorliegenden Fall Haarbehandlungsmittel (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 i.V. mit Anhang I der Richtlinie) - eine abschließende Harmonisierung der nationalen Vorschriften über die Verpackung, die Etikettierung sowie die Werbung herbeigeführt hat (vgl. EuGH, Urt. v. 2.2.1995 - C-315/92, Slg. 1994, I-317 = GRUR 1994, 303 Tz. 11 = WRP 1994, 380 - Clinique; Urt. v. 28.1.1999 - C-77/97, Slg. 1999, I-431 = GRUR Int. 1999, 349 Tz. 24 = WRP 1999, 311 - Unilever ./. SmithKline Beecham; Urt. v. 13.1.2000 - C-220/98, Slg. 2000, I-117 = GRUR Int. 2000, 354 Tz. 23 = WRP 2000, 289 - Lifting Creme; Urt. v. 24.10.2002 - C-99/01, Slg. 2002, I-9375 = ZLR 2003, 63 Tz. 17 - Linhart und Biffl). Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG bestimmt, dass die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von kosmetischen Mitteln nicht aufgrund der in dieser Richtlinie und ihren Anhängen enthaltenen Anforderungen ablehnen, verbieten oder beschränken dürfen, wenn sie den Bestimmungen dieser Richtlinie und ihrer Anhänge entsprechen. Nach Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 (früher: Abs. 2) der Richtlinie 76/768/EWG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass bei der Etikettierung, der Aufmachung für den Verkauf und der Werbung für kosmetische Mittel nicht Texte, Bezeichnungen, Warenzeichen, Abbildungen und andere bildhafte oder nicht bildhafte Zeichen verwendet werden, die Merkmale vortäuschen, die die betreffenden Erzeugnisse nicht besitzen. Der abschließende Charakter dieser Regelung hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten nicht mehr befugt sind, strengere nationale Maßnahmen zum Zweck der Bekämpfung irreführender Werbung in Bezug auf die Merkmale kosmetischer Mittel zu erlassen (EuGH ZLR 2003, 63 Tz. 24 - Linhart und Biffl). Wirkungen eines Mittels fallen unter den Begriff der Merkmale des Mittels i.S. von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG (vgl. EuGH ZLR 2003, 63 Tz. 32 - Linhart und Biffl). Mit Blick auf Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG kann eine wegen Irreführung unzulässige Werbung über Wirkungen eines kosmetischen Mittels i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 LFGB folglich nur angenommen werden, wenn das betreffende Mittel die behaupteten Wirkungen tatsächlich nicht besitzt.

2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die beanstandeten Werbeaussagen der Beklagten würden von den angesprochenen Verbrauchern dahin verstanden, dass die Mittel der Beklagten durch den Inhaltsstoff Coffein dem erbbedingten Haarausfall vorbeugen sollen. Dass die Mittel der Beklagten diese Wirkung nicht besitzen, hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Die Annahme einer irreführenden Werbung i.S. von § 27 Abs. 1 und 2 LFGB kann daher nicht darauf gestützt werden, die Mittel der Beklagten erreichten die behauptete Wirkung nicht.

3. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, die Beklagte habe in der beanstandeten Werbung die Wirksamkeit von Coffein gegen Haarausfall als wissenschaftlich gesichert dargestellt. Auch insoweit tragen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts die Annahme einer irreführenden Werbung i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 LFGB aber nicht.

a) Die Auffassung des Berufungsgerichts, in der beanstandeten Werbung werde die Wirksamkeit von Coffein als wissenschaftlich gesichert dargestellt, lässt allerdings keinen Rechtsfehler erkennen. In der Werbung vom 6. März 2006 wird im Zusammenhang mit der beworbenen Wirkung des "Phyto-Coffein-Complexes" davon gesprochen, deutsche Wissenschaftler hätten einen Stoff entwickelt, der die Haarwurzel vor hormonbedingten Erschöpfungszuständen schütze. Im Internetauftritt ist davon die Rede, dieser Stoff sei in Zusammenarbeit mit dem dermatologischen Fachbereich der Universitätsklinik Jena entwickelt worden. Weiter wird auf Ergebnisse von Anwendungsbeobachtungen hingewiesen, die an der Universitätsklinik Jena sowie von einem Bonner Privatdozenten durchgeführt worden seien. Es ist insbesondere im Hinblick auf die maßgebliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH ZLR 2003, 63 Tz. 31 - Linhart und Biffl) nicht erfahrungswidrig (§ 286 ZPO), wenn das Berufungsgericht diese Angaben dahin gewürdigt hat, damit werde die Wirksamkeit von Coffein gegen Haarausfall als objektiv richtig und zugleich als wissenschaftlich gesichert dargestellt. Entgegen der Auffassung der Revision wird angesichts des Gesamtzusammenhangs der beanstandeten Angaben allein durch den Umstand, dass nur deutsche Wissenschaftler genannt werden, in den beanstandeten Werbeanzeigen nicht deutlich gemacht, dass die behauptete Wirkung wissenschaftlich noch nicht gesichert sei.

b) Eine Irreführung im Hinblick auf die in der Werbung der Beklagten enthaltene Aussage, die behauptete Wirkung von Coffein sei wissenschaftlich gesichert, kann jedoch gleichfalls nur angenommen werden, wenn davon auszugehen ist, dass eine solche wissenschaftliche Absicherung nicht gegeben ist. Auch der Umstand, dass bestimmte Wirkungen eines Mittels durch Tests oder ähnliche wissenschaftliche Methoden nachgewiesen sind, gehört zu den Merkmalen des Mittels i.S. von Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG (vgl. EuGH ZLR 2003, 63 Tz. 30 ff. - Linhart und Biffl, zu der Angabe "dermatologisch gestestet"). Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht das Fehlen einer hinreichenden wissenschaftlichen Absicherung der behaupteten Wirkung von Coffein nicht rechtsfehlerfrei festgestellt hat. Das Berufungsgericht hat zu strenge Anforderungen an eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB gestellt.

aa) Das Berufungsgericht hat den von der Beklagten angetretenen Beweis durch Sachverständigengutachten dafür, dass die von ihr angeführten Untersuchungen lege artis durchgeführt worden seien und die sich aus ihnen ergebende Wirkungsaussage zutreffend sei, für unbeachtlich gehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die Untersuchungen fachgerecht erfolgt und ihre Ergebnisse richtig seien, weil auch etwaige neue Erkenntnisse immer noch nicht als gesicherter Stand der Wissenschaft angesehen werden könnten.

bb) Dabei ist das Berufungsgericht zwar zunächst rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die Verantwortung für die Richtigkeit ihrer Wirkungsaussage trifft und sie diese deshalb gegebenenfalls auch beweisen muss. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Hersteller eines kosmetischen Mittels nach Art. 7a Abs. 1 der Richtlinie 76/768/EWG sicherzustellen hat, dass den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats zu Kontrollzwecken bestimmte Angaben leicht zugänglich sind, und nach Absatz 1 lit. g dieser Vorschrift dazu der Nachweis der für das kosmetische Mittel angepriesenen Wirkung gehört, wenn dies aufgrund der Beschaffenheit des Erzeugnisses oder der angepriesenen Wirkung gerechtfertigt ist.

cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts setzt die hinreichende wissenschaftliche Absicherung i.S. von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB jedoch nicht voraus, dass die dem beworbenen Mittel beigelegte Wirkung in dem Sinne gesicherter Stand der Wissenschaft geworden ist, dass darüber zunächst eine allgemeine wissenschaftliche Diskussion geführt worden ist. Die hinreichende wissenschaftliche Absicherung kann sich vielmehr - auch ohne einen entsprechenden Forschungsstreit - schon aus einer oder mehreren einzelnen Arbeiten ergeben, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruhen (vgl. Zipfel/Rathke aaO § 27 LFGB Rdn. 43; Reinhart in Meyer/Streinz aaO § 27 LFGB Rdn. 39).

Die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Durchführung von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/768/EWG zu ergreifen haben, müssen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren (vgl. EuGH ZLR 2003, 63 Tz. 26 - Linhart und Biffl, m.w.N.). Dies gilt folglich auch für die Anforderungen, die an den Nachweis zu stellen sind, ob das kosmetische Mittel eine von dem Werbenden behauptete Wirkung besitzt oder nicht. In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass mit der Richtlinie 76/768/EWG der Hauptzweck der Erhaltung der Volksgesundheit verfolgt wird (vgl. Erwägungsgrund 3 der Richtlinie). Danach ist das Verbot kosmetischer Mittel wegen Irreführung über die ihnen beigelegten Wirkungen mit der Richtlinie 76/768/EWG nicht vereinbar, wenn - wovon nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Beklagten für die rechtliche Beurteilung in der Revisionsinstanz mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist - lege artis durchgeführte Untersuchungen zu dem Ergebnis geführt haben, dass die betreffende Wirkungsaussage zutreffend ist, ablehnende wissenschaftliche Stellungnahmen von unabhängigen Wissenschaftlern zu der betreffenden Studie nicht vorliegen und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Mittel gesundheitsschädlich ist.

III. Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses die erforderlichen Feststellungen zur hinreichenden wissenschaftlichen Absicherung der behaupteten Wirkung von Coffein nachzuholen haben.

Bergmann Pokrant Büscher Schaffert Koch Vorinstanzen:

LG Bielefeld, Entscheidung vom 09.05.2006 - 15 O 54/06 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 16.01.2007 - 4 U 99/06 -






BGH:
Urteil v. 21.01.2010
Az: I ZR 27/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c1f1fd6cb687/BGH_Urteil_vom_21-Januar-2010_Az_I-ZR-27-07




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