Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. April 2002
Aktenzeichen: 28 W (pat) 287/00
(BPatG: Beschluss v. 17.04.2002, Az.: 28 W (pat) 287/00)
Tenor
Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 16. September 1997 für die Waren und Dienstleistungen
"Fisch, Fischgallerten, Fischkonserven, Weich- und Schalentiere (auch lebend); lebende Fische; Beherbergung und Verpflegung von Gästen"
eingetragene Wortmarke Fischeriaist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 396 29 115 Fischeriadie u.a. für die folgenden Waren geschützt ist:
Fleisch- und Wurstwaren; Fleisch-, Wurst-, Gemüse-, Obst- und Suppenkonserven, in frischer, teilkonservierter oder konservierter Form, auch als Tiefkühlkost; Wurst-, Fleisch-, Geflügel- und Gemüsesalate; Ragouts; Fertiggerichte sowie Teilfertiggerichte in frischer, teilkonservierter oder konservierter Form, mit und ohne Fleischanteil und mit einer Gemüse-, Kartoffel-, Reis-, Kloß- und/oder Nudelkomponente, Geflügelerzeugnisse, nämlich verarbeitetes Geflügel in eßfertig zubereiteter Form; Fleisch-, Frucht- und Gemüsegallerten; Fleisch- und Fleischbrühextrakte; Suppenbrühextrakte; auf pflanzlicher Basis hergestellte verzehrfertige Mischungen, Fertiggerichte sowie Teilfertiggerichte, im wesentlichen bestehend aus Gemüse und/oder zubereitetem Obst und/oder Reis und/oder Pflanzeneiweiß und/oder Kartoffeln und/oder Hefeextrakten und/oder Getreide und/oder Stärkeprodukten und/oder Nußkernen.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat zunächst wegen fehlender Warenähnlichkeit den Widerspruch zurückgewiesen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden ist eine normale Ähnlichkeit von Fisch- und Fleischwaren wie auch bezüglich der Dienstleistung bejaht worden, die vor dem Hintergrund der sehr erheblichen klanglichen Übereinstimmungen eine Verwechslungsgefahr begründe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, der sich gegen eine Gleichsetzung von Fleisch mit Fisch wendet und wegen des reduzierten Schutzumfangs der Widerspruchsmarke und der begrifflichen Unterschiede in den Marken deren klanglichen Abstand durch den zusätzlichen Buchstaben "R" für ausreichend hält, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen.
Der Markeninhaber beantragt, den Beschluß vom 16. Oktober 2000 aufzuheben und die Erinnerung der Widersprechenden zurückzuweisen.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tritt der Auffassung des Markeninhabers entgegen, es gäbe eine Zweiteilung zwischen Fleisch- und Fischprodukten, und führt aus, die begrifflichen Unterschiede wie auch der zusätzliche Buchstabe würden innerhalb des klanglichen Gesamteindrucks der Marken vom Verkehr nicht erfaßt werden, so daß von einer Verwechslungsgefahr auszugehen sei.
Der Markeninhaber hat seinen hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen, so daß im schriftlichen Verfahren zu entscheiden war.
II.
Die zulässige Beschwerde des Markeninhabers ist nicht begründet.
In Übereinstimmung mit dem Erinnerungsprüfer besteht nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Entgegen der Auffassung des Markeninhabers kann vorliegend eine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen nicht verneint werden.
Zwischen den Waren "Fleisch" einerseits und "Fisch" andererseits und den daraus jeweils hergestellten Produkten bestehen durchaus Überschneidungen in den Herstellungsbetrieben, dem Vertrieb und dem Verwendungszweck der Waren. Zwar ist dem Markeninhaber zuzustimmen, daß Seefische in erster Linie im küstennahen Bereich verarbeitet werden, doch darf nicht übersehen werden, daß eine Veredelung beider Waren (Salate, Fertiggerichte) häufig in denselben Spezialbetrieben stattfindet. Auch dem Verbraucher begegnen entsprechende Produkte gemeinsam in der Kühl- bzw Frischetheke, insbesondere von Metzgereien, Feinkostgeschäften und Supermärkten. Dort werden neben den Fleischpasteten ebensolche unter Verwendung von Fisch hergestellte angeboten wie auch Feinkostsalate, die u.a. Fleisch- und/oder Fischanteile enthalten. Der Verkehr sieht heutzutage Fleisch bzw Fisch als austauschbare Komponenten einer ausgewogenen Ernährung an, wobei gerade das Hauptgericht eines Menüs anstelle von Fleisch genauso aus Fisch bestehen kann. Vor diesem Hintergrund geht der Senat von einer durchschnittlichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren aus (ebenso HABM R 349/99-1 v. 29.11.00), was in gleicher Weise mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch für die Dienstleistung "Beherbergung und Verpflegung von Gästen" gilt, für die die jüngere Marke zusätzlich geschützt ist.
Vor diesem Hintergrund der Waren und Dienstleistungen sind an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Abstand zwar nur durchschnittliche Anforderungen zu stellen. Entgegen der Ansicht des Markeninhabers ist dabei von einem nicht reduzierten Schutzbereich der Widerspruchsmarke auszugehen, die zwar das für Lebensmittel offensichtlich beschreibende Wort "frisch" enthält, jedoch nach dem allein maßgeblichen Gesamteindruck zusammen mit den weiteren Bestandteilen über hinreichende Unterscheidungskraft verfügt. Den danach erforderlichen Abstand kann die jüngere Marke vorliegend nicht mehr einhalten, zumal wenn man zusätzlich berücksichtigt, daß beide Marken zur Kennzeichnung von Waren des täglichen Bedarfs eingesetzt werden, die eher flüchtig erworben werden.
Die einander gegenüberstehenden Marken unterscheiden sich in klanglicher wie schriftbildlicher Hinsicht lediglich durch den zusätzlichen Buchstaben "R", der zusammen mit dem Konsonanten "F" den Anlaut der Widerspruchsmarke bildet. Diese geringfügige Abweichung führt trotz Berücksichtigung der in den Marken enthaltenen begrifflichen Stützen ("Fisch-" bzw "Frisch-") zwangsläufig zur Annahme einer Verwechslungsgefahr, da wegen der deutlichen Annäherungen der Marken der in den jeweiligen Wortanfängen enthaltende Begriffsgehalt vom Verkehr nicht sicher erfaßt werden kann.
Die Beschwerde des Markeninhabers war daher zurückzuweisen, wobei für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) kein Anlass bestand.
Stoppel Schwarz-Angele Martens Bb
BPatG:
Beschluss v. 17.04.2002
Az: 28 W (pat) 287/00
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