Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2010
Aktenzeichen: 15 W (pat) 333/06

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2010, Az.: 15 W (pat) 333/06)

Tenor

Das deutsche Patent 103 40 052 wird widerrufen.

Gründe

I.

1. Auf die am 28. August 2003 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentund Markenamt das Patent 103 40 052 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Herstellung von flexiblen Funktionsspannelementen" erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung in Form der DE 103 40 052 B4 ist der 9. Februar 2006.

Das Streitpatent umfasst acht Patentansprüche, die folgenden Wortlaut haben:

"1. Verfahren zur Herstellung von im fertigen Zustand einstückigen oder mehrteiligen dreidimensionalen Spannelementen, insbesondere flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, durch additiven Aufbau, insbesondere durch Lasersintern oder Laserschweißen, wobei im Verlauf des Aufbaus, insbesondere des Schichtaufbaus, zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden.

2.

Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Aufbau dergestalt erfolgt, dass ein Material aufgebracht und ein selektiv aushärtendes Verfahren, insbesondere ein Energiestrahl, auf vorgebbare Bereiche des Materials gerichtet wird, so dass das Material zumindest partiell schmilzt, eine Verbindung eingeht sowie anschließend aushärtet, Wiederholen der Schritte des Aufbringens, des Schmelzens, des Verbindens und des Aushärtens, bis das Spannelement, insbesondere das flexible komplexe Funktionsspannsystem, einstückig oder im Bedarfsfall mehrteilig erzeugt ist.

3.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass durch den additiven Schichtaufbau verschiedene Spannmittel mit gegebenenfalls unterschiedlichen Funktionen im Bereich des einstückigen Spannelementes, insbesondere im Bereich des flexiblen komplexen Funktionsspannsystems, integriert werden.

4.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass im Verlauf des Aufbaus, insbesondere des Schichtaufbaus, Funktionselemente, wie insbesondere Spannbolzen und/oder Spannzangen und/oder Gelenke in das einstückige Spannelement, insbesondere das komplexe Spannsystem, integriert werden.

5.

Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass durch den additiven Aufbau, insbesondere Schichtaufbau, gegebenenfalls mehrwandige Hohlkammern mit bedarfsweise unterschiedlichen Abmessungen und Konturen innerhalb des Spannelementes, insbesondere des flexiblen komplexen Funktionsspannsystems, erzeugt werden.

6.

Einstückig oder mehrteilig ausgebildetes dreidimensionales Spannelement, insbesondere flexibles komplexes Funktionsspannsystem, zumindest beinhaltend durch additiven Aufbau, insbesondere Schichtaufbau, erzeugte Hohlräume und/oder Kanäle und/oder Hohlkammern mit beliebigen Abmessungen und Konturen.

7.

Spannelement nach Anspruch 6, des weiteren beinhaltend Spannmittel, insbesondere Dehnwände.

8.

Spannelement nach Anspruch 6 oder 7, des weiteren beinhaltend Funktionselemente, wie insbesondere Spannbolzen und/oder Spannzangen und/oder Gelenke und/oder Lagerstellen."

2. Gegen das Patent hat die F... e.V., in M..., mit Schriftsatz vom 9. Mai 2006, einge gangen am 9. Mai 2006 beim Deutschen Patentund Markenamt, Einspruch erhoben und beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen sowie hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Einsprechende stützt sich auf folgende Entgegenhaltungen:

E1 DE 44 32 253 A1 E2 DE 100 07 711 C1 E3 DE 197 01 078 C1 E4 uRapid 2001: Amsterdam, May 28-30, 2001, 499, "Creating Flexible Prototypes with SOMOS 201"

E5 EP 0 748 684 B1.

Weiter nimmt sie Bezug auf den in der Streitpatentschrift zum Thema "generative Herstellverfahren" bzw. "Verfahren zum Erhalt eines dreidimensionalen Objektes mittels additiven Aufbaus" genannten Stand der Technik (Absätze [0006] bis [0009]):

E6 DE 100 39 144 C1 E7 DE 299 07 262 U1 E8 DE 103 20 085 A1 E9 D. Trenke, "Infiltration von lasergesinterten Bauteilen", IMW-Institutsmitteilungen Nr. 25 (2000), 111 -114.

Begründet wird der Einspruch damit, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der E1 und dem fachmännischen Allgemeinwissen, belegt durch E2, E3, E4 und E5, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (§ 4 PatG) und daher nicht patentfähig sei. Des Weiteren sei der Gegenstand des Patentanspruchs 6 gegenüber der E1 nicht mehr neu. Werde der Verfahrensmaßnahme "durch additiven Aufbau" im Patentanspruch 6 aber Gewicht beigemessen, so sei auch ein derartiger Anspruch nicht patentfähig, zumal es für einen Fachmann naheliegend sei, ein Spannelement nach E1 mittels der als bekannt anzusehenden generativen Herstellungsverfahren zu fertigen, so dass letztlich der Gegenstand des Patentanspruchs 6 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (vgl. Einspruchsschriftsatz vom 9. Mai 2006).

3.

Ursprünglicher Patentinhaber war der Erfinder R... in B... Mit Verfügung vom 17. März 2009 ist das Patent auf die nunmehrige Inha berin E...GmbH in K..., umgeschrieben worden. Der Rechtsvorgänger und die Rechtsnachfolgerin haben dieselben anwaltlichen Vertreter. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichtes hat sich die neue Patentinhaberin zunächst als Nebenintervenientin dem Verfahren angeschlossen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist sie mit Zustimmung der Einsprechenden und des ehemaligen Patentinhabers als Hauptpartei in das Verfahren eingetreten.

4.

Die Patentinhaberin hat dem Einspruchsvorbringen im Schriftsatz vom 2. Juni 2009 widersprochen und zunächst beantragt, das Patent unverändert aufrechtzuerhalten, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Im Schriftsatz vom 1. April 2010 führt sie aus, dass das deutsche Patent 103 40 052 die Voraussetzungen des § 4 PatG erfülle. Sie stützt sich u. a. auf Beweisanzeichen wie Vorurteil, Lob der Fachwelt, Zeitdauer, Bereicherung der Technik und glücklicher Griff und legt hierzu folgende Dokumente vor:

Anlagenkonvolut P1: Artikel der Firma Bilsing Automation GmbH, in:

- Konstruktion, Nov./Dez. 2009, Seiten 18/19, "Laser-

Sinterverfahren für Greifermodule nach Wunsch",

- H & L, Januar 2009, Seite 5, "Individuelle Greifer - über Nachtgemacht",

- handling, Februar 2009, Seiten 14/15, "Greifermodule nach Wunsch".

Anlage P2: BionicTripod mit FinGripper der Firma FESTO, Seiten 1 bis 4, (ohne erkennbares Druckdatum), Anlage P3: Ausdruck der Webseite der Firma SCHUNK vom 30.03.2010, "Lasergeformte Greiferfinger und Adapterplatten aus Polyamid", Anlage P4: etz, Heft 11/2007, Seiten 110/111, "LMD: Vorteile durch Laser-

Forming". Anlage P5: Prospekt der LMD (7 Blätter, kein erkennbares Druckdatum). Anlage P6: Industrieanzeiger 49/50, 2009, Seiten 26/27, "Des Robotersneue Hände wachsen über Nacht", unter Verweis auf http://rpd.ipa.fraunhofer.de.

Des Weiteren hat sie mit Schriftsatz vom 1. April 2010 hilfsweise drei neue Anspruchssätze (Hilfsanträge 1 bis 3) und in der mündlichen Verhandlung vom 19. April 2010 drei weitere Anspruchssätze (Hilfsanträge 4 bis 6) vorgelegt.

Der Anspruchssatz vom 1. April 2010 nach Hilfsantrag 1 umfasst fünf Patentansprüche, wovon die Patentansprüche 1 bis 5 der erteilten Fassung entsprechen und die nebengeordneten Sachansprüche 6 bis 8 erteilter Fassung gestrichen worden sind.

Der Anspruchssatz vom 1. April 2010 nach Hilfsantrag 2 umfasst acht Patentansprüche, wovon die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 6 folgenden Wortlaut haben (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind kursiv dargestellt):

"1. Verfahren zur Herstellung von im fertigen Zustand einstückigen oder mehrteiligen dreidimensionalen flexiblen Spannelementen, insbesondere flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, durch additiven schichtweisen Aufbau durch Lasersintern oder Laserschweißen, wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden, durch die sich die Spannelemente verformen lassen.

6. Einstückig oder mehrteilig ausgebildetes dreidimensionales Spannelement, welches nach einem Verfahren der Ansprüche 1 bis 5 hergestellt ist, insbesondere flexibles komplexes Funktionsspannsystem, zumindest beinhaltend durch additiven Aufbau, insbesondere Schichtaufbau, erzeugte Hohlräume und/oder Kanäle und/oder Hohlkammern mit beliebigen Abmessungen und Konturen."

Der Anspruchssatz vom 1. April 2010 nach Hilfsantrag 3 umfasst fünf Patentansprüche, wovon der Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind kursiv dargestellt):

"1. Verfahren zur Herstellung von im fertigen Zustand einstückigen oder mehrteiligen dreidimensionalen flexiblen Spannelementen, insbesondere flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, durch additiven schichtweisen Aufbau durch Lasersintern oder Laserschweißen, wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden, durch die sich die Spannelemente verformen lassen."

Der Anspruchssatz vom 19. April 2010 nach Hilfsantrag 4 umfasst fünf Patentansprüche, wovon der Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind kursiv dargestellt):

"1. Verfahren zur Herstellung von im fertigen Zustand einstückigen oder mehrteiligen dreidimensionalen flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, durch additiven schichtweisen Aufbau durch Lasersintern oder Laserschweißen, wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden, die sich verformen lassen."

Der Anspruchssatz vom 19. April 2010 nach Hilfsantrag 5 umfasst vier Patentansprüche, wovon der Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind kursiv dargestellt):

"1. Verfahren zur Herstellung von im fertigen Zustand einstückigen oder mehrteiligen dreidimensionalen flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, durch additiven schichtweisen Aufbau durch Lasersintern oder Laserschweißen, wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden, die sich verformen lassen, und wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, Funktionselemente, wie insbesondere Spannbolzenund/oder Spannzangen und/oder Gelenke in das komplexe Spannsystem, integriert werden."

Der Anspruchssatz vom 19. April 2010 nach Hilfsantrag 6 umfasst vier Patentansprüche, wovon der Patentanspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber Hauptantrag sind kursiv dargestellt):

"1. Verfahren zur Herstellung von im fertigen Zustand einstückigen oder mehrteiligen dreidimensionalen flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, durch additiven schichtweisen Aufbau durch Lasersintern oder Laserschweißen, wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden, die sich verformen lassen, und wobei im Verlauf des Schichtaufbaus, Funktionselemente, wie insbesondere Spannbolzen und/oder Spannzangen und/oder Gelenke in das komplexe Spannsystem, integriert werden, und als Spannmittel Dehnwände erzeugt werden, die als dünne Wand mit Falten oder Wellen zu verstehen sind, die sich ähnlich eines Faltenbalgs ausdehnen können."

Die Vertreterin der Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent vollumfänglich aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß 1. Hilfsantrag, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 gemäß

2.

Hilfsantrag, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß

3.

Hilfsantrag, Hilfsanträge 1 bis 3 überreicht mit Schriftsatz vom 1. April 2010, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß

4.

Hilfsantrag, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß

5.

Hilfsantrag, hilfsweise auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß

6.

Hilfsantrag, Hilfsanträge 4 bis 6 überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung wie erteilte Fassung.

Der Vertreter der Einsprechenden stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Wegen der vollständigen Anspruchssätze gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 6 sowie weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. April 2010 und auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH GRUR 2007, 859 - Informationsübermittlungsverfahren I und BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II sowie BGH GRUR 2009, 184 - Ventilsteuerung).

Der fristund formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, weil im Einspruchsschriftsatz die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen so angegeben sind, dass die Merkmale des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung im konkreten Bezug zum genannten Stand der Technik gebracht wurden. Die Patentinhaberin und der Senat haben daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

Der zulässige Einspruch hat in der Sache Erfolg und führt zum Widerruf des Patents.

III.

1. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift Absatz [0001] betrifft das Streitpatent ein Verfahren zur Herstellung individueller flexibler Funktionsspannelemente. Weiter betrifft es nach Patentanspruch 6 dreidimensionale Spannelemente.

Im Absatz [0003] ist ausgeführt, dass die zu fertigenden Bauteile vielfach extrem dünn und/oder empfindlich seien, weshalb sie nicht mit herkömmlichen Spanntechniken für spätere Bearbeitungsoder Transportschritte aufgenommen werden könnten. Werkstücke könnten außerdem durch zu hohe oder ungleichmäßige Spannkräfte deformiert werden. Andere Bauteile hätten unter Umständen keine ebenen Flächen, auf denen gespannt werden könne. Wieder andere Bauteile könnten gar nicht gespannt werden, da die Maßabweichungen so groß seien, dass die kleineren oder größeren Teile nicht mehr aufgenommen oder erfasst werden könnten. Für geringe Stückzahlen lohnten sich aufwendige Sonderspannsysteme oft nicht, so dass eine automatische Bearbeitung in der Regel nicht möglich sei.

Weiter erläutert die Streitpatentschrift in Absatz [0004], dass ein weiteres Problem die Roboter oder Handhabungssysteme darstellten. Im Hinblick auf die gegebenen Massenträgheiten in Verbindung mit hohen Vorschubgeschwindigkeiten, beispielsweise eines Roboterarmes, könnten schwerere Spannsysteme auf kleinen Robotern oder Handhabungssystemen nicht zum Einsatz gelangen. Ferner müssten Spannsysteme möglichst platzsparend sein. Kleine Spannsysteme sparten durch ihre Bauart und o. g. Punkte viel Geld und Arbeitsraum.

Nach Absatz [0005] würden weitere Spannsysteme beispielsweise gebildet durch Greifer, Spannfutter oder Spanndorne mit aufwendigen Spannbacken oder Spannkonturen, die in der Regel aus einer Vielzahl von einzeln gefertigten Bauteilen beständen, die erst im montierten Zustand das jeweilige Spannsystem ergäben. Hohlkammern und Kanäle könnten hier nur mit großem Aufwand in die Spannsysteme integriert werden.

Zum druckschriftlichen Stand der Technik verweist die Streitpatentschrift in Absatz [0006] auf die DE 100 39 144 C1 (vgl. E6), woraus ein Verfahren zur Herstellung präziser Bauteile durch Lasersintern eines Pulvermaterials bekannt sei, das aus einer Mischung von mindestens zwei Pulverelementen bestehe, wobei im Verlauf des Lasersinterprozesses aus diesen Pulverelementen eine Pulverlegierung entstehe. Weiter wird in Absatz [0007] die DE 299 07 262 U1 (vgl. E7) genannt, die eine Vorrichtung zum Herstellen eines dreidimensionalen Objekts mittels 'rapid prototyping' durch aufeinander folgendes Verfestigen von Schichten eines mittels elektromagnetischer Strahlung oder Teilchenstrahlung verfestigten Aufbaumaterials an den, dem jeweiligen Querschnitt des Objektes in jeder Schicht entsprechenden Stellen beschreibe. In Absatz [0008] wird auf die DE 103 20 085 A1 (vgl. E8) hingewiesen, die ein Verfahren zum Herstellen metallischer oder nichtmetallischer Produkte durch Freiformlasersintern bzw. - schmelzen offenbare, bei dem die Produkte mittels eines datengesteuert geführten Laserstrahls aus pulverförmigem Werkstoff auf einer Substratplatte schichtweise aufgebaut werde. Schließlich verweist die Streitpatentschrift in Absatz [0009] auf den Fachaufsatz "Infiltration von lasergesinterten Bauteilen" (vgl. E9).

2.

Vor diesem technischen Hintergrund bezeichnet es die Streitpatentschrift in Absatz [0010] als zu lösendes technisches Problem, ein Verfahren sowie ein dreidimensionales Spannelement bereitzustellen, mit welchem Spannelemente, insbesondere flexible Funktionsspannsysteme, hergestellt werden können, die bedarfsweise auch komplexe Funktionen beinhalten, wobei deren Erzeugung einfach, schnell, individuell und kostengünstig erfolgen soll.

3.

Zur Lösung dieser Aufgabe beschreibt der erteilte Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, nach Merkmalen gegliedert, ein M1 Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Spannelementen, M2 die im fertigen Zustand einstückig oder mehrteilig sind, M2a insbesondere von flexiblen komplexen Funktionsspannsystemen, M3 durch additiven Aufbau, M3a insbesondere durch Lasersintern oder Laserschweißen, M4 wobei im Verlauf des Aufbaus Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden;

M4a die Hohlräume und/oder Kanäle werden insbesondere während des Schichtaufbaus gebildet;

M4b die Hohlräume und/oder Kanäle dienen zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen.

Nach Patentanspruch 6 wird die Aufgabe mit folgenden Merkmalen gelöst:

M5 Dreidimensionales Spannelement, M6 das einstückig oder mehrteilig ausgebildet ist, M6a insbesondere flexibles komplexes Funktionsspannsystem, M7 zumindest beinhaltend durch additiven Aufbau, M7a insbesondere Schichtaufbau, M8 erzeugte Hohlräume und/oder Kanäle und/oder Hohlkammern mit beliebigen Abmessungen und Konturen.

Gemäß Hilfsantrag 1 wird die Aufgabe nur durch die Verfahrensansprüche 1 bis 5 erteilter Fassung gelöst.

In der nach Hilfsantrag 2 verteidigten Fassung kommen als weitere Merkmale hinzu:

M2b die dreidimensionalen Spannelemente sind flexibel; M3b der additive Abbau erfolgt schichtweise M3c durch Lasersintern oder Laserschweißen; M4c durch die erzeugten Hohlräume und/oder Kanäle lassen sich die Spannelemente verformen.

Der Nebenanspruch 6 wurde nur durch die Bezugnahme auf die Verfahrensansprüche geändert.

Hilfsantrag 3 umfasst nur die Verfahrensansprüche 1 bis 5 gemäß Anspruchsfassung des Hilfsantrages 2.

Die nach Hilfsantrag 4 verteidigte Fassung ist auf ein Verfahren zur Herstellung von Funktionsspannsystemen gerichtet und umfasst folgende Merkmale:

M1a Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Funktionsspannsystemen, M2 die im fertigen Zustand einstückig oder mehrteilig sind, M2c die Funktionsspannsysteme sind komplex und flexibel, M3 durch additiven Aufbau, M3b der additive Abbau erfolgt schichtweise, M3c durch Lasersintern oder Laserschweißen; M4 wobei im Verlauf des Aufbaus Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden;

M4a die Hohlräume und/oder Kanäle werden während des Schichtaufbaus gebildet;

M4b die Hohlräume und/oder Kanäle dienen zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen, M4c die Hohlräume und/oder Kanäle lassen sich verformen.

In der nach Hilfsantrag 5 verteidigten Fassung kommen zu den Merkmalen M1a bis M4c gemäß Hilfsantrag 4 als weitere Merkmale noch M5 und M5a hinzu:

M5 wobei im Verlauf des Schichtaufbaus Funktionselemente in das komplexe Spannsystem integriert werden, M5a die Funktionselemente sind insbesondere Spannbolzen und/oder Spannzangen und/oder Gelenke.

In der nach Hilfsantrag 6 verteidigten Fassung kommt zu den Merkmalen M1a bis M5a gemäß Hilfsantrag 5 als weiteres Merkmal noch M6 hinzu:

M6 und als Spannmittel Dehnwände erzeugt werden, die als dünne Wand mit Falten oder Wellen zu verstehen sind, die sich ähnlich eines Faltenbalgs ausdehnen können.

4. Als zuständiger Fachmann ist hier ein in der Entwicklung und Herstellung von Werkzeugen, insbesondere von Spannelementen und Funktionsspannsystemen, tätiger Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau anzusehen, der aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung über einschlägige Kenntnisse auf dem Gebiet der Materialwissenschaften und in der Verfahrenstechnologie verfügt. Er besitzt infolgedessen auch fundierte Kenntnisse über die verschiedenen Rapid Prototyping-Verfahren.

IV.

1.

Gegen die Zulässigkeit der Patentansprüche nach Hauptantrag bestehen keine Bedenken. Die erteilten Ansprüche finden ihre Grundlage in den Ursprungsunterlagen gemäß DE 103 40 052 A1, dort in den Ansprüchen 1 bis 9 i. V. m. den Absätzen [0009], [0013] und [0017]. Die ursprüngliche Offenbarung der Patentansprüche nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 kann dagegen unerörtert bleiben, denn hierauf kommt es letztlich nicht in entscheidungserheblicher Weise an, da sich das Streitpatent auch in den mit den Hilfsanträgen 1 bis 6 verteidigten Fassungen wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit als nicht bestandsfähig erweist.

2.

Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob das mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 6 beanspruchte Verfahren sowie das mit dem Patentanspruch 6 gemäß Hauptantrag beanspruchte Spannelement jeweils neu sind, da sowohl das Herstellungsverfahren als auch das Erzeugnis jedenfalls nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit sind.

3.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 beruht gegenüber der E1 in Verbindung mit dem Basiswissen des angesprochenen Fachmanns, belegt durch E2 bis E4, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

3a) Nachdem die mit "insbesondere" eingeleiteten, fakultativen Merkmale M2a, M3a, M4a, M6a und M7a sowohl in Patentanspruch 1, als auch in Patentanspruch 6 (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) keine schutzbeschränkende Wirkung entfalten, hat demnach das Streitpatent nach dem angegriffenen Patentanspruch 1 lediglich ein Verfahren zur Herstellung eines dreidimensionalen Spannelementes durch additiven Aufbau zum Gegenstand, bei dem im Verlauf des Aufbaus Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen erzeugt werden. Der Gegenstand nach Patentanspruch 6 richtet sich demzufolge auf ein dreidimensionales Spannelement, das lediglich - durch additiven Aufbau erzeugte - Hohlräume und/oder Kanäle und/oder Hohlkammern mit beliebigen Abmessungen und Konturen aufweist. Mit den Merkmalen M2 und M6, wonach das Spannelement im fertigen Zustand "einstückig oder mehrteilig ausgebildet" ist, werden sämtliche Ausgestaltungen eines dreidimensionalen Gegenstandes umfasst, so dass weder Merkmal M2 im Anspruch 1, noch Merkmal M6 im Anspruch 6 zur Abgrenzung des angegriffenen Gegenstandes gegenüber dem Stand der Technik dienen können. Dies gilt auch für das Teilmerkmal in Merkmal M4, dass die Hohlräume und/oder Kanäle und/oder Hohlkammern "beliebige Abmessungen und Konturen" aufweisen können. Zudem ist auch Merkmal M4b, wonach die Hohlräume und/oder Kanäle "zur Realisierung interner Bewegungsabläufe und Funktionen" dienen, keine Maßnahme, die das beanspruchte Verfahren näher ausgestaltet, sondern das funktionelle Merkmal erläutert nur den Zweck der zu erzielenden Hohlräume und/oder Kanäle.

Im Hinblick auf die durch additiven, schichtweisen Aufbau zu erzielenden Hohlräume und/oder Kanäle und/oder Hohlkammern offenbart die Streitpatentschrift in Absatz [0014] als Verfahrensmaßnahme nur, dass beim schichtweisen Lasersintern oder Laserschweißen des Metallund/oder Kunststoffpulvers "bedarfsweise" nicht gesintertes oder geschmolzenes Pulver vom zunächst geformten Vormaterial wieder entfernt werden kann. Dieser Vorgang soll so lange wiederholt werden, bis das Spannelement seine endgültige, ausgebildete Kontur aufweist. Demzufolge wird das Pulver nur an vorbestimmten Stellen bzw. Bereichen mit dem Laser bestrahlt, so dass es sich hierbei nur um das aus dem Stand der Technik bekannte Selektive Laser-Sintern, SLS-Verfahren, handelt. Infolgedessen bleibt es in der Streitpatentschrift dem fachmännischen Wissen und Können überlassen, wie dieser Vorgang des Entfernens von nicht gesintertem oder geschmolzenem Pulver konkret ausgeführt wird.

3b) Dem beanspruchten Streitgegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptund Hilfsanträgen 1 bis 3 am nächsten kommt die Lehre nach der DE 4432253A1 (E1). In dieser Schrift ist ein Element für greiftechnische, manipulatorische und lokomotorische Bewegungssysteme, also ein dreidimensionales Spannelement (Merkmal M1 bzw. M5), beschrieben, wobei es sich vorzugsweise um miniaturisierte Bewegungssysteme handelt (vgl. E1, Spalte 1, Zeilen 7 bis 10 und 39 bis 42), aber jenseits der Mikrotechnik ebenfalls Bewegungssysteme benötigt werden, die kaum Montageaufwand erfordern und zudem verschleißarm und spielfrei sind (vgl. E1, Spalte 1, Zeilen 21 bis 24). Das in E1 als in sich geschlossene "mechanische Struktur" bezeichnete Funktionselement ist aus stofflich zusammenhängenden Abschnitten unterschiedlicher mechanischer Nachgiebigkeit aufgebaut, wobei unter Belastung diese mechanische Nachgiebigkeit zu einer Formänderung des betreffenden Abschnittes führt, die sich je nach Belastungsart als Verbiegung, Verdrehung, Dehnung oder Stauchung äußert und durch die damit verbundenen relativen Lageänderungen die Beweglichkeit der gesamten Struktur begründet (vgl. E1, Spalte 1, Zeilen 35 bis 37 und 45 bis 54 sowie 67), was für den Fachmann nichts anderes bedeutet, als dass die E1 auch flexible komplexe Funktionsspannsysteme offenbart (Merkmal M2a, M2b bzw. M6a). Als Ausführungsbeispiele sind in den Figuren 1 bis 3 Zangen (vgl. E1, Spalte 2, Zeile 22) dargestellt, die eine geschlossene Struktur aufweisen (vgl. E1, Spalte 2, Zeile 12) und somit gemäß Merkmal M2 bzw. M6 einstückig sind. So zeigt beispielsweise die Figur 3 der E1 eine Greifzange mit ellipsenähnlicher Rahmenstruktur, wobei die Hülse h einen mit Druck beaufschlagbaren Hohlraum umschließt (Merkmal M4 bzw. M8). An der in radialer Belastungsrichtung elastisch nachgiebigen Hülse h sind der Gestellabschnitt a und die beiden Wirkelemente e und f stoffschlüssig angeordnet. Bei Beaufschlagung der Hülse h mit einem Innendruck p durch ein in einem geeigneten Mittel geführtes fluidisches Medium verformt sich die Ellipse und nähert sich der Kreisform an, wobei sich die Wirkelemente e und f aufeinander zu bewegen (vgl. E1, Spalte 2, Zeilen 32 bis 41). Infolgedessen dient der von der Hülse h umgebene Hohlraum zur Realisierung interner Bewegungsabläufe, nämlich dem Schließen und Öffnen der Zange, so dass sich dem Fachmann aus der Druckschrift E1 sowohl das Merkmal M4b als auch das Merkmal M4c erschließt, denn durch den erzeugten Hohlraum lässt sich das Spannelement verformen.

In der E1 findet sich expressis verbis kein Hinweis auf eine Herstellung der Greifzangen durch additiven Schichtaufbau (Merkmale M3, M3b, M7, M7a), insbesondere durch Lasersintern oder Laserschweißen (Merkmale M3a, M3c), vielmehr heißt es dort nur, dass diese Bewegungssysteme mit Verfahren der Mikrotechnologie hergestellt werden können (vgl. E1, Spalte 1, Zeilen 43/44), wobei solche Herstellungsverfahren in der E1 nicht näher definiert sind.

Ein Fachmann, der sich in der Praxis vor allem mit der Entwicklung von Neuerungen auf dem Gebiet der Herstellung von Werkzeugen, insbesondere von Spannelementen und Funktionsspannsystemen, beschäftigt und dabei selbstverständlich den Stand der Technik auf seinem Spezialgebiet kennt und sich in üblicher Weise auf dem Laufenden hält, z. B. auch durch Lesen von Fachzeitschriften (vgl. BPatGE 34, 264), wird sich auf der Suche nach einem geeigneten Herstellungsverfahren für flexible komplexe Funktionsspannsysteme, wie sie in E1 beschrieben sind, auch der Herstellung durch "Rapid Prototyping" zuwenden, weil diese Verfahren sich im Werkzeugbau bewährt haben.

So ist beispielsweise in der DE 100 07 711 C1 (E2) ausgeführt, dass in der Produktionstechnik und insbesondere im industriellen Modellbau die Entwicklung neuartiger schneller Herstellungsmethoden ständig vorangetrieben wird. "Eine Gruppe derartiger schneller Herstellungsverfahren wird als Rapid-Prototyping-Verfahren bezeichnet. Zu dieser Gruppe gehört das Selektive Laser-Sintern (SLS)" (vgl. E2, Spalte 1, Zeilen 8 bis 13). Die Herstellung eines solchen Bauteils mittels SLS (Merkmal M3a, M3c) erfolgt hierbei durch additiven Schichtaufbau (Merkmale M3, M3b, M7, M7a) (vgl. E2, Spalte 1, Zeilen 20 bis 31).

Dass mit SLS-Verfahren (Merkmal M3a, M3c) auch flexible, komplexe, dreidimensionale Werkzeuge herstellbar sind, erfährt der Fachmann aus der E3 und E4. In der DE 19701078 C1 (E3) werden die Werkzeuge mit Kühlflächen und/oder Kühlkanälen, also mit Hohlräumen (Merkmal M4a), versehen, die während des Schichtaufbaus gebildet werden (vgl. E3, Anspruch 1, Merkmal 1.3 i. V. m. Spalte 2, Zeile 62 bis Spalte 3, Zeile 2). In der Fachzeitschrift E4 sind darüber hinaus flexible (Merkmale M2a, M2b, M6a) Schläuche ("hoses") und Manschetten ("gaskets") offenbart, die mittels der SLS-Technologie erhältlich sind (vgl. E4, Seite 499, Abbildung sowie Absätze 2 und 3).

Mithin stellte die SLS-Technik bei der gegebenen Aufgabenstellung für den Fachmann einen vielversprechenden Einstieg für die Problemlösung dar, weshalb es für den Fachmann auf der Hand lag, die Herstellung eines dreidimensionalen Spannelementes ausgehend von E1 mit der SLS-Technik zu realisieren.

Damit ergeben sich sämtliche Merkmale des nach Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 beanspruchten Verfahrens bereits aus der E1 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen, belegt durch E2 bis E4, zwanglos, so dass es keines erfinderischen Zutuns bedurfte, um zu den beanspruchten Verfahren nach den jeweiligen Patentansprüchen 1 zu gelangen.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen 1 bis 3 hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand.

4. Was das beanspruchte Verfahren in der Fassung des Hilfsantrages 4 anbelangt, so unterscheidet es sich gegenüber Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 nur dadurch, dass der Oberbegriff nicht auf ein Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Spannelementen (Merkmal M1), sondern nun auf ein Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalen Funktionsspannsystemen (Merkmal M1a) gerichtet ist.

4a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch das Streitpatent unter Schutz gestellt ist, ist der Inhalt der Patentansprüche, wobei der Wortlaut eines Patentanspruchs unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen aus Sicht des von der Erfindung angesprochenen Fachmannes zu deuten ist. Ein Patentanspruch ist danach nicht wörtlich in philologischer Betrachtung, sondern seinem technischen Sinn nach aufzufassen. Begriffe in Patentansprüchen sind danach so zu deuten, wie sie der angesprochene Fachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung der in ihr objektiv offenbarten Lösung bei unbefangener Erfassung der im Anspruch umschriebenen Lehre zum technischen Handeln versteht (BGH GRUR 2001, 232, 233 -Brieflocher m. w. H.). Infolgedessen stellt die Patentschrift im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe ihr eigenes Lexikon dar (BGH GRUR 1999, 909, 912 -Spannschraube; BGH Mitt 2000, 105, 106 -Extrusionskopf).

4b) Nach den Angaben in der Streitpatentschrift werden unter "Spannsysteme" beispielsweise Greifer, Spannfutter, Spanndorne, Spannvorrichtungen, Spannbacken oder dergleichen verstanden. Spannsysteme können ebenfalls Vorrichtungen sein, um Bauteile, wie z. B. Werkstücke, zu positionieren, zu spannen oder zu bewegen, um diese Bauteile zu bearbeiten bzw. zu transportieren (Absatz [0002]). Ein "Spannelement" ist dagegen in der Streitpatentschrift expressis verbis nicht definiert, vielmehr wird "Spannelement" immer in der Verknüpfung mit "bzw. das flexible (komplexe) Funktionsspannsystem" oder "insbesondere flexible (komplexe) Funktionsspannsysteme" verwendet.

Zum Stand der Technik ist im Absatz [0005] ist ausgeführt, dass (bekannte) Spannsysteme beispielsweise gebildet werden "durch Greifer, Spannfutter oder Spanndorne mit aufwendigen Spannbacken oder Spannkonturen, die in der Regel aus einer Vielzahl von einzeln gefertigten Bauteilen bestehen, die erst im montierten Zustand das jeweilige Spannsystem ergeben. Hohlkammern und Kanäle können hier nur mit großem Aufwand in die Spannsysteme integriert werden".

Demgegenüber richtet sich das Streitpatent auf einen Gegenstand, bei dem im Verlauf der Herstellung des Gegenstandes bereits Hohlräume und/oder Kanäle unterschiedlicher Anzahl und Konturen und damit komplexe Strukturen erzeugt werden (vgl. Absatz [0011] und [0013]). Gemäß Absatz [0016] "können Spannbolzen, Spannzangen und Gelenke in das Spannelement bzw. das flexible komplexe Funktionsspannsystem integriert werden, die beispielsweise mit Dehnwänden angetrieben werden können. Unter einer Dehnwand ist eine dünne Wand mit Falte(n) oder Welle(n) zu verstehen, die sich ähnlich eines Faltenbalges ausdehnen kann". Eine Dehnwand allein ist also noch kein Spannelement oder Spannsystem im Sinne des Streitpatents.

Da die Begriffe "Spannelement" und "Spannsystem" in der Streitpatentschrift also nicht unterscheidbar definiert worden sind, sondern nur synonym verwendet werden, können diese Begriffe infolgedessen auch nicht zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik dienen, weshalb Merkmal M1a zu keiner anderen technischen Lehre als Merkmal M1 führt.

Zu den weiteren Merkmalen des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die vorstehenden Ausführungen unter Punkt IV3b) verwiesen.

Auch der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 4 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weshalb er ebenfalls keinen Bestand hat.

5. Was das beanspruchte Verfahren in der Fassung des Hilfsantrages 5 anbelangt, das gegenüber dem Hilfsantrag 4 zusätzlich durch die Merkmale M5 und M5a gekennzeichnet ist, nämlich M5 wobei im Verlauf des Schichtaufbaus Funktionselemente in das komplexe Spannsystem integriert werden, M5a die Funktionselemente sind insbesondere Spannbolzen und/oder Spannzangen und/oder Gelenke, so ergibt sich im Hinblick darauf, dass gemäß E1 gleichfalls Funktionselemente wie Spannzangen (z. B. die Wirkelemente e und f in Figur 3) einstückig in das komplexe Spannsystem integriert sind, dass diese bereits im Verlauf der Herstellung des Spannsystems erzeugt worden sind.

Der Gegenstand des Streitpatents ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit auch nicht bestandsfähig in der Ausgestaltung gemäß Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 5.

6. Auch der Gegenstand des verteidigten Patentanspruches 1 nach Hilfsantrag 6 ist nicht bestandsfähig, weil er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Er unterscheidet sich gegenüber dem Hilfsantrag 5 durch das zusätzliche Merkmal M6, nämlich M6 und als Spannmittel Dehnwände erzeugt werden, die als dünne Wand mit Falten oder Wellen zu verstehen sind, die sich ähnlich eines Faltenbalgs ausdehnen können. Dass mittels SLS dünne Wände mit Falten oder Wellen erzielt werden können, die sich ähnlich eines Faltenbalgs ausdehnen können, ist dem Fachmann aus der Abbildung der E4 bekannt. Zudem weiß der Fachmann aus der E1, dass der Grad der Beweglichkeit eines Spannsystems bestimmt wird durch Anzahl, Anordnung und Materialeigenschaften der nachgiebigen Abschnitte sowie durch Anzahl und Anordnung der angreifenden äußeren Kräfte. Diese unterschiedliche Nachgiebigkeit der einzelnen Abschnitte wird erreicht durch Änderung der Gestalt und Abmessungen belasteter Querschnittsflächen, durch anisotrope Materialtextur oder unterschiedliche Dichte des Materials (vgl. E1, Spalte 1, Zeilen 57 bis 66). Wie in Figur 3 zeichnerisch dargestellt ist, ist die elastisch nachgiebige Hülse h bezüglich ihrer Wanddicke dünner ausgebildet als die Wirkelemente e und f sowie der Gestellabschnitt a, so dass sie sich bei Beaufschlagung mit einem Innendruck p zu einer annähernden Kreisform verformen kann (vgl. E1, Spalte 2, Zeilen 32 bis 41). Insofern entspricht auch die Ausgestaltung der Hülse h in Figur 3 der E1 einer Dehnwand.

Eine solche Dehnwand nun mit Falten oder Wellen zu versehen, die sich ähnlich eines Faltenbalgs ausdehnen können, wie in der Abbildung der E4 gezeigt, liegt jedoch allein im Ermessen des Fachmanns. Im Übrigen ist eine besondere Wirkung der mit dem Hilfsantrag 6 konkret beanspruchten Merkmalskombination aus der Gesamtoffenbarung des Streitpatents nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht worden.

Damit bedurfte es ausgehend von E1 und unter Berücksichtigung der Lehre der Druckschrift E4 auch keines erfinderischen Zutuns, um als Spannmittel Dehnwände mit Falten oder Wellen zu erzeugen, die sich ähnlich eines Faltenbalgs ausdehnen können, so dass auch ein gemäß Hilfsantrag 6 durch das Merkmal M6 weiter ausgestaltetes Verfahren nicht gewährbar ist.

7.

Nachdem der Stand der Technik dem Fachmann hinreichend Anregung gegeben hat, zu der Lehre des Streitpatents zu gelangen, können deshalb die im Einspruchsverfahren ins Feld geführten Hilfserwägungen wie Vorurteil, Lob der Fachwelt, Zeitdauer, Bereicherung der Technik und glücklicher Griff nicht zu einer Feststellung der erfinderischen Tätigkeit führen. Bei dieser Sachlage brauchten auch die hierzu vorgelegten Dokumente (Anlagen P1 bis P6) zur Entscheidungsfindung nicht herangezogen werden.

8.

Die Patentfähigkeit der jeweiligen Unteransprüche nach Hauptantrag sowie nach den Hilfsanträgen 1 bis 6 braucht nicht gesondert geprüft zu werden. Zwar darf ein Patent, das zwei oder mehrere selbständige Patentansprüche enthält, von denen sich einer als nicht rechtsbeständig erweist, nicht schon deshalb in vollem Umfang widerrufen werden. Das gilt aber nur dann, wenn das prozessuale Begehren der Patentinhaberin dahin zu verstehen ist, dass sie - wenn auch nur hilfsweise - mit der Aufrechterhaltung nur im Umfang einzelner Patentansprüche einverstanden ist. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn die Patentinhaberin keinerlei Anträge gestellt hat. Wenn sie jedoch wie vorliegend beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten und hilfsweise mit Patentansprüchengemäß Hilfsanträgen 1 bis 6, so bedeutet dies, dass sie an einer hiervon abweichenden Aufrechterhaltung des Streitpatents kein Interesse hat. Es haben sich auch keine Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter eingeschränkten Fassung ergeben. Somit hat die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang der Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 6 beantragt, die zumindest jeweils einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthalten. Deshalb war das Patent insgesamt zu widerrufen (BGH GRUR 2007, 862 - Informationsübermittlungsverfahren II; GRUR 1997, 120

- Elektrisches Speicherheizgerät).

Feuerlein Schwarz-Angele Zettler Dr. Lange ist wegen Urlaub an der Unterschrift gehindert.

Feuerlein Bb






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2010
Az: 15 W (pat) 333/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c250c155271e/BPatG_Beschluss_vom_19-April-2010_Az_15-W-pat-333-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share