Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. Januar 1998
Aktenzeichen: 6 U 38/97
(OLG Köln: Urteil v. 30.01.1998, Az.: 6 U 38/97)
1. Einem Verband i. S. von § 13 II 2 UWG fehlt die Klagebefugnis nicht bereits deshalb, weil dessen Geschäftsführerin, die die vom Verband ausgesandten Abmahnungen unterzeichnet, und/oder das sonstige Personal von Hause aus nicht über eine juristische Ausbildung verfügen. Allein der Umstand, daß sich nach erfolgter Abmahnung beim jeweiligen Verletzer ein Rechtsanwaltsbüro für den Verband meldet, läßt ebenfalls nicht ohne weiteres den Rückschluß zu, daß der Verband die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen tatsächlich nicht selbst vornimmt, sondern diesen Bereich auf das Rechtsanwaltsbüro ausgelagert hat.
2. Zur Frage der "erheblichen Zahl von Mitgliedern" i. S. von § 13 II 2 UWG (hier: auf dem Gebiet des Vertriebs von hautpflegenden Mitteln).
3. Es stellt einen Verstoß gegen die guten Sitten im Wettbewerb dar, wenn bei einem werblich angekündigten Gewinnspiel beim Empfänger der Eindruck hervorgerufen wird, die Teilnahme hieran sei in irgendeiner Weise von der Abnahme einer Ware (z. B. einer "Test-Anforderung") abhängig. Einem solchen (Fehl)Verständnis wirkt weder der Hinweis "... nutzen Sie Ihre Chance auf jeden Fall" noch der - versteckt - unterhalb der Klebelasche auf dem Rückumschlag befindliche Text, wonach die Teilnahme an dem Gewinnspiel "unabhängig von einer Testanforderung" ist und eine solche "die Gewinnchancen nicht mindert", aufklärend entgegen.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Dezember 1996 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Land- gerichts Aachen - 41 O 151/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Hauptausspruch des genannten erstinstanz- lichen Urteils folgende Neufassung erhält: " Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zu- widerhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordungsgeldes bis zur Höhe von DM 500.000.-, ersatzweise Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - zu vollziehen am Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, der L. Cosmeticversand VerwaltungsGmbH - zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr wie nachstehend wiedergegeben ein Gewinnspiel anzukündigen: Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die mit diesem Urteil für die Beklagte ver- bundene Beschwer wird auf DM 20.000.- festgesetzt.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagte
ist zwar insgesamt zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel
jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte in dem angefochtenen
Urteil zur Unterlassung der beanstandeten Ankündigung des
Gewinnspiels verurteilt. Das in der neuen Antragsformulierung an
die konkret angegriffene Verletzungshandlung angepaßte
Unterlassungsbegehren des klagenden Vereins erweist sich gemäß §§
1, 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG als berechtigt.
Gegen die Zulässigkeit der Rechtsverfolgung durch den Kläger
bestehen dabei keine Bedenken. Es handelt sich bei ihm um einen
rechtsfähigen Verband i. S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, der
insbesondere nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen
Ausstattung imstande ist, seine satzungsgemäße Aufgabe der
Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und der
insoweit auch eine eigene umfassende Tätigkeit entfaltet. Soweit
die Beklagte erstmals in der Berufung die genannte hinreichende
Ausstattung des Klägers in Zweifel zieht, rechtfertigt das keine
abweichende Beurteilung. Die von der Beklagten im Hinblick auf die
personelle Ausstattung des Klägers vorgebrachten Bedenken sind
dabei von vorneherein unbeachtlich. Denn es handelt sich hierbei
lediglich um Vermutungen dahingehend, daß - weil die beim Kläger
beschäftigte, die vom ihm selbst ausgesprochenen Abmahnungen
unterzeichnende Geschäftsführerin eine "Nichtjuristin " sei und
sich "dann sofort" ein Rechtsanwaltsbüro einschalte - der klagende
Verein in Wirklichkeit überhaupt nicht selbst tätig , sondern
"offenbar organisatorisch" von dem erwähnten Rechtsanwaltsbüro
geführt werde ( Schriftsatz vom 16. Dez. 1997, dort S. 2 f, Bl. 125
f d. A. ). Beides reicht aber nicht, um ernsthafte Zweifel an der
hinreichenden personellen Ausstattung des Klägers und einer durch
sein Personal im Zusammenhang mit der Verfolgung von
Wettbewerbsverstößen entfaltete eigene Tätigkeit begründen zu
können. Denn auch eine von Hause aus nicht über eine juristische
Ausbildung verfügende Person kann sich aufgrund spezifischer
Berufspraxis die Fähigkeit und erforderlichen Kenntnisse aneignen,
um das Wettbewerbsverhalten zu beobachten, rechtlich zu beurteilen
und in einfachen Sachen ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts
Wettbewerbsverstöße abzumahnen und zu verfolgen ( vgl. BGH GRUR
1984, 691/692 - "Anwaltsabmahnung" -; Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Rdn. 25 zu § 13 UWG m. w. N. ).
Allein der Umstand, daß sich nach den Abmahnungen ein
Rechtsanwaltsbüro für den Kläger beim jeweiligen Verletzer meldet,
läßt dabei - weil der Kläger die Abmahnungen unstreitg vorher
selbst in eigener Zuständigkeit ausspricht - im Streitfall auch
nicht den Rückschluß darauf zu, daß der Kläger die im Zusammenhang
mit der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zu entfaltende und
entfaltete Tätigkeit in Wirklichkeit nicht selbst ausübt, sondern
diese aus der eigenen Organisation ausgegliedert und auf das
erwähnte Rechtsanwaltsbüro verlagert hat. Der Kläger hat innerhalb
des ihm eingeräumten Schriftsatznachlasses im übrigen auch
substantiiert seine genügende finanzielle und sachliche Ausstattung
dargetan, um die zur Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben
erforderliche Tätigkeit erfüllen zu können. Im Hinblick darauf, daß
- wie dem erkennenden Senat u. a. aus eigenen, bei ihm
durchgeführten Verfahren bekannt ist - der die regelmäßig
erscheinende Fachzeitschrift M. seit Jahren herausgebende Kläger im
übrigen unstreitig bereits seit 1992 zahlreiche höchstrichterliche
Entscheidungen erstritten hat, mithin auch eine umfangreiche
gerichtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen belegt hat, können
danach zur Óberzeugung des Senats keine vernünftigen Zweifel an
seiner hinreichenden personellen, finanziellen und sachlichen
Aussattung verbleiben. Der Kläger hat daher insoweit seiner
prozessualen Pflicht zur Darlegung derjenigen Tatsachen genügt,
welche dem Gericht die Beurteilung und Bejahung seiner
Prozeßführungsbefugnis gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG im Rahmen des
Freibeweises ermöglichen.
Daß dem Kläger weiterhin auch eine erhebliche Anzahl von
Mitgliedern angehört, die Kosmetika oder Waren verwandter Art im
Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG auf demselben Markt wie die
Beklagte vertreiben, hat der klagende Verein durch Vorlage der
Liste seiner namentlich benannnten Mitglieder, zu denen u. a. 27
Unternehmen, die sich mit dem Vertrieb von hauptpflegenden Mitteln
befassen, zählen, ebenfalls in ausreichendem Maße dargelegt. Daß
dem Kläger seiner Mitgliederstruktur nach eine erhebliche Anzahl
von Gewerbetreibenden zuzurechnen ist, die sich mit dem Vertrieb
von Waren gleicher oder verwandter Art befassen, wird von der
Beklagten im übrigen in der Berufung nicht mehr in Zweifel
gezogen.
Dem nach alledem prozeßführungsbefugten Kläger steht auch den
materiellen Vorausetzungen nach der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch zu.
Die konkret angeriffene Ankündigung des Gewinnspiels erweist
sich als gemäß § 1 UWG unzulässige Werbemaßnahme.
Was die grundsätzliche wettbewerbsrechtliche Beurteilung und
Einordnung von zu Wettbewerbszwecken veranstalteten Gewinnspielen
angeht, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf
die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des Landgerichts in
den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils einschließlich
der dort zitierten Rechtsprechung( dort S. 6 f, Bl. 64 f d. A. ).
Danach erweist sich die im Streitfall zu beurteilende Ankündigung
des Gewinnspiels der Beklagten aber als unzulässig. Denn sie
suggeriert zumindest eine Verkoppelung der Teilnahme an dem
Gewinnspiel mit dem Warenabsatz, welches ein die wettbewerbliche
Beanstandungswürdigkeit des Gewinnspiels begründendes besonderes
Unlauterkeitsmoment darstellt ( vgl. Baumbach/Hefermehl, a. a. O,
Rdn. 155/156 zu § 1 UWG ).
Die Teilnahme an einem Gewinspiel darf nicht irgendwie mit dem
Warenabsatz verkoppelt sein. Das aber ist der Fall, wenn nicht
lediglich ein Gewinn in Aussicht gestellt ist, sondern - sei es in
unmittelbarer oder auch nur in mittelbarer oder versteckter Form -
der Kauf einer Ware zur Bedingung gemacht wird. Maßgeblich für die
Beurteilung der Frage, ob die Teilnahme an einem Gewinnspiel nach
diesen Maßstäben an den Warenabsatz gekoppelt ist, ist dabei von
vorneherein nicht die tatsächliche Verfahrensweise des
Veranstalters. Vielmehr muß der vorbezeichnete
Kopplungszusammenhang nach der Auffassung des von der Werbemaßnahme
angesprochenen Verkehrs, der zur Teilnahme an dem Gewinnspiel
bewegt werden soll, beurteilt werden. Erweckt danach die
Ankündigung des Gewinnspiels den Eindruck, daß die Teilnahme
entweder von der Abnahme einer Ware abhängig ist oder der
Warenbezug die Gewinnchancen zumindest günstig beeinflussen könnte,
erweist sich diese unter dem Gesichtspunkt der "Kopplung" als
unzulässig. Macht der veranstalter die Teilnahme am Gewinnspiel
daher - wie die Beklagte das vorbringt - tatsächlich nicht vom
gleichzeitigen Warenabsatz abhängig, muß eben dies eindeutig und
unmißverständlich klargestellt sein. Diesen Anforderungen hält die
im Streitfall zu beurteilende Ankündigung des Gewinnspiels nicht
stand. Denn sie suggeriert, daß die Teilnahme an dem Gewinnspiel
nur bei einer gleichzeitigen Warenbestellung möglich ist.
Indem die Beklagte die angesprochenen Verbraucherinnen in dem
übersandten Begleitschreiben ( " C...") unmittelbar im Anschluß an
die vorangestellten Hinweise sodann unter der fortlaufenden Nr. 5
auf das Gewinnspiel hinweist, wird der Eindruck erweckt, als komme
die Teilnahme an dem Gewinnspiel bzw. die hierdurch begründete
Gewinnchance als weitere Möglichkeit zu den vorherigen - unter den
Ziff. 1 bis 4 geschilderten Vorgehensweisen und Vorteilen kumulativ
hinzu.Da unter der Nr. 1 aber gerade die sogenannte "
Test-Anforderung beschrieben ist, begründet dies die Vorstellung,
daß der mit dem Gewinnspiel ausgelobte Gewinn ( " Ein exklusiver
Shopping-Bummel in Paris..." ) nur bei der zunächst - an " erster
Stelle " - beschriebenen " Test-Anforderung" zu erzielen ist.
Dieser Eindruck wird auch nicht durch den Zusatz " ...nutzen Sie
Ihre Chance auf jeden Fall ! " entkräftet. Denn dieser Zusatz kann
ebensogut als Hinweis darauf verstanden werden, daß die (weitere)
Teilnahme an dem Gewinnspiel unabhängig von der Wirksamkeit des
Kaufvertrags über die Produkte ist bzw. auch solche Kundinnen bei
der Ausspielung weiterhin berücksichtigt werden, die die zunächst
angeforderte Ware später - bei Mißbilligung - zurücksenden. Eine
Klarstellung dahingehend, daß von vorneherein die Teilnahme an dem
Gewinnspiel unabhängig vom Warenbezug ist, folgt daraus nicht.
Hinzu kommt aber auch, daß auf dem die übersandten Unterlagen
enthaltenden Couvert nach den Hinweisen " Ein märchenhaftes
Dankeschön liegt für Sie bereit " und " Sie erhalten bis zu 6
Original-Produkte Ihrer Wahl als Test-Set und sparen bis über 130.-
DM " unter der Nr. 3 sogleich der Hinweis folgt "Dazu können Sie
einen Shopping-Bummel in Paris gewinnen". Die Formulierung " Dazu
..." legt aber die Annahme nahe, daß kumulativ zu den
vorangestellten Möglichkeiten die beschriebene Gewinnchance
besteht, was wiederum ebenfalls für die angesprochenen
Verbraucherin darauf schließen läßt, daß die Teilnahme am
Gewinnspiel nur bei Bezug des "Test-Sets" möglich ist.
Dem steht der unterhalb der Klebelasche auf dem Rückumschlag
enthaltene Hinweis, wonach die Teilnahme an dem Gewinnspiel
unabhängig von einer "Test-Anforderung" sei und eine gleichzeitige
"Test-Anforderung die Gewinnchancen nicht beeinflusse nicht
entgegen. Dieser Hinweis ist nicht geeignet, die durch die
vorbezeichneten Umstände suggerierte Koppelung zu entkräften. Denn
der hier in Rede stehende Hinweis ist nicht nur in einer derart
kleinen Schriftgröße gehalten, daß er schon aus diesem Grund leicht
überlesen werden kann. Er befindet sich darüber hinaus auch an
einer Stelle des Briefumschlags, die - beispielsweise bei "
Umknicken " der Klebelasche - vollständig verdeckt sein kann.
Selbst wenn aber die Klebelasche - z. B. beim Hineinlegen der
"Test-Anforderung" in den Rückumschlag - hochgebogen wird, wird der
Hinweis angesichts der im übrigen " unruhigen" graphischen und
farblichen Gestaltung der Rückseite des Briefumschlags, der neben
drei bildlichen und in Farbe gehaltenen Darstellungen einer
Sehenswürdigkeit und von Ladengeschäften zusätzlich das
"Rubbelfeld" auf verhältnismäßig gedrängter Fläche enthält, leicht
übersehen. Von einer nach den obigen Ausführungen erforderlichen
eindeutigen Klarstellung der Teilnahmebedingungen an dem
Gewinnspiel bzw. des Umstands, daß die Teilnahme an dem Gewinnspiel
unabhängig vom gleichzeitigen Warenbezug ist, kann nach alledem
keine Rede sein.
Der klagende Verein ist schließlich auch aktivlegitimiert, den
aus dem vorstehenden Wettbewerbsverstoß der Beklagten folgenden
Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Denn die zu unterlassende
Handlung der Beklagten, mit der eine die Interessen der
Allgemeinheit berührende Fehlleitung der Verbraucherinnen über die
Erforderlichkeit des Warenbezugs als Bedingung für die Teilnahme an
dem Gewinnspiel einhergeht, ist geeignet, den Wettbewerb auf dem
hier betroffenen Markt des Vertriebs von Kosmetikund
Hauptpflegeprodukten wesentlich zu beeinträchtigen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Dabei bestand
kein Anlaß, den Kläger - teilweise - mit den Kosten zu belasten.
Soweit er in der mündlichen Verhandlung seinen Unterlassungsantrag
umformuliert hat, liegt hierin nicht die teilweise Zurücknahme des
Unterlassungsbegehrens, sondern lediglich dessen Anpassung an die
konkrete Form der von Anfang an mit der Klage zur Unterlassung
verlangten Verletzungshandlung.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre
Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert
sich am Wert des Unterliegens der Beklagten im vorliegenden
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 30.01.1998
Az: 6 U 38/97
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