Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 14. September 2012
Aktenzeichen: 2 K 185.11
(VG Berlin: Urteil v. 14.09.2012, Az.: 2 K 185.11)
1. Der Deutsche Bundestag ist bezogen auf Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes ein Bundesorgan im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, das öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (wie Urteil der Kammer vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 -).
2. Der Schutz geistigen Eigentums steht dem Informationszugang durch Überlassung von Ablichtungen nicht im Sinne des § 6 Satz 1 IFG entgegen, weil dem Deutschen Bundestag urheberrechtlich die Nutzungsrechte an den Arbeiten zustehen und mit dem Informationszugang keine Erstveröffentlichung verbunden ist.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2011 verpflichtet, dem Kläger Zugang zu folgenden Informationen durch Überlassung von Ablichtungen zu gewähren:
-Dokumentation vom 15. Dezember 2005 €Europäische Verfassungsentwürfe seit 1945€ (Reg.-Nr.: WF XII - 268/05),-Dokumentation vom 28. Oktober 2003 €Europäischer Konvent und der Konvent von Philadelphia - Parallelen und Unterschiede€ (Reg.-Nr.: WF XII - 148/03),-Übersetzung von Jack Rakove, Der Schlingerkurs der europäischen Verfassungsväter, Foreign Policy, Ausgabe 138/2003, S. 28-38 (15 Seiten),-Ausarbeitung vom 3. Mai 2004 €Vergleichende Darstellung des Gottes- und Religionsbezugs in den bisherigen und alternativen Textvorschlägen für einen europäischen Verfassungsvertrag€ (Reg.-Nr: WF XII - 044/04),-Ausarbeitung vom 25. Oktober 2005 €Die Rolle der USA im europäischen Einigungsprozess bis zum Ende des Ost-West-Konflikts€ (Reg.-Nr.: WD 1 - 137/05),-Ausarbeitung vom 24. Oktober 2003 €Einzelfragen zur Abänderbarkeit des derzeitigen und künftigen europäischen Primärrechts€ (Reg.-Nr.: WF XII - 140/03),-Ausarbeitung vom 21. Oktober 2003 €Der Gottesbezug in den Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, der EU-Beitrittskandidaten und in den Verfassungen der 16 Bundesländer€ (Reg.-Nr.: WF III - 240/03),-Ausarbeitung vom 13. Mai 2004 €Die Frage nach einem Gottesbezug in der US-Verfassung und die Rechtsprechung des Supreme Court zur Trennung von Staat und Religion€ (Reg.-Nr.: WF III - 100/04),Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein Journalist, begehrt den Zugang zu Dokumenten des Deutschen Bundestages.
Im Juni 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die aus dem Tenor ersichtlichen Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste bzw. des Sprachendienstes des Deutschen Bundestages, die das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Karl-Theodor zu Guttenberg für seine Dissertation verwendet hatte, in Kopien zur Verfügung zu stellen.
Mit Bescheid des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2011 zurück. Zur Begründung teilte sie mit, ein Anspruch auf Informationszugang ergebe sich nicht aus dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes sei für den Deutschen Bundestag nur eröffnet, soweit er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten hingegen sei vom Informationszugang ausgenommen. Hierzu gehöre die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste sowie des Sprachendienstes. Denn diese arbeiteten den Abgeordneten ausschließlich mandatsbezogen zu. Selbst wenn die Arbeiten vom IFG erfasst würden, wäre der Informationszugang jedenfalls wegen des Schutzes geistigen Eigentums ausgeschlossen. Der Deutsche Bundestag behalte sich sämtliche Rechte an den Arbeiten vor und der zuständige Abteilungsleiter habe die erforderliche Freigabe nicht erteilt.
Mit der am 7. Dezember 2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er bezieht sich auf das Urteil der Kammer vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 - und trägt u.a. vor, die Wissenschaftlichen Dienste seien eine wissenschaftliche Hilfseinrichtung des Parlaments und übten daher keine unmittelbare parlamentarische Tätigkeit aus. Insoweit ergebe sich im Übrigen aus den Themen der Ausarbeitungen, dass diese in keinem Zusammenhang mit parlamentarischen Angelegenheiten stünden und das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Karl-Theodor zu Guttenberg habe schon eingeräumt, dass er sie nicht in Zusammenhang mit seiner Mandatsarbeit angefordert habe. Ferner meint der Kläger, es sei unbestritten, dass es sich bei den fünf €Ausarbeitungen€ um urheberrechtlich geschützte Werke handele. Der Schutz geistigen Eigentums könne aber nicht dazu führen, dass der grundsätzlich gewährleistete Informationszugang dadurch aufgehoben werde, dass sich die Behörde die Veröffentlichung der Information vorbehalte. Im konkreten Fall sei der Schutz geistigen Eigentums bereits im Vorfeld leergelaufen, weil das ehemalige Mitglied des Deutschen Bundestages Karl-Theodor zu Guttenberg die Dokumente ohne Bezug zu seiner parlamentarischen Tätigkeit angefordert und sie bereits für eine Veröffentlichung verwendet habe. Auch bei der Übersetzung bestehe kein Bezug zum Mandat.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2011 zu verpflichten, ihm Zugang zu folgenden Unterlagen durch Überlassung von Ablichtungen zu gewähren:
-Dokumentation vom 15. Dezember 2005 €Europäische Verfassungsentwürfe seit 1945€ (Reg.-Nr.: WF XII - 268/05),-Dokumentation vom 28. Oktober 2003 €Europäischer Konvent und der Konvent von Philadelphia - Parallelen und Unterschiede€ (Reg.-Nr.: WF XII - 148/03),-Übersetzung von Jack Rakove, Der Schlingerkurs der europäischen Verfassungsväter, Foreign Policy, Ausgabe 138/2003, S. 28-38 (15 Seiten),-Ausarbeitung vom 3. Mai 2004 €Vergleichende Darstellung des Gottes- und Religionsbezugs in den bisherigen und alternativen Textvorschlägen für einen europäischen Verfassungsvertrag€ (Reg.-Nr: WF XII - 044/04),-Ausarbeitung vom 25. Oktober 2005 €Die Rolle der USA im europäischen Einigungsprozess bis zum Ende des Ost-West-Konflikts€ (Reg.-Nr.: WD 1 - 137/05),-Ausarbeitung vom 24. Oktober 2003 €Einzelfragen zur Abänderbarkeit des derzeitigen und künftigen europäischen Primärrechts€ (Reg.-Nr.: WF XII - 140/03),-Ausarbeitung vom 21. Oktober 2003 €Der Gottesbezug in den Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, der EU-Beitrittskandidaten und in den Verfassungen der 16 Bundesländer€ (Reg.-Nr.: WF III - 240/03),-Ausarbeitung vom 13. Mai 2004 €Die Frage nach einem Gottesbezug in der US-Verfassung und die Rechtsprechung des Supreme Court zur Trennung von Staat und Religion€ (Reg.-Nr.: WF III - 100/04),hilfsweise, ihm Einsicht in die o.g. Unterlagen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages beruft sie sich auf die Gründe der ergangenen Bescheide. Ergänzend führt sie unter Vorlage eines Leitfadens für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD) vom 3. März 2008 (im Folgenden: Leitfaden WD) aus, die fünf Ausarbeitungen und zwei Dokumentationen der Wissenschaftlichen Dienste sowie die Übersetzung durch den Sprachendienst des Deutschen Bundestags dienten der mandatsbezogenen Arbeit der Abgeordneten und seien daher vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommen. Die Wissenschaftlichen Dienste arbeiteten den Abgeordneten behördenunspezifisch, eigenständig und vor allem vertraulich zu. Sie seien Teil der spezifisch parlamentarischen Tätigkeit des Deutschen Bundestages und sollten nach dem Willen des Gesetzgebers bewusst vom Informationszugang ausgenommen werden. Dies ergebe sich aus dem Schreiben des damaligen Direktors der Wissenschaftlichen Dienste vom 23. Februar 2003, dem in den Beratungen im Innen- und Geschäftsordnungsausschuss auch hinsichtlich der Einschätzung der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages als spezifisch parlamentarische Angelegenheit zugestimmt worden sei (BT-Drs. 15/5606 S. 4 und Ausschussdrucksache 15(4)213). Die Kammer sei in ihrem Urteil vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 - von einem zu weiten Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgegangen, habe die parlamentsspezifische Arbeit der Verwaltung bei der administrativen, organisatorischen und fachlichen Begleitung der Abgeordneten, Ausschüsse und Gremien in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Aufgaben im Allgemeinen und im Besonderen bezogen auf die Wissenschaftlichen Dienste nicht hinreichend gewürdigt und habe den Willen des Gesetzgebers nicht berücksichtigt. Auch der Sprachendienst sei Teil der parlamentarischen Tätigkeit, da er von einem Abgeordneten nur anlassbezogen im Rahmen der Mandatsausübung, d.h. im Interesse des Bundestages als Ganzem beauftragt werden könne.
Die Ausarbeitungen hätten die Qualität von urheberrechtlich geschützten Werken. Dem Deutschen Bundestag stehe an diesen Werken das Erstveröffentlichungs- und Verbreitungsrecht zu, das durch die Herausgabe von Ablichtungen der Werke verletzt würde. Insoweit unterscheide sich das Begehren des Klägers von dem Anspruch auf Einsichtnahme in ein Werk der Wissenschaftlichen Dienste, der Gegenstand des Urteils vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 - war. Es sei auch nicht richtig, dass aus der Übergabe eines Werkes an eine Behörde im Geltungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bereits die Erstveröffentlichung folge. Das VG Braunschweig habe diese Überlegung im Urteil vom 17. Oktober 2007 - VG 5 A 188/06 - zutreffend als Zirkelschluss dargestellt und betont, dass der Schutz geistigen Eigentums auch im Bereich des Informationsfreiheitsgesetzes absolut gewährleistet werde. Ferner müsse das Urheberpersönlichkeitsrecht der Verfasser der Ausarbeitungen berücksichtigt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Deutschen Bundestages vom 4. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat nach § 1 Abs. 1 IFG einen Anspruch auf Zugang zu den Dokumenten der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes des Deutschen Bundestages. Dieser Zugang ist gemäß § 1 Abs. 2 IFG i.v.m. § 7 Abs. 4 IFG der Wahl des Klägers entsprechend in Form von Ablichtungen der amtlichen Informationen zu gewähren.
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a. Der Kläger ist als natürliche Person €jeder€ im Sinne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. Er erstrebt den Zugang zu amtlichen Informationen. Denn bei den Ausarbeitungen und Dokumentationen der Wissenschaftlichen Dienste und der Übersetzung des Sprachendienstes handelt es sich um amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen im Sinne von § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG.
b. Der Deutsche Bundestag ist ein Bundesorgan im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, das bezogen auf die vorgenannten amtlichen Informationen öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt.
aa. Die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG legt schon nach ihrem Wortlaut ein funktionelles Verständnis nahe, indem sie die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig macht (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4/11 -, Juris). Ob die Aufgaben dem Bereich der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen sind, entscheidet sich nach materiellen Kriterien. Der Versuch einer positiven Umschreibung der Verwaltung führt allerdings nicht weiter. Das kann nur eine negative Begriffsbestimmung leisten, die die Verwaltung mit der vollziehenden Gewalt gleichgesetzt und der Gesetzgebung und der Rechtsprechung gegenüberstellt. Insoweit ergeben sich auch bei einer Zusammenschau der Regelungen in § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 IFG Anhaltspunkte für ein umfassendes Verständnis der öffentlichen Verwaltung. Dies wird durch Sinn und Zweck des Gesetzes, die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte zu stärken und vor allem auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie zu dienen (BT-Drucks 15/4493 S. 6), bestätigt (vgl. BVerwG, a.a.O.).
Bei der Abgrenzung zwischen Verwaltungstätigkeit und parlamentarischer Tätigkeit des Bundestags zeigt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, dass der Gesetzgeber durch § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG bezogen auf den Deutschen Bundestag nur den spezifischen Bereich der €Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung, Wahlprüfung, Wahrung der Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder - z. B. in Immunitätsangelegenheiten, bei Petitionen und bei Eingaben an den Wehrbeauftragten -, parlamentarische Kontakte zu in- und ausländischen sowie supranationalen Stellen)€ vom Informationszugang ausnehmen wollte (BT-Drs. 15/4493, S. 8). Dieser Wille des Gesetzgebers wird durch das Schreiben des Direktors beim Deutschen Bundestag vom 23. Februar 2005 nicht in Frage gestellt (a. A. Jastrow/Schlatmann, IFG, 2006, § 1 Rn. 35; Heuner/Küpper, JZ 2012, S. 801 ff. <S. 803>; wohl auch Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 97). Denn dieses Schreiben wurde in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses (BT-Drs. 15/5606 S. 4) zwar als Beratungsgegenstand angesprochen und die zustimmende Kenntnisnahme durch den mitprüfenden Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung erwähnt, sein Inhalt aber nicht in den Bericht des federführenden Ausschusses übernommen. Somit hat das Schreiben des Direktors im weiteren Gesetzgebungsverfahren keinen Niederschlag gefunden. Hingegen wurde die Anregung in diesem Schreiben, Informationen über Abgeordnete und Amtsträger denjenigen über Angehörige des öffentlichen Dienstes in § 5 Abs. 2 IFG gleichzustellen, in dem Bericht aufgegriffen und insoweit erläutert, dass das Mandat selbst und seine Ausübung verfassungsrechtlich geschützt sind und nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen (BT-Drs. 15/5606 S. 6). Auch das zeigt, dass nur das Mandat als solches und die eigentliche parlamentarische Tätigkeit vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden sollten.
bb. Der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste und des Sprachendienstes fehlt der erforderliche enge Zusammenhang mit der parlamentarischen Tätigkeit der Mitglieder des Deutschen Bundestages. Diese Dienste sind in formeller Hinsicht eine Unterabteilung der Bundestagsverwaltung und damit Teil einer Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Ihre Mitarbeiter sind Beschäftigte des Deutschen Bundestages oder von anderen Dienststellen abgeordnet. Dienstrechtlich unterstehen sie dem Präsidenten des Deutschen Bundestags (§ 7 Abs. 4 GO BT). Materiell besteht die Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste in der Wissensvermittlung. Sie unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit mit aktuellen und parlamentsgerechten Informationen (vgl. Nr. 1.1.1 des Leitfadens WD). Der Umstand, dass die Informationen in der Regel einen Bezug zum Mandat haben, macht die Arbeiten der Dienste nicht automatisch zum Gegenstand des Mandats der Abgeordneten. Der Auftraggeber erhält zwar das unterschriebene Original einer Arbeit, und die Weitergabe einer Ausfertigung an Dritte ist innerhalb einer Sperrfrist von 4 Wochen nach der Absendung von der Zustimmung des Auftraggebers abhängig, wenn nicht die Abteilungsleitung eine Ausnahme zulässt (vgl. Nr. 6.3.1 und 5.2 des Leitfadens WD). Weitere Exemplare der Arbeit verbleiben im Fachbereich bzw. gehen bei Ausarbeitungen und Sachständen an die Unterabteilungsleitung und die €Hotline W€ (vgl. Nr. 6.3.1 des Leitfadens WD). Der Deutsche Bundestag behält sich sämtliche Rechte an den Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste vor und macht deren Veröffentlichung und Verbreitung von der Zustimmung der Abteilungsleitung abhängig (vgl. Nr. 5.4 des Leitfadens WD). Die Wissenschaftlichen Dienste sind ferner zur strikten politischen Neutralität verpflichtet (vgl. Nr. 3.6.1 des Leitfadens WD). Auch insoweit unterscheiden sie sich von den persönlichen Mitarbeitern der Abgeordneten und den Beschäftigten der Fraktionen im Deutschen Bundestag (vgl. dazu Hölscheidt, DVBl. 2010, S. 78 ff. <S. 79 f.>). Die Aufgabe der Wissenschaftlichen Dienste ist es demnach, die Abgeordneten in objektiver Weise mit Hintergrundinformationen bezogen auf einen für die Ausübung des Mandats relevanten Themenkomplex zu versorgen. Die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste können damit zwar die Grundlage für die spätere parlamentarische Arbeit der Abgeordneten bilden; ihre Anfertigung kann jedoch nicht selbst bereits als parlamentarische Tätigkeit qualifiziert werden. Sie stellt vielmehr - ähnlich wie das Anbieten und die Veranstaltung von Fortbildungen für Mitarbeiter durch Behörden - Verwaltungstätigkeit dar (vgl. Urteil der Kammer vom 1. Dezember 2011 - VG 2 K 91.11 -, Juris).
c. Dem Informationsbegehren des Klägers steht auch kein Ausschlussgrund entgegen. Maßstab für die Prüfung von Ausschlussgründen ist zunächst, ob deren Vorliegen plausibel dargelegt ist; dabei müssen die Angaben nicht so detailliert sein, dass Rückschlüsse auf die geschützte Information möglich sind, sie müssen aber so einleuchtend und nachvollziehbar sein, dass das Vorliegen von Ausschlussgründen geprüft werden kann (vgl. z.B. Urteil der Kammer vom 10. September 2008 - VG 2 A 167.06 - m.w.N.).
Die Beklagte hat sich hinsichtlich der €Ausarbeitungen€ auf den Ausschlussgrund des § 6 Satz 1 IFG berufen. Danach besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, soweit der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht. An der Information muss folglich geistiges Eigentum bestehen (aa.) und dessen Schutz muss dem Anspruch entgegenstehen (bb).
aa. Der Begriff des €geistigen Eigentums€ erfasst u.a. das Urheberrecht (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14). Das Urheberrecht schützt nach den §§ 1 und 2 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz - UrhG) Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, insbesondere auch Sprachwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Voraussetzung für die Annahme eines €Werkes€ in diesem Sinne ist das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG). Eine persönliche geistige Schöpfung kann einerseits in der Gedankenformung und -führung liegen, andererseits aber auch in der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs (BGH, Urteil vom 12. Juni 1981 - I ZR 95/79, Juris, Rn. 22; vgl. außerdem KG, Beschluss vom 11. Mai 2011 - 24 U 28/11 -, Juris, Rn. 4 ff.). Die Ausarbeitungen können daher grundsätzlich urheberrechtlichen Schutz genießen. Bei der Beurteilung eines wissenschaftlichen Werkes ist allerdings zu beachten, dass die wissenschaftliche Lehre, ihr Sprachgebrauch und die Ergebnisse, zu denen sie gelangt, urheberrechtlich frei und jedermann zugänglich sind (vgl. Urteil der Kammer vom 21. Oktober 2010 - VG 2 K 89.09 - m.w.N.), ihr Schutz muss sich daher aus der Gestaltung und Formgebung ergeben (vgl. Lenski, NordÖR 2006, S. 89 ff. <S. 93>).
Die Kammer unterstellt hinsichtlich der €Ausarbeitungen€, dass diese Merkmale einer persönlichen geistigen Schöpfung aufweisen, auch wenn die formale Gestaltung der Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste durch die Anlage 1 des Leitfadens WD vorgegeben ist. Bei den €Dokumentationen€ und der Übersetzung geht die Beklagte selbst davon aus, dass diese den Anforderungen an ein geschütztes Werk nicht genügen.
bb. Die der Beklagten zustehenden Urheberrechte stehen dem Anspruch des Klägers auf Informationszugang nicht entgegen. Aus § 6 Satz 1 IFG ergibt sich nicht unmittelbar, in welchen Fällen das geistige Eigentum dem Anspruch auf Informationszugang entgegensteht. Dies muss jeweils auf der Grundlage des Inhaltes des einschlägigen Schutzrechtes ermittelt werden (vgl. Schoch, IFG, 2009, § 6 Rn. 17; Berger/Roth/Scheel, IFG 2009, § 6 Rn. 6).
(1) Nach § 12 Abs. 1 UrhG hat der Urheber das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Ihm ist es gemäß § 12 Abs. 2 UrhG außerdem vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich mitzuteilen oder zu beschreiben, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt oder eine Beschreibung des Werkes mit seiner Zustimmung veröffentlicht ist. Dieses sogenannte Erstveröffentlichungsrecht steht der Beklagten zu, wenngleich nicht sie, sondern die jeweiligen Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Dienste Urheber der Werke sind.
(a) Urheber ist nach § 7 UrhG der Schöpfer des Werkes. Das ist hier der jeweilige Mitarbeiter der Wissenschaftlichen Dienste, der bei Erschaffung des Werkes in Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Dienstverhältnis tätig wird. Soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Dienstverhältnisses nichts anderes ergibt, sind gemäß § 43 UrhG auch in einem solchen Fall die Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes über die Einräumung von Nutzungsrechten (§§ 31 ff. UrhG) anzuwenden (BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 209/07 - Juris). Haben die Parteien eines Vertrages nicht ausdrücklich geregelt, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt wird, so bestimmt sich gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 UrhG nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, ob und inwieweit ein Nutzungsrecht eingeräumt worden ist. Nach dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Übertragungszweckgedanken räumt ein Nutzungsberechtigter im Zweifel nur in dem Umfang Nutzungsrechte ein, den der Vertragszweck unbedingt erfordert. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen nur diejenigen Nutzungsrechte stillschweigend eingeräumt sind, die für das Erreichen des Vertragszwecks unerlässlich sind. Bei Anwendung dieses Grundsatzes auf Dienstverhältnisse ist dem berechtigten Interesse des Dienstherrn an einer rechtlich gesicherten Verwertung der Werke Rechnung zu tragen, die seine Bediensteten in Erfüllung ihrer Dienstpflichten geschaffen haben. Deshalb ist davon auszugehen, dass ein Beamter bzw. Bediensteter, der in Erfüllung seiner Dienstpflichten ein Werk geschaffen hat, seinem Dienstherrn stillschweigend sämtliche Nutzungsrechte einräumt, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt (BGH, a.a.O.).
Danach steht der Beklagten das Erstveröffentlichungsrecht an den Ausarbeitungen zu, denn deren Verfasser schaffen die Werke für die Zwecke der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. Der Deutsche Bundestag behält sich sämtliche Rechte an den Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste vor und macht deren Veröffentlichung und Verbreitung von der Zustimmung der Abteilungsleitung abhängig (vgl. Nr. 5.4 des Leitfadens WD). Bei der Veröffentlichung der Arbeiten im Internet sind die Verfasser zwar bei der Redaktion zu beteiligen, die Entscheidung über die Veröffentlichung trifft jedoch die Abteilungsleitung (vgl. Nr. 4.4 des Leitfadens WD). Dies setzt eine entsprechende Übertragung des Erstveröffentlichungsrechts voraus, das folglich von den Verfassern jedenfalls konkludent eingeräumt wird.
(b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob eine Behörde dem Anspruch auf Informationszugang überhaupt ohne Weiteres entgegenhalten kann, dass sie Inhaberin des Erstveröffentlichungsrechts ist. In der Literatur wird teilweise angenommen, dass der Schutz geistigen Eigentums dem Informationszugang nicht entgegensteht, wenn die Behörde mit dem Urheber die Übertragung von Nutzungsrechten vereinbart hat (vgl. Berger/Roth/Scheel, IFG, § 6 Rn. 11; Schoch, IFG, § 6 Rn. 36; Rossi, IFG, § 6 Rn. 54; Lenski, NordÖR 2006, S. 89 ff. <S. 95 f.>). Ferner wird die Auffassung vertreten, dass nach Sinn und Zweck der Regelung in § 6 Satz 1 IFG zu den Behörden, die sich nach der Begründung des Gesetzesentwurfs auf geistiges Eigentum berufen können (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14), nur solche Behörden zu zählen sind, die nicht dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes unterworfen sind (Heuner/Küpper, JZ 2012, S. 801 ff. <S. 803>) oder die informationspflichtige Behörde jedenfalls weitere Gründe für ihre Berufung auf das Erstveröffentlichungsrecht anführen muss (Schnabel, K&R 2012, S. 141 ff. <S. 144>). Vereinzelt wird auch vertreten, dass § 45 Abs. 1 UrhG das Urheberrecht begrenze (Schnabel, K&R 2012, S. 141 ff. <S. 144>; a. A. Lenski, NordÖR 2006, S. 89 ff. <S. 95>).
(c) Denn jedenfalls wird das Erstveröffentlichungsrecht an den Ausarbeitungen durch die Überlassung von Ablichtungen an den Kläger nicht verletzt. Die Ausarbeitungen werden bei der Überlassung von Ablichtungen an den Kläger nicht im Sinne des § 12 UrhG veröffentlicht. Nach § 6 Abs. 1 UrhG ist ein Werk veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Dies setzt voraus, dass ein individuell nicht bestimmbarer Personenkreis Kenntnis von seinem Inhalt nehmen kann (vgl. Schoch, IFG, § 6 Rn. 32). Daran fehlt es hier. Denn bei der Überlassung von Ablichtungen erhält nur der Kläger, nicht aber die Allgemeinheit, Zugang zu den Ausarbeitungen, wie im Übrigen auch schon der Bundestagsabgeordnete, auf dessen Veranlassung sie angefertigt wurden, und beispielsweise auch die Kommission €Selbstkontrolle in der Wissenschaft€ der Universität Bayreuth nach deren Bericht vom 5. Mai 2011 (vgl. http://www.uni-bayreuth.de/presse/Aktuelle-Infos/2011/ Bericht_der_Kommission_m__Anlagen_10_5_2011_.pdf), Zugang hierzu erhalten haben. Entscheidend ist dabei die mit der Überlassung zum Informationszugang verbundene Zweckbestimmung (vgl. dazu § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG), nur dem jeweiligen Berechtigten die Information zugänglich zu machen.
Auch die Überlegung, dass außer dem Kläger weitere Personen einen Antrag auf Informationszugang bezogen auf die Ausarbeitungen stellen könnten, führt nicht zu einer Verletzung von § 12 UrhG. Denn die Möglichkeit der Kenntnisnahme bliebe auch in diesem Falle auf den bestimmten Kreis der Antragsteller beschränkt, auf deren Zahl es nicht ankommt (zweifelnd Schnabel, K&R 2012, S. 141 ff. <S. 144>).
(2) Das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG) und das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) werden durch Überlassung von Ablichtungen an den Kläger nicht verletzt, weil nach den vorstehenden Ausführungen der Beklagten auch insoweit die Nutzungsrechte zustehen und die Überlassung an den Kläger auf die Gewährung von Informationszugang beschränkt ist. Eine Rechtsverletzung könnte daher allenfalls dann eintreten, wenn der Kläger seinerseits nach Informationszugang unerlaubt durch Vervielfältigung oder Verbreitung über die (gegebenenfalls) urheberrechtlich geschützten Werke verfügt.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
3. Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zur grundsätzlichen Klärung zuzulassen, ob der Deutsche Bundestag bei der Anfertigung von Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste bzw. des Sprachdienstes öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG wahrnimmt (vgl. § 124a VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO); aus diesem Grund ist auch die Sprungrevision zuzulassen (§ 134 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr.1 VwGO).
VG Berlin:
Urteil v. 14.09.2012
Az: 2 K 185.11
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