Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 19. April 2004
Aktenzeichen: 6 W 20/04
(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 19.04.2004, Az.: 6 W 20/04)
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Mannheim vom 6.3.2003 wird zurückgewiesen.2. Die Kosten der Beschwerde fallen der Klägerin zur Last.3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.4. Der Beschwerdewert wird auf 1.556,66 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagten auf Unterlassung, Feststellung der Schadenersatzpflicht und Rechnungslegung wegen Verletzung zweier Patente in Anspruch genommen. Die auf ein Klagepatent gestützte Klage hat die Klägerin zurückgenommen, die auf den deutschen Teil des anderen (europäischen) Klagepatents gestützte Klage hatte Erfolg. In der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2002 vermerkt das Protokoll in der Präsenz: Für die Beklagte: RA Dr. L, Düsseldorf und Patentanwalt H., München. Das LG hat durch Urteil vom 10.1.2003 die Kosten zu 2/3 den Beklagten als Gesamtschuldnern und zu 1/3 der Klägerin auferlegt. Mit Beschluss vom 6.3.2003 hat die Rechtspflegerin im Kostenausgleichungsverfahren insgesamt 15.210,06 Euro gegen die Beklagten zu Gunsten der Klägerin festgesetzt. In den Kostenausgleich eingeflossen sind u.a. folgende von den Beklagten für die mitwirkenden Patentanwälte geltend gemachten Kosten:
BezeichnungSatzVorschriftenBetragVerhandlungsgebühr10/1031 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO4.496,00Reisekosten28 Abs. 2 Nr. 2 BRAGO106,00Tage- und Abwesenheitsgeld28 Abs. 3 BRAGO56,00Taxikosten12,00Summe4.670,00
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde.
Die Klägerin trägt vor, Herr H. sei Rechtsanwalt und beim Europäischen Patentamt zugelassener Vertreter. Es sei kein deutscher Patentanwalt. Damit gelte § 143 PatG nicht. Das Auftreten von Herrn H. sei nicht notwendig i.S.v. § 91 ZPO gewesen. Ein beim Europäischen Patentamt zugelassener Vertreter sei nicht mit deutschen, aber auch nicht mit ausländischen Patentanwälten vergleichbar. Er habe nicht wie der Patentanwalt die Befugnis, vor nationalen Gerichten und Behörden aufzutreten. Für seine Prüfung benötige er keine Kenntnis nationaler Patentrechte.
Die Klägerin beantragt, bei der Kostenausgleichung 4.670 Euro weniger an außergerichtlichen Kosten der Beklagten in Ansatz zu bringen.
Die Beklagten beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beklagten tragen vor, Patentanwalt i.S.d. Gesetzes sei jeder auch ausländische Patentanwalt, deutscher Patentanwalt müsse er nicht sein. Was schon für den ausländischen Patentanwalt gelte, gelte erst recht für den European Patent Attorney. Dies gelte umso mehr, wenn Klagepatent ein Europäisches Patent sei.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.2.2004 nicht abgeholfen. Der Einzelrichter des Senats hat das Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 30.3.2004 dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Die statthafte Beschwerde (§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO) erreicht den hier gem. § 567 Abs. 2 S. 2 ZPO maßgebenden Beschwerdewert von mehr als 50 Euro, weil sich bei Wegfall der Berücksichtigung der streitigen 4.760 Euro außergerichtliche Kosten der Beklagten eine Ausgleichforderung von 16.757,72 Euro statt 15.201,06 Euro, also 1.556,66 Euro mehr ergeben. Die Einlegungsfrist ist gewahrt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis gem. § 174 ZPO konstitutive Mitwirkungshandlung ausweislich des Empfangsbekenntnisses (AS I 190) erst am erst am 30.1.2004 vorgenommen. Die Beschwerde ging am 3.2.2004 und somit innerhalb der Notfrist von zwei Wochen gem. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO beim LG ein.
2. Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das LG hat Rechtsanwalt H., der die Interessen der Beklagten neben Rechtsanwalt Dr. L. in der mündlichen Verhandlung vor der Patentstreitkammer des LG vertreten hat, im Ergebnis zu Recht als Patentanwalt i.S.v. § 143 Abs. 3 PatG angesehen. Patentanwalt im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur, wer nach der Patentanwaltsordnung zugelassen ist, sondern auch jeder nach Art. 134 EPÜ zugelassene Vertreter beim Europäischen Patentamt.
Zwar hat der Senat (OLG Karlsruhe GRUR 1967, 217) in einer Warenzeichensache zu § 32 Abs. 5 WZG entschieden, Patentanwalt sei nur derjenige, der in der Liste der Patentanwälte beim Deutschen Patentamt geführt wird, da der historische Gesetzgeber den Ausdruck Patentanwalt nur i.S.d. Patentanwaltsgesetzes vom 28.9.1933 verstanden habe. Hieran hält der Senat aber nach erneuter Überprüfung nicht fest (vgl. zur Kritik OLG Düsseldorf GRUR 1988, 761). Hierfür sind folgende Argumente ausschlaggebend:
a) Ein für die Kostenerstattungspflicht relevanter Unterschied besteht zwischen Patentanwälten und beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertretern nicht. Wie der Senat (OLG Karlsruhe vom 8.2.1980 - 6 W 4/80, GRUR 1980, 331 [332]) zu § 51 Abs. 5 PatG a.F. und § 19 Abs. 5 GebrMG a.F. bereits obiter dictum ausgeführt hat, erfordert die Zulassung beim Europäischen Patentamt eine Eignungsprüfung, die sicherstellt, dass beim Europäischen Patentamt zugelassene Vertreter über eine Befähigung verfügen, die der nach der Patentanwaltsordnung für eine Zulassung vorausgesetzten vergleichbar ist. Die von der Klägerin betonte stärkere Ausrichtung der Eignungsprüfung auf die Vertretung in Verfahren des Europäischen Patentamts steht dem nicht entgegen, weil sich die in diesen Verfahren stellenden insb. technischen Fragen von den technischen Problemen nationaler Verfahren weder nach Qualität noch Quantität unterscheiden.
b) Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannte (OLG Frankfurt GRUR 1994, 852, zu § 32 Abs. 5 WZG; OLG Düsseldorf GRUR 1988, 761 [662], zu § 32 Abs. 5 WZG und OLG Koblenz GRUR-RR 2002, 127 [128], zu § 140 Abs. 5 MarkenG a.F.; vgl. auch Benkard/Rogge, 9. Aufl., § 143 Rz. 22; Busse/Keukenschrijver, 6. Aufl., § 143 Rz. 410) und im Hinblick auf die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 - 55 EGV) gebotene Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Mitwirkung ausländischer Patentanwälte legt nahe, alle beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter gleich zu behandeln und nicht Inländer anderen und strengeren Erstattungsregeln zu unterwerfen. Denn anders als im Inland ist der Beruf des Patentanwalts im Ausland nicht durchgehend national unabhängig von der Zulassung als Vertreter beim Europäischen Patentamt geregelt. Vielmehr gilt in mehreren Staaten ohne weiteres als Patent Attorney, wer beim Europäischen Patentamt als Vertreter zugelassen ist.
Eine Soziierung zwischen dem die Beklagten vertretenden Rechtsanwälte und dem mitwirkenden Patentanwalt steht der Erstattungsfähigkeit nicht entgegen (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 30, m.w.N.). Ebenso wenig steht entgegen, dass Herr H. auch Rechtsanwalt ist (vgl. in einer Markensache BGH v. 3.4.2003 - I ZB 37/02, BGHReport 2003, 771 = GRUR 2003, 639 - Kosten des Patentanwalts; s. a Busse/Keukenschrijver, 6. Aufl., § 80 Rz. 69, die obergerichtliche Rechtsprechung referierend)).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen. Die gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 574 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Entscheidung über die Beschwerde hängt davon ab, ob ein deutscher Rechtsanwalt, der als Vertreter beim Europäischen Patentamt zugelassen ist, als Patentanwalt i.S.v. § 143 Abs. 3 PatG angesehen werden kann. Diese höchstrichterlich soweit ersichtlich noch nicht entschiedene Frage ist rechtsgrundsätzlich, weil sie künftig angesichts der zunehmenden Internationalisierung des Rechtsverkehrs in Angelegenheiten des geistigen Eigentums, der fortschreitenden Soziierung von Rechts- und Patentanwälten und auch im Hinblick auf zahlreiche im wesentlichen gleichlautenden Vorschriften insb. in § 27 Abs. 3 GebrMG, § 15 Abs. 3 GeschmMG, § 140 Abs. 3 MarkenG und § 38 Abs. 4 SortSchG voraussichtlich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten wird. Der Beschwerdewert entspricht der Differenz der zuerkannten Ausgleichsforderung zu der Ausgleichsforderung, die sich ergeben würde, wenn die von der Klägerin beanstandeten Beträge nicht eingestellt würden.
OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 19.04.2004
Az: 6 W 20/04
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