Landgericht München I:
Urteil vom 10. November 2010
Aktenzeichen: 21 O 7656/10
(LG München I: Urteil v. 10.11.2010, Az.: 21 O 7656/10)
Tenor
I. Auf den Kostenwiderspruch der Verfügungsbeklagten wird die Kostenentscheidung der einstweiligen Verfügung vom 21.04.2010 (Ziffer 2.) aufgehoben.
II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kammer hat auf entsprechenden Antrag der Verfügungsklägerin am 21.04.2010 folgende einstweilige Verfügung erlassen:
Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von € 5,-- bis zu € 250.000,--, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 935 ff, 890 ZPO verboten, Bodenverdichtungsvorrichtungen
(1) mit einer eine Verdichtungsplatte aufweisenden Untermasse,
(2) mit einer mit der Untermasse über eine Feder-Dämpfeinrichtung verbundenen und einen Antrieb aufweisenden Obermasse,
(3) mit einem die Verdichtungsplatte beaufschlagenden Schwingungserzeuger
(4) und mit einem Fahrwerk mit drehbar angeordneten Rollkörpern zum Transport der Vorrichtung,
(4.1) wobei die Verdichtungsplatte in einer Transportstellung den Boden nicht berührt,
(4.2) aber die Rollkörper den Boden berühren und das Gewicht der Vorrichtung tragen,
(5) bei denen die Rollkörper auf einer Fahrwerksachse drehbar angeordnet sind, welche bezüglich der Vorrichtung ortsfest ist,
(6)bei denen das Fahrwerk an der Untermasse angebracht ist,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
Die Verfügungsbeklagte stellte auf der vom 19. bis 25 April 2010 stattfindenden ... Rüttelplatten auf ihrem Messestand aus, die das EP ... der Verfügungsklägerin verletzten, dessen Anspruch 1 dem Tenor der einstweiligen Verfügung entspricht.
Vor Beantragung und Erlass der einstweiligen Verfügung suchte der Prokurist der Verfügungsklägerin zweimal den Messestand der Verfügungsbeklagten auf del ... auf.
Über den Verlauf des Gesprächs besteht zwischen den Parteien Streit.
Die Verfügungsbeklagte hat nach Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie einer Abschlusserklärung mit Schriftsatz vom 07.06.2010 Kostenwiderspruch erhoben und trägt vor, sie sei nicht ordnungsgemäß abgemahnt worden.
Eine Abmahnung sei weder entbehrlich gewesen, noch sei beim Besuch des Prokuristen der Verfügungsklägerin, Herrn ... auf dem Messestand der Verfügungsbeklagten am 19. und 20.04.2010 eine ordnungsgemäße Abmahnung ausgesprochen worden. Der Prokurist der Verfügungsklägerin habe nur ausgeführt, die Rüttelplatten, die auf dem Messestand der Verfügungsbeklagten ausgestellt waren, würden ein Patent von ... verletzen und habe ohne Erlaubnis den Stand der Verfügungsbeklagten nach Dokumenten durchsucht. Trotz mehrmaliger Nachfrage durch den Verkaufsleiter der Verfügungsbeklagten seien keine näheren Angaben erfolgt. Diese seien auch nicht am nächsten Tag erfolgt, an dem ebenso wie am Tag vorher mit Klage gedroht worden sei, wenn die Platten nicht sofort entfernt würden.
Eine Patentnummer habe der Prokurist der Verfügungsklägerin nicht genannt. Die Verfügungsbeklagte legt eine eidesstattliche Versicherung ihres Verkaufsleiters vor, der den Sachverhalt bestätigt, wie oben im Vortrag der Verfügungsbeklagten wiedergegeben.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, zu entscheiden, wie im Tenor geschehen.
Die Verfügungsklägerin beantragt die einstweilige Verfügung auch im Kostenpunkt aufrecht zu erhalten und die weiteren Kosten der Verfügungsbeklagten aufzuerlegen.
Die Verfügungsklägerin legt ein Erinnerungsprotokoll des Prokuristen ... vor (Anlage LS 10) in dem dieser folgendes ausführt:
Er habe den Mitarbeitern der Verfügungsbeklagten erklärt, die Platten mit den Rädern würden das Patent EP ... der Verfügungsklägerin verletzen und eine Aufforderung ausgesprochen, die Exponate in Druckschriften vom Stand zu entfernen. Er habe am selben Tag an den klägerischen Patentanwalt eine e-mail mit folgendem Inhalt geschrieben:
"Sehr geehrter Herr ..., Die Firma ... verletzt mit deren Exponaten auf der ... unser EP ... Ich hatte einen Herrn der Standbesatzung aufgefordert, die verletzenden Produkte und auch alle Werbeblätter vom Stand zu entfernen. Für das Entfernen der Produkte habe ich ihnen Zeit bis heute Morgen gegeben. Ich werde dies heute sofort nach Eintreffen auf der Messe kontrollieren. Ich benötige jetzt noch eine passende Unterlassungserklärung. Am besten auch in Englisch, da keiner auf dem Stand Deutsch spricht."
Er habe dann die Kontrolle am 20.04. um 11.13 Uhr durchgeführt; auf den Vorhalt, dass die Exponate nicht entfernt worden seien, sei der Verkäufer sehr pampig geworden und habe erklärt, dass er es nicht nötig habe, die Produkte zu entfernen. Er habe ihm erklärt, dass er dann eine gerichtliche Unterlassung erwirken wolle. Auf diese Ankündigung habe er erwidert: "Then do so".
Er habe dann mit dem Patentanwalt abgesprochen, dass eine einstweilige Verfügung erwirkt werden solle.
Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, dass in diesem Verhalten eine ordnungsgemäße Abmahnung liege. Kommunikationsprobleme der Parteien aufgrund von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten hätten nicht bestanden; sie könnten im Übrigen nicht zu Lasten der Verfügungsklägerin gehen. Es sei der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten gewesen, eine vorgeschaltete Abmahnung zunächst übersetzen zu lassen, da dann der rechtzeitige Erlass der einstweiligen Verfügung deren Zustellung auf der ... zeitlich nicht mehr möglich gewesen sei.
Gründe
Der zulässige Kostenwiderspruch ist auch begründet.
271. Grundsätzlich ist auch auf einer Messe eine Abmahnung nicht entbehrlich und kann auch mündlich erfolgen (LG Düsseldorf, InstGE 4, 159 INTERPACK; LG Düsseldorf InstGE 3, 221 Rahmengestell; Schulte/Kühnen, PatG, 8. Aufl., § 139 Rdn. 220).
2. Diese Abmahnung muss aber die Mindestvoraussetzung Abmahnung erfüllen, die von der Rechtsprechung zu Recht an den Inhalt einer Abmahnung gestellt werden:
29a) Die Abmahnung muss erkennen lassen, welche Ansprüche der Abmahnende geltend macht und auf was er diese Abmahnung stützt.
b) Die Abmahnung hat grundsätzlich
€ Angaben zur Aktivlegitimation,
€ die Beschreibung des Verletzungstatbestandes,
€ die Aufforderung an den Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben unter Setzen einer angemessenen Frist hierfür
€ sowie die Androhung, nach fruchtlosen Ablauf der Frist gerichtliche Schritte einzuleiten
zu enthalten (Benkardt/Rogge/Grabinski, PatentG, 10. Aufl., § 139 Rdn. 163 Seite 1484 unten 1485 oben).
3. Diese Anforderungen hat das Auftreten des Prokuristen der Verfügungsklägerin auf dem Messestand auch bei Zugrundelegung seiner eigenen Sachverhaltsdarstellung nicht erfüllt:
37a) Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Beschreibung des Verletzungstatbestandes: Hier genügt die bloße Nennung der Patentnummer nach Auffassung der Kammer bei weitem nicht, um dem Abgemahnten eine Überprüfung des Verletzungsvorwurfs zu ermöglichen.
Zum einen ist es in einer derartigen Situation nach der Lebenserfahrung weder zu erwarten noch zumutbar, dass ein derart angegangener Aussteller von sich aus eine plötzlich genannte Patentnummer mitschreibt; dass er sie sich lückenlos merken kann schließt die Kammer aus.
Darüber hinaus besteht auch bei Zugrundelegung moderner Kommunikationstechniken für eine Firma, die im Ausland auf einem Messestand auftritt, keine sicher zuverlässige Recherchemöglichkeit, da auch bei einem Hersteller von Produkten, für die Patentschutz bestehen kann, nicht ohne weiteres die Kenntnis der Internetrecherchemöglichkeiten über Depatisnet und epoline unterstellt werden kann.
b) Es wird also, was dem Prokuristen der Verfügungsklägerin auch ohne weiteres möglich gewesen wäre, in so einem Fall erforderlich sein, zumindest die Patentschrift zu übergeben. Auch wenn dies bei einer schriftlichen Abmahnung nach richtiger Ansicht nicht zwingend erforderlich ist, ist in einem Fall wie dem vorliegenden aufgrund des Zeitdrucks eine mündliche Abmahnung sonst nicht ausreichend.
c) Darüber hinaus ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum der vom Prokuristen der Verfügungsklägerin angesprochene Patentanwalt nicht in der Lage war, nicht bis zum nächsten Tag (20.4.2010) eine entsprechende Abmahnung, auch wie vom Prokuristen der Verfügungsklägerin angeregt in englischer Sprache und dann unter Beschreibung des Verletzungstatbestandes zu formulieren. Da die mündliche Abmahnung nicht ausreichend war, kann dahinstehen, ob nicht angesichts der Tatsache, dass die ... auch am 20.4. noch weitere 5 Tage andauerte, eine schriftliche Abmahnung erforderlich gewesen wäre.
d) Der Kammer ist aus langjähriger Erfahrung mit Verfügungsanträgen betreffend Patentverletzungen auf gerade stattfindenden Messen bekannt, dass die Anfertigung einer ausreichenden Abmahnung über Nacht für eine entsprechend den üblichen praktischen Anforderungen organisierte Rechts-/Patentanwaltskanzlei ohne weiteres möglich ist. Nachdem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch erst unter dem Datum 20.04.2010 am 21.04.2010 um 9.45 Uhr beim Landgericht München I eingereicht wurde, hätte eine schriftliche Abmahnung am 20.04.2010 morgens mit einer entsprechenden kürzesten Fristsetzung genügen können; die einstweilige Verfügung wurde am übernächsten Tag, nämlich dem 22.04.2010, zugestellt und dies wäre noch 3 Tage lang bis zum Ende der messe möglich gewesen.
Im Übrigen erscheint der Sachvortrag der Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 06.10.2010, es hätten keine Kommunikationsprobleme der Parteien aufgrund von sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten bestanden, angesichts der zitierten Ausführungen in der Sachverhaltsdarstellung des Prokuristen der Verfügungsklägerin (Übersetzung der Abmahnung erforderlich) nicht nachvollziehbar.
Insgesamt war daher der Kostenausspruch der einstweiligen Verfügung aufzuheben und die Kosten auch des Widerspruchsverfahrens waren der Verfügungsklägerin aufzuerlegen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Ziff. 6. ZPO.
LG München I:
Urteil v. 10.11.2010
Az: 21 O 7656/10
Link zum Urteil:
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