Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 11. März 1999
Aktenzeichen: 20 L 3757/98
(VG Köln: Beschluss v. 11.03.1999, Az.: 20 L 3757/98)
Tenor
Der Antragsgegnerin - dem Bundesbeauftragten für Datenschutz - wird im Wege einstweiliger Anordnung aufgegeben,es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000,00 DM zu un-terlassen, sich mit folgenden Àußerungen an die Àffentlichkeit zu wenden:
- "Das Vorhaben der Antragstellerin (Errichtung einer Bilddatenbank über Häuser und Hausgrundstücke) könne auch kriminellen Aktivitäten Tür und Tor öffnen",sowie - "er halte solche Vorhaben bereits nach der bestehenden Rechtslage nicht für zu-lässig".
Der Antrag im übrigen wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 250.000 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antrag,
der Antragsgegnerin - dem Bundesbeauftragten für Datenschutz - im We- ge der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bei Vermeidung eines Ord- nungsgeldes bis zu 500.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Mona- ten zu unterlassen, sich in der aus seiner Presseerklärung vom 23.10.1998 ersichtlichen Form an die Öffentlichkeit zu wenden und dabei insbesondere folgende Behauptungen und Wertungen zum Nachteil der Antragstellerin auf- zustellen:
Jedes in einer von der Antragstellerin aufgebauten Bilddatenbank erfaß- te Haus sei seiner Adresse, Straße, Hausnummer zugeordnet,
hiermit würden die Voraussetzungen geschaffen, diese Bilddatenbank mit Telefon- und Anschriftendateien zu verknüpfen und ggf. auch im Internet anzubieten,
das geschilderte Verfahren ermögliche in Sekundenschnelle die Zuordnung von Namen, Anschriften, konkreter Wohnsituation und sei ein schwerer Einschnitt in die Privatsphäre jedes Einzelnen,
das Vorhaben stehe in krassem Gegensatz zum Schutzinteresse der Bür- gerinnen und Bürger, zumal es auch kriminellen Aktivitäten Tür und Tor öff- nen könne,
er halte solche Vorhaben bereits nach der bestehenden Rechtslage für nicht zulässig,
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen ist er abzulehnen.
Nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO setzt der Erlaß einer einstweiligen Anordnung voraus, daß glaubhaft gemacht wird, daß die Gefahr besteht, daß durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirk- lichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte bzw. daß die beantragte einstweilige Anordnung zur Abwen- dung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig ist.
Soweit die Kammer dem Antrag stattgegeben hat, hat die Antragstellerin Anordnungsanspruch (I.) und Anordnungsgrund (II.) glaubhaft gemacht.
I.
Bei der im Rahmen des Eilverfahrens nur möglichen summarischen vorläufi- gen Würdigung spricht alles dafür, daß der Antragstellerin in dem beschriebe- nen Umfang ein aus Grundrechtspositionen abgeleiteter öffentlichrechtlicher Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin - den Bun- desbeauftragten für Datenschutz - zusteht.
Der Bundesbeauftragte für Datenschutz hat sich mit seiner Presseerklärung im Rahmen und in Wahrnehmung seiner Amtsstellung gegenüber der Öffentlichkeit zu dem Vorhaben der Antragstellerin geäußert. Soweit das im summarischen Verfahren feststellbar ist, liegt darin - in dem oben bezeichneten Umfang - bei Wiederholung eine Verletzung schutzwürdiger Rechtspositionen der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, daß die inkriminierten Äußerungen des Bundesbeauftragten geeignet sind, sie in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit bzw. ihren beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten (Art 12 Abs. 1 GG) nachhaltig einzuschränken; auf das Grundrecht aus Art. 12 GG können sich auch juristische Personen des Privatrechts berufen, vgl. BVerfG, BVerfGE 95, 173 ff.
Ob daneben auch eine Beeinträchtigung im Sinne des Art. 14 GG vorliegt - wofür einiges sprechen dürfte - kann dabei offenbleiben.
Bei den dem Bundesbeauftragten untersagten Äußerungen, wie sie in der o.a. Presseerklärung enthalten sind, handelt es sich nicht nur um allgemein gehaltene Angaben und Hinweise zu einer allgemeinen, von der Rechtssphäre der Antragstellerin nicht erfaßten oder diese nur generell oder nur reflexartig berührenden Problematik, sondern um eine massive Warnung gegenüber einem von der Antragstellerin - bisher soweit erkennbar in Deutschland exklusiv - im Rahmen ihrer beruflichen und wirtschaftlichem Tätigkeit betriebenem Vorhaben. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Antragstellerin in der Presseerklärung nicht ausdrücklich mit ihrem Firmennamen benannt ist, weil nach der Vorgeschichte - Spiegel-Bericht - und dem weiteren Fortgang der öffentlichen Diskussion - so ist die Antragstellerin z.B. im Fernsehbericht vom 28.10.1998 (im weiteren dazu unten) namentlich erwähnt - für jeden Interessierten klar ist, auf wen und welches Vorhaben diese Warnung bezogen ist. Der Warn- und Appellcharakter und das Bestreben, mit den hier im Streit stehenden Äußerungen auch unmittelbar auf Öffentlichkeit und Bürger einzuwirken, wird schließlich auch durch die Formulierungen im Fernsehinterview vom 28.10.1998 zur Betroffenheit und zu den Handlungsmöglichkeiten der Bürger belegt; die Schlußbemerkung der Moderatorin dürfte zugleich Indiz dafür sein, wie die Intervention des Bundes- beauftragten von Dritten verstanden wird bzw. zumindest verstanden werden kann. Im Rahmen der Prüfung eines - in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruchs - sind auch diese, hier nicht unmittelbar streitbefangenen Äußerungen in die Betrachtung und Bewertung miteinzubeziehen.
Die Kammer folgt im Rahmen der hier im vorläufigen Rechtschutzverfahren vorzunehmenden Würdigung der Sach- und Rechtslage nicht der in der Literatur,
vgl. dazu nur: Di Fabio, Jus 1997, 1 ff; Murswiek, DVBl. 1997, 1021 ff.; Leidinger, DÖV 1993, 926 ff.,
weitgehend vertretenen und mit beachtlichen Argumenten versehenen Rechtsmeinung, daß ein derartiges Vorgehen einer staatlichen Stelle gegenüber Rechtspositionen Privater grundsätzlich nur bei Vorliegen einer das tatbestandlich generell oder spezifisch umschreibenden gesetzlichen Grundlage gerechtfertigt sein könnte. Ebenso geht die Kammer nach Prüfung der rechtlichen Argumente vorliegend nicht davon aus, daß das Vorgehen des Bundesbeauftragten für Datenschutz schon deshalb rechtswidrig war, weil er der Antragstellerin nicht schon vorher "rechtliches Gehör" gewährt hat und läßt dementsprechend auch offen, wie diese Problematik bei einem in die Zukunft gerichteten Anspruch wie dem Unterlassungsanspruch nunmehr im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu werten wäre.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bun- desverwaltungsgerichts,
vgl. BVerfG, NJW 1989, 3269; BVerwG, NVwZ 1994, 162; BVerwG, BVerGE 87, 37 und BVerwGE 82, 77,
ist der mit der Warnung eines Staatsorgans (der Bundesregierung) verbundene Eingriff in die Grundrechte Betroffener durch dessen Aufgabenstellung in Verbindung mit der Wahrnehmung von Schutzpflichten - insbesondere zum Erhalt zentraler Grundrechtspositionen - legitimiert, wenn ein hinreichend gewichtiger, dem Inhalt und der Bedeutung des berührten Grundrechtes entsprechender Anlaß besteht und wenn die negativen Werturteile nicht unsachlich sind, sondern auf einem im wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen. Ein hinreichender Anhaltspunkt für eine Warnung besteht dabei, wenn eine Gefahr für verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter oder zumindest der begründete Verdacht einer Gefahr vorliegt. Entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bestimmt sich dann das dabei einzuhaltende Maß der Sachaufklärung nach dem Gewicht der Gefahr sowie nach dem Inhalt und der Funktion der Warnung,
vgl. BVerwG, NJW 1991, 1770 f.
Je nach Art und Anlaß der Äußerung können unterschiedlich hohe Anforderungen an die Formulierungsgenauigkeit zu stellen sein; hiervon unberührt bleibt das grundsätzliche Erfordernis, daß die mitgeteilten Tatsachen zutreffen müssen und unsachliche Abwertungen zu unterbleiben haben,
vgl. OVG NW, NVwZ 1997, 302.
Die Kammer legt ihrer Entscheidung zugrunde, daß die entsprechende Handlungskompetenz bei für die Allgemeinheit besonders bedeutenden Fragen im Bereich des "Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung" grundsätzlich auch auf den Bundesbeauftragten für Datenschutz zu erstrecken ist(1.), für sein Handeln die aufgeführten Maßstäbe entsprechend zu übertragen sind, grundsätzlich ein rechtfertigender Anlaß für eine öffentliche Stellungnahme des Bundesbeauftragten bestanden haben dürfte und noch bestehen kann (2.) und daß eine Wiederholung der untersagten Äußerungen mit den oben beschriebenen Anforderungen, insbesondere mit dem Verhält- nismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang stehen würde (3.).
1. Die Kammer verkennt nicht, daß die oben beschriebene obergerichtliche Rechtsprechung eine auf eine Ausnahmekonstellation zu beschränkende bzw. eng einzugrenzende Modifikation des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes darstellt. Unstreitig ist der Bundesbeauftragte für Datenschutz nicht die Bundesregierung bzw. ein Bundesminister; er hat auch nicht die gleichen umfassenden Amts- und Leitungsaufgaben gegenüber dem Gemeinwesen. Auf der anderen Seite ist er aber auch nicht nur ein nachgeordnetes Staatsorgan. Sein Amt ist durch Gesetz (§ 22 BDSG) eingerichtet, er wird nicht von der Bundesregierung bestellt, sondern vom Deutschen Bundestag mit mehr als der Hälfte der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder gewählt (§ 22 Abs. 1 S. 1 BDSG); er ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (§ 22 Abs. 4 BDSG). Dem korrespondiert eine umfassende Aufgabenzuweisung auf dem erkennbar wegen seiner Bedeutung und seiner Grundrechtsrelevanz besonders hervorgehobenem Gebiet des Datenschutzes. Dazu gehören nicht nur die Kontrollbefugnisse bei den öffentlichen Stellen des Bundes (§§ 24, 25 BDSG). Bedeutsamer ist im vorliegenden Zusammenhang, daß der Bundesbeauftragte nicht nur sowohl der Bundesregierung als auch dem Bundestag auf Anforderung Gutachten zu erstellen und Berichte zu erstatten hat (§ 26 Abs. 2 S. 1 BDSG), sondern daß er auch von sich aus die Bundesregierung in Fragen des Datenschutzes beraten und ihr Empfehlungen zur Verbesserung des Datenschutzes geben kann (§ 26 Abs. 3 BDSG) und sich auch jederzeit von sich aus an den Deutschen Bundestag wenden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 3 BDSG). Der strukturell und rechtlich herausgehobenen Stellung des Bundesbeauftragten für Datenschutz entspricht auch die in der Staatspraxis bisher vorzufindende Ausschöpfung dieser Amtsstellung für die Belange des Datenschutzes durch den Bundesbeauftragten. Dazu gehört insbesondere die umfassende und durch Präsentation auch gegenüber der Öffentlichkeit ge- kennzeichnete Darstellung der Vorgänge und Entwicklungen im Bereich des Datenschutzes in dem dem Bundestag alle zwei Jahre zu erstattenden (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG) Tätigkeitsbericht. Die Legitimation dieses - auch öffentlichen - Handelns des Bundesbeauftragten wird dadurch gestützt, daß es dagegen bisher keine staatsrechtliche Intervention der Bundesregierung oder des Bundestages gibt; der Bundestag hat vielmehr die Kompetenz des Bundesbeauftragten im Rahmen der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes 1990 noch erweitert und seine Stellung gestärkt.
Andererseits ist nicht zu verkennen, daß nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Bundesbeauftragte in Bezug auf die Allgemeinheit weder unmittelbare Gestaltungs- oder Regelungsrechte erhalten hat und nach der gesetzlichen Ausgestaltung sein Aufgaben- und Pflichtenkreis in Richtung auf die obersten Staatsorgane (Bundestag und Bundesregierung) ausgerichtet ist. Ebenso ist nicht außer Acht zu lassen, daß schon wegen der grundsätzlichen Fragen des Staatsaufbaus (grds. Legislative, Exekutive, Judikative) und wegen der Konfliktlinien des Datenschutzes zur effektiven Staatsverwaltung und zur Dynamik des Wirtschaftslebens die Ausgestaltung und Bedeutung der Stellung des Datenschutzbeauftragten ein bedeutender Punkt rechtspolitischer Auseinandersetzung ist und die dabei gefundenen Kompromißlösungen (teilweise auch Unklarheiten und Brüche) von der Rechtsprechung nicht ohne weiteres mit einseitigem Weiterdenken von Sinngebung und Zweckbestimmung fortgeschrieben werden können. Dennoch spricht bei der gebotenen Gesamtschau vieles dafür - und wird durch die tatsächliche langjährige Praxis belegt - , daß die oben beschriebene gesetzliche Ausgestaltung nicht nur einen intern - das heißt außerhalb des Zugangs zur Öffentlichkeit - angelegten Weg festgelegt hat. Eine solche Sichtweise dürfte den Verhältnissen der modernen medienoffenen Demokratie ebensowenig angemessen sein wie der Bedeutung des Datenschutzes für das Gemeinwesen und für den Einzelnen,
vgl. dazu auch: OVG Berlin, NJW 1998, 257 (256) - zum Handeln des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes außerhalb des spezialgesetzlich zugewiesenen Aufgabenbereichs -.
Schließlich darf dabei auch nicht übersehen werden, daß es im Bereich des Datenschutzes, insbesondere soweit es um den Umgang privater und wirtschaftlicher Kreise mit Daten geht, trotz der Relevanz des Datenschutzes und der dort möglichen nicht unerheblichen Gefahren keine umfassende staatliche Aufsicht mit entsprechend umfassenden behördlichen Ein- griffsbefugnissen gibt. Hat sich der Staat insoweit zurückgenommen, um nicht seinerseits umgekehrt in diesem hochsensiblen Bereich zum "Überwachungsstaat" zu werden und hat er unter diesen Umständen die Verteidigung der evtl. gefährdeten Rechte in die Eigeninitiative des Bürgers gelegt, so liegt es nahe, daß eine informelle Unterstützung und Sensi- bilisierung der Bürger dabei nicht grundsätzlich aus dem Aufgabenbereich des im Datenschutz speziell an höchster Stelle eingesetzten Amtsträgers ausgeklammert sein dürfte,
vgl. zu diesem Gesichtspunkt und der Bedeutung der Einrichtung eines unabhängigen Datenschutzbeauftragten für diesen sensiblen Bereich: BVerfG, BVerfGE 65, 1 (46).
Dem Bundesbeauftragten für Datenschutz ist im Rahmen der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes 1990 auch die Aufgabe übertragen worden, die wesentliche Entwicklung des Datenschutzes im nicht-öffentlichen Bereich darzustellen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG). Das setzt die sorgfältige Beobachtung der Entwicklung in diesem Bereich durch den Bundesbeauftrag- ten voraus und enthält grundsätzlich auch das Recht zu Schlußfolgerungen und Bewertungen. Schon das schließt es im Gegensatz zur Auffassung der Antragstellerin aus, insoweit von einer abschließenden und ausschließenden Kompetenz der Länder auszugehen. Ebensowenig spricht dafür, in diesem Bereich ein Recht des Bundesbeauftragten zur Darstellung auch gegenüber der Öffentlichkeit grundsätzlich auszuschließen.
2.
Das marktbezogene Vorhaben der Antragstellerin berührt auch wesentliche Belange des Datenschutzes. Auch wenn es sich als Einzelprojekt einer Firma darstellt, so ist es doch umfassend (bundesweit) angelegt und stellt von seiner Dimension und dem innovativen Ansatz her sowohl in der Breite als auch in der Größe der Datensammlung und der Breite der angestrebten Verwendungen einen auch für die Öffentlichkeit und die Entwicklung im Bereich der Datenverarbeitung bedeutsamen Vorgang von allgemeinen Interesse dar. Es fällt daher unzweifelhaft in den in § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG beschriebenen Bereich. Zugleich besteht kein Zweifel, daß angesichts der Präsentation dieses Projektes in der Werbung der Antragstellerin und in den Medien eine Situation bestand und besteht, die der Bundesbeauftragte zum Anlaß für eine Stellungnahme nehmen konnte.
3.
Die Kammer läßt hinsichtlich der Äußerungen, die die Antragsgegnerin - der Bundesbeauftragte für Datenschutz - zu unterlassen hat, offen, ob für diese Äußerungen zunächst eine Rechtfertigung bestanden hat. Jedenfalls derzeit kann es aber nach den oben dargestellten Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung und in Beachtung des im Bereich des informellen Handelns - wegen der damit verbundenen Gefahr von Rechtsbeeinträchtigungen des Betroffenen ohne Bindung des staatlichen Handelns an konkret umschriebene gesetzliche Tatbestände - besonders streng zu wertenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht mehr als gerechtfertigt angesehen werden, wenn derartige Äußerungen durch den Bundesbeauftragten weiterhin gegenüber der Öffentlichkeit zu Lasten der Antragstellerin abgegeben würden. Das gilt zunächst für die Äußerung des Bundesbeauftragten, "er halte solche Vorhaben bereits nach der bestehenden Rechtslage für nicht zulässig". Wie oben schon dargestellt, zielt diese Äußerung auch aus der Sicht der Öffentlichkeit zunächst auf das Vorhaben der Antragstellerin ab. Der Bun- desbeauftragte kann sich auch nicht darauf berufen, es handele sich dabei nur um eine subjektive Wertung der Rechtslage im Rahmen zulässiger Meinungsäußerung. Für die Öffentlichkeit ist es angesichts der oben dargestellten besonders herausgehobenen Stellung des Datenschutzbeauftragten und seiner vom Gesetz schon vorgegebenen Expertenstellung im Bereich des Datenschutzes naheliegend, dieser Bewertung zu folgen und sie zumindest in die Nähe einer von kompetenter Stelle ausgesprochenen objektiven Feststellung der Rechtswidrigkeit zu rücken. Es braucht nicht weiter ausgeführt zu werden, daß eine derartige negative Feststellung für die Umsetzung des wirtschaftlichen Vorhabens der Antragstellerin, seine Akzeptanz, Durchführbarkeit und weitere wirtschaftliche Verwendbarkeit erhebliche Auswirkungen haben kann. Derartig gravierende und weiterhin fortzuschreibende Einwirkungen sind jedenfalls derzeit auch bei Berücksichtigung der Zielsetzung, die der Bundesbeauftragte mit seiner Intervention verfolgte und verfolgt, nicht mehr gerechtfertigt. Soweit überhaupt das Augenmerk der Öffentlichkeit, aber auch der staatlichen und parlamentarischen Stellen erreicht werden soll, ist das, wie die zuletzt vom Bundesbeauftragten eingereichten Stellungnahmen des - damaligen -Ministeriums für Inneres und Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen und des innenpolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion NW belegen, auch über den Kreis der direkten - und ohne weitere Inanspruchnahme der Öffentlichkeit unmittelbar und jederzeit für den Bundesbeauftragten zu erreichenden - Ansprechpartner (Bundesregierung, Bundestag) erreicht. Darüber hinaus sind inzwischen der "Düsseldorfer Kreis", und die datenschutzrechtlich interessierten Fachkreise mit der Sache befaßt. Die für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich und damit auch konkret für die Antragstellerin zuständige Stelle des Landes Niedersachsen hat sich des Vorhabens konkret angenommen. Für ein weiteres, an die Öffentlichkeit gerichtetes, die Antragstellerin nicht unerheblich diskriminierendes öffentliches Vorgehen ist ein rechtfertigender Grund nicht zu erkennen. Auch für den Bundesbeauftragten selbst dürfte diese Erkenntnis nicht fernliegen, nachdem er selbst in seinem Schriftsatz vom 22.12.1998 nicht die Qualifizierung des Vorhabens als rechtswidrig, sondern die Problematik der Ge- setzesinterpretation und den Appell an den Gesetzgeber, klare Vorgaben zu schaffen, in den Vordergrund seiner Zielsetzung gerückt hat.
Die Frage, ob das anders zu sehen wäre, wenn das Vorhaben der Antragstellerin nach den Vorschriften des BDSG eindeutig als rechtswidrig zu qualifizieren wäre, kann die Kammer offenlassen. Das Vorhaben der Antragstellerin wirft im tatsächlichen und insbesondere im rechtlichen Bereich eine Reihe bedeutsamer, nicht einfach zu beantwortender Fragen (besonders zu diversen Tatbestandsmerkmalen in §§ 3, 28, 29, 30, 33, (34),(41) BDSG) auf, die sich einer umfassenden Beurteilung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entziehen. Eine abschließende Bewertung, ob - oder ggf. unter welchen Umständen - das Vorhaben der Antragstellerin rechtmäßig oder rechtswidrig ist, kann im vorliegenden Verfahren nicht getroffen werden.
Soweit es um die zweite untersagte Äußerung geht, mit der das Vorhaben der Antragstellerin - auf der Ebene seiner Verwertung - in einen nahem Zusammenhang mit evtl. darauf zu stützenden kriminellen Aktivitäten Dritter gerückt wird, gilt dazu das Gleiche. Zwar handelt es sich hier nicht um eine reine Wertung, sondern um eine aus einer Tatsachenschilderung gezogene wertende Schlußfolgerung. Der dabei gewählte Zungenschlag unterstellt zwar der Antragstellerin selbst keine kriminelle Intention, belastet aber das von ihr angestrebte Produkt mit dem Ruch des Kriminellen. Bei dem oben beschriebenen aktuellen Stand der Sache ist nicht festzustellen, daß das Ziel des Handelns des Bundesbeauftragten relevant beeinträchtigt wird, wenn er auf diesen von ihm gesetzten Akzent im Fortgang der Dinge - bis zu einer evtl. Entscheidung in der Hauptsache - verzichten muß.
Was die weiteren, von der Antragstellerin in ihrem Antrag aufgeführten Äußerungen angeht, bleibt der Antrag ohne Erfolg. Bei diesen Äußerungen handelt es sich erkennbar um Tatsa- chenbehauptungen, bei denen außerdem zu beachten ist, daß der Bundesbeauftragte gegenüber der Öffentlichkeit offengelegt hat, daß diese Tatsachen nicht aus eigenen Feststellungen resultieren, sondern - zutreffend - der Presseberichterstattung entnommen worden sind. Zwar ist zu beachten, daß nach der oben aufgeführten obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich die aufgeführten Tatsachen zutreffen müssen und die Darlegungslast dafür in die Verantwortung der staatlichen Stelle fällt. Vorliegend kommt aber dem Umstand besondere Bedeutung zu, daß es sich um einen wirtschaftlichen Vorgang handelt, der in den Medien - von der Antragstellerin zumindest bis auf Nuancen nicht widersprochen - umfassend so dargestellt worden ist, wie das der Bundesbeauftragte wiedergegeben hat und daß auch das werbende Vorgehen der Antragstellerin in der Öffentlichkeit und gegenüber den interessierten Kreisen potentieller Abnehmer so angelegt ist. Wenn die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren nunmehr die Möglichkeiten der Zuordnung konkreter Objekte zu Adressen und danach die Verknüpfbarkeit mit Telefondaten und Adressdaten sowie die Einstellbarkeit ins Internet und schließlich insgesamt die Bedeutung des Vorhabens für evtl. Schutzinteressen der Bürger unter Hinweisen auf gravierende Probleme bei der Datenerhebung und -aufbereitung, die dabei schwer zu bewältigenden Datenmengen, einen eng begrenzten Verwendungszweck und -bereich und entsprechende Schwächen ihres zukünftigen Produkts zu relativieren versucht, sieht die Kammer im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens keinen Anlaß, dem weiter nachzugehen. Die Antragstellerin muß sich im hier gegebenen Zusammenhang an der ihr zurechenbaren Außendarstellung - besonders signifikant dazu der Fernsehbericht vom 28.10.1998 unter Abrufung eines konkreten, adressenbezeichneten Objekts aus der Datenbank - und ihrer weitgehenden Werbepräsentation - z.B. "diverse gebäudeorientierte Selektionsverfahren", "punktgenau geokodierte (im Metertakt) digitale Farbfotos", "Bild über die Größe eines Hauses, Anzahl der Stockwerke oder Bauzustand" - festhalten lassen. Ihr Vortrag im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens wirft - wenn man dem folgen würde -eher Fragen nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit des Vorhabens, d.h. dem Verhältnis von Kostenaufwand und überhaupt zu erzielendem Ertrag und damit zu der Dimension der zu schützenden Belange der Antragstellerin auf; das soll hier nicht weiter vertieft werden.
II.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die einstweilige Anordnung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang erforderlich, um die Antragstellerin vor weiteren aktuell drohenden Beeinträchtigungen ihrer Rechtsphäre zu schützen. Die Durchführung ihres Vorhabens geschweige denn die wirtschaftliche Verwertung ist noch im Fluß bzw. noch in keiner Weise abgeschlossen, dementsprechend - wie nicht zuletzt die von der Antragsgegnerin vorgelegten Stellungnahmen aus Nordrhein-Westfalen belegen - auch nicht die Diskussion der dazu aufgeworfenen Fragen.
Der Bundesbeauftragte hat die geforderte Unterlassungserklärung ausdrücklich nicht abgegeben,
vgl. zu diesem Erfordernis: Palandt, BGB, 58. Aufl., § 1004 Rdn. 29,
relativierende Ausführungen in einem Schriftsatz im gerichtlichen Verfahren vermögen das nicht zu ersetzen. Damit besteht nach wie vor eine Wiederholungsgefahr, der entgegengewirkt werden muß,
vgl. zur Frage, welche Folgen aus der Ablehnung einer Unterlassungserklärung zu ziehen sind, auch: OVG NW, NJW 1995, 1629; BayVGH, NVwZ 1986, 327.
III.
Die Androhung des Ordnungsgeldes folgt aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, § 890 Abs. 1, 2 ZPO,
vgl. Redeker / von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., §172 Rdn. 3 m.w.N.
Die Androhung von Ordnungshaft hatte zu unterbleiben, weil die Ordnungshaft gegenüber einem staatlichen Amtsträger nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Die Kammer hat dabei das von der Antragstellerin nachvollziehbar vorgebrachte wirtschaftliche Interesse unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens zugrundegelegt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, daß es der Antragsgegnerin unbenommen bleibt, einen Antrag nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 926 Abs. 1 ZPO bei Gericht zu stel- len.
VG Köln:
Beschluss v. 11.03.1999
Az: 20 L 3757/98
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