Bundesgerichtshof:
Urteil vom 25. Februar 2014
Aktenzeichen: X ZR 84/12

(BGH: Urteil v. 25.02.2014, Az.: X ZR 84/12)

Tenor

Die Berufung gegen das am 9. Februar 2012 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 817 158 (Streitpatents), das aus der Stammanmeldung 543 089 vom 13. August 1992 hervorgegangen ist und eine Priorität vom 22. November 1991 in Anspruch nimmt. Das nach Erlass des angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschene Streitpatent umfasst 13 Patentansprüche; die Ansprüche 1 bis 9 betreffen eine Bildanzeigevorrichtung und die Ansprüche 10 bis 13 ein Verfahren zum Erzeugen einer Bildschirmanzeige. Die Patentansprüche 1 und 10 lauten in der erteilten Fassung in der Verfahrenssprache:

"1. Video display device of the multifrequency type, said video display device being apt to be attached to a wide variety of video adaptor cards of computer systems and having a screen and means for adjusting video display controls, characterized by an onscreen generation means capable of generating visual representations of adjusted video display controls of said video display device wherein the size of said displayed visual representations is controlled across different frequency modes of said video display device and the size of said visual representations is kept substantially the same across said different frequency modes, wherein said display device comprises an onscreen display block (16) including a character size control block (36) for controlling the size of said displayed visual representations across different frequency modes of said multifrequency video display.

10. A method for generating an onscreendisplay of adjusted video display controls in a multifrequency video display arranged to be attached to a wide variety of video adaptor cards of computer systems, comprising the steps of:

- receiving adjustments inputs from a user;

- adjusting a set of video display parameters, said adjusting corresponding to said adjustment inputs, and said adjusted video display parameters adjusting said video display controls; characterized by the steps of:

- providing said adjusted video display parameters to said multifrequency video display; and - displaying visual representations of adjustments of said video display controls on a screen of said video display across different frequency modes of said video display wherein the size of said visual representations is controlled across different frequency modes of the multifrequency video display device and the size of said visual representations is kept substantially the same across said different frequency modes."

Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommenen oder abgemahnten Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Stammanmeldung hinaus und sei zudem nicht ausführbar. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise mit 36 geänderten Anspruchsfassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt. Nach Verkündung des Urteils hat die Klägerin zu 3 die Klage zurückgenommen.

Gegen das Urteil des Patentgerichts wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in der erteilten Fassung und den erstinstanzlich hilfsweise geltend gemachten Anspruchssätzen I bis III, VII bis XXI sowie weiteren Fassungen, jeweils in deutscher Sprache, verteidigt.

Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Das Streitpatent betrifft Bildanzeigesysteme und die Verwendung von Bildschirmmenüs zum Einstellen der Bildanzeige von Mehrfrequenz-Kathodenstrahlröhren (Braunschen Röhren, englisch Cathode Ray Tubes - CRT).

1. Die Streitpatentschrift erläutert, Kathodenstrahlröhrenbildschirme fänden bei Computersystemen weitverbreitet Anwendung, da sie vielseitig einsetzbar seien und Daten auf vielfältige Art anzeigen könnten. Bei den ersten Geräten, die Einzelfrequenz-Kathodenstrahlröhren gewesen seien, verwende die den Bildschirm betreibende Videoadapterkarte (video adaptor card, im Folgenden: Grafikkarte) eine bestimmte einzelne horizontale Abtastfrequenz, die auf diejenige des Monitors abgestimmt sei. Eine für einen bestimmten Einzelfrequenzbildschirm hergestellte Karte arbeite aber häufig nicht mit anderen Bildschirmen zusammen. Mehrfrequenzbildschirme stellten deshalb eine wesentliche Verbesserung dar, da der Monitor an eine große Vielfalt von Grafikkarten anschließbar sei. Der Mehrfrequenzbildschirm könne sich selbsttätig auf die Horizontalfrequenz der Grafikkarte abstimmen und die Bildanzeige mit der von der Grafikkarte gesendeten Information synchronisieren.

Auch wenn Mehrfrequenzbildschirme flexible Verbindungen von Monitoren und Grafikkarten erlaubten, verschärften sie jedoch ein verbreitetes Problem. Die meisten Bildschirmgeräte böten verschiedene Formen von Einstellungen für Benutzer an, typischerweise ein Feld von Drehknöpfen oder Tasten, die dem Benutzer erlaubten, verschiedene Bildanzeigemerkmale wie Kontrast, Helligkeit und horizontale und vertikale Bildpositionen einzustellen. Diese Einstellungen würden mittels elektromechanischer Vorrichtungen manuell vorgenommen und könnten sich durch Bewegungen des Geräts, Schwankungen der Umgebungstemperatur und Vibrationen verändern (Beschr. Abs. 3). Zudem müssten, wenn ein Benutzer den von dem Monitor verwendeten Frequenzmodus verändere, sämtliche vorher vorgenommene Einstellungen nachgestellt werden, um Änderungen in der Anzeige auszugleichen. Weiter sei die Herstellung aufwendig, weil beim Hersteller manuelle Voreinstellungen für eine Vielzahl von Frequenzbändern erforderlich seien.

Die Streitpatentschrift nennt und beschreibt mehrere Verfahren zum Einstellen von Bildschirmen und mehrere Bildschirmanzeigesysteme (Abs. 6 bis 11), die allerdings kein vollständiges und flexibles System für eine schnelle und zuverlässige Einstellung der Bildschirmsteuerungen durch Hersteller und Benutzer böten. Durch die Erfindung solle ermöglicht werden, bei der Herstellung des Geräts schnell sämtliche inneren Steuerungen ohne Bedienereingriff einzustellen. Anzeigemerkmale sollten leicht zu verändern und die Merkmale auf die vom Hersteller festgelegten zurückzusetzen sein; gegen äußere Einflüsse sollten die Einstellungen unempfindlich sein. Schließlich solle die Lösung für einen breiten Bereich von Bildschirmen, einschließlich CRT-, LCD- und Elektroluminiszenzanzeigen, anwendbar sein (Abs. 12).

2. Das Streitpatent schlägt eine Bildanzeigevorrichtung des Mehrfrequenztyps mit folgenden Merkmalen vor (Merkmalsgliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1. Die Bildanzeigevorrichtung 1.1 ist geeignet, an eine Vielzahl von Grafikkarten von Computersystemen angeschlossen zu werden, [1.1] und 1.2 weist auf 1.2.1 einen Bildschirm, [1.1]

1.2.2 Mittel zum Einstellen einer Bildanzeigesteuerung (video display controls) [1.1] und 1.2.3 Mittel zur Erzeugung einer visuellen Darstellung der eingestellten Bildanzeigesteuerung auf dem Bildschirm (onscreen generation means ... generating visual representations of adjusted video controls) [1.2]

2. Die Bildanzeigevorrichtung umfasst einen Anzeigeblock (16) mit einem Zeichengrößensteuerblock (36) zum Steuern der Größe der angezeigten Darstellung [1.5]

2.1 in den verschiedenen Frequenzmodi [1.3]

2.2 derart, dass die Größe unabhängig vom Frequenzmodus im Wesentlichen gleich bleibt [1.4].

Patentanspruch 10 enthält, wie bereits das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unangefochten angenommen hat, in der Sache im Wesentlichen dieselbe technische Lehre in Verfahrensform.

3. Die Bildanzeigevorrichtung kann sich, wie das Patentgericht unangefochten ausgeführt hat, selbst auf die Horizontalfrequenz der angeschlossenen Grafikkarte abstimmen und die Bildanzeige mit der von der Grafikkarte gesendeten Information synchronisieren (vgl. Beschr. Abs. 2 letzter Satz: "The multifrequency display can tune itself to the horizontal frequency of the attached adaptor card, and synchronize the display to the information sent from the adaptor card"). Anhand der Darstellung auf dem Bildschirm (Merkmal 1.2.3) kann der Benutzer die eingestellte oder von ihm gewählte Einstellung auf dem Bildschirm nachvollziehen. Dabei wird die Größe der Darstellung über die verschiedenen Frequenzmodi hinweg im Wesentlichen gleich gehalten, so dass es nicht darauf ankommt, mit welcher Grafikkarte der Monitor verbunden ist (Merkmal 2.2).

Die erwähnten Angaben der Beschreibung (Abs. 12) zu dem, was mit der Erfindung erreicht werden soll, bezeichnen hiernach nicht das technische Problem, das durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 tatsächlich gelöst wird. Denn in diesem sind keine Mittel angegeben, die es erlaubten, bei der Herstellung des Geräts reproduzierbare Einstellungen für eine Vielzahl von Frequenzmodi vorzunehmen oder Herstellereinstellungen wiederherzustellen. Patentanspruch 1 verlangt auch nicht, dass von der in der Beschreibung als bei Computerbildschirmen üblich bezeichneten Einstellung von Anzeigeparametern über Drehknöpfe am Bildschirm abgewichen wird. Erforderlich ist lediglich, dass das Ergebnis der Einstellung auf dem Bildschirm selbst sichtbar gemacht wird. Das vom Gegenstand der Patentansprüche 1 und 10 tatsächlich gelöste Problem kann hiernach (lediglich) darin gesehen werden, den Bedienungskomfort für den Bildschirmnutzer zu verbessern. Es wird dadurch gelöst, dass gewählte Einstellungen, etwa zum Kontrast, auf dem Bildschirm selbst sichtbar gemacht werden, und zwar in einer dem jeweiligen Frequenzmodus hinsichtlich der Größe der Darstellung angepassten Weise.

II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents als nicht patentfähig angesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Dem Fachmann - einem mit der Entwicklung von Anzeigevorrichtungen betrauten Elektrotechnikingenieur mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung auf diesem Gebiet - sei aus der japanischen Offenlegungsschrift Hei 2-287392 (D34) ein Zeichengenerator bekannt, der sich in einer Multifrequenzkathodenstrahlröhre befinde; die Bildanzeigevorrichtung könne demgemäß an eine Vielzahl von Grafikkarten angeschlossen werden. Die Schrift beschreibe die Optimierung der Darstellung der alphanumerischen Zeichen - und mithin einer visuellen Darstellung - durch eine mittels eines Anzeigeblocks mit Zeichengrößensteuerungsblock bewirkte, im wesentlichen gleichbleibende Zeichenhöhe unabhängig von der horizontalen Abtastfrequenz. Sie beziehe sich gleichermaßen auf Fernseh- wie auf Computerbildschirme, wie auch die Ausführungsbeispiele verdeutlichten.

Nicht offenbart in D34 sei lediglich, dass die Vorrichtung Mittel zum Einstellen der Bildanzeigesteuerung (Merkmal 1.2.2) aufweise und dass die visuelle Darstellung auch die aktuelle Einstellung der Bildanzeigesteuerung auf dem Bildschirm umfasse (Merkmal 1.2.3). Dies könne jedoch erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Der Druckschrift entnehme der Fachmann die allgemeine Lehre, in Multifrequenzröhrenbildschirmen die Zeichengeneratoren so auszubilden, dass die auf dem Bildschirm wiedergegebenen Zeichen zur Darstellung beliebiger (Zusatz-)Informationen unabhängig von der Horizontalfrequenz mit im Wesentlichen konstanter Größe angezeigt würden. Da eine hohe Bedienungsfreundlichkeit von grundsätzlicher Bedeutung sei, werde der Fachmann diese allgemeine Lehre auf die ihm bekannte Bildschirmanzeigen für Helligkeit, Kontrast und dergleichen übertragen. Als Beispiel führt das Patentgericht das in Figur 1 der US-Patentschrift 4 745 402 (D33), die der deutschen Offenlegungsschrift 38 05 108 entspricht, dargestellte On-Screen-

Display-Menü (OSD-Menü) zum Einstellen von Kontrast, Helligkeit und Lautstärke an und verweist weiter auf die in der britischen Patentanmeldung 2 155 714 (D2, entsprechend der deutschen Offenlegungsschrift 35 07 787, im Folgenden: D2a) offenbarte Anzeigevorrichtung mit einer Fernbedienung und einer Tastatur und einem Zeichengenerator, der die eingestellten Parameter wie Kontrast und Helligkeit visuell auf dem Bildschirm darstelle. Dass OSD-Menüs ausschließlich für Fernsehgeräte belegt seien, sei unerheblich; die von der Beklagten angenommene Trennung von "TV-Welt" und "PC-Welt" existiere nicht, wie die Entgegenhaltung D34 zeige; auch die in D33 beschriebene Anzeigevorrichtung sei zudem zum Anschluss an einen Computer geeignet.

In den Ausgestaltungsformen der abhängigen Ansprüche seien keine Merkmale zu erkennen, die die Patentfähigkeit begründen könnten. Die hilfsweise verteidigten Anspruchsfassungen seien entweder unzulässig (Hilfsanträge XXI bis XXIV) oder ihr Gegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war (Art. 56 EPÜ).

a) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Bestimmung des vom technischen Problem des Streitpatents angesprochenen Fachmanns.

Zum Prioritätszeitpunkt mag zwar die Entwicklung von Fernsehbildschirmen einerseits und Computermonitoren andererseits von unterschiedlichen Unternehmen oder unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens betreut und vorangetrieben worden sein, so dass ein Entwicklungsingenieur in der Regel nicht mit der Weiterentwicklung beider Arten von Monitoren gleichzeitig befasst war. Dies schließt aber nicht aus, dass die mit den verschiedenen Bildschirmen befassten Ingenieure die Entwicklung der jeweils anderen Monitortechnik jedenfalls dann verfolgt und beachtet haben, wenn sich vergleichbare Probleme stellten.

Insbesondere wenn sich ihm die Aufgabe stellte, den Bedienungskomfort eines Computermonitors zu verbessern, hatte der Fachmann Anlass, auch die Funktionsweise eines Fernsehmonitors in den Blick zu nehmen, bei dem, wie die Beklagte selbst anführt, der Gesichtspunkt der komfortablen, möglichst transparenten und "narrensicheren" Bedienung von jeher größere Bedeutung hatte. Hiervon geht auch die Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts in ihrer Entscheidung vom 20. Mai 2003 (T 158/01) betreffend das Stammpatent 543 089 aus. Dort ist ausgeführt, dass das Problem, die Größe von auf On-Screen-Displays angezeigten Zeichen an TV-Standards anzupassen, am Prioritätstag bereits erkannt gewesen sei. Dies habe zwar eher für TV-Standards als für Computerstandards gegolten, aber die Technik sei die gleiche ("This is all the more the case since the need to adjust the size of OSD characters to various TV standards [rather than computer standards, but the technique is the same] was not a new problem but had previously been recognized..." S. 7).

b) Wenn der mit der Weiterentwicklung eines Computermonitors befasste Fachmann Bildschirmeinstellungen für den Nutzer komfortabler gestalten wollte, bot es sich an, auf die auf dem Bildschirm sichtbaren (onscreen display) Einstellungsmenüs zurückzugreifen, die es für Fernsehmonitore bereits gab und die die Beklagte selbst als Standard für diese Geräte bezeichnet.

Zwar mag es zunächst gegen ein Naheliegen dieses Rückgriffs sprechen, dass OSD-Menüs bei Fernsehern verbreitet waren, bei Computermonitoren hingegen Anwendungsbeispiele nicht nachweisbar sind. Dies erscheint aber nicht, wie die Beklagte meint, als geradezu widersinnig und nur aufgrund von Blindheit der Fachwelt gegenüber der Möglichkeit der Übertragung von einem Typs eines Kathodenstrahlmonitors auf einen anderen nachvollziehbar, sondern lässt sich dadurch erklären, dass das Bedürfnis für eine entsprechende Darstellung auf dem Bildschirm bei Computermonitoren nicht oder jedenfalls kaum empfunden worden ist. Insbesondere bestand bei Computermonitoren keine Notwendigkeit zur Verwendung einer Fernbedienung, wie sie bei Fernsehgeräten zum Prioritätszeitpunkt zum Standard gehörte, und damit keine Notwendigkeit, dem Nutzer auf dem Bildschirm zu signalisieren, dass die Eingaben, die er mittels der Fernbedienung vorgenommen hat, bei dem Anzeigegerät "angekommen" sind. Hinzu kommt, dass sich die Notwendigkeit einer Einstellung von Darstellungsparametern beim Fernsehgerät wesentlich häufiger stellt, insbesondere weil der Nutzer typischerweise von Zeit zu Zeit den empfangenen Kanal wechseln und in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch weitere Einstellungen vornehmen, insbesondere die Lautstärke dem geänderten Empfangskanal anpassen will. Bei einem Computermonitor stellt sich hingegen die Notwendigkeit einer - in irgendeiner Form anzuzeigenden - Einstellung von Anzeigeparametern nicht nur wesentlich seltener. Vielmehr vollzieht sich auch die Erkennbarkeit einer Veränderung des Formats der Bildschirmanzeige sozusagen von selbst, weil der Benutzer Veränderungen der Bildrahmenlage unmittelbar auf dem Bildschirm erkennen kann. Dass OSD-Menüs bei Computermonitoren nicht praktiziert worden sind, lässt deshalb nicht den Schluss zu, dass sich dem Fachmann, der die Einstellung weiterer Parameter wie etwa des Kontrastes oder der Helligkeit (optisch) besser nachvollziehbar machen wollte, nicht die Möglichkeit angeboten hätte, auf das hierfür für Fernsehgeräte entwickelte OSD-Menü zurückzugreifen.

c) Von dem Rückgriff auf ein OSD-Menü konnte den Fachmann auch nicht der Umstand abhalten, dass er entweder hätte in Kauf nehmen müssen, dass die Darstellung des Menüs auf dem Bildschirm von der Horizontalfrequenz der Grafikkarte abhing, oder einen Weg hätte finden müssen, die Größe der Darstellung unabhängig von der Horizontalfrequenz konstant zu halten. Denn wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, stellte die Entgegenhaltung D34, die der Technischen Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung betreffend das Stammpatent nicht vorgelegen hat, dem Fachmann eine Lösung für dieses Problem zur Verfügung.

Die Druckschrift offenbart, wie das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet ausgeführt hat, einen Zeichengenerator für eine Mehrfrequenz-Kathodenstrahlröhre. Bei der einleitenden Benennung des Stands der Technik weist die Schrift ausdrücklich darauf hin, dass solche Geräte nicht nur als Fernsehbildschirme, sondern auch als Monitore für Computer (PC) und Arbeitsstationen weite Verwendung fänden. Das in D34 gesehene technische Problem besteht darin, zu vermeiden, dass sich die Größe der auf dem Bildschirm dargestellten Zeichen bei unterschiedlichen Frequenzmodi ändert; die Schrift erwähnt auch, dass es sich hierbei insbesondere um ein Monitorproblem handele, da die Normen je nach Hersteller und Geräteart unterschiedlich seien und es mehr als 50 unterschiedliche Normen für die Horizontalfrequenz gebe (S. 2 unten/S. 3 oben der deutschen Übersetzung).

Die Lösung des Problems sieht D34 darin, durch mehrfaches Auslesen von Zeilen der Zeilenmatrix die Zeichenhöhe gesteuert zu verlängern. Bei der Anzeige eines Zeichens werden sonach die Zeichenpunkte für eine Zeile in wiederholter Weise mit einer der Horizontalfrequenz entsprechenden Häufigkeitsanzahl verwendet (anschaulich Figuren 4A und 4B). Die Berufung stellt auch nicht in Abrede, dass die Entgegenhaltung D34 dem Fachmann damit die Lehre vermittelte, bei Mehrfrequenzbildschirmen, wie sie sowohl für Fernsehgeräte als auch für Computer geeignet sind, die Zeichengeneratoren so auszubilden, dass die auf dem Bildschirm dargestellten (alphanumerischen)

Zeichen unabhängig von der Horizontalfrequenz des Bildschirms im Wesentlichen mit konstanter Größe angezeigt werden.

Dann bot die Schrift aber, wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, dem Fachmann auch unmittelbar eine Lösung für das Problem an, ein OSD-Menü auf dem Bildschirm eines Computermonitors ohne durch unterschiedliche Horizontalfrequenzen bedingte Größenverzerrungen darzustellen.

2. Die Hilfsanträge und Unteransprüche rechtfertigen keine andere Beurteilung. Auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils wird insoweit verwiesen. Ergänzend ist hierzu und zu den Änderungen der Hilfsanträge im zweiten Rechtszug zu bemerken:

a) Nach Hilfsantrag I soll die Anzeigevorrichtung näher durch die Merkmale des Patentanspruchs 4 in der erteilten Fassung des Streitpatents gekennzeichnet werden. Sie umfassen einen Eingabesteuerungsblock zum Bereitstellen einer Benutzereingabe, einen Mikrocontroller, der in der Lage ist, die Benutzereingabe zu empfangen und die Einstellung der Anzeigesteuerung zu steuern, einen an den Mikrocontroller angeschlossenen Speicherblock sowie einen Anzeigeeinstellungsblock. Das Patentgericht hat diese Merkmale zutreffend - und insoweit von der Berufung unangefochten - als aus den Druckschriften D2/D2a bekannt bezeichnet. Wenn der Fachmann nicht nur den Benutzungskomfort eines Computermonitors durch eine Bildschirmanzeige von Bildschirmeinstellungen verbessern, sondern gleichzeitig für eine programmierbare Einstellung durch den Hersteller und die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Herstellereinstellungen durch den Nutzer sorgen wollte, wie in der Streitpatentschrift angesprochen und vorstehend zu I.3 erörtert, hatte er Anlass, auf die Elemente der in Patentanspruch 4 bezeichneten technischen Lehre zurückzugreifen, die zu eben diesem Zweck von der D2/D2a gelehrt wurden, die u.a. jeweils die Speicherung von Werkseinstellungen und von Benutzereinstellungen für Helligkeit, Kontrast, Farbsättigung und Farbton (D2a S. 15 Z. 36 bis S. 16 Z. 20) und eine Wiederherstellung der Werkseinstellungen (D2a S. 20 Z. 14 bis 16) vorsehen. Das Bestreben, den Herstellungsaufwand durch eine programmierbare Steuerung zu vermindern, verstärkte somit die Motivation des Fachmanns, die für den Fernsehbereich entwickelten komplexen Möglichkeiten der Steuerung - und damit zugleich deren Sichtbarmachung auf dem Bildschirm - auf den Computerbildschirm zu übertragen.

b) Die mit den geänderten Hilfsanträgen, deren prozessuale Zulässigkeit nach § 116 Abs. 2 PatG dahinstehen kann, verfolgte Konkretisierung der Bildanzeigesteuerung dahin, dass sie Kontrast, Helligkeit, horizontale Bildposition und vertikale Bildposition betreffen, kann ebenfalls die Patentfähigkeit nicht begründen, da diese Einzelparameter entweder, wie ausgeführt, im Stand der Technik bereits vorgeschlagen wurden oder aber sich aus der Übertragung der Merkmalsgruppe 1.2 auf einen Mehrfrequenzbildschirm ergeben.

c) Soweit der Bildschirm in den Hilfsanträgen als Flüssigkristallbildschirm (LCD-Bildschirm) qualifiziert werden soll, trifft jedenfalls die Erwägung des Patentgerichts zu, dass die Hilfsanträge deswegen nicht zulässig sind, weil hiermit der Gegenstand der erteilten Patentansprüche und damit der von diesen vermittelte Schutzbereich erweitert würde. Durch Patentanspruch 1 geschützt wird eine Bildanzeigevorrichtung des Mehrfrequenztyps (video display device of the multifrequency type). Sie wird dadurch charakterisiert, dass sie sich selbständig der Horizontalfrequenz der Grafikkarte anpassen und die Bildanzeige damit synchronisieren kann (Beschr. Abs. 2 aE). Dies trifft, wie das Patentgericht ausgeführt hat, auf einen LCD-Bildschirm mit einer festen Matrix nicht zu. Diese Feststellung ist für das Berufungsgericht bindend (§ 117 PatG i.V.m. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das "Bestreiten" der Berufung ist unerheblich; eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge (§ 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) wird in der Berufungsbegründung nicht erhoben.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Schuster Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.02.2012 - 2 Ni 18/10 (EU) -






BGH:
Urteil v. 25.02.2014
Az: X ZR 84/12


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