Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 22. April 2010
Aktenzeichen: 1 K 6207/09

(VG Köln: Beschluss v. 22.04.2010, Az.: 1 K 6207/09)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Der Beschluss der BNetzA vom 14. August 2009 wird aufgehoben, soweit er sich auf andere Entgelte als diejenigen für 16 x T2MS/ 2 MU "Regio-ON" und 63 x T2MS/ 2 MU "Country-ON" bezieht.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte; ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Beklagte und die Beigeladene jeweils selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beigeladene ist Betreiberin eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes und der hierzu gehörenden technischen Einrichtungen. Dazu zählen u.a. Übertragungswege, mit denen eine ständige leitungsgebundene und/oder funkgestützte Verbindung zwischen verschiedenen Standorten hergestellt wird. Diese Übertragungswege nutzt sie teils selbst, teils vermietet sie diese an Anbieter von Telekommunikationsdiensten. Sie ist aufgrund der Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur - BNetzA) vom 31. Oktober 2007 (BK 3b-07/007) verpflichtet, anderen Unternehmen Zugang zu den Abschlusssegmenten ihrer Mietleitungen auf der Vorleistungsebene (Carrier Festverbindungen -CFV) zu gewähren; die dafür verlangten Entgelte unterliegen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 Telekommunikationsgesetz (TKG). Das erkennende Gericht hat der gegen diese Regulierungsverfügung erhobenen Anfechtungsklage der Beigeladenen durch Urteil vom 26. März 2009 -1 K 5114/07- insoweit stattgegeben, als diese andere Mietleitungen als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s betrifft. Über die dagegen eingelegte Revision der Beklagten (BVerwG 6 C 13.09) ist noch nicht entschieden.

Die Klägerin betreibt ebenfalls ein öffentliches Telekommunikationsnetz, welches aufgrund eines CFV-Überlassungsvertrages mit demjenigen der Beigeladenen zusammengeschaltet ist. Auf dieser Grundlage nutzt die Klägerin zahlreiche Verbindungslinien unterschiedlicher Bandbreiten in Ortsnetzen der Beigeladenen. Die Klägerin hat ihr Netz im Jahre 2009 im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung aus dem Vermögen der Vodafone Holding GmbH erworben. Dem waren mehrere Rechtsträger- und Firmenwechsel vorausgegangen, beginnend mit der Mannesmann Arcor AG & Co. und endend mit der Mannesmann GmbH & Co. Beteiligungs-KG. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2008 (BK2a-08/010) genehmigte die BNetzA für den Zeitraum vom 01. Januar 2009 bis 31. Oktober 2010 verschiedene Entgelte der Beigeladenen für CFV ab 2 Mbit/s. Dazu gehören u.a. die jährlichen Überlassungsentgelte für Verbindungslinien, bei denen beide CFV-Kundenstandorte im selben Ortsnetz (ON) liegen, und zwar jeweils gestaffelt für das Backbone-ON, das Regio-ON und das Country-ON (sogenannte Ortsnetzpauschalen). Allerdings war unter Ziffer 3 dieses Beschlusses geregelt, dass für CFV, deren beide Enden sich in demselben Anschlussbereich (ASB) befinden, die Entgeltposition "Verbindungslinie" nicht erhoben werden dürfe. Gegen diesen Beschluss haben die Beigeladene (1 K 7747/08) und ein anderer Wettbewerber (1 K 7912/08) Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Unter dem 23. Juni 2009 beantragte die Beigeladene in Bezug auf denselben Zeitraum höhere Ortsnetzpauschalen für diejenigen Verbindungslinien, bei denen sich beide Kundenstandorte zwar im selben ON, aber in unterschiedlichen ASB befinden. Zur Begründung führte die Beigeladene aus, der Beschluss vom 31. Oktober 2008 berücksichtige nicht, dass infolge der Regelung unter Ziffer 3 die Kosten für die genehmigten Ortsnetzpauschalen zu niedrig zugeordnet würden. Außerdem sollten nunmehr bei den Regio- und Country-Ortsnetzpauschalen für die CFV-Bandbreiten 2,5 Gbit/s und 21x2 Mbit/s längenabhängige Kosten berücksichtigt werden.

Mit Beschluss vom 14. August 2009 (BK2a-09/008) - der damaligen Rechtsvorgängerin der Klägerin (Arcor AG & Co. KG) zugestellt am 19. August 2009 - genehmigte die BNetzA für den Teilzeitraum vom 14. August 2009 bis zum 31. Oktober 2010 Ortsnetzpauschalen, welche mit Ausnahme der Entgelte für 16 x T2MS/ 2 MU "Regio-ON" und 63 x T2MS/ 2 MU "Country-ON" über den im Vorgängerbeschluss vom 31. Oktober 2008 genehmigten Tarifen liegen.

Die Klägerin hat unter der damaligen Bezeichnung Vodafone & Co. KG gegen diesen Beschluss am 18. September 2009 Anfechtungsklage erhoben, welche sie am 10. Februar 2010 in Bezug auf die Entgelte für 16 x T2MS/ 2 MU "Regio-ON" und 63 x T2MS/ 2 MU "Country-ON" zurückgenommen hat. Am 20. April 2010 hat die Klägerin die Klage sowohl für sich als auch für die Vodafone Holding GmbH dahingehend geändert, dass sie unter der im Rubrum wiedergegebenen Bezeichnung die Klage fortführe. Die anderen Beteiligten haben dieser Klageänderung zugestimmt. In der Sache macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Der angefochtene Teil der letzten Entgeltgenehmigung verstoße gegen das in § 37 VwVfG normierte Bestimmtheitsgebot, da er im Widerspruch zur Entgeltgenehmigung vom 31. Oktober 2008 stehe. Die BNetzA habe es unterlassen, die entgegenstehende erste Entgeltgenehmigung aufzuheben. Selbst wenn man jedoch von einer konkludenten Aufhebung ausgehe, habe die Behörde jedenfalls das ihr nach § 48 oder 49 VwVfG zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Abgesehen davon sei der zugrunde gelegte Kapitalzinssatz zu hoch.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss der BNetzA vom 14. August 2009 insoweit aufzuheben, als er sich auf andere Entgelte als diejenigen für 16 x T2MS/ 2 MU "Regio-ON" und 63 x T2MS/ 2 MU "Country-ON" bezieht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es bedürfe nicht der Aufhebung der ersten Genehmigung, da die Genehmigungsgegenstände nicht identisch seien. Das ergebe sich aus der Leistungsbeschreibung im Genehmigungsantrag vom 23. Juni 2009, mit dem die Beigeladene - anders als im Erstantrag - Ortsnetzpauschalen speziell für die Fälle beantragt habe, in denen sich beide CFV-Endpunkte in unterschiedlichen ASB befinden. Sollte gleichwohl eine Aufhebung erforderlich sein, sei im angefochtenen Beschluss ein konkludenter Widerruf enthalten. Abgesehen davon könne sich die Klägerin nicht auf eine Verletzung der §§ 48 oder 49 VwVfG berufen, da diese Vorschriften nicht drittschützend seien.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist ebenfalls der Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beschlusses nicht von der Aufhebung des Beschlusses vom 31. Oktober 2008 abhänge. Diese Beschlüsse beträfen inhaltlich verschiedene Anträge und unterschiedliche Leistungen. Daraus sowie aus den Besonderheiten der telekommunikationsrechtlichen Entgeltregulierung folge, dass sich die erste Genehmigung durch den Erlass des angegriffenen Beschlusses erledigt habe. Selbst wenn jedoch eine Aufhebung des ersten Beschlusses erforderlich sein sollte, sei diese konkludent erfolgt. Denn dem angefochtenen Beschluss sei zu entnehmen, dass der vorhergehende Beschluss nicht mehr gelten solle, soweit er dem letzten Beschluss entgegenstehe. Das komme in der Begründung zum Ausdruck, mit der die Rückwirkung des letzten Beschlusses abgelehnt worden sei. Im Übrigen richte sich die Aufhebung nach § 48 VwVfG. Das Rücknahmeermessen der BNetzA sei auf Null reduziert, da sich ihr - der Beigeladenen - Anspruch auf Genehmigung der Ortnetzpauschalen aus Art. 12 Abs. 1 GG ergebe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der BNetzA verwiesen.

Gründe

Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.

Die im gewillkürten Parteiwechsel liegende Klageänderung ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig, da die anderen Beteiligten eingewilligt haben.

Die geänderte Klage ist ebenfalls zulässig. Ihr lässt sich nicht etwa entgegenhalten, dass die Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) versäumt sei. Zwar wirkt der gewillkürte Klägerwechsel nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Klageerhebung zurück. Vielmehr ist für die Frage der Wahrung der Klagefrist der Zeitpunkt des Eintritts der neuen Klagepartei maßgeblich,

so: BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2001 -6 A 1.01-, NVwZ 2002, 80; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 91 Randnummer (Rn.) 32; Meissner und Ortloff/Riese, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 74 Rn. 40 und § 91 Rn. 64.

Doch war hier im Zeitpunkt der Klageänderung (20. April 2010) die Klagefrist noch nicht abgelaufen. Denn die nach § 131 Abs. 1 S. 2 TKG erforderliche Zustellung des angefochten Beschlusses ist fehlerhaft; sie setzte somit zu Lasten der Klägerin bzw. der Vodafone Holding GmbH und deren Rechtsvorgänger keine Klagefrist in Gang,

vgl.: Kopp/Schenke, a.a.O., § 74 Rn. 5.

Der Beschluss wurde nämlich am 19. August 2009 der "Arcor AG & Co. KG" zugestellt, obwohl diese ausweislich der den Beteiligten bekannten notariellen Bescheinigung vom 16. Dezember 2009 bereits seit dem 16. Juli 2009 die im Handelsregister eingetragene Firma "Vodafone AG & Co. KG" trug.

Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht an § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klägerin kann geltend machen, durch den angegriffenen Beschluss in ihren Rechten verletzt zu sein. Die in Rede stehende Entgeltgenehmigung gestaltet gemäß § 37 Abs. 2 Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190, (TKG 2004) unmittelbar die zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestehenden privatrechtlichen Vereinbarungen über die Überlassung von CFV-Verbindungslinien, bei denen beide CFV-Kundenstandorte zwar im selben Ortsnetz (ON), aber in unterschiedlichen Anschlussbereichen (ASB) liegen. Soweit entsprechende Verträge vorliegen, was nach nicht substantiiert bezweifelter Mitteilung der Klägerin für die Bandbreiten 2, 34, 155 und 622 Mbit/s sowie 2,5 Gbit/s der Fall ist, kann somit das vom Grundgesetz gewährleistete Recht verletzt sein, den Inhalt von vertraglichen Vereinbarungen mit der Gegenseite frei von staatlicher Bindung auszuhandeln,

so zur vergleichbaren Situation bei Zusammenschaltungsentgelten nach dem alten TKG 1996: BVerwG, Beschluss vom 13. Dezember 2006 -6 C 23.05-, Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 2, Rn.15.

In Bezug auf die darüber hinausgehenden Bandbreiten folgt die Möglichkeit der eigenen Rechtsverletzung der Klägerin daraus, dass sich bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 42 Abs. 2 VwGO der Rechtsschutz von Wettbewerbern auch auf nur potenziell Betroffene erstreckt,

so: EuGH, Urteil vom 24. April 2008, C-55/06, Rn.177 (http://curia.europa.eu/jurisp/).

Ob darüber hinaus den §§ 48 und 49 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) drittschützende Wirkung zukommt, ist unter diesen Umständen nicht erheblich.

Die Klage ist auch begründet. Der angegriffene Teil des Beschlusses der BNetzA vom 14. August 2009 (Entgeltgenehmigung) ist rechtswidrig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das folgt in Bezug auf die Entgeltgenehmigung für CFV mit höheren Bandbreiten als 2 Mbit/s bereits daraus, dass die Genehmigungspflicht aus den im - nicht rechtskräftigen - Urteil des VG Köln vom 26. März 2009 -1 K 5114/07 - dargelegten Gründen, auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen wird, rechtswidrig ist.

Unabhängig davon ist die Entgeltgenehmigung aber auch deshalb rechtswidrig, weil sie im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses inhaltlich dem Vorgängerbeschluss vom 31. Oktober 2008 widerspricht und dieser Widerspruch von der BNetzA nicht durch zumindest gleichzeitige Aufhebung (Rücknahme oder Widerruf) des entgegenstehenden Teils des Vorgängerbeschlusses rechtmäßig beseitigt wurde.

Der inhaltliche Widerspruch besteht darin, dass sich die Beschlüsse vom 31. Oktober 2008 und 14. August 2009 in Bezug auf den Zeitraum vom 14. August 2009 bis 31. Oktober 2010 zeitlich überlappen und für dieselben Leistungen unterschiedlich hohe Entgelte genehmigen. Diejenigen Entgelte, welche u.a. für ON-Verbindungslinien mit acht verschiedenen Bandbreiten jeweils ausschließlich in der sog. ASB-überschreitenden Variante geregelt wurden (Ziffer 1 und 3 des Vorgängerbeschlusses), sind nämlich im angegriffenen Beschluss - bis auf die beiden von der Klagerücknahme erfassten Varianten 16 x T2MS/ 2 MU "Regio-ON" und 63 x T2MS/ 2 MU "Country-ON" - auf höherem Niveau genehmigt worden. Dass der erste Genehmigungsantrag der Beigeladenen mangels Differenzierung auch die von der BNetzA nicht genehmigten Ortsnetzpauschalen für solche Verbindungslinien umfasste, deren beide Enden sich innerhalb desselben ASB befinden, ist für die hier allein entscheidende Frage nach dem Genehmigungsinhalt unerheblich. Zwar kommt es für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auch darauf an, ob diese die Identität des dem Antrag zugrunde liegenden Leistungsbegriffs wahrt,

so: BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2009 -6 C 19.08-, amtl. Abdruck Rn. 15.

Selbst wenn man jedoch unterstellte, dass der Vorgängerbeschluss durch die so nicht beantragte alleinige Genehmigung von ASB-überschreitenden Verbindungsentgelten den Rahmen des damaligen Antrages wesentlich überschritt, ist doch der Regelungsinhalt der gleichwohl erteilten Genehmigung bei gebotener Zusammenschau der Ziffern 1 und 3 nach Art und Höhe der Entgelte eindeutig. Dass dies - wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertreten ließ - nur in wirtschaftlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht gelte, ist bei gebotener entsprechender Anwendung des § 133 BGB

vgl. U.Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 35 Rn. 71, mit weiteren Hinweisen

nicht erkennbar. Ebenso wenig vermag die Kammer dem Umstand, dass in Ziffer 3 des Genehmigungsbeschlusses die Formulierung "darf .. nicht erhoben werden" verwendet wird, oder der dafür gegebenen Begründung (S. 15/16) zu entnehmen, dass damit inhaltlich etwas anderes als die Versagung der Genehmigung von Entgelten für den ASB nicht überschreitenden ON-Verbindungen geregelt wurde.

Mithin ist der Vorgängerbeschluss mit diesem Inhalt gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG gegenüber der Beigeladenen und der Klägerin wirksam geworden.

Er bleibt gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG auch wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Eine "anderweitige" Aufhebung, d.h. eine Aufhebung aufgrund einer Entscheidung der Verwaltung gemäß §§ 72, 73 VwGO oder des Gerichts gemäß § 113 Abs. 1 VwGO, liegt hier ebenso wenig vor wie ein Unwirksamwerden durch Zeitablauf.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ferner keine Erledigung auf andere Weise durch den Erlass des angegriffenen Beschlusses eingetreten. Andernfalls wäre die Erwähnung der Rücknahme und des Widerrufs in § 43 Abs. 2 VwVfG überflüssig. Es ist auch weder sonstigen Bestimmungen des VwVfG noch dem TKG noch dem gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 TKG anwendbaren Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu entnehmen, dass eine Entgeltgenehmigung allein dadurch ihre regelnde Wirkung (§ 37 TKG) verliert, dass während ihres Gültigkeitszeitraums ein höheres Entgelt genehmigt wird,

ebenso: Mayen/Lünenbürger, in: Scheurle/Mayen, Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 35 Rn. 77; Schuster/Ruhle, in: Beck`scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 35 Rn. 65/66; Spoerr, in: Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 1. Aufl., § 28 TKG(a.F.) Rn. 12; wohl a.A.: Groebel/Seifert, in: Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, § 35 Rn. 6, die ohne nähere Begründung von einem Überholen der Altgenehmigung ausgehen.

Mithin ist eine Rücknahme oder ein Widerruf erforderlich, was mangels Existenz einer spezialgesetzlichen Regelung nur auf die §§ 48 oder 49 VwVfG gestützt werden könnte. Eine "freie" Aufhebung wirksam gewordener Verwaltungsakte, eine Aufhebung also, die nicht den gesetzlichen Anforderungen einer dieser beiden Vorschriften genügt, scheidet mithin aus,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 1990 -9 B 276.89-, NVwZ 1990, 774.

Eine Rücknahme oder einen Widerruf hat die BNetzA im Beschluss vom 14. August 2009 nicht ausdrücklich ausgesprochen. Sie hat im Gegenteil dort auf Seite 10

("Der Antrag vom 23.06.2009 richtet sich vielmehr auf die Beantragung eines Entgeltes ausschließlich für Entgelte ASB-verlassend. Für diesen Fall enthält die Entscheidung BK2a-08/010 vom 31.10.2008 keine Aussage.")

deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es aus ihrer Sicht einer solchen Maßnahme gar nicht bedarf.

Selbst wenn man gleichwohl eine konkludente Aufhebung der entgegenstehenden Vorgängergenehmigung für möglich hielte, wäre diese weder nach § 48 VwVfG noch nach § 49 VwVfG rechtmäßig.

Ginge man davon aus, dass der aufzuhebende Teil des Vorgängerbeschlusses rechtswidrig ist, wäre allerdings nicht § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG einschlägig. Zwar liegt ein begünstigender Verwaltungsakt i.S.d. Abs. 1 Satz 2 dieser Regelung vor, da die Entgeltgenehmigung gegenüber der Klägerin auch einen von der belastenden Entgeltzahlungspflicht nicht zu trennenden, rechtlich erheblichen Vorteil begründet,

vgl. dazu: Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 120.

Dieser ist darin zu sehen, dass gemäß Ziffer 6 des Vorgängerbeschlusses die Anträge ausdrücklich "im Übrigen abgelehnt" wurden, was gemäß § 37 Abs. 1 TKG u.a. das Verlangen höherer Ortsnetzpauschalen ausschließt. Er ergibt sich zudem im Umkehrschluss aus der vorbehaltlosen Bezifferung der genehmigten Entgeltbeträge.

Die Anwendbarkeit von § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG scheiterte aber an dem in Abs. 2 Satz 1 normierten Erfordernis, dass der Verwaltungsakt Voraussetzung für die Gewährung einer Geldleistung ist. Darunter fallen nämlich nur Geldleistungen des Staates, nicht aber - wie hier - Geldleistungen zwischen Privaten,

vgl.: Kastner, in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, Verwaltungsrecht, 2. Aufl., § 48 VwVfG Rn. 35; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl., § 48 Rn. 86; Meyer, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., § 48 Rn. 90; Obermayer, VwVfG, 3. Aufl., § 48 Rn. 32; wohl a.A.: Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 131.

Abgesehen davon geht es nicht um die Ermöglichung einer Leistung, sondern um die Ermächtigung der Beigeladenen, ein Entgelt zu verlangen.

Unter diesen Umständen käme eine Rücknahme allenfalls nach § 48 Abs.1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 VwVfG in Betracht. Es ist umstritten, ob dabei - anders als nach § 48 Abs. 2 VwVfG - überhaupt Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu beachten wären,

bejahend: BVerwG, Urteil vom 20. März 1990 -9 C 12.89-, BVerwGE 85, 79 (84); Beschluss vom 07. November 2000 -8 B 137.00-, NVwZ-RR 2001, 198; Beschluss vom 30. September 2003 - 2 B 10.03-, Buchholz 237.7 § 20 NWLBG Nr. 1; Beschluss vom 20. Oktober 2006 -6 B 67.06-, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116 Rn. 6; Kastner, a.a.O., § 48 Rn. 41; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48 Rn. 136 .

Selbst wenn man dies jedoch entgegen der vorstehenden herrschenden Auffassung verneinte,

so: OVG NRW, Urteil vom 11. Februar 1980 -6 A 827/78-, DVBl. 1980, 885 (887); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Aufl.,§ 11 R. 34; Meyer, a.a.O., § 48 Rn. 52; Sachs, a.a.O., § 48 Rn. 177,

wäre gleichwohl zu berücksichtigen, dass die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Ermessen der Behörde steht.

Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen kann nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten der Rücknahme ausgegangen werden. Die - hier unterstellte - Rechtswidrigkeit kostenunterdeckender Entgelte träfe die Beigeladene nicht derart schwer, dass eine Aufrechterhaltung der Genehmigung für den Restzeitraum von etwa 15 Monaten unter dem Aspekt des Art. 12 Abs. 1 GG untragbar wäre. Dies auch deshalb nicht, weil die Beigeladene es selbst in der Hand gehabt hätte, die Kostenunterdeckung durch die Vorlage von Antragsunterlagen zu vermeiden, in denen die auf ASB-überschreitende ON-Verbindungen entfallenden Kosten von vornherein eindeutig und vollständig zugeordnet werden. Zudem ist das gegenläufige, angesichts der Klage 1 K 7747/08 allerdings nicht durch den Aspekt der Bestandskraft gestützte Interesse der Klägerin am Fortbestand der Kalkulationssicherheit nicht von derart geringem Gewicht, dass es für die Abwägung von vornherein bedeutungslos wäre.

Das mithin nicht auf Null reduzierte Rücknahmeermessen hat die BNetzA bei Erlass des Beschlusses vom 14. August 2009 nicht erkannt, geschweige denn i.S.d. § 40 VwVfG und § 114 Satz 1 VwGO ausgeübt. Sie ist nämlich davon ausgegangen, dass die Entgeltgenehmigung insgesamt, also auch die Ortsnetzpauschale für ASB-überschreitende ON-Verbindungen, rechtmäßig war (Vorgängerbeschluss S. 15,16 , S. 18 und S. 42-44 ).

Für den Fall, dass der aufzuhebende Teil des Vorgängerbeschlusses rechtmäßig ist, wäre für den dann gebotenen Widerruf § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG einschlägig. Insoweit fehlte es aber an der Voraussetzung, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Darunter können Belange der Beigeladenen schon deshalb nicht fallen, weil es sich bei ihr um ein kommerzielles Privatunternehmen handelt. Darüber hinaus ist der für die Rechtmäßigkeitsprüfung allein maßgeblichen Beschlussbegründung nichts dafür zu entnehmen, dass die BNetzA ihr Widerrufsermessen überhaupt erkannt hat.

Durch die dargelegte Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses wird die Klägerin schließlich in ihren Rechten verletzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt dies aus denselben Erwägungen, welche oben für die Bejahung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO angeführt wurden. Soweit die Klägerin bislang noch nicht alle CFV-Varianten genutzt haben sollte, ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass sie daran im restlichen Genehmigungszeitraum bis zum 31. Oktober 2010 als potenziell Betroffene keinerlei Interesse hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und 159 Satz 1 VwGO. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, betrifft dies nur einen geringen Teil des Streitgegenstandes, so dass eine entsprechende Kostenquotelung entsprechend § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO unterbleibt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht, § 135 S. 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO.






VG Köln:
Beschluss v. 22.04.2010
Az: 1 K 6207/09


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