Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 329/02

(BPatG: Beschluss v. 29.09.2004, Az.: 9 W (pat) 329/02)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 13. Oktober 2000 angemeldete und am 23. Mai 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Starten einer Fahrzeug-Zusatz- oder Standheizung"

ist Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende ist der Meinung, der geltende Anspruch 1 sei gegenüber dem erteilten Patent in unzulässiger Weise erweitert. Konkret sei die für das erste und das zweite Startzeitteilfenster angegebene Veränderung des Gemisches in Form einer Geraden aus der Streitpatentschrift nicht entnehmbar. Der geradlinige Verlauf in der Figur käme nur durch die nicht maßstäbliche Auftragung der Werte auf der Ordinatenachse (Massenstrom-Verhältnis) des Diagramms zustande.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1-5, Beschreibung Seite 2 und Spalte 3, jeweils eingegangen am 29. September 2004, Beschreibung Seite 1, eingegangen am 24. Januar 2003, 1 Zeichnung wie erteilt.

Die Patentinhaberin äußert die Auffassung, der geradlinige Verlauf der Gemischänderung sei in der Patentschrift angegeben. Sie verweist dazu auf Spalte 2 der Patentschrift, Zeilen 48-51 und 58-60.

Im übrigen sei das Verfahren zum Starten einer mit Brennstoff betriebenen Fahrzeug-Zusatz- oder Standheizung nach dem geltenden Anspruch 1 gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Starten einer mit Brennstoff betriebenen Fahrzeug-Zusatz- oder Standheizung, mit einer Brennstofförderung zur Zündung eines Gemisches aus Brennluft und Brennstoff innerhalb eines vorgegebenen, durch eine Spülphase in wenigstens zwei Startzeitteilfenster unterteilten, ohne Flammerkennung maximal zulässigen Startzeitfensters, wobei die Brennstofförderung und/oder die Brennluftförderung zur Veränderung des Brennstoff/Brennluft-Verhältnisses in wenigstens zwei Startzeitteilfenstern (a,b,c) unterschiedliche Verläufe aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass das Startzeitfenster durch Spülphasen (s1,s2) in drei Startzeitteilfenster (a,b,c) unterteilt ist, dass das Gemisch im gesamten ersten Startfenster (a) kontinuierlich in Form einer abfallenden Geraden von einem sehr fetten Gemisch auf ein fettes Gemisch abgemagert wird, dass das Gemisch im gesamten zweiten Startzeitfenster (b) ausgehend von sehr mager kontinuierlich in Form einer ansteigenden Geraden bis in einen fetten oder sehr fetten Zustand angereichert wird, und dass das Gemisch im dritten Startzeitfenster (c) konstant fett oder sehr fett gehalten wird."

Rückbezogene Patentansprüche 2 bis 5 sind dem Patentanspruch 1 nachgeordnet.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG § 147 Abs. 3 Satz 1 begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat auch Erfolg.

Der geltende Patentanspruch 1 ist unzulässig, weil sein Gegenstand der Streitpatentschrift, die im übrigen inhaltlich jedenfalls im Hinblick auf die Beschreibung der Kurvenverläufe den ursprünglichen Unterlagen entspricht, nicht zu entnehmen ist.

Die im geltenden Patentanspruch 1 angegebenen Formulierungen hinsichtlich der Gemischänderung für das erste und zweite Startfenster "kontinuierlich in Form einer ... Geraden" bedeuten eine lineare Abhängigkeit des Mischverhältnisses von der Zeit. Demnach müsste sich in gleichgroßen Zeitintervallen (innerhalb des Startzeitteilfensters) das Mischverhältnis um untereinander gleichgroße Differenzbeträge ändern.

Das Mischverhältnis ist gemäß der Beschreibung der Streitpatentschrift auf der Ordinatenachse des in der Streitpatenschrift dargestellten Diagramms über der Zeit aufgetragen und wird quantifiziert durch das Verhältnis des momentanen Brennstoff-Massenstroms zum Brennstoff-Massenstrom im stationären Vollast-Betrieb (Spalte 2, Zeilen 1 bis 10). In diesem Diagramm ist das Massenstromverhältnis im ersten bzw. zweiten Startfenster zwar in Form einer Geraden mit negativer bzw. positiver Steigung dargestellt, jedoch ergibt sich aus den aufgetragenen Zahlenwerten ein nichtlinearer Maßstab der Ordinatenachse (z.B. ist das Intervall zwischen 0.75 und 0.85 (= 0.1) etwa genauso groß wie das Intervall zwischen 1.3 und 1.8 (= 0.5)).

Demzufolge sind zwar für gleiche Zeitabschnitte die Achsabschnitte auf der Mischverhältnis-Achse untereinander gleichgroß, diese gleichgroßen Achsabschnitte entsprechen wegen des nichtlinearen Maßstabs jedoch nicht mehr gleichgroßen Differenzbeträgen des Mischverhältnisses. Das Mischverhältnis ändert sich somit trotz geradliniger Darstellung eben gerade nicht linear.

Auch aus den von der Patentinhaberin angegebenen Beschreibungspassagen (Spalte 2, Zeilen 48-51 und 58-60) lässt sich eine lineare Änderung nicht herleiten. Diese Angaben beziehen sich nämlich auf die figürliche Darstellung. Die Formulierungen "wie beispielsweise durch die abfallende Gerade gezeigt" (Zeile 49) und "im zweiten Startzeitteilfenster ... entlang einer ansteigenden Gerade" (Zeilen 59, 60) können deshalb nur den im Diagramm dargestellten Geraden in Verbindung mit dem nichtlinearen Maßstab der Mischverhältnis-Achse zugeordnet werden. Das aber ergibt, wie oben ausgeführt, eine nichtlineare Abhängigkeit der Gemischänderung von der Zeit.

Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Bork Reinhardt Pü






BPatG:
Beschluss v. 29.09.2004
Az: 9 W (pat) 329/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c379948ea144/BPatG_Beschluss_vom_29-September-2004_Az_9-W-pat-329-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share