Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. März 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 269/02
(BPatG: Beschluss v. 02.03.2005, Az.: 29 W (pat) 269/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 10. September 1996 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 395 14 556 THREE LIONS für die Waren Druckereierzeugnisse; Buchbindeartikel; Fotografien; Schreibwaren; Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel; Pinsel; Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff (soweit in Klasse 16 enthalten); Spielkarten; Drucklettern; Druckstöcke; Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien (soweit in Klasse 16 enthalten);
Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus (soweit in Klasse 18 enthalten); Häute und Felle; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungenwurde Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 2 014 400 LIONS eingetragen am 21. Mai 1992 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, u.a. für Papier, Pappe (Karton) und Waren daraus, nämlich Papierhandtücher, Verpackungsbehälter und -tüten, Druckereierzeugnisse, Fotografien, Schreibwaren, Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren und für Haushaltszwecke; Pinsel; Büroartikel, nämlich nichtelektrische Bürogeräte, Lehr- und Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen, Spielen, Globen; Verpackungsmaterial aus Kunststoff, nämlich Hüllen; Spielkarten; selbstklebende Kunststoffolie für Dekorationszwecke; Waren aus Leder, Lederimitationen und Fellen und aus oder mit Fellen verarbeitet sowie Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und andere nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepaßte Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen; Reise- und Handkoffer, Regenschirme, Sonnenschirme, Peitschen, Pferdegeschirr einschließlich Steigbügel und Sättel und Sattlerwaren; Handtaschen, Aktentaschen, Einkaufstaschen, Schulranzen; Packsäcke, Rucksäcke; Reisenecessaires (Lederwaren), Umhängeriemen (Schulterriemen); Riemen für Geschirre, Steigbügel oder für Sättel; Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke, auch solche aus Leder, Lederimitationen oder aus Pelz; Papierbekleidungsstücke.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 27. Mai 2002 zurückgewiesen. Die beiderseitigen Marken könnten sich zwar auf identischen Waren begegnen. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke fehle es aber an der erforderlichen Markenähnlichkeit. Die angegriffene Marke werde nicht ausschließlich durch den Bestandteil "Lions" geprägt, sondern stelle einen Gesamtbegriff dar, der sich in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht deutlich von der Widerspruchsmarke unterscheide. Anhaltspunkte für eine mittelbare Verwechslungsgefahr lägen nicht vor. Die mit Schriftsatz vom 24. November 1997 erhobene Nichtbenutzungseinrede sei unzulässig, da die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke noch nicht abgelaufen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen seien identisch im Verzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten. Den danach erforderlichen großen Abstand hielten die Vergleichszeichen nicht ein. Im Gesamteindruck werde die jüngere Marke von dem mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil "Lions" geprägt. Dem weiteren Bestandteil "THREE" messe der Verkehr als reinem Zahlwort keine kennzeichnende Wirkung zu. Im Übrigen bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr, weil die Widerspruchsmarke zugleich Unternehmensschlagwort sei und daher vom Verkehr als Stammbestandteil einer Zeichenserie aufgefasst werde.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der Beschluss der Markenstelle rechtmäßig sei. Der Bundesgerichtshof habe bereits in der Entscheidung "Lions" eine Verwechslungsgefahr zwischen der Widerspruchsmarke und einer zusammengesetzten Marke mit dem Bestandteil "Lion" verneint. Auf Grund der unterschiedlichen Länge der Zeichenwörter seien die Unterschiede im Schriftbild und Klang der Vergleichszeichen offensichtlich. Die angegriffene Marke bilde einen einheitlichen Gesamtbegriff. Dem vorangestellten Zahlwort "THREE" komme im Gesamteindruck der angegriffenen Marke somit eine mitprägende Bedeutung zu.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen worden (§ 42 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 43 Abs. 2 S. 2 MarkenG).
1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn 17 ff - Canon; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder). Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke vom Durchschnittsverbraucher der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als Ganzes wahrgenommen wird (vgl. EuGH GRUR Int 2004, 843, Rn 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2004, 240 - MIDAS/medAS). Nach diesen Grundsätzen muss im vorliegenden Fall die Verwechslungsgefahr verneint werden.
2. Nach der Registerlage können sich die Vergleichsmarken auf identischen bzw. ähnlichen Waren begegnen. Benutzungsfragen sind nicht zu erörtern. Das gegen die Eintragung der Widerspruchsmarke gerichtete Widerspruchsverfahren wurde am 28. Dezember 2000 abgeschlossen, so dass die Benutzungsschonfrist für die Widerspruchsmarke erst am 28. Dezember 2005 abläuft (§ 43 Abs. 1 S. 1 iVm § 26 Abs. 5 MarkenG).
3. Den im Hinblick auf die teilweise Warenidentität bzw. -ähnlichkeit und die durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion; GRUR 1999, 733, 734 - LION DRIVER) gebotenen Abstand halten die Vergleichszeichen ein.
3.1. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuGH aaO - MATRATZEN - Rn 29; BGH aaO - MIDAS/medAS).
Die beiderseitigen Marken enthalten übereinstimmend den englischsprachigen Bestandteil "Lions". Auf Grund des zusätzlichen Bestandteils "Three" der jüngeren Marke überwiegen jedoch im klanglichen und schriftbildlichen Gesamteindruck die Unterschiede in Wortlänge, Silbenzahl und Klangfolge. Auch eine die Verwechslungsgefahr begründende begriffliche Ähnlichkeit besteht nicht, denn das angesprochene Publikum erfasst die Bezeichnung "THREE LIONS" i. S. von "Drei Löwen" als einheitlichen Gesamtbegriff. Die Zahl Drei hat in Mythologie und Religion eine besondere Bedeutung und ist daher Bestandteil zahlreicher Begriffsbildungen, die sich ausweislich der in der mündlichen Verhandlung überreichten Rechercheunterlagen gleichermaßen für den deutschen und den englischen Sprachgebrauch belegen lassen, z.B. Drei Könige, drei Wünsche, drei Fragezeichen, Drei-Mäderl-Haus, Dreiflüssestadt, Three Angels, Three Rivers, Three Wishes, Three Little Pigs. Der angesprochene Verkehr nimmt den begrifflichen Unterschied zwischen "THREE LIONS" i.S. einer symbolhaften und bestimmten Anzahl von Löwen und der mengenmäßig unbestimmten Angabe "Lions" daher deutlich wahr.
3.2. Bei dem Zahlwort "Three" handelt es sich damit zugleich um einen sinntragenden Bestandteil, der denn Gesamteindruck der jüngeren Marke mitprägt. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, dass der Verkehr allein dem mit der Widerspruchsmarke identischen Bestandteil "Lions" eine kennzeichnende Wirkung beimessen könnte, ist infolgedessen ausgeschlossen (vgl. BGH GRUR 2005, 326, 327 - il Padrone/Il Portone; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling). Dass dem Wort "Lions" keine alleinprägende Wirkung zukommt, wenn es in Wortzusammensetzungen Bestandteil eines einheitlichen Gesamtbegriffs wird, haben Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht im Übrigen wiederholt festgestellt (vgl. BGH aaO - Lions; aaO - White Lion; aaO - LION DRIVER; BPatG 26 W (pat) 35/01 - Lion HEART; 27 W (pat) 342/00 - Majestic Lions; 32 W (pat) 16/99 - Frankfurt Lions Eishockey).
4. Für die Gefahr, dass das Publikum die angegriffene Marke unter dem Gesichtspunkt einer Serienzeichenbildung gedanklich mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringen könnte, sieht der Senat keine Anhaltspunkte. Diese Art der Verwechslungsgefahr kann nur dann angenommen werden, wenn die Vergleichszeichen nicht unmittelbar verwechselbar sind, jedoch in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Verkehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb nachfolgende Bezeichnungen, die einen identischen oder wesensgleichen Stamm aufweisen, demselben Markeninhaber zuordnet (vgl. BGH GRUR 2002, 544, 547 - Bank 24). Zu einer mit der Widerspruchsmarke gebildeten Zeichenserie hat die Widersprechende aber nichts vorgetragen. Auch eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der das Publikum zwar die Unterschiede zwischen den Zeichen erkennt, aber wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung organisatorische oder wirtschaftliche Verbindungen zwischen den Zeicheninhabern annimmt, besteht nicht (vgl. BGH GRUR 2004, 865, 867 - Mustang). In dem von der angegriffenen Marke gebildeten einheitlichen Gesamtbegriff nimmt der Verkehr den Bestandteil "Lions" nur in seiner wörtlichen Bedeutung und nicht als Unternehmenshinweis wahr.
5. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl
BPatG:
Beschluss v. 02.03.2005
Az: 29 W (pat) 269/02
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