Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. August 2003
Aktenzeichen: 15 W (pat) 2/03
(BPatG: Beschluss v. 14.08.2003, Az.: 15 W (pat) 2/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Februar 2002 aufgehoben.
2. Das Patent 40 03 537 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
- Patentansprüche 1-9, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2003,
- Beschreibung Spalten 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. August 2003,
- 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 2, nach der deutschen Patentschrift 40 03 537.
3. Der Titel der Patentschrift 40 03 537 wird geändert in: "Vorrichtung zur Rehabilition des Rückens".
4. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Auf die am 6. Februar 1990 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patent- und Markenamt das Patent 40 03 537 mit der Bezeichnung
"Verfahren und Vorrichtung zur Rehabilitation des Rückens"
erteilt.
Nach Prüfung eines dagegen eingelegten Einspruchs hat die Patentabteilung 15 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluß vom 14. Februar 2002 in vollem Umfang aufrechterhalten. Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Patentschrift zugrunde. Die Patentansprüche 1 und 3 hatten folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Rehabilitation des Rückens, bei dem das Bekken in im wesentlichen unbeweglicher Weise in dem Winkel zwischen einer Bank und einer rückwärtigen Anlagefläche fixiert wird und der Rücken nach rückwärts gebogen wird, während eine Gegenkraft-Einrichtung der Biegebewegung entgegenwirkt, dadurch gekennzeichnet, daß die Fixierung des Bekkens über eine Kraft erfolgt, die im wesentlichen in Richtung der Oberschenkel verläuft und über diese auf das Becken wirkt, und daß der Rücken entlang einer feststehenden konvexen Fläche nach rückwärts gegen die Kraft der Gegenkraft-Einrichtung gebogen wird, wodurch bei stationärem Becken die Biegung ausschließlich unter Einsatz der Rückenmuskeln erfolgt.
3. Vorrichtung zur Rehabilitation des Rückens, mit einem Rahmen (1), einer Gegenkraft-Einrichtung (2) mit Betätigungsgestänge (3), einer Bank mit einem Sitzteil (4) und einer Rückenlehne (5), sowie mit Fixiergliedern (6) zum Festlegen des Beckens des Benutzers an der Bank, dadurch gekennzeichnet, daß in einem Abstand oberhalb des Sitzteils (4) eine konvexe Fläche (7) vorgesehen ist, die an der Rückenlehne (5) anliegt und in Richtung ihrer Höhe gekrümmt ausgebildet ist und gegen die der Rücken gebogen wird, und daß die Fixierglieder (6) aus einer Stützkonstruktion gebildet sind, mittels der das Becken im Winkel zwischen der Bank und einer rückwärtigen Anlagefläche (5; 7) über eine Kraft festlegbar ist, die im wesentlichen in Richtung der Oberschenkel verläuft und über diese auf das Bekken wirkt."
Als Stand der Technik wurden folgende Druckschriften berücksichtigt:
(1) EP 0 295 804 A2,
(2) US 4 372 553,
(3) DE 34 01 981 A1, Zeitschrift Spine Vol 8 Nr 2, 1983, Seiten 211 bis 219, athletik, Ausgabe 6/86,
(6) Prospekt der Einsprechenden,
(7) Prospekt Erhard Sportgeräte Gesamtkatalog, 88,
(8) DE 33 43 634 A1, DE 84 17 963 U1.
Gegen diesen Beschluß hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt und vorgetragen, daß die Entwicklung der beanspruchten Vorrichtung bei Kenntnis der Literaturstellen (1) und (2) bzw (1) und (3) auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
In der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin hinsichtlich der Patentansprüche 1 und 2 die Teilung des Patents erklärt und im verbliebenen Teil folgende Patentansprüche 1 bis 9 übergeben:
"1. Vorrichtung zur Rehabilitation des Rückens mit einem Rahmen (1), einer Gegenkraft-Einrichtung (2) mit Betätigungsgestänge (3), einer Bank mit einem Sitzteil (4) und einer Rückenlehne (5) sowie mit Fixiergliedern (6) zum Festlegen des Beckens des Benutzers an der Bank, wobei in einem Abstand oberhalb des Sitzteils (4) eine konvexe Fläche (7) vorgesehen ist, die an der Rükkenlehne (5) anliegt und in Richtung ihrer Höhe gekrümmt ausgebildet ist und gegen die der Rücken gebogen wird, und wobei die Fixierglieder (6) aus einer eine Kniestütze (9) aufweisenden Stützkonstruktion gebildet sind, mittels der das Becken im Winkel zwischen der Bank und einer rückwärtigen Anlagefläche (5; 7) über eine Kraft festlegbar ist, die im wesentlichen in Längsrichtung der Oberschenkel verläuft und über diese auf das Becken wirkt, wobei die Kniestütze (9) derart ausgebildet ist, daß sie zugleich vor und über den Knien derart positioniert wird, daß sie die Kraft auf die Knie und über diese auf die Oberschenkel einleitet.
2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine Verstelleinrichtung zum Verstellen des Abstandes zwischen der konvexen Fläche (7) und dem Sitzteil (4) vorgesehen ist.
3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Stützkonstruktion einen an dem Rahmen (1) getragenen Arm (8) und die an dem Arm getragene Kniestütze (9) aufweist.
4. Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem Arm (8) und dem Rahmen (1) ein Schwenkglied (10) zum Verstellen der Höhe der Kniestütze (9) vorgesehen ist.
5. Vorrichtung nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Kniestütze (9) in Form einer winkeligen Stütze ausgebildet ist, die vorzugsweise gepolstert ist.
6. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Betätigungsgestänge (3) eine vorzugsweise gepolsterte, zylindrische Stützrolle (11) aufweist, die an dem Schulterbereich des Benutzers anliegt und an dem Gestänge drehbar gehaltert ist.
7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die konvexe Fläche (7) aus einem Teil eines Zylindermantels mit einem Krümmungsradius im Bereich von 10 bis 30 cm, vorteilhafterweise 15 bis 25 cm, gebildet ist.
8. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die konvexe Fläche (7) aus einer Fläche mit variabler Krümmung gebildet ist und einen Krümmungsradius aufweist, der mit der natürlichen Krümmung eines bis zum Extrembereich zurückgebogenen menschlichen Rückens konsistent ist.
9. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwenkachse (12) des Betätigungsgestänges (3) an dem Rahmen (1) auf der Höhe der Lendenwirbel des Benutzers, vorteilhafterweise auf der Höhe des dritten Lendenwirbels, plaziert ist."
Die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt, das Patent mit den am 14. August 2003 überreichten Patentansprüche 1 bis 9 mit 3 Seiten angepasster Beschreibung Spalten 1 bis 5 und 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2 nach der Patentschrift 40 03 537 beschränkt aufrechtzuerhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist frist- und formgerecht eingelegt worden (PatG § 73). Sie ist insofern erfolgreich, als das Patent beschränkt wurde.
1. Bezüglich einer ausreichenden Offenbarung der geltenden Patentansprüche bestehen keine Bedenken. Die Merkmale des Patentanspruchs 1 finden sich in den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 3 und 7 in Verbindung mit der Offenlegungsschrift (entspricht den ursprünglichen Unterlagen) Spalte 1 Zeilen 61 bis 68, Spalte 2 Zeile 8, Spalte 2 Zeilen 65 bis Spalte 3 Zeile 7 und Spalte 4 Zeile 68 bis Spalte 5 Zeile 7 und in der Patentschrift 40 03 537 im Patentanspruch 3 in Verbindung mit Spalte 2 Zeile 4 und 58 bis 67 sowie Spalte 4, Zeilen 52 bis 59. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 9 entsprechen den ursprünglichen und erteilten Ansprüchen 4 bis 11.
2. Die Neuheit der beanspruchten Vorrichtung mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Sie ist auch gegeben, da in keiner der im Verfahren erörterten Druckschriften eine Vorrichtung mit all diesen Merkmalen vorbeschrieben ist.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weist folgende Merkmale auf:
1. Vorrichtung zur Rehabilitation des Rückens, 2. mit einem Rahmen, 3. einer Gegenkraft-Einrichtung mit Betätigungsgestänge, 4. einer Bank mit einem Sitzteil und einer Rückenlehne 5. sowie mit Fixiergliedern zum Festlegen des Beckens des Benutzers an der Bank, 6. wobei in einem Abstand oberhalb des Sitzteils eine konvexe Fläche vorgesehen ist, die an der Rückenlehne anliegt und in Richtung ihrer Höhe gekrümmt ausgebildet ist und gegen die der Rücken gebogen wird 7. und wobei die Fixierglieder aus einer eine Kniestütze aufweisenden Stützkonstruktion gebildet sind, mittels der das Becken im Winkel zwischen der Bank und einer rückwärtigen Anlagefläche über eine Kraft festlegbar ist, die im wesentlichen in Längsrichtung der Oberschenkel verläuft und über diese auf das Bekken wirkt 8. und wobei die Kniestütze derart ausgebildet ist, daß sie zugleich vor und über den Knien derart positioniert wird, daß sie die Kraft auf die Knie und über diese auf die Oberschenkel einleitet.
Der dem Patentgegenstand nächstliegende Stand der Technik ist in (1) EP 02 95 804 A2 beschrieben, in der ua eine Vorrichtung zum Testen und Üben der Muskeln des unteren Bereiches des Rumpfes, dh auch der unteren Rückenmuskulatur eines Menschen beschrieben wird. Aus dieser Druckschrift sind die Merkmale 1 bis 5 bekannt (vgl (1) Sp 5 bis Sp 7 Abs 1 iVm den Fig 1 A und 2). Dort wird zwar das Becken ebenfalls im Winkel zwischen Bank und rückwärtiger Anlagefläche festgelegt (Merkmal 7), aber dort ist keine konvexe Fläche vorgesehen, über die die Lendenwirbel abrollen können (Merkmal 6). Es werden auch andere Verriegelungselemente zum Festhalten des Beckens verwendet, nämlich ein Halteelement 26, das unterhalb des Knies an den Unterschenkeln angelegt wird und ein Gurt, der die Oberschenkel niederhält (vgl dagegen das patentgemäße Merkmal 8).
Die in (2) US 43 72 553 beschriebene Vorrichtung zum Üben der Bauchmuskulatur weist zwar auch eine konvexgekrümmte Rückenlehne (3, iVm 6) auf (vgl (2) Fig 1 und Fig 6 iVm Sp 5 Z 57-61); darüber hinaus wird jedoch dort als Verriegelungselement für die Beckenfixierung lediglich ein Beckengurt 19 beschrieben.
In (3) DE 34 01 981 A1 wird ein Übungsgerät für die untere Rückenpartie beschrieben. Dort erfolgt die Fixierung des Beckens durch von oben auf die Oberschenkel wirkende Andrucksrollen (vgl (3) insb Fig 5). Vorrichtungsteile gemäß den patentgemäßen Merkmalen 6 bis 8 sind dort nicht beschrieben.
Aus (4) Spine, Vol 8, Nr 2, Seiten 211 bis 219 (insbes S 213 Fig 2) ist ein Gerät zur Stärkung der Rückenmuskulatur bekannt, bei dem das Becken dadurch festgelegt wird, daß ein Riegel quer über den Oberschenkel liegt und von vorne ein Riegel unterhalb des Knies gegen die Unterschenkel gedrückt wird. Diese Art der Fixierung entspricht damit der in (2) beschriebenen Art der Fixierung. Auch sie unterscheidet sich damit wesentlich von der patentgemäßen, wonach die Kniestütze zugleich vor und über den Knien positioniert ist.
Die Entgegenhaltungen 5 bis 9 liegen noch weiter vom Patentgegenstand entfernt.
3. Die Entwicklung der beanspruchten Vorrichtung beruht auch auf der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
Mit der patentgemäßen Vorrichtung soll die Aufgabe gelöst werden, eine neue Vorrichtung zur Rehabilitation des Rückens zu schaffen, mit deren Hilfe der Benutzer zum Gebrauch seiner Rückenmuskulatur bei der Rehabilitationsbewegung gezwungen wird, in dem die Wirkung anderer Muskeln und Gelenke verhindert wird und die Bewegung der Wirbelsäule auf ein für die dortigen Muskeln angemessenes Ausmaß begrenzt wird (vgl Streitpatentschrift Sp 1 Z 41 bis 50).
Gelöst werden soll diese Aufgabe mit einer Vorrichtung mit den Merkmalen 1 bis 8. In keiner der entgegengehaltenen relevanten Druckschriften (1) bis (4) sind die patentgemäßen Merkmale 6 bzw 7 und 8 verwirklicht. Das heißt, es ist bisher nicht erkannt worden, daß durch die Verwendung und den Einsatz der anspruchsgemäßen Fixierglieder Oberschenkel und Becken des Benutzers für die Dauer der Übung in unbeweglicher Weise verriegelt werden können, so, daß beim Biegen des Rückens in die konvexe Fläche Torsionen des Beckens sowie auch ein Biegen des Rückens mit Hilfe der Gesäß- und Oberschenkelmuskeln verhindert wird. Dadurch wird der Benutzer gezwungen, nur seine zu übende Rückenmuskulatur einzusetzen.
Dazu konnten jedoch die Schriften des entgegengehaltenen Standes der Technik weder einzeln, noch in einer Zusammenschau, die beanspruchte Vorrichtung nahe legen.
Der Patentanspruch 1 ist daher patentfähig und gewährbar; mit ihm die Unteransprüche 2 bis 9, die vorteilhafte Ausgestaltungen der Vorrichtung nach Anspruch 1 darstellen.
Kahr Jordan Hock Kellnerbr/Pü
BPatG:
Beschluss v. 14.08.2003
Az: 15 W (pat) 2/03
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