Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 16. Februar 2012
Aktenzeichen: 11 U 119/10
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 16.02.2012, Az.: 11 U 119/10)
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Landgerichts Hanau vom 18.1.2007 (geändert - die Red.), Az. 6 O 148/05, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet
4. Das Schlussurteil des Landgerichts wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger war alleiniger Gesellschafter der X GmbH, die wiederum alleinige Gesellschafterin der Y GmbH (im folgenden: Insolvenzschuldnerin) war. Über deren Vermögen wurde - nach Antragstellung am 24.5.2005 - durch Beschluss des Amtsgerichts Hanau vom 27.7.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet; der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit der Klage hat der Kläger den Beklagten u.a. auf Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten und Gegenständen in Anspruch genommen, die er im Jahre 1994 an die Insolvenzschuldnerin verpachtet hatte, sowie auf Zahlung rückständigen Miet- und Pachtzinses für die Zeit von August 2005 bis Juni 2006 in Höhe von insgesamt 352.061,13 Euro. Der Beklagte hat widerklagend u.a. Rückzahlung des von der Insolvenzschuldnerin für die Monate November 2004 bis April 2005 geleisteten Miet- und Pachtzinses in Höhe von 197.669,54 Euro unter dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes begehrt.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Schlussurteils vom 18.1.2007 (Bl. 472 ff d.A.) sowie des Teilurteils vom 10.10.2006 (Bl. 354 ff d.A.) Bezug genommen.
Hinsichtlich der Feststellung auf Seite 6 des angefochtenen Urteil, wonach die Höhe des Kreditrahmens unstreitig 306.775,13 Euro (600.000 DM) betragen habe, hat der Beklagte Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt, mit dem er geltend macht, er habe vorgetragen, dass sich der eingeräumte Kreditrahmen ab 22.12.20004 nur noch auf 255.662,94 Euro belaufen habe (Bl. 514 d.A.). Über diesen Tatbestandsberichtigungsantrag ist erstinstanzlich nicht entschieden worden (vgl. Bl. 522R d.A.).
Soweit der Kläger außerdem Feststellung begehrt hat, dass der Beklagte persönlich für den etwaigen Ausfall des Klägers mit den geltend gemachten Forderungen dem Grunde nach hafte und der Beklagte widerklagend Rückzahlung eines am 22.12.2004 zurückgezahlten Darlehens des Klägers an die Insolvenzschuldnerin in Höhe von 26.203,70 Euro sowie Rückzahlung überzahlter Miete bis Oktober 2004 in Höhe von insgesamt 173.104,91 Euro wegen Flächenabweichungen bzw. sonstiger Sach- und Rechtsmängel begehrt hat, hat das Landgericht Klage und Widerklage mit nicht angefochtenem Teilurteil vom 10.10.2006 abgewiesen. Hinsichtlich des Räumungsantrages des Klägers haben beide Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit dem angefochtenen Schlussurteil hat das Landgericht der Zahlungsklage des Klägers auf Miet- und Pachtzins für den Zeitraum August 2005 bis Juni 2006 in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Überlassung der Nutzung an den Räumlichkeiten, den Betriebsgegenständen und den Fahrzeugen sei nicht eigenkapitalersetzend gewesen, so dass die nach § 135 InsO erklärte Anfechtung des Beklagten ins Leere gehen. Soweit das Räumungs- und Herausgabebegehren übereinstimmend für erledigt erklärt worden sei, habe der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er ohne die Erledigung entsprechend verurteilt worden wäre.
Gegen das ihm am 19.1.2007 zugestellte Urteil hat der Beklagten am 16.2.2007 Berufung eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am 19.4.2007 begründet.
Der Beklagte macht - unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens - geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Insolvenzschuldnerin bereits im November 2004 nicht mehr kredit- und überlassungswürdig gewesen.
Das Betriebsvermögen als Ganzes stelle ein spezielles Wirtschaftsgut dar, das ihr von einem externen Dritten wegen ihrer finanziellen Situation nicht mehr überlassen worden wäre; sie hätte die Anschaffung mangels Kreditwürdigkeit auch nicht finanzieren können.
Die Insolvenzschuldnerin habe bereits seit 1.10.2004 keine positiven Erträge aus eigener Geschäftstätigkeit mehr erwirtschaftet. Sie sei spätestens im Februar 2005 zahlungsunfähig und infolge einer Aufzehrung ihres Eigenkapitals auch überschuldet gewesen.
Hinsichtlich der ausgeurteilten Fahrzeugmiete habe das Landgericht fälschlich einen durchgehenden Monatsbetrag von 3.182 Euro zugrunde gelegt, obwohl die vereinbarte Miete ab Juni 2005 auf 2.445 Euro, ab Oktober auf 2.424 Euro und ab Dezember 2005 auf 1.728 Euro reduziert worden sei.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Hanau vom 18.1.2007 die Klage abzuweisen und den Kläger zu verurteilen, 197.649,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.2.2006 an den Beklagten zu zahlen, sowie die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die Insolvenzschuldnerin sei bis Anfang Mai 2005 weder kreditunwürdig noch insolvenzreif gewesen; es habe zu keinem Zeitpunkt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorgelegen.
Im Übrigen sei die anstehende Krise für den Kläger nicht erkennbar gewesen. Die Insolvenzschuldnerin habe im Geschäftsjahr 2004 noch einen Gewinn erwirtschaftet; er habe erstmals Ende April/Anfang Mai von sich abzeichnenden Zahlungsschwierigkeiten erfahren. Er habe sich krankheitsbedingt ab Januar 2005 nicht mehr über die Geschäftsentwicklung bei der Insolvenzschuldnerin informieren können.
Eine einvernehmliche Reduzierung der Miete für die überlassenen Kraftfahrzeuge sei nicht erfolgt.
Wegen des Sachvortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Behauptung des Beklagten, die Insolvenzschuldnerin sei bereits seit November 2004 kredit- und überlassungsunwürdig gewesen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen SV1 vom 19.2.2010 sowie das Protokoll über die mündliche Anhörung des Sachverständigen in der Verhandlung vom 18.11.2011, Bl. 1063 ff d.A., Bezug genommen. Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2; insoweit wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 20.9.2011, Bl. 1233 d.A. Bezug genommen. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch die vorbereitende Einzelrichterin nach § 527 Abs. 4 ZPO einverstanden erklärt.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen, soweit beide zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht durch das vorangegangene Teilurteil erledigt bzw. übereinstimmend für erledigt erklärt worden waren.
A)
Der Kläger kann nach § 535 Abs. 2 BGB bzw. § 546a BGB von dem Beklagten für den begehrten Zeitraum August 2005 bis Juni 2006, in dem die Insolvenzschuldnerin die Miet- und Pachtgegenstände nach Insolvenzeröffnung weiter in Besitz hatte, Zahlung des vereinbarten Miet- und Pachtzinses verlangen.
Der Beklagte kann sich nicht auf ein Recht zur unentgeltlichen Nutzung der Miet- und Pachtgegenstände nach den Grundsätzen des Eigenkapitalersatzes gem § 32a Abs. 1, 3 GmbHG in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 gültigen Fassung berufen.
1) Nach dieser Vorschrift in Verbindung mit den hierzu ergangenen Rechtsprechungsregeln kann ein Gesellschafter Mittel, die er der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt gewährt hat, in dem ihr die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute Eigenkapital zugeführt hätten, im Insolvenzfall nur nachrangig geltend machen. Handelt es sich bei den zugeführten Mitteln um eine Gebrauchsüberlassung, ist der Gesellschafter nach Insolvenzeröffnung verpflichtet, dem Verwalter das Nutzungsrecht weiter zu überlassen, ohne dass dieser hierfür ein Entgelt zu entrichten hätte (vgl. Goette/Kleindiek, Eigenkapitalersatzrecht in der Praxis, 4. Aufl., Rdnr. 143).
Diese - durch das MoMiG geänderten - Regelungen des Eigenkapitalersatzrechts entsprechend den §§ 30, 32, 32 b GmbHG sind auf €Altfälle€, in denen das Insolvenzverfahren vor Inkrafttreten des MoMiG eröffnet worden war, weiter anwendbar (BGH NJW 2009, 1277, Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl., Anh. zu § 30 GmbHG Rdnr. 113).
2) Der Anwendung der Regelungen zum Eigenkapitalersatz steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht unmittelbar an der Insolvenzschuldnerin beteiligt war. Insoweit kommt es nicht auf einen förmlichen Gesellschafterbegriff an, sondern auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. So trifft nach ständiger Rechtsprechung des BGH bei einer Betriebsaufspaltung bei einer Krise der Betriebsgesellschaft die Finanzierungsverantwortung die Besitzgesellschaft, auch wenn diese nur mittelbar über gemeinsame Gesellschafter mit der Betriebsgesellschaft verbunden ist (BGH NJW 1987, 1080; BGHZ 121, 31 = NJW 1993, 392). Im vorliegenden Fall konnte der Kläger als Alleingesellschafter der A GmbH, die ihrerseits Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin war, maßgeblichen Einfluss auf die Insolvenzschuldnerin ausüben; er trug mittelbar auch die Finanzierungsverantwortung für die Insolvenzschuldnerin. Der Kläger ist daher im Sinne der Eigenkapitalersatzregeln wie ein Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin zu behandeln.
3) Der Abschluss der streitgegenständlichen Miet- und Pachtverträge und die Überlassung der Miet- und Pachtobjekte erfolgte zwar bereits im Jahre 1994, zu einer Zeit, als keine Krise der Insolvenzschuldnerin im Raume stand. Allerdings können ursprünglich nicht als Kapitalersatz dienende Mittel der Gesellschaft nachträglich von den Bindungen der §§ 30, 31, 32a und b GmbHG a.F. erfasst werden, wenn sie vom Gesellschafter bei Eintritt einer Krise nicht abgezogen werden, obwohl ihm dies möglich wäre (BGH NJW 1991, 357). Maßgeblich ist dabei nicht, ob nach dem abgeschlossenen Vertragsverhältnis einem außenstehenden Dritten ein Kündigungsrecht zustünde, sondern ob der Gesellschafter infolge seines gesellschaftsrechtlichen Einflusses das Vertragsverhältnis beenden könnte.
Eine der Gesellschaft zu gesunden Zeiten gewährte Gesellschafterleistung wird nach Eintritt der Krise auch dann zu Eigenkapitalersatz, wenn der Gesellschafter die Leistung zwar nach allgemeinen schuldrechtlichen Regeln nicht abziehen kann, er aber von der ihm - zumindest objektiv - gegebenen Möglichkeit, die Gesellschaft unter Entzug der ihr zur Verfügung gestellten Mittel zu liquidieren, keinen Gebrauch macht (BGHZ 121, 31 = NJW 1993, 392).
Dabei ist eine Krise der Gesellschaft im Sinne dieser Vorschriften dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft entweder zahlungsunfähig oder überschuldet oder kredit- bzw. überlassungsunwürdig ist (BGHZ 109,55 = NJW 1990, 516; BGH ZIP 2006, 996). Die Finanzierungsfolgenverantwortung trifft den Gesellschafter dabei nur dann, wenn er eine Wahl treffen konnte, er die Krisensituation also erkennen konnte, wobei die Erkennbarkeit grundsätzlich als gegeben anzusehen ist und es dem Gesellschafter obliegt, darzulegen und zu beweisen, weshalb er im konkreten Fall keine Möglichkeit hatte, die Krise zu erkennen (vgl. Goette/Kleindiek Rdnr. 53 ff. aaO. m.w.Nw.).
Nach diesen Maßstäben liegt hier keine eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung vor.
a) aa) Zwar spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme viel dafür, dass die Insolvenzschuldnerin ab Ende Januar 2005 objektiv zahlungsunfähig war.
Zahlungsunfähigkeit ist nach § 17 Abs. 2 InsO anzunehmen, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nicht erfüllt ist dieser Tatbestand nach der Intention des Gesetzgebers, wenn lediglich eine geringfügige Liquiditätslücke oder eine nur vorübergehende Zahlungsstockung vorliegt (BGH NJW 2005, 3062). Zur Abgrenzung ist nach der Rechtsprechung des BGH davon auszugehen, dass eine Unterdeckung von weniger als 10 % für sich allein noch nicht zum Beleg der Zahlungsfähigkeit ausreicht (aaO. S. 3066), und dass eine bloße Zahlungsstockung anzunehmen ist, wenn eine Zahlungsunfähigkeit innerhalb einer - dem Rechtsgedanken des § 64 GmbHG zu entnehmenden - Drei-Wochen-Frist behoben werden kann (BGH aaO).
(1) Der Sachverständige SV1 hat unter Berücksichtigung dieser Grundsätze in seinem Gutachten im Einzelnen dargelegt, dass zum Ende der Monate Januar, Februar und April 2005 die fälligen Verbindlichkeiten die jeweils verfügbaren Mittel um mehr als 10 % überstiegen, so dass es sich um nicht mehr nur geringfügige Liquiditätsengpässe gehandelt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 29-38 des Gutachtens sowie die Tabelle 1 im Anhang des Gutachtens Bezug genommen. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen unter Berücksichtigung der jeweils zu erwartenden Zahlungsein- und -ausgänge die festgestellten Liquiditätslücken nicht innerhalb eines Zeitraumes von drei Wochen beseitigt werden konnten, so dass auch nicht von einer lediglich kurzfristigen Zahlungsstockung auszugehen sei (Seite 39- 50 des Gutachtens sowie Tabelle 2).
(2) Soweit der Sachverständige bei der Ermittlung der sog. Liquiditätslücke I für die einzelnen Monate - gestützt auf ein beklagtenseits vorgelegtes Schreiben der Bank1 vom 22.12.2004 - davon ausgeht, dass die Kreditlinie der Insolvenzschuldnerin ab dem 22.12.2004 (nur noch) 255.662,94 Euro betrug (vgl. Rdnr. 86 des Gutachtens), wurde dies vom Kläger nicht beanstandet; der entsprechende Vortrag des Beklagten ist daher für die zweite Instanz als unstreitig anzusehen.
(3) Die Aufstellung des Sachverständigen ist zwar hinsichtlich liquiden Mittel insoweit unrichtig, als er im Januar und Februar 2005 auch die auf dem Konto B bei der Bank1 verbuchten Avalkredite von der offenen Kreditlinie der Insolvenzschuldnerin abgezogen hat.
Tatsächlich waren die auf diesem Konto verbuchten Kredite, wie der Zeuge Z1 bekundet hat und im Übrigen auch von Beklagtenseite unstreitig gestellt wurde, durch eine Rückbürgschaft des Klägers besichert und führten deshalb nicht zu einer Verringerung der Kreditlinie.
Aber auch wenn man den verfügbaren liquiden Mitteln die entsprechenden Beträge (23.399,87 Euro im Januar und 14.836,75 Euro im Februar 2005) hinzuaddiert, verbleibt es in diesen beiden Monaten bei einer Liquiditätslücke von mehr als 10 %.
(4) Nicht durch die Beweisaufnahme bestätigt wurde der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 8.2.2011, tatsächlich habe es sich bei dem Konto B nicht um ein Konto der Insolvenzschuldnerin, sondern um ein Avalkonto des Klägers gehandelt, auf dem Rückbürgschaften des Klägers verbucht gewesen seien, die dieser für einige Avale der Insolvenzschuldnerin gegeben habe. In dem Umfang dieser Rückbürgschaften sei die Kreditlinie der Insolvenzschuldnerin durch ausgereichte Avale auf dem Konto A nicht belastet worden, so dass die noch offene Kreditlinie nicht nur um den jeweils einfachen Betrag des Kontos B zu erhöhen sei (wie oben dargelegt), sondern um den doppelten. Der Zeuge Z1 hat demgegenüber klargestellt, dass es sich tatsächlich um ein Avalkonto der Insolvenzschuldnerin gehandelt habe; dies entspricht auch den vorgelegten schriftlichen Unterlagen.
(5) Zurecht hat der Sachverständige bei den fälligen Verbindlichkeiten die Weihnachtsgratifikation für die Arbeitnehmer eingestellt. Zwar hat der Beklagte im Laufe des Berufungsverfahrens unstreitig gestellt, dass seit 2001 stets in einem Begleitschreiben auf die Freiwilligkeit der Leistung hingewiesen worden war. Wenn aber bereits in den Jahren zuvor ohne Freiwilligkeitsvorbehalt regelmäßig ein Weihnachtsgeld gezahlt worden war, wie dies der Beklagte mit Schriftsatz vom 11.1.2012 unwidersprochen vorgetragen hat, hätten die Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Übung einen Rechtsanspruch erworben.
Nach neuer Rechtsprechung des BAG kann ein durch eine frühere betriebliche Übung begründeten Anspruch der Arbeitnehmer auf weitere Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht dadurch aufgehoben werden, dass der Arbeitgeber ab einem bestimmten Jahr einen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt, selbst wenn die Arbeitnehmer diesem Vorbehalt nicht widersprechen (BAG NJW 2009, 2475). Dies gilt umso mehr, wenn der Betriebsrat diesem Freiwilligkeitsvorbehalt für die Jahre 2001 und 2002 ausdrücklich widersprochen hatte und dieser Widerspruch als im Namen der Arbeitnehmer erklärt anzusehen sein sollte.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 17.5.2010 auch die Höhe des vom Sachverständigen angesetzten Betrages angreift, ergibt sich aus seinem Sachvortrag jedenfalls kein geringerer Gesamtbetrag.
(6) Ob bei der Feststellung der vorhandenen liquiden Mittel auch kurzfristig liquidierbare Rohstoffe hätten berücksichtigt werden müssen, wie der Kläger mit Schriftsatz vom 17.5.2010 geltend macht, erscheint zweifelhaft. Denn eine solche Veräußerung wäre, wie der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung dargelegt hat, voraussichtlich nur mit einem hohen Abschlag möglich, und würde bei einer vollständigen Veräußerung im Ergebnis zu einer Einstellung des Betriebes führen müssen. Die Frage kann aber letztendlich offen bleiben, da es auch bei objektiv gegebener Zahlungsunfähigkeit jedenfalls an den subjektiven Voraussetzungen einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung fehlt.
bb) In subjektiver Hinsicht ist für die eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung erforderlich, dass die Krise für den Gesellschafter erkennbar war. Dabei trägt der Gesellschafter die Darlegungs- und Beweislast für Nichterkennbarkeit, an die hohe Anforderungen zu stellen sind (BGHZ 127, 336; NJW 1998, 3200). Diesen Anforderungen hat der Kläger nach Auffassung des Senats hier Genüge getan.
Zwar sprechen das Schreiben des Klägers vom 17.1.2005 an den Betriebsrat ebenso wie die protokollierten Äußerungen in der Betriebsversammlung vom 4.2.2005 dafür, dass der Kläger sich trotz eines Bilanzgewinns im Jahre 2004 einer schwierigen wirtschaftlichen Lage der Insolvenzschuldnerin bewusst war. Allerdings bestand für ihn keine Veranlassung zu der Annahme, dass die Insolvenzschuldnerin bereits vor der Kündigung der Geschäftsbeziehung durch die Bank1 Anfang Mai 2005 zahlungsunfähig war. Denn aus seiner Sicht stand den Arbeitnehmern für das Jahr 2004 keine Weihnachtsgratifikation (mehr) zu, so dass sich für ihn die fälligen Verbindlichkeiten jedenfalls um 41.119 Euro niedriger darstellten als dies nach dem Gutachten des Sachverständigen SV1 tatsächlich der Fall war. Der Zeuge Rechtsanwalt Z2 hat bekundet, dass sich der Kläger Ende des Jahres 2004 telefonisch wegen der Möglichkeit einer Kürzung oder Streichung des Weihnachtsgeldes an ihn gewandt habe, und dass er dem Kläger die Auskunft gegeben habe, dass den Arbeitnehmern kein Anspruch auf Weihnachtsgratifikation zustehe. Der Zeuge konnte sich zwar nicht mehr konkret an das Telefongespräch erinnern; er konnte jedoch Inhalt und Ablauf des Gesprächs anhand einer von ihm gefertigten Notiz (Bl. 1253 d.A.) im Wesentlichen rekonstruieren. Danach habe er, der Zeuge, zunächst gefragt, ob die jeweiligen Anstellungsverträge eine Regelung bezüglich einer Weihnachtsgratifikation enthielten. Dass sich aus einem Tarifvertrag kein entsprechender Anspruch ergebe, sei ihm bekannt gewesen, weil die Insolvenzschuldnerin nicht tarifgebunden gewesen sei. Er habe deshalb noch abgefragt, ob eine entsprechende betriebliche Übung vorliege. Nachdem der Kläger die Frage bejaht habe, dass regelmäßig das im Jahre 2001 ebenfalls von dem Zeugen Z2 entworfene Vorbehaltsschreiben verwendet worden sei, habe er einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Weihnachtsgratifikation verneint. Durch diese Konsultation des Zeugen Z2 als einem auf Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt hat der Kläger die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erfüllt; er durfte sich darauf verlassen, dass die Rechtsauskunft, die ihm der Zeuge Z2 offensichtlich nach Abfragen aller aus Sicht des Zeugen relevanten Umstände erteilt hatte, zutreffend war.
Dass sich die Rechtsprechung des BAG einige Jahre später ändern würde, war von ihm nicht vorhersehbar.
Soweit der Beklagte der Auffassung ist, der Kläger habe sich auf die - objektiv falsche - Rechtsauskunft des Zeugen Z2 nicht verlassen dürfen, weil der Kläger diesen nicht mitgeteilt hatte, dass der Betriebsrat dem ab 2001 erklärten Freiwilligkeitsvorbehalt regelmäßig widersprochen hatte, vermag der Senat diese Auffassung nicht zu teilen. Angesichts der Fachkunde des Zeugen Z2 durfte der Kläger darauf vertrauen, dass dieser nach allen relevanten Umständen gefragt hatte. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass dem Kläger diese Schreiben des Betriebsrates zur Kenntnis gebracht worden waren (was dieser bestreitet), ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger die rechtliche Relevanz dieser Schreiben bewusst war, so dass ihm anzutragen war, diese Schreiben ungefragt gegenüber RA Z2 mitzuteilen, der offensichtlich ein ihm vertrautes Prüfungsschema €abhakte€.
Damit ist hinsichtlich der relevanten Kenntnis des Klägers davon auszugehen, dass die fälligen Verbindlichkeiten in den Monaten ab Dezember 2004 jeweils 41.119 Euro weniger betrugen als in der Tabelle 1 des Sachverständigengutachtens SV1 ausgewiesen. In Verbindung mit der oben dargestellten Erhöhung der verfügbaren liquiden Mittel führt dies dazu, dass aus Sicht des Klägers die Liquiditätslücke I Ende Januar 2005 nur 10.535,05 Euro betrug, das sind 10,4 % der fälligen Verbindlichkeiten, und Ende Februar 2005 16.493,86 Euro, das sind 26,4 % der fälligen Verbindlichkeiten. Damit liegt die Liquiditätslücke Ende Januar zwar knapp über der Geringfügigkeitsgrenze von 10 %, so dass nach der Rechtsprechung des BGH der Gesellschafter weitere Umstände vortragen muss, die eine Beseitigung der Zahlungslücke in absehbarer Zeit erwarten ließen (BGH NJW 2005, 3062, 3066). Dies gilt erst recht für die deutlich höhere Liquiditätslücke Ende Februar. Allerdings ist insoweit zu berücksichtigen, dass nach Aussage des Zeugen Z1, die insoweit auch beklagtenseits nicht in Frage gestellt wird, bereits am 3.3.2008 auf dem Avalkonto A Bürgschaften in Höhe von rund 38.000 Euro ausgebucht wurden und dass damit die Kreditlinie und somit auch die verfügbaren liquiden Mittel um einen entsprechenden Betrag anstiegen. Soweit die Geringfügigkeitsgrenze also Ende Februar überschritten war, handelte es sich um eine kurzfristige Zahlungsstockung, die nicht zu einer Zahlungsunfähigkeit führte.
Im Lichte der insgesamt im Laufe des Monats März erfolgten Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt knapp 41.000 Euro, die nach unwidersprochenem Vortrag des Klägers auf Rechnungstellungen für bereits in den Vormonaten fertig gestellte Gewerke zurückzuführen waren, erschienen diese Zahlungseingänge auch schon Ende Januar vorhersehbar und schließen aus Sicht des Klägers eine Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt aus. Ende März 2005 überstiegen die liquiden Mittel die fälligen Verbindlichkeiten bereits nach der unkorrigierten Tabelle 1 des Sachverständigen SV1 deutlich; für Ende April entfällt die vom Sachverständigen festgestellte Liquiditätslücke vollständig, wenn man die Weihnachtsgratifikationen außer Betracht lässt.
Aus Sicht des Klägers war daher zu keinem Zeitpunkt eine Zahlungsunfähigkeit gegeben.
b) Eine eigenkapitalersetzende Gebrauchsüberlassung ergab sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Überschuldung der Insolvenzschuldnerin.
Zwar kommt der Sachverständige SV1 in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Insolvenzschuldnerin ab Ende Januar 2005 materiell überschuldet war. Der Senat hält jedoch diese Bewertung in einem wesentlichen Punkt nicht für zutreffend.
Eine Überschuldung liegt nach § 19 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung dann vor, €wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.€
aa) Der Sachverständige hat zunächst dargestellt, dass eine bilanzielle Überschuldung zu keinem Zeitpunkt vorlag, wenn man - entsprechend § 19 Satz 2 InsO a.F. - eine positive Fortführungsprognose zugrunde legt.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 53 - 56 des Gutachtens verwiesen. Gegen diese Feststellungen haben die Parteien keine Einwände erhoben.
bb) Zutreffend ist der Sachverständige in der Folge allerdings davon ausgegangen, dass ab Januar 2005 eine positive Fortführungsprognose nicht gerechtfertigt war. Wie der Sachverständige dargelegt hat, war die Insolvenzschuldnerin wirtschaftlich von einem Kunden, der C, abhängig, mit der sie 70 % ihres Umsatzes erzielte. Zwar war der mit diesem Kunden bestehende Rahmenvertrages entgegen der Annahme des Sachverständigen nicht gekündigt worden, sondern durch Zeitablauf beendet; auch waren noch im Jahre 2004 Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Rahmenvertrages geführt worden, der dann im Januar 2005 abgeschlossen werden konnte. Allerdings waren unstreitig die in dem neuen Rahmenvertrag vereinbarten Preise um mindestens 15 % niedriger als in dem vorangegangenen Vertrag. Ein Preisrückgang von 20 %, wie er von Seiten der Insolvenzschuldnerin in einem Schreiben an ihren Betriebsrat vom 17.1.2005 angesprochen worden war, hätte nach den Berechnungen des Sachverständigen bei unveränderten Kosten zu einem Jahresfehlbetrag von 534.000 Euro geführt (Rdnr. 201 des Gutachtens); bei einem Rückgang von 15 % wäre es nach den Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung immer noch 243.000 Euro gewesen. Die Behauptung des Klägers, die Preissenkung von 15-20 % werde weitgehend dadurch aufgefangen, dass im Auftragsumfang des neuen Rahmenvertrages die - von der Insolvenzschuldnerin regelmäßig fremd vergebenen - Beiputzarbeiten nicht mehr enthalten waren, ist nicht hinreichend substantiiert. Mit der als Anlage K 22 (Bl. 1225 ff d.A.) eingereichten Rechnung des Malermeisters D werden für zehn Gewerke rund 5.800 Euro abgerechnet; nach Angaben des Klägers in seinem Schriftsatz vom 4.7.2011 (Bl. 1195 d.A.) betrug das Gesamt-Umsatzvolumen dieser Gewerke rund 250.000 Euro. Danach hätte der Anteil der Beiputzarbeiten lediglich 2,3 % betragen, so dass der oben dargestellte zu erwartende Verlust durch die Herausnahme der Beiputzarbeiten aus dem Leistungsumfang keineswegs hätte ausgeglichen werden können.
Dass die zu erwartenden Verluste durch Kostensenkungen in anderen Bereichen hätten ausgeglichen werden können, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Der Sachverständige verweist in diesem Zusammenhang zurecht auf starke Indizien dafür, dass die Maschinen nicht mehr marktgerecht waren (Rdnr. 199 des Gutachtens). Er bezieht sich insoweit auf das Protokoll einer Betriebsversammlung vom 4.2.2005 (Bl. 419 ff d.A.), wo dies von Betriebsangehörigen moniert worden war; der Kläger hat dies ausweislich des Protokoll weder auf jener Betriebsversammlung bestritten, noch hat er im gegenwärtigen Verfahren in seiner Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten Gegenteiliges vorgetragen. Es ist auch nicht dargelegt, dass die auf der Betriebsversammlung vom 4.2.2005 angesprochene Betriebsvereinbarung, die möglicherweise zu einer deutlichen Senkung der Lohnkosten hätte führen können, tatsächlich zustande gekommen ist.
cc) Bei Zugrundelegung einer negativen Fortführungsprognose ist der Überschuldenstatus unter Zugrundelegung von Liquidationswerten zu ermitteln.
(1) Auf dieser Grundlage hat der Sachverständige ein Reinvermögen der Insolvenzschuldnerin für Ende Januar 2005 von 163,5 T€, Ende Februar von 160,1 T €, Ende März von 137,0 T€ und Ende April von 79,0 T€ ermittelt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 57 - 66 des Gutachtens verwiesen. Der Sachverständige hat weiter angenommen, dass im Falle einer Liquidation den Arbeitnehmern Ansprüche im Rahmen eines Sozialplanes in Höhe von insgesamt 512.326 Euro zustünden; insoweit wird auf die Seiten 67 - 69 des Gutachtens Bezug genommen. Bei Abzug dieser Kosten sowie von geschätzten Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 10.000 Euro ergibt sich eine Überschuldung in Höhe von 358,9 T€ Ende Januar 2005, von 362,3 T€ Ende Februar, von 385,4 T Ende März und von 443,4 T€ Ende April.
(2) Der Kläger hat gegen die im Überschuldensstatus angesetzten Werte zahlreiche Einwände erhoben; er hält sowohl das ermittelte Reinvermögen für zu niedrig als auch die Sozialplankosten für unzutreffend ermittelt.
(3) Ob die diesbezüglichen Einwände zutreffend sind, kann jedoch dahin gestellt bleiben, da nach Auffassung des Senates die Sozialplankosten insgesamt nicht in die Überschuldungsbilanz einzustellen sind und bei Herausnahme dieser Kosten auch unter Zugrundelegung der vom Sachverständigen im Übrigen ermittelten Werte zu keinem Zeitpunkt eine Überschuldung vorlag.
Ob im Falle einer negativen Fortführungsprognose Kosten eines Sozialplanes in die Überschuldungsbilanz einzustellen sind, ist in der Literatur umstritten.
Vor allem in der Wirtschaftsprüfer-Praxis scheint die Auffassung vorzuherrschen, wonach die Kosten eines Sozialplans im Überschuldensstatus anzusetzen sind (so ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen SV1 Rdn. 256 das Wirtschaftsprüferhandbuch 2008, ebenso wie die im Beklagtenschriftsatz vom 11.1.2012 zitierten Empfehlungen des Fachausschusses Recht des Instituts der Wirtschaftsprüfer; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rdnr. 33). Von anderen Autoren wird die Passivierung von erst durch die Insolvenzeröffnung entstehenden Sozialplanansprüchen grundsätzlich abgelehnt oder auf den Fall beschränkt, dass bereits ein Sozialplan zustande gekommen ist oder ein Beschluss über die (Teil-)Stilllegung des Unternehmens endgültig gefasst wurde (so etwa Uhlenbruck in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, 4 Aufl., Rdnr. 5.169 sowie Uhlenbruck/Gundlach in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 6 Rdnr. 44;; Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rdnr. 49; Spindler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 92 AktG Rdnr. 28; weitergehend etwa Drukarczyk/Schüler in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 19 InsO Rdnr. 101: auch wenn sich die Ansprüche der Arbeitnehmer sich konkretisiert haben, etwa weil zwingende wirtschaftliche Gründe z.B. die Stilllegung eines Teilbetriebs erfordern, ebenso Müller in: Jäger, InsO 2004, § 19 InsO Rdnr. 79).
Bei der Entscheidung über die Passivierung von Sozialplanansprüchen ist zu berücksichtigen, dass die Aufstellung des Überschuldensbilanz dazu dient zu überprüfen, ob die vorhandene Masse noch ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen, während es sich bei den Kosten eines Sozialplanes um Verbindlichkeiten handelt, die gerade erst durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen (OLG Celle, NZG 2002, 730). Deshalb sind diese Kosten, nach Auffassung des Senat jedenfalls dann nicht in der Überschuldungsbilanz zu berücksichtigen, wenn weder ein Stilllegungsbeschluss gefasst noch ein Sozialplan zustande gekommen ist. Keines von beiden war vor der Insolvenzeröffnung der Fall.
dd) Im Übrigen würde eine Umqualifizierung in Eigenkapital selbst bei einer Passivierung der Sozialplanverpflichtung in subjektiver Hinsicht an der Erkennbarkeit für den Kläger scheitern.
Nach der Rechtsprechung des BGH muss zwar der Gesellschafter von sich aus sicherstellen, dass er laufend zuverlässig über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, insbesondere den eventuellen Eintritt der Krise, informiert ist (BGHZ 127, 336; BGH ZIP 2004, 1040). Er kann sich also etwa nicht darauf berufen, ihm seien Einbrüche bei der Auftragslage, Steigerung von Kosten oder eine Reduzierung der Kreditlinie nicht bekannt gewesen. Nach Auffassung des Senats muss ein Gesellschafter aber bei seiner Entscheidung, ob er Vermögensgegenstände bei der Gesellschaft belässt und damit die Umqualifizierung in Eigenkapital bewirkt, nicht damit rechnen, dass sich eine Krise der Gesellschaft daraus ergeben könnte, dass aus ihrem Vermögen - das vorliegend nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen SV1 zur Erfüllung aller bestehenden Verbindlichkeiten ausreichte - im Falle einer Insolvenz Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer nicht gedeckt sein können.
c) Eine eigenkapitalersetzende Leistung wäre in der Überlassung der Miet- und Pachtgegenstände, die in der Summe die wesentliche Betriebseinrichtung der Insolvenzschuldnerin darstellten, auch dann zu sehen, wenn die Insolvenzschuldnerin sich diese Gegenstände weder selbst aus eigenen oder für sie am Kapitalmarkt zu üblichen Bedingungen verfügbaren Mitteln hätte beschaffen können, noch ein wirtschaftlich vernünftig denkender unbeteiligter Dritter sie ihr unter den gegebenen Umständen zur Nutzung überlassen hätte (BGHZ 121,31 = NJW 1993, 144).
aa) Zwar ist davon auszugehen, dass die Insolvenzschuldnerin bereits im November 2004, spätestens aber ab Februar 2005 nicht mehr über ausreichend liquide Mittel verfügte, um die angemieteten Wirtschaftsgüter selbst erwerben zu können.
Der Sachverständige hat in seinem Gutachten dargelegt, dass für den Erwerb der Mietobjekte ein Kapitalbedarf von jedenfalls 551.900 Euro erforderlich gewesen wäre (Seiten 74 - 80 des Gutachtens). Dabei ist bezüglich des Grundbesitzes lediglich der Grundstücks-, nicht hingegen der Gebäudewert berücksichtigt. In Höhe der Differenz zwischen den vom Sachverständigen festgestellten liquiden Mitteln, die er entsprechend seiner Tabelle 1 für Ende November mit 238.524,08 Euro und für Ende Dezember mit 33.188,81 Euro annimmt, hätte die Insolvenzschuldnerin Kredit aufnehmen müssen.
Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass auch unter Berücksichtigung von bestehenden Besicherungsmöglichkeiten die Insolvenzschuldnerin bereits im November 2004 noch nicht einmal die die nötigen Mittel zur Finanzierung dieses Betrages (ohne den Gebäudewert) kreditweise hätte beschaffen können, weil infolge des Auslaufens des Vertrages mit dem langjährigen Hauptkunden C eine unsichere Zukunftsperspektive bestanden habe.
Selbst wenn man im Hinblick auf die im November 2004 noch vorhandenen liquiden Mitteln von immerhin 238.606 Euro noch eine ausreichende Kreditwürdigkeit annehmen würde, so hätte spätestens ab Februar 2005 der Gesamtkapitalbedarf über einen Kredit aufgebracht werden müssen. Dass dies möglich gewesen wäre, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Das klägerseits vorgelegte Kreditangebot der Bank2 vom 11.5.2010 über eine Finanzierungssumme von 750.000 Euro (Bl. 1018 d.A.) ist nicht aussagekräftig; es basiert im Übrigen auf einer €nachhaltigen Kapitaldienstfähigkeit€.
bb) Allerdings reicht Kreditunwürdigkeit allein in den Fällen der Gebrauchsüberlassung nicht aus, um die Umqualifizierung der Gesellschafterleistung in haftendes Kapital annehmen zu können. Hinzukommen muss die Überlassungsunwürdigkeit, d.h. dass ein außenstehender Dritter nicht zur Überlassung des Gebrauchs bereit gewesen wäre (BGHZ 109, 55; BGHZ 121,31).
(1) Hierzu hat der Sachverständige dargelegt, dass im November oder Dezember 2004 kein gesellschaftsfremder Dritter die Wirtschaftsgüter speziell für die Vermietung oder Verpachtung an die Insolvenzschuldnerin angeschafft hätte (Rdnr. 352). Dieser Einschätzung kann unter Berücksichtigung der Unsicherheit im Hinblick auf den Umsatzrückgang im 4. Quartal 2004 und die Frage der Fortsetzung der Geschäftsbeziehung mit der Firma C gefolgt werden; sie gilt umso mehr für die Zeit ab Februar 2005, als rechnerisch bereits Zahlungsunfähigkeit vorlag.
Denn auf ein derart ausgestaltetes Mietverhältnis über die gesamte Betriebseinrichtung wird sich ein vernünftig handelnder Dritter, wenn überhaupt, nur dann einlassen, wenn er begründete Aussicht hat, insgesamt gesehen über die ganze Vertragsdauer hinweg regelmäßig einen die Investitionskosten (zuzüglich eines angemessene Gewinns) deckenden Mietzins zu erhalten (BGHZ 121, 31).
(2) Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass vorliegend von der Sicht eines Dritten auszugehen ist, der bereits Eigentümer der Wirtschaftsgüter ist. In der der Entscheidung BGHZ 121,31 zugrunde liegenden Fallkonstellation war der fragliche Mietvertrag zum 1.11.85 abgeschlossen worden; die GmbH befand sich jedenfalls ab Sommer 87 in der Krise, wobei es Anhaltspunkte gab, dass die Nutzungsüberlassung von Anfang an eigenkapitalersetzend war.
Im vorliegenden Fall liefen die Mietverträge jedoch bereits über mehr als 10 Jahre; die Anschaffungs- und Herstellungskosten, die sich ausweislich des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils auf 2,8 Mio DM beliefen, waren durch die jährlichen Mietzinszahlen längst amortisiert, einschließlich eines Gewinnanteils.
Insoweit hat der Sachverständige ausgeführt, dass ein Dritter, der bereits Eigentümer der überlassenen Wirtschaftsgüter war, in jedem Fall im November oder Dezember 2004 das Mietverhältnis fortgeführt oder sogar neu begründet hätte. Denn der Wert des beweglichen Anlagevermögens und der Kraftfahrzeuge sei im Verhältnis zum Miet- und Pachtzins so gering gewesen, dass eine (Weiter-) Vermietung bzw. Verpachtung in jedem Fall vorteilhaft gewesen wäre, während angesichts des Alters und der Abnutzung eine alternative Verwertung an einen dritten Mieter jedenfalls kurzfristig kaum möglich gewesen wäre, und wenn, dann wohl nur zu deutlich schlechteren Bedingungen. Diese Darlegungen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar; sie werden auch von den Parteien nicht in Frage gestellt.
Zwar beziehen sich die Ausführungen des Sachverständigen hinsichtlich der Überlassungsunwürdigkeit nur auf die Monate November und Dezember 2005. Zu den Folgemonaten hat er keine Stellung genommen, da aus seiner Sicht ab Januar 2006 ohnehin Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung vorlagen, so dass es auf die Frage der Kredit- bzw. Überlassungswürdigkeit nicht ankam. Für den nachfolgenden Zeitraum Januar bis April 2006 kann jedoch nichts anderes gelten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ein außenstehender Dritter, der aus den Überlassungsverträgen bereits sowohl die Investitionskosten als auch einen angemessenen Gewinn realisiert hatte, nicht die Chance auf Weiterzahlung eines für ihn äußerst vorteilhaften Mietzins hätte nutzen sollen, während eine anderweitige gewinnbringende Verwertungsmöglichkeit zweifelhaft war.
4) Damit stehen dem Kläger für die Monate August 2005 bis Juni 2006 Miet- und Pachtzinsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu.
Soweit der Beklagte behauptet, der Mietzins für die Überlassung der Fahrzeuge sei seit der letzten Vereinbarung vom 15.3.2005, mit der er auf 3.182,-- Euro festgesetzt worden war, mehrfach reduziert worden auf zuletzt 1.728 Euro, ist er mit dieser Behauptung beweisfällig geblieben. Der Kläger hat sowohl erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 14.7.2006 als auch in der Berufungserwiderung ausdrücklich erklärt, dass eine entsprechende Absenkung des Mietzinses nicht vertraglich vereinbart worden sei.
B)
Die Widerklage ist unbegründet.
1) Der Beklagte kann nicht nach den §§ 143, 135 Nr. 2 InsO in der bis zum 31.10.2008 gültigen Fassung Rückzahlung der vor Insolvenzeröffnung geleisteten Miet- und Pachtzinszahlungen verlangen.
Im Hinblick darauf, dass die Überlassung der Miet- und Pachtobjekte nach den obigen Ausführungen vor Mai 2005 nicht eigenkapitalersetzend war, unterliegt die Zahlung des vereinbarten Miet- und Pachtzinsen nicht der Anfechtung nach § 135 Nr. 2 InsO a.F.
2) Eine Anfechtbarkeit der von der Insolvenzschuldnerin geleisteten Miet- und Pachtzinszahlungen ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften.
a) Nach § 130 Abs. 1 InsO wären die in den letzten drei Monaten vor der Insolvenzantragstellung geleisteten Miet- und Pachtzinszahlungen anfechtbar, wenn zum Zeitpunkt der Zahlung die Insolvenzschuldnerin bereits zahlungsunfähig war und der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit kannte. Vorliegend war nach den Darstellungen unter oben A 3) a) die Insolvenzschuldnerin ab Ende Januar 2005 zahlungsunfähig, so dass die ab März 2005 gezahlten Beträge anfechtbar sein könnten. Es fehlt jedoch an der erforderlichen Kenntnis des Gläubigers. Zwar wird im vorliegenden Fall nach §§ 130 Ab. 3, 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO eine Kenntnis des Klägers vermutet, weil es sich um eine nahestehende Person im Sinne dieser Vorschriften handelt. Diese Vermutung ist jedoch vorliegend widerlegt, weil sich die Zahlungsunfähigkeit lediglich unter Berücksichtigung der rückständigen Weihnachtsgratifikationsansprüche der Beschäftigten ergibt. Durch die Aussage des Zeugen Z2 ist zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Kläger diese Ansprüche nicht kannte, sondern vielmehr davon ausging und davon ausgehen durfte, dass keine derartigen Ansprüche bestünden.
b) Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO wegen vorsätzlicher Benachteiligung kommt - unbeschadet der Frage einer Benachteiligungsabsicht der Insolvenzschuldnerin - schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass der Kläger die Benachteiligungsabsicht oder zumindest die drohende Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin kannte.
c) Auch die Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 InsO liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist ein mit einer nahestehenden Person abgeschlossener entgeltlicher Vertrag anfechtbar, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Abgesehen davon, dass auch hier das subjektive Erfordernis einer - zu vermutenden - Kenntnis des Klägers fraglich ist, fehlt es hier bereits an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, weil die Insolvenzschuldnerin nach den abgeschlossenen Miet- und Pachtverträgen zu entsprechenden Zahlungen verpflichtet war. Wenn für einen vom Schuldner veräußerten Gegenstand unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen fließt, liegt keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vor. Die Befreiung von einer rechtsgültigen unanfechtbaren Verbindlichkeit ist ein vollwertiger wirtschaftlicher Ausgleich für die entsprechende Tilgungsleistung (BGH ZIP 1995, 1021, 1023).
C)
Die Berufung war auch insoweit zurückzuweisen, als mit ihr ausweislich des gestellten Kostenabänderungsantrags auch die Kostenentscheidung des Landgerichts nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung hinsichtlich der Räumungs- und Herausgabeanträge angegriffen wird. Denn diese Klageanträge waren bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet, so dass die Kosten insoweit ebenfalls dem Beklagten aufzuerlegen waren. Im Hinblick darauf, dass die Belassung der Miet- und Pachtgegenstände nicht eigenkapitalersetzend war, war der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zur unentgeltlichen Nutzungsüberlassung verpflichtet und daher berechtigt, nach seiner Kündigung wegen Zahlungsverzuges Räumung und Herausgabe zu verlangen.
D)
1) Die Kosten des Berufungsverfahrens waren nach § 97 Abs. 1 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen.
2) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1 und 2, 711 ZPO.
3) Gegen dieses Urteil war die Revision zuzulassen. Zum einen wird die Frage, ob Sozialplanansprüche bei negativer Fortführungsprognose in die Überschuldungsbilanz einzustellen sind, in der Literatur kontrovers diskutiert und ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, wobei im vorliegenden Fall weiter zu berücksichtigen ist, ob eine Kenntnis des Gesellschafters von der Krise angenommen werden kann, wenn sich diese lediglich bei Berücksichtigung von insolvenzbedingten Sozialplanansprüchen ergibt. Von grundsätzlicher Bedeutung erscheint auch die Frage, ob es bei der Prüfung einer Überlassungsunwürdigkeit auch in dem Fall darauf ankommt, ob ein wirtschaftlich vernünftig handelnder außenstehender Dritter das Wirtschaftsgut zum Zwecke der Überlassung an die spätere Insolvenzschuldnerin neu angeschafft hätte, wenn tatsächlich die Überlassung so viele Jahre vor der Krise erfolgt war, dass er bereits Investitionskosten zuzüglich eines angemessenen Gewinns realisiert hatte.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 16.02.2012
Az: 11 U 119/10
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