Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Mai 2010
Aktenzeichen: 6 W (pat) 15/09
(BPatG: Beschluss v. 18.05.2010, Az.: 6 W (pat) 15/09)
Tenor
Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist gegen den Beschluss der Patentabteilung 23 vom 4. Dezember 2007 gerichtet, mit dem das Patent 10 2004 061 619 beschränkt aufrechterhalten worden ist.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Türantrieb, insbesondere Drehtürantrieb, der mit einer Antriebseinheit (2, 2', 2''), die über eine Ausgangswelle (9) mit einer Tür koppelbar und in einem Gehäuse (13) angeordnet ist, mit einem Motor (3), der mit der Antriebseinheit (2, 2', 2'') in Antriebsverbindung steht und mit einem im Gehäuse (13) angeordneten Federkraftspeicher (4), der mit der Antriebseinheit (2, 2', 2'') gekoppelt ist, und mit einer Hydraulikpumpe (5), die mit dem Motor (3) antriebsverbunden ist, wobei die Hydraulikpumpe (5) mit einem der Antriebseinheit (2, 2', 2'') zugeordneten Druckraum (6) und einem dem Federkraftspeicher (4) zugeordneten separaten zweiten Druckraum (7) in Hydraulikverbindung steht und eine Hydraulik-Dämpfungseinrichtung (24) in Öffnungsrichtung vorgesehen ist, die zwischen einem Aufnahmeraum (20) für die Antriebseinheit (2, 2', 2'') und einem dem zweiten Druckraum (7) benachbarten Zwischenraum (23) des Gehäuses (13) angeordnet ist, die Antriebseinheit als Nockenantrieb ausgebildet ist, der eine Hubkurvenscheibe (8), die auf der Ausgangswelle (9) angeordnet ist und zwei Kraftübertragungsrollen (10, 11) aufweist, die zu beiden Seiten der Ausgangswelle (9) angeordnet sind und auf Kurvenbahnen der Kurvenscheibe (8) aufliegen."
Hinsichtlich des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 11 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Einsprechende führt in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen aus, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei im Hinblick auf den nachgewiesenen Stand der Technik nicht erfinderisch.
Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das angegriffene Patent in vollem Unfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen.
Sie hält den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 für neu und erfinderisch.
Im Einspruchsund Erteilungsverfahren ist folgender Stand der Technik berücksichtigt worden:
(E1) DE 102 61 225 A1 (E2) DE 43 23 150 A1 (E3) DE 196 26 831 C1 (E4) DE 40 38 720 A1 (E5) DE-OS 14 59 197 (E6) DE 197 58 496 C2 (E7) DE 295 21 068 U1 (F1) WO 2004/106 681 A1 (F2) DE 32 34 319 A1 (F3) DE 34 23 242 C1 (G1) DE 100 01 950 A (G2) DE 10 2004 052 282 A1 (nachveröff.) (G3) WO 2004/106 683 A1 (G4) DE 102 16 982 A1.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.
Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 ist seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden, sie ist auch gegeben, wie eine Überprüfung durch den Senat im Rahmen der Amtsermittlung ergeben hat.
b. Der Gegenstand des zweifelsfrei gewerblich anwendbaren geltenden Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Anspruch 1 umfasst drei Merkmalsgruppen. Die erste Merkmalsgruppe umfasst die Merkmale wonach der Türantrieb, insbesondere Drehtürantrieb, der mit einer Antriebseinheit (2, 2', 2''), die über eine Ausgangswelle (9) mit einer Tür koppelbar und in einem Gehäuse (13) angeordnet ist, mit einem Motor (3), der mit der Antriebseinheit (2, 2', 2'') in Antriebsverbindung steht und mit einem im Gehäuse (13) angeordneten Federkraftspeicher (4), der mit der Antriebseinheit (2, 2', 2'') gekoppelt ist, und mit einer Hydraulikpumpe (5), die mit dem Motor (3) antriebsverbunden ist, wobei die Hydraulikpumpe (5) mit einem der Antriebseinheit (2, 2', 2'') zugeordneten Druckraum (6) und einem dem Federkraftspeicher (4) zugeordneten separaten Druckraum (7) in Hydraulikverbindung steht.
Die zweite Merkmalsgruppe umfasst die Merkmale wonacheine Hydraulik-Dämpfungseinrichtung (24) in Öffnungsrichtung vorgesehen ist, die zwischen einem Aufnahmeraum (20) für die Antriebseinheit (2, 2', 2'') und einem dem zweiten Druckraum (7) benachbarten Zwischenraum (23) des Gehäuses (13) angeordnet ist.
Die dritte Merkmalsgruppe umfasst die Merkmale wonachdie Antriebseinheit als Nockenantrieb ausgebildet ist, der eine Hubkurvenscheibe (8), die auf der Ausgangswelle (9) angeordnet ist und zwei Kraftübertragungsrollen (10, 11) aufweist, die zu beiden Seiten der Ausgangswelle (9) angeordnet sind und auf Kurvenbahnen der Kurvenscheibe (8) aufliegen.
Die erste Merkmalsgruppe ist aus der (F1) WO 2004/106 681 A1 (insb. Fig. 1) bekannt. Diese Druckschrift offenbart einen hydraulischen Türantrieb mit einer Antriebseinheit 3, 4, die über eine Ausgangswelle mit einer Tür koppelbar und in einem Gehäuse angeordnet ist. Weiter ist ein Motor 11 vorgesehen, der mit der Antriebseinheit 3, 4 in Antriebsverbindung steht. Im Gehäuse ist ein Federkraftspeicher 5 angeordnet, der mit der Antriebseinheit 3, 4 gekoppelt ist. Eine Hydraulikpumpe 12 ist mit dem Motor 11 antriebsverbunden, wobei die Hydraulikpumpe mit einem der Antriebseinheit zugeordneten ersten Druckraum 7 und einem dem Federkraftspeicher 5 zugeordneten separaten zweiten Druckraum 8 in Hydraulikverbindung steht.
Nicht offenbart durch die (F1) WO 2004/106 681 A1 ist das Merkmal, wonach eine Hydraulik-Dämpfungseinrichtung zwischen einem Aufnahmeraum für die Antriebseinheit und einem dem zweiten Druckraum benachbarten Zwischenraum vorgesehen und die Antriebseinheit in einer speziellen Weise als Nockenantrieb ausgebildet ist.
Die zweite Merkmalsgruppe ist aus der (F3) 34 23 242 C1 bekannt. Diese Druckschrift betrifft im Gegensatz zur Erfindung zwar einen Türschließer, sie offenbart in Figur 7 jedoch eine Hydraulik-Dämpfungseinrichtung 73 in Öffnungsrichtung, die zwischen dem Aufnahmeraum für die Antriebseinheit (hier der Raum des Hauptzylinders 34 zwischen den beiden Kolbenköpfen 15, 16 des Dämpfungskolbens 14 und dem dem zweiten Druckraum 37 benachbarten Zwischenraum (hier der die Druckfeder 63 aufweisende Raum) des Gehäuses 10, 35 wirkt.
Nicht offenbart sind die Merkmale der ersten Merkmalsgruppe sowie die Ausgestaltung der Antriebseinheit als Nockenantrieb.
Die dritte Merkmalsgruppe ist aus der (E4) DE 40 38 720 A1 bekannt. Diese Druckschrift offenbart einen Türschließer, bei dem die Antriebseinheit 22, 23, 35 als Nockenantrieb ausgebildet ist, der eine Hubkurvenscheibe 22, die auf der Ausgangswelle 23 angeordnet ist und zwei Kraftübertragungsrollen 26, 35 aufweist, die zu beiden Seiten der Ausgangswelle 23 angeordnet sind und auf Kurvenbahnen der Kurvenscheibe 22 aufliegen (Sp. 3, Z. 19 bis 25). Dieser Nockenantrieb ist jedoch in einem rein mechanischen Türschließer eingebaut, auf den keine hydraulischen Kräfte wirken und der kein automatisches Öffnen der Tür ermöglicht.
Die (G4) DE 102 16 982 A1 offenbart einen hydraulischen Drehflügelantrieb (Abs. [0001]), bei dem statt des dargestellten Zahnstangenantriebs auch ein Nockenantrieb verwendet werden kann (Abs. [0018]). Über die genaue Ausgestaltung des Nockenantriebs ist dort allerdings nichts ausgesagt und insbesondere ist nicht zu erkennen, ob der Nockenantrieb -wie beansprucht -eine Hubkurvenscheibe, die auf der Ausgangswelle angeordnet ist und zwei Kraftübertragungsrollen aufweist, die zu beiden Seiten der Ausgangswelle angeordnet sind und auf Kurvenbahnen der Kurvenscheibe aufliegen.
Der übrige Stand der Technik, der im Übrigen in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen wurde, liegt erkennbarerweise noch weiter vom Streitgegenstand ab, als der vorstehend abgehandelte.
Somit zeigt der nachgewiesene Stand der Technik zwar einzelne Merkmale der drei Baugruppen der vorliegenden Erfindung, es gibt jedoch keinerlei Hinweise, welche den Fachmann, einen Maschinenbauingenieur mit einschlägiger Berufserfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Türantrieben, dazu anregen könnten, diese Einzelmerkmale aus mehreren Druckschriften herauszunehmen und in der beanspruchten Art und Weise zu kombinieren.
Denn eine Erfindung ist nicht schon deshalb naheliegend, weil ein Fachmann aufgrund des Standes der Technik zur erfindungsgemäßen Lehre hätte kommen können, sondern nur dann, wenn er die neue Lösung auch vorgeschlagen haben würde. Dazu bedarf es der Feststellung eines Anlasses oder bestimmter Anhaltspunkte oder Anregungen, die den Fachmann dazu geführt haben würden, das technisch ja immer Mögliche auch tatsächlich zu realisieren (Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 4, Rdn. 61; ebenso BGH in GRUR 2010, 407 -410 -Einteilige Öse).
Die Einsprechende hat zwar in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei eine reine Aggregation und somit nicht erfinderisch. Dies mag jedoch dahin stehen. Denn die Einsprechende übersieht bei ihrer Argumentation, dass auch eine Aggregation dann erfinderisch sein kann, wenn sie eine neue und erfinderische technische Gesamtwirkung erzielt (Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 1, Rdn. 237). Dies ist vorliegend der Fall. Denn da -im Gegensatz zu einem Zahnstangenantrieb, der mit großen Hüben aber geringen Drücken arbeitet -ein Nockenantrieb mit kleinen Hüben und hohen Drücken arbeitet, wird erst durch die Verwendung einer Dämpfungseinrichtung in Öffnungsrichtung ein präzises und sanftes Anfahren der Offenendposition der Tür gewährleistet. Darüber hinaus ist die neue und erfinderische technische Gesamtwirkung auch in den Abs. [0006] und [0007] der Streitpatentschrift ausführlich erläutert, so dass -selbst unterstellt, es handle sich um eine Aggregation -diese im vorliegenden Fall als erfinderisch anzusehen ist.
Da somit der nachgewiesene Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau Hinweise oder Anregungen zu der beanspruchten Lösung geben kann, ist der geltende Anspruch 1 gewährbar.
Das Gleiche gilt für die auf diesen Anspruch rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11, die auf Merkmale zur Weiterbildung des Türantriebs nach Anspruch 1 gerichtet sind.
Lischke Guth Schneider Ganzenmüller Cl
BPatG:
Beschluss v. 18.05.2010
Az: 6 W (pat) 15/09
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