Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. August 1997
Aktenzeichen: 6 U 27/97
(OLG Köln: Urteil v. 29.08.1997, Az.: 6 U 27/97)
Tenor
1.) Die Berufung des Klägers gegen das am 3.12.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 31 O 496/96 - wird zurückgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann jedoch die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe eines Betrages von 9.200 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Voll-streckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. 4.) Die Beschwer der Klägerin wird auf 60.207 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter eingetragener Verein zur
Förderung gewerblicher Interessen, zu dessen satzungsgemäßen
Aufgaben es gehört, Wettbewerbsverstöße - erforderlichenfalls mit
gerichtlicher Hilfe - zu bekämpfen und zu unterbinden.
Die Beklagte betreibt in K. einen Lebensmitteleinzelhandel, in
dem sie bei Bedarf Tragetaschen aus Plastik mit dem Aufdruck "N."
an ihre Kunden ausgibt. Sie lehnt es ab, gebrauchte Plastiktaschen
von Wettbewerbern zur Entsorgung anzunehmen. Hiergegen richtet sich
das vorliegende Verfahren.
Zumindest am 29.2.1996 oder am 11.3.1996 legten die Zeugen H.
und Sohn Mitarbeitern der Beklagten ca. 70 gebrauchte bedruckte
Einkaufstüten aus Kunststoff mit dem Begehren vor, diese zu
entsorgen. Die Beklagte nahm die etwa 40 Tüten zurück, die mit dem
erwähnten Aufdruck "N." versehen waren, und lehnte die Annahme der
übrigen Tüten ab.
Der Kläger hat behauptet, nicht nur an einem der soeben
aufgeführten Tage, sondern an beiden seien der Beklagten auf die
beschriebene Weise Tüten von Drittunternehmen vorgelegt worden und
habe diese die Annahme verweigert. Er vertritt die Auffassung, in
dem beschriebenen Verhalten liege ein gem. § 1 UWG sittenwidriger
Verstoß gegen die Verpackungsverordnung (VerpackV). Es handele sich
bei den vorgelegten Tüten im Sinne des § 3 Abs.1 Nr.2 VerpackV um
Verkaufsverpackungen, die die Beklagte ungeachtet der Tatsache
zurückzunehmen habe, daß sie nicht von ihr, sondern von anderen
Lebensmittelgeschäften ausgegeben worden seien.
Mit Blick auf eine vergebliche vorgerichtliche Abmahnung
verlangt der Kläger neben der Unterlassung des vorbeschriebenen
Verhaltens mit seinem nachstehend dargestellten Antrag zu 2) den
Ersatz seiner durch die Abmahnung entstandenen Kosten.
Nachdem er zunächst eine andere Antragsfassung angekündigt
hatte, hat der Kläger sinngemäß b e a n t r a g t,
Die Beklagte zu verurteilen,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen,
vom Endverbraucher gebrauchte
Kunststofftragetaschen von Drittfirmen für solche Waren, die sie in
ihrem Sortiment führt, in oder in unmittelbarer Nähe der
Verkaufsstelle nicht zurückzunehmen, es sei denn, sie beteiligt
sich an einem System gem. § 6 Abs.3 VerpackV;
an ihn 207 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Aktivlegitimation des Klägers in Abrede gestellt und
die örtliche Unzuständigkeit des Landgerichts Köln gerügt. In der
Sache sei der Antrag zu weitgehend und liege auch bei einem
unterstellten Verstoß gegen die wertneutrale Verpackungsverordnung
kein Wettbewerbsverstoß vor. Im übrigen verstoße die
Verpackungsverordnung gegen EG-Recht und liege mit den
wiederverwendbaren Taschen eine Verpackung im Sinne der
Verpackungsverordnung auch nicht vor.
Das L a n d g e r i c h t hat die Klage mit der Begründung
abgewiesen, die streitgegenständlichen Kunststofftragetaschen seien
weder Verkaufsverpackungen, noch Umverpackungen, noch
Transportverpackungen im Sinne der Verpackungsverordnung. Eine
Verkaufsverpackung liege nicht vor, weil die Tüten die Ware nicht
unmittelbar umhüllten und auch nicht zu ihrem Schutz erforderlich
seien, und die Einkaufstüten unterfielen auch nicht den
Definitionen des Gesetzes für Umverpackungen und
Transportverpackungen.
Seine gegen dieses Urteil gerichtete B e r u f u n g begründet
der Kläger wie folgt:
Entgegen der Auffassung der Kammer stellten die Tragetaschen
Verpackungen dar. Der Begriff der Verpackung sei in der
Verpackungsverordnung bewußt nicht definiert worden und daher der
maßgeblichen technischen DIN 55405 Teil 5 zu entnehmen. Nach deren
Definition und dem allgemeinen Sprachverständnis seien die
fraglichen Plastiktüten indes Verpackungen.
Der Verordnungsgeber habe ausweislich der Begründung zu § 3 der
Verpackungsverordnung die Absicht gehabt, möglichst umfassend alle
Verpackungen in deren Anwendungsbereich einzubeziehen. Angesichts
der Tatsache, daß die Tüten auch bei einer Mehrfachverwendung durch
Kunden letztlich entsorgt werden müßten, stelle es ein Unterlaufen
der auf Müllvermeidung gerichteten abfallwirtschaftlichen Ziele der
Verpackungsverordnung dar, die Einkaufstüten nicht als von dieser
erfaßt anzusehen.
Die Taschen dienten zum Transport der Ware durch den
Endverbraucher und seien daher nach der Definition in den
Begriffsbestimmungen des Merkblattes des Bundesministers für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zur
Verpackungsverordnung, das der Kläger als Anlage 1 zum Schriftsatz
vom 11.11.1996 zu den Akten gereicht hat, Verkaufsverpackungen.
Dasselbe ergebe sich aus dem mit demselben Schriftsatz als Anlage 3
überreichten Bericht der Gesellschaft für
Verpackungsmarktforschung. Schließlich stehe die Auslegung auch mit
dem einschlägigen EG-Recht in Einklang.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren zunächst den Antrag
angekündigt, die Beklagte entsprechend seinen erstinstanzlichen
Anträgen zu verurteilen. Nachdem der Senat darauf hingewiesen
hatte, daß damit der Sache nach eine Verpflichtung begehrt werde,
auf die ein Anspruch aus § 1 UWG oder sonstigen Anspruchsgrundlagen
nicht bestehen dürfte, hat der Kläger seinen Antrag in der
nachstehend darzustellenden Weise umgestellt. Er vertritt die
Auffassung, aus den vorstehenden Gründen habe er einen Anspruch
darauf, daß die Beklagte schon die Vergabe von Tragetaschen
unterlasse, solange sie nicht entweder Kunststofftragetaschen auch
von Drittfirmen zur Entsorgung entgegennehme, oder sich einem
System nach § 6 Abs.3 VerpackV anschließe.
Der Kläger b e a n t r a g t,
unter Abänderung des Urteils des
Landgerichts Köln vom 3.12.1996 - 31 O 497/96 - die Beklagte zu
verurteilen,
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM,
ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu
unterlassen,
Kunststoff-Tragetaschen zu vertreiben,
solange sie nicht vom Endverbraucher gebrauchte
Kunststoff-Tragetaschen von Drittfirmen für solche Waren, die sie
in ihrem Sortiment führt, in oder in unmittelbarerer Nähe der
Verkaufsstelle zurücknimmt, es sei denn, sie beteilige sich an
einem System gem. § 6 Abs. 3 VerpackV;
an ihn 207 DM zu zahlen.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zunächst auch im Berufungsverfahren gerügt, es fehle an
der erforderlichen Mitgliederzahl und Ausstattung des Klägers. Im
Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie indes ausdrücklich
erklärt, daß sie diese Rügen nicht mehr aufrechterhalte.
In der neuen Antragsfassung sieht die Beklagte eine
Klageänderung, der sie widerspricht.
In der Sache vertritt sie über ihren in erster Instanz
geäußerten Rechtsstandpunkt hinaus die Auffassung, es handele sich
bei den von ihr verwendeten Plastiktüten deswegen nicht um
Verpackungen, weil die Taschen im Zeitpunkt des Erwerbs der Ware
diese noch nicht umhüllen. Es handele sich bei ihnen um
Transporthilfen und nicht um den Gegenstand des Warentransports.
Sie sei auch - was unstreitig ist -, allerdings mit anderen
Produkten, dem dualen System angeschlossen. Schon aus diesem
Grundes sei sie auch bezüglich der nicht lizensierten Taschen zur
Rücknahme nicht verpflichtet. Jedenfalls könne eine
Rücknahmeverpflichtung hinsichtlich solcher Taschen nicht bestehen,
die mit dem grünen Punkt des Dualen Systems Deutschland versehen
seien. Tatsächlich habe sie aber - was der Kläger nicht bestreitet
- auch nur solche zurückgewiesen.
Ein etwaiger Verstoß gegen die wettbewerblich neutrale
Vorschrift des § 6 Abs.1 VerpackV sei schließlich weder
sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG, noch im Sinne des § 13 Abs.2
Ziff.2 UWG wesentlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die
gewechselten Schriftsätze, die sämtlich Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg. Denn die Klage ist - einschließlich des im
Berufungsverfahren neugefaßten Antrages - zwar zulässig, aber
unbegründet.
Der Kläger ist zunächst gem. § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG
prozeßführungsbefugt. Dies bedarf keiner näheren Erläuterungen,
nachdem die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung über die
Berufung ausdrücklich erklärt hat, daß sie ihre ursprüngliche Rüge
bezüglich der hinreichenden Mitgliederzahl und Ausstattung des
Klägers im Sinne dieser Vorschrift nicht mehr aufrechterhalte.
Der Kläger nimmt mit dem vorliegenden Verfahren auch
entsprechend seiner Satzung nicht allein Individualinteressen -
etwa des Dualen Systems Deutschland - sondern auch generell das
Interesse seiner Mitglieder war. Denn es liegt im Interesse aller
übrigen Gewerbetreibenden der Lebensmittelbranche, die Mitglieder
des Klägers sind, daß sich der einzelne Wettbewerber nicht einen
Vorteil verschafft, indem er weder entsprechend der
Verpackungsverordnung Verpackungen zurücknimmt, noch sich einem
System nach § 6 Abs.3 VerpackV anschließt.
Der nunmehr gestellte Antrag ist auch zulässig. Er enthält zwar
eine Klageänderung, diese ist aber gem. §§ 263, 523 ZPO zulässig,
weil der Senat sie für sachdienlich erachtet. Das neue Begehren
stellt deswegen eine Klageänderung dar, weil der ursprüngliche
Antrag des Klägers darauf gerichtet war, die Beklagte zu
verurteilen, die streitgegenständlichen Tüten anzunehmen, während
der Kläger nunmehr beantragt, der Beklagten unter bestimmten
Bedingungen schon die Ausgabe der Tüten zu untersagen. Diese
Klageänderung ist deswegen sachdienlich, weil unter Verwendung
desselben Prozeßstoffes im Wesentlichen dieselben Fragen zu
entscheiden sind, die schon bisher Gegenstand der
Auseinandersetzung der Parteien waren, und so ein weiterer Prozeß
vermieden werden kann (vgl. zu diesen zur Beurteilung der
Sachdienlichkeit maßgeblichen Kriterien im Einzelnen z.B.
Zöller-Greger, ZPO, 20. Auflage, § 263, RZ 13 m.w.N.). Die
Sachdienlichkeit ist im vorliegenden Verfahren überdies deswegen um
so eher zu bejahen, weil die Klage - wie sogleich darzulegen ist -
auch mit dem neuen Antrag abzuweisen ist und der Beklagten durch
die Zulassung der von dem Kläger vorgenommenen Klageänderung aus
diesem Grunde ein Rechtsnachteil nicht entstehen kann.
Die mithin zulässige Klage ist nicht begründet. Es liegt zwar
ein Verstoß gegen die Verpackungsverordnung vor, dieser
rechtfertigt indes den geltendgemachten Unterlassungsanspruch
nicht. Aus diesem Grunde besteht auch nicht die Pflicht, dem Kläger
die Abmahnkosten in Höhe von 207 DM zu erstatten.
Die Weigerung der Beklagten, die streitgegenständlichen
Kunststofftragetaschen anzunehmen, stellt einen Verstoß gegen die
Verpackungsverordnung dar, weil derartige Tragetaschen entgegen der
Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung der EG-Richtlinie
94/62 vom 20.12.1994 zu den Verkaufsverpackungen im Sinne der
Verpackungsverordnung gehören.
Dabei ist entgegen der Meinung des Klägers allerdings nicht von
einem übergeordneten Begriff der Verpackung, sondern von den drei
in der Verpackungsverordnung für die unterschiedlichen
Verpackungsarten verwendeten Begriffen auszugehen. Denn der
Verordnungsgeber wollte ersichtlich die Verpackungsarten, die von
der Verordnung betroffen sein sollen, genau erfassen und abgrenzen
und hat sich dazu eben jener drei in der Verpackungsverordnung
ausdrücklich aufgeführten Verpackungsbegriffe bedient. Von diesen
kommt - wovon die Parteien zu Recht übereinstimmend ausgehen - nur
die Verkaufsverpackung in Betracht. Um eine solche
Verkaufsverpackung handelt es sich bei den streitgegenständlichen
Tüten indes. Die in der Verordnung enthaltene Definition für
Verkaufsverpackungen ist, zumal dort ausdrücklich auch Tragetaschen
aufgeführt sind, nach ihrem Wortlaut erfüllt und es besteht weder
nach dem erkennbaren Sinn der Verpackungsverordnung, noch unter
Berücksichtigung der erwähnten EG-Richtlinie ein Anlaß, die
streitgegenständlichen Einkaufstüten gleichwohl als von der
Verpackungsverordnung nicht erfaßt anzusehen.
Die hier streitgegenständlichen Tragetaschen fallen zunächst
nicht deswegen aus dem Anwendungsbereich der Verpackungsverordnung
heraus, weil sie in dem oben erwähnten Merkblatt des
Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nicht
aufgeführt sind. Zum einen ist das Merkblatt für die Auslegung der
Verordnung nicht verbindlich und zum anderen läßt sich dessen
Definition auf S.157 unter c) cc) zwanglos auch dahin verstehen,
daß die streitgegenständlichen Tüten doch Verkaufsverpackungen
darstellen, weil es bei ihnen (auch) darum geht, die Ware auf dem
Transport durch den Endverbraucher zu schützen.
Es spricht auch nicht gegen die Verpackungseigenschaft, daß die
Taschen erst im Zeitpunkt des Verkaufs der Ware hinzugefügt werden
und sich nicht schon vorher bei dieser befinden. Denn unabhängig
davon dienen sie jedenfalls gerade dem Transport der Ware durch den
Endverbraucher, wie dies die Verpackungsverordnung ausdrücklich als
Zweck der Verkaufsverpackung beschreibt. Óberdies wird nicht selten
Ware (etwa frisch angeschnittene Lebensmittel) erst im Zeitpunkt
des Verkaufs verpackt, ohne daß deswegen Zweifel daran erlaubt
wären, daß es sich um eine Verkaufsverpackung handelt.
Auch die mögliche Wiederverwendung hindert die Einordnung der
Tragetaschen als Verkaufsverpackung nicht. Denn zum einen werden
längst nicht alle derartigen Taschen wirklich mehrfach benutzt und
zum anderen erfaßt die Verpackungsverordnung auch wiederverwertbare
Verpackungen. Letzteres ergibt sich aus der Tatsache, daß die
Verpackungsverordnung, die mit Blick auf das Ziel der
Abfallreduzierung weit auszulegen ist, ausdrücklich gerade auch die
Schaffung von solchen Verpackungen, die wiederbefüllt werden
können, zum abfallwirtschaftlichen Ziel hat (§ 1 Abs. 2 VerpackV).
Sieht der Verordnungsgeber nämlich - wie dies in der vorstehend
angegebenen Bestimmung der Fall ist - die Verwendung mehrfach
verwertbarer Verpackungen als ein Ziel der Verordnung an, so ist
nicht ersichtlich, aus welchem Grunde derartige Verpackungen - also
insbesondere diejenigen, die den Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens bilden - gleichwohl wegen der Möglichkeit der
Wiederverwendung nicht als Verkaufsverpackungen im Sinne der
Verpackungsverordnung anzusehen sein sollten.
Ebenso steht der Umstand, daß einzelne Händler für die Ausgabe
der Tüten ein - geringes - Entgelt verlangen, der Zuordnung der
Tragetaschen zu den Verkaufsverpackungen nicht entgegen. Es kann
daher offenbleiben, ob die Beklagte ihrerseits ebenfalls ein
solches Entgelt verlangt. Die Notwendigkeit, die Tasche käuflich zu
erwerben, ändert nichts daran, daß sie aus den vorstehenden Gründen
den weiten Begriff der Verkaufsverpackung erfüllt. Soweit das
Entgelt den Verbraucher dazu anhalten mag, die Tüte mehrmals zu
verwenden, ist dies unerheblich, weil die von dem Verordnungsgeber
gerade angestrebte Mehrfachverwendung aus den dargelegten Gründen
der Qualifikation als Verkaufsverpackung nicht entgegensteht. Im
übrigen wird die Einkaufstüte dadurch, daß der Verbraucher für sie
ein Entgelt bezahlt, nicht etwa zu der von ihm gekauften Ware im
hier maßgeblichen Sinne. Der Verbraucher erwirbt - jedenfalls in
aller Regel, auf die hier abzustellen ist - die Plastiktüte nicht,
um eine solche für irgendwelche anderen Zwecke zu besitzen, sondern
alleiniger Zweck ist in aller Regel der Transport der gekauften
Ware. In dieser Funktion ist die Tüte indes im Sinne der
Verpackungsverordnung eine Verkaufsverpackung.
Der Senat verkennt nicht, daß die streitgegenständlichen
Plastiktüten in gewisser Hinsicht die Nachfolger der früher
üblichen Einkaufstaschen sind und man diese nach landläufiger
Vorstellung kaum als Verpackung im herkömmlichen Sinne ansehen
würde. Das steht indes der Qualifizierung der Tüten als
Verkaufsverpackung nicht entgegen. Denn es kommt nicht auf die
Vorstellung der Verbraucher über den Begriff der Verpackung,
sondern allein darauf an, ob der von dem Verordnungsgeber N.tiv
vorgegebene Begriff speziell der Verkaufsverpackung erfüllt ist.
Das ist indes aus den vorstehenden Gründen der Fall.
Hieran ändert schließlich auch die erwähnte EG-Richtlinie 94/62
nichts. Dabei kann dahinstehen, ob die streitgegenständlichen Tüten
auch unter den dort gebrauchten Verpackungsbegriff fallen - was mit
Blick auf den in Art.3 Ziff.1 a) verwendeten Begriff der
"Verkaufseinheit" indes zweifelhaft erscheint - und inwieweit die
Richtlinie bei der Auslegung der Verpackungsverordnung überhaupt zu
beachten ist. Denn selbst wenn die streitgegenständlichen Tüten von
der Richtlinie nicht erfaßt sind, ändert dies nichts daran, daß die
Beklagte auch angesichts der Richtlinie auf Grund von § 6 Abs.1
VerpackV verpflichtet ist, die Tüten anzunehmen. Die Richtlinie
gestattet nämlich in ihrer Präambel (auf der zweiten Seite im
sechsten Absatz) den Mitgliedsstaaten, im Bereich der Vermeidung
und Wiederverwendung von Verpackungen auch Normen zu erlassen, die
über ihren, der Richtlinie, Inhalt hinausgehen. Um eine derartige,
aus diesem Grunde zulässige Norm würde es sich dann bei der
Verpackungsverordnung handeln. Die in der Richtlinie für eine
solche nationale Regelung aufgestellten Voraussetzungen, wonach die
Maßnahmen nicht zu Verzerrungen des Binnenmarktes führen und die
anderen Mitgliederstaaten nicht daran hindern dürfen, ihren
Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen, sind ersichtlich
erfüllt.
Die Beklagte ist entgegen ihrer Auffassung auch nicht etwa
deswegen berechtigt, die Annahme der nach alledem den
Verkaufsverpackungen zuzuordnenden Tüten zu verweigern, weil sie
sich für andere Verpackungen dem Dualen System angeschlossen hat.
Denn die Beteiligung an einem System gem. § 6 Abs.3 VerpackV kann
nach dem Sinn dieser Bestimmung nur bezüglich solcher Verpackungen
von der Rücknahmepflicht befreien, für die sich der betreffende
Verwender an dem System beteiligt. Dies ist angesichts des Zieles
des Verordnungsgebers, Verpackungen zu vermeiden und anfallende
Verpackungen einer umfassenden Rücknahmepflicht zu unterwerfen,
offenkundig und bedarf daher keiner näheren Begründung.
Aus den vorstehenden Gründen besteht die auf § 6 Abs.1 VerpackV
beruhende Verpflichtung der Beklagten, unter den im Klageantrag
dargestellten Voraussetzungen zum Zwecke der Entsorgung vorgelegte
Einkaufstüten auch dann anzunehmnen, wenn es sich um von einem
anderen Unternehmen ausgegebene Tüten handelt.
Der Senat läßt die hiervon gesonderte Frage dahinstehen, ob ein
Verstoß gegen diese Verpflichtung im Sinne von § 1 UWG als
wettbewerbswidrig anzusehen ist. Ebenso läßt der Senat die weitere
Frage offen, ob von einer Wiederholungs- oder einer
Erstbegehungsgefahr auszugehen wäre, oder dem ein etwaiges
provokatives Verhalten der Zeugen H. und Sohn bzw. der Umstand
entgegenstünde, daß es sich bei den vorgelegten Tüten angeblich
ausschließlich um solche gehandelt hat, die mit dem "Grünen Punkt"
des Dualen System Deutschland gekennzeichnet waren.
Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, weil der geltendgemachte
Anspruch ungeachtet dieser Fragen aus den nachfolgend
darzustellenden Gründen nicht besteht.
Der Kläger begehrt mit seinem nunmehr gestellten Antrag, der
Beklagten bereits die Ausgabe der hier in Rede stehenden Tüten zu
untersagen, sofern diese nicht entweder Tüten in dem begehrten
Umfange zurücknimmt, oder sich einem System nach § 6 Abs.3 VerpackV
anschließt. Hierauf kann indes kein Anspruch bestehen, weil die
Verpackungsverordnung die Ausgabe von Verkaufsverpackungen nicht an
diese Voraussetzungen knüpft.
Die Verpackungsverordnung verlangt in ihrem die Rücknahmepflicht
für Verkaufverpackungen regelnden § 6 lediglich, daß der
"Vertreiber", also derjenige, der Verkaufsverpackungen in den
Verkehr bringt, entweder diese zurücknimmt, oder sich einem System
nach § 6 Abs.3 VerpackV anschließt. Diese Regelung besagt gerade
nicht, daß Verkaufsverpackungen überhaupt nur in den Verkehr
gebracht werden dürfen, wenn der Vertreiber auf die eine oder
andere Weise für eine Rückführung sorgt. Vielmehr ist der einzelne
Unternehmer frei, Verkaufsverpackungen in den Verkehr zu bringen.
Tut er dies, so ergeben sich für ihn zwar die in § 6 VerpackV
enthaltenen alternativen Pflichten, das besagt aber nicht, daß der
Normgeber schon die Ausgabe der Verkaufsverpackungen an die
Erfüllung dieser Pflichten geknüpft hätte. Der Unterschied mag für
die Praxis von geringer Bedeutung sein, weil der Vertreiber nach
beiden rechtlichen Ansätzen letztlich verpflichtet ist, sich durch
eine der beiden Alternativen des § 6 VerpackV an der Rückführung
der Verkaufsverpackungen zu beteiligen. Gleichwohl hindert der
eindeutige Wortlaut der Verpackungsverordnung, ein etwa als
wettbewerbswidrig anzusehendes Verhalten bereits bei der Ausgabe
der Tüten anzunehmen. Daß der Normgeber die Verhaltenspflichten
nicht schon an die Ausgabe der Verkaufsverpackungen, sondern erst
an die Situation knüpfen wollte und geknüpft hat, in der dem
Vertreiber Verkaufsverpackungen zur Rücknahme vorgelegt werden,
zeigt im übrigen über den Wortlaut des § 6 VerpackV hinaus auch die
im § 12 VerpackV enthaltene Sanktionsdrohung. In dessen Ziffer 6
wird nämlich für den Fall der Weigerung, Verkaufsverpackungen
zurückzunehmen, nicht etwa schon die Ausgabe von
Verkaufsverpackungen, sondern lediglich eben diese Weigerung für
ordnungwidrig erklärt.
Es kommt schließlich folgendes hinzu: Schwerpunkt der
Beanstandung durch den Kläger ist nicht die Ausgabe der Tüten,
sondern die Weigerung der Beklagten, diese zurückzunehmen. Bis zu
dem oben erwähnten Hinweis des Senats auf bestehende
Zulässigkeitsbedenken hat der Kläger sogar ausschließlich dieses
Begehren verfolgt und dementsprechend beantragt, die Beklagte zu
verurteilen, "es zu unterlassen, ... Kunstofftragetaschen ... nicht
zurückzunehmen...". Ein derartiger Anspruch kann indes nicht
bestehen, weil er - ungeachtet seiner Formulierung - der Sache nach
auf ein positives Tun, nämlich die Rücknahme der Tüten, gerichtet
ist, und die allein in Betracht kommende Norm des § 1 UWG - von dem
hier nicht in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch abgesehen -
lediglich einen Unterlassungsanspruch, aber keinen Anspruch auf ein
positives Tun gewährt. Vor diesem Hintergrund wäre es eine Umgehung
der gesetzgeberischen Wertung, wonach lediglich bei
wettbewerbswidrigem Handeln ein Anspruch auf Unterlassung, und
nicht bei einem möglicherweise als wettbewerbswidrig anzusehenden
Unterlassen ein Anspruch auf ein positives Tun besteht, das
wettbewerbswidrige Verhalten statt in dem eigentlich beanstandeten
Verhalten, hier also in der Weigerung der Rücknahme, nunmehr schon
in dem letzten davor liegenden positiven Tun, hier also in der
Ausgabe der Einkaufstüten, zu sehen.
Aus diesen Gründen ist die Berufung trotz der bestehenden
Pflicht der Beklagten, die streitgegenständlichen Tüten
zurückzunehmen, zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Klägerin
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 60.207 DM
OLG Köln:
Urteil v. 29.08.1997
Az: 6 U 27/97
Link zum Urteil:
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