Landgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 25. November 2014
Aktenzeichen: 3-05 O 43/13, 3-05 O 43/13
(LG Frankfurt am Main: Beschluss v. 25.11.2014, Az.: 3-05 O 43/13, 3-05 O 43/13)
Unter besonderen Umständen kann sich die Schätzung des Gerichts im Spruchverfahren für die Angemessenheit der Abfindung ausgeschlossener Minderheitsaktionäre auch an kurz vor der Bekanntgabe der Absicht des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre getätigten Aktienvorerwerben durch den Hauptaktionär orientieren.
Tenor
Der angemessene Abfindungsbetrag gem. § 327a AktG für die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre der A AG wird auf EUR 32,72 je Aktie der A AG festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens einschließlich der Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre sowie ihre außergerichtlichen Kosten hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern jeweils die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Der Geschäftswert für die Gerichtskosten und der Wert für die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre werden auf insgesamt EUR 1.579.049,-- festgesetzt.
Die Beschwerde wird nicht zugelassen, wenn die Beschwer EUR 600,-- nicht übersteigt.
Gründe
I.
Das Grundkapital der A AG (im Folgenden AG), Frankfurt am Main, betrug im Jahre 2012 EUR 32.035.290 und war in 10.678.430 Stückaktien eingeteilt. Die Aktie war an den Börsen Frankfurt am Main, Berlin und München zum Handel im regulierten Markt zugelassen, daneben noch an weiteren Börsen im Freiverkehr. Die AG war das Mutterunternehmen der AG-Gruppe und selbst operativ tätig. Die Unternehmen der der AG-Gruppe waren im Bereich des pharmazeutischen Großhandels tätig.
Das Geschäftsjahr der AG begann am 1.4. und endete am 31.3. des Folgejahres. Das Geschäftsjahr 2010/2011 war ein Rumpfgeschäftsjahr vom 1.9.2010 € 31.3.2011.
Nachdem die Antragsgegnerin, ein mittelbares Tochterunternehmen der AI Schweiz, bzw. ihr zurechenbar durch Tochtergesellschaft im Oktober/November 2010 insgesamt 8.718.065 Aktien der AG (außerbörslich) zum Preis von EUR 26,-- je Aktie erworben hatten, hat die Antragsgegnerin am 29.11.2010 den Aktionären der AG ein freiwilliges Übernahmeangebot mit einer Gegenleistung von EUR 26,08 je Aktien gemacht.
Dieses wurde für 25.133 Aktien angenommen.
Am 22.6.2012 erwarb die Antragsgegnerin von verschiedenen Verkäufern insgesamt weitere 1.508.462 Aktien der AG zu einem Preis von EUR 32,72.
Die Antragsgegnerin hielt im Herbst 2012 direkt bzw. über ein Tochterunternehmen zurechenbar 10.251.660 Aktien der AG was ca. 96 % entsprach.
Mit Schreiben vom 23.7.2012 verlangte die Antragsgegnerin vom Vorstand der AG einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre (Squeeze-out) durchzuführen, worauf eine entsprechende Mitteilung an den Kapitalmarkt erfolgte. Der auf diesen Zeitpunkt bezogene gewichtete durchschnittliche drei-monatige Börsenkurs gem. § 5 Abs. 2 WpÜG-AngVO davor beträgt EUR 28,65 je Aktie.
Für die Ermittlung einer angemessen Abfindung beauftragte die Antragsgegnerin die W (im Folgenden WKGT) mit einem Bewertungsgutachten, das eine Abfindung nach dem Ertragswert von EUR 29,02 ermittelte, wobei bei der Kapitalisierung ein Basiszins von 2,25 % eine Marktrisikoprämie von 5,5 nach Steuern, der mittels einer peer group ermittelte Beta-Faktor unverschuldet 0,65 und der Wachstumsabschlag mit 1,5 % angesetzt wurde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den in Ablichtung zu der Akte gereichten Anlage AG 1 zum Übertragungsbericht verwiesen
Auf Antrag der Antragsgegnerin hat das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 27.7.2012 € 3-05 O 100/12 € die M Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden Prüferin) zur sachverständigen Prüferin für die Angemessenheit der Barabfindung nach § 327b AktG bestellt. In deren Prüfbericht vom 23.10.2012 wird die Angemessenheit der Abfindung von EUR 29,02 bestätigt.
Dabei kam die Prüferin im Ergebnis in Übereinstimmung mit WKGT zu folgender Berechnung des Unternehmens- und Anteilswertes:
Zu kapitalisierende Ergebnisse2012/132013/142014/152015/162016/172017/182018/19EwigeRentein TEUR EBIT 61.06362.07167.45469.58365.78264.01461.69254.388 Ergebnis aus nach Equity-Methode bilanzierten Finanzanlagen833 833 833 833 833 833 833 833 Zinserträge475 1.114 482 681 681 681 681 681 Zinsaufwendungen-8.354-7.811-7.609-8.138-8.248-7.515-6.807-6.134Gewinnzuweisungen an Minderheiten-3.480-3.318-3.1560 0 0 0 0 Sonstiger Finanzaufwand0 0 0 0 0 0 0 0 Ergebnis vor Unternehmensteuern50.53752.88958.00462.95959.04858.01356.39949.768 Ertragsteuern-11.214-13.961-15.291-15.666-15.150-15.187-15.132-14.271 Ergebnis nach Unternehmensteuern39.32338.92842.71247.29443.89842.82641.26735.497 Thesaurierung (Innenfinanzierung)-28.626-28.237-32.022-36.603-33.207-32.134-30.575 Minderheiten zustehendes Ergebnis-18 -12 -12 -13 -13 -13 -13 -13 Wachstumsthesaurierung -7.452 Ausschüttungsquote27% 27% 25% 23% 24% 25% 26% 49% Wertbeitrag aus Ausschüttung10.67810.67810.67810.67810.67810.67810.67813.736Ertragsteuer auf Ausschüttung-2.816-2.816-2.816-2.816-2.816-2.816-2.816-3.623Wertbeitrag aus Thesaurierung 14.296Effektive Ertragsteuer auf Thesaurierung -1.885 Zu kapitalisierende Ergebnisse7.862 7.862 7.862 7.862 7.862 7.862 7.862 22.524 Kapitalisierungszinssatz8,79% 8,87% 8,66% 8,34% 8,21% 7,72% 7,30% 5,43% Barwertfaktor0,91920,84430,77700,71720,66280,61530,573510,5641 Barwerte zum 31.3.7.227 6.638 6.109 5.639 5.211 4.838 4.509 237.943 Ertragswert zum 31.3.2012278.112 Aufzinsung17.342 Ertragswert zum 18.12.2012295.454 Sonderwert14.414 Unternehmenswert zum 18.12.2012309.868 Anzahl Aktien in tsd. Stück10.678 Wert pro Aktie in EUR29,02 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage AG 2 zu der Akte gereichten Prüfbericht vom 23.10.2012 verwiesen.
Im vorliegenden Verfahren hat die Kammer eine ergänzende Stellungnahme der Prüferin eingeholt, die diese am 11.9.2014 erstattet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Stellungnahme (Bd. LVIII Bl.1550 ff d. A.) Bezug genommen.
In der Hauptversammlung der AG vom 18.12.2012 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an die Antragsgegnerin zu einem Preis von EUR 29,02 beschlossen.
Die Eintragung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre in das Handelsregister erfolgte am 25.11.2013. Zu diesem Zeitpunkt wurden 426.770 Aktien der AG nicht von der Antragsgegnerin gehalten
Die Antragsteller und der Vertreter der außenstehenden Aktionäre wenden sich gegen die Angemessenheit der Abfindung. Der in der Hauptversammlung beschlossene Betrag je Aktie von EUR 29,02 sei keine angemessene Abfindung i. S. d. §§ 327a Abs. 1, 327b Abs. 1 AktG.
Die Antragstellerin und der Vertreter der aussenstehenden Aktionäre beanstanden die Parameter des Kapitalisierungszinses für die Abzinsung der künftigen Erträge. Sie halten den angesetzten Basiszins von 2,25 % und die Marktrisikoprämie nach Steuern von 5,5 % für zu hoch, den über eine peer-group ermittelten adjusted Beta-Faktor von 0,65 (unverschuldet) für unzutreffend. Die Zusammensetzung der peer-group sei nicht sachgerecht. Es hätte das eigene Beta verwendet werden müssen. Der Wachstumsabschlag von 1,5 % sei zu niedrig. Gegenüber der zugrunde liegenden Planung beanstanden sie, dass diese zu pessimistisch sei. Die Annahmen des Marktumfeldes seien unzutreffend. Risiken seien überschätzt, Chancen unterschätzt worden, insbesondere für Auslandmärkte. Die Rohertragsmarge sei entgegen der Planung angestiegen. Der Gewinn 2012 sei entgegen der Prognose gestiegen, was schon am Stichtag der Hauptversammlung erkennbar gewesen sei. Der geplante Gewinnrückgang in der ewigen Rente sei nicht nachvollziehbar. Der angesetzte Anstieg des Materialaufwands sei unplausibel. Eingeleitete Optimierungsmaßnahmen seien nicht berücksichtigt worden. Der angesetzten Abschreibungen und deren geplanter Anstieg sei unplausibel. Das angesetzte Beteiligungsergebnis und die sonstigen betrieblichen Erträge seien nicht nachvollziehbar. Eine erforderliche Wachstumsthesaurierung werde bestritten. Die angenommene Thesaurierung in der Phase II mit 50 % sei nicht sachgerecht, zudem spiegle sich diese angenommen Thesaurierung nicht im Zinsergebnis wieder.
Die Planung des nachhaltigen Ergebnisses mit Umsatzerlösen von fast 5 % unter dem letzten Detailplanjahr und einem Jahresüberschuss von fast 20 % unter dem Ergebnis des letzten Detailplanjahres seien nicht plausibel. Allein der im Bericht hierfür als Erklärung ausgeführte Magenrückgang im Osteuropageschäft könne dies nicht begründen, das dessen Anteil bescheiden sei. Die angenommene Ableitung eines nachhaltigen Forward-Wechselkurses auf der Grundlage von Risiko- und Inflationsdifferentialen sei unverständlich und lasse vermuten, dass hier die Berücksichtigung eines Länderrisikos erfolgt sei; das stelle jedoch eine Doppelberücksichtigung dar, da das Länderrisiko bereits bei der Planung der Umsätze und Margen berücksichtigt worden sei.
Wegen des Zeitraums von 6 Monaten zwischen Bekanntgabe des Ausschlussverlangens und der Hauptversammlung spiegle der durchschnittliche Börsenkurs vor dem Verlangen nicht den zutreffenden Wert wieder. Der Vorwerwerb von 1.508.462 Aktien (14,13 % des Grundkapitals) vom 22.6.2012 durch die Antragsgegnerin in Höhe von EUR 32,72 je Aktie müsse berücksichtigt werden, zumal dieser außerhalb der Börse erfolgt sei. Der Buchwert je Aktie von € unstreitig - EUR 34,08 liege noch über dem ermittelten Ertragswert, was nicht verständlich sei. Nicht betriebsnotwendiges Vermögen sei nicht ordnungsgemäß berücksichtigt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Antragsschriften, der Stellungnahme des Vertreters der außenstehenden Aktionäre vom 6.3.2014 (Bl. 1426 ff d. A.) sowie der ergänzenden Schriftsätze der Antragsteller und des Vertreters der außenstehenden Aktionäre Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegen getreten. Sie hält die Abfindung für angemessen.
Es gebe weder formelle noch materielle Bewertungsmängel. Die zur Bewertung herangezogene Ertragswertmethode sei sachgerecht. Die Höhe des bilanziellen Eigenkapitals führen nicht dazu, dass der Liquidationswert den Ertragswert übersteige, da hier Abwicklungs- und Sozialplankosten berücksichtigt werden müssten. Vorerwerbe seien nicht zu berücksichtigen.
Der Planung hätten realistische Annahmen für Umsatz und Ertrag zugrunde gelegen und aktuelle Entwicklungen seien berücksichtigt worden. Die Planung sei plausibel. Das Umsatz- und Entwicklungspotential insbesondere bei den osteuropäischen Ländern sei bei der Unternehmensplanung entsprechend berücksichtigt worden. Auf den osteuropäischen Märkten werde eine fortschreitende Regulierung der Arzneimittelmärkte erwarten, die mittel - bis langfristig dazu führen werde, dass die Margen und damit auch das Wachstumspotential sinken werde. Dies gelte insbesondere für den rumänischen Markt, auf dem AG aktiv sei. Ebenfalls seien die sonstigen betrieblichen Erträge nicht zu tief angesetzt worden. Auch der Materialaufwand sei plausibel geplant worden. Auch das nachhaltige Ergebnis (ewige Rente) sei zutreffend angesetzt worden. Dieses sei grundsätzlich in der jeweiligen Landeswährung geplant worden, die ihn EUR hätten umgerechnet werden müssen, wobei sachgerecht auf Forward-Wechselkurse abgestellt worden sei. Zwar treffe es zu dass WKGT bei der Ermittlung des nachhaltigen operativen Ergebnisses für den Zeitraum nach der Detailplanungsphase bis 2014/2015 zunächst eine Übergangsphase über einen Zeitraum von vier Jahren moduliert habe, um unterschiedliche Entwicklung im Auslandsgeschäft berücksichtigen zu können. Diese sei in Abstimmung mit der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Erwartung des Managements der AG geschehen.
Auch die angenommene Ausschüttungshypothese sei sachgerecht. Eine Doppelberücksichtigung durch die wachstumsbedingte Thesaurierung liege nicht vor. Unternehmens- und Ertragssteuern seien sachgerecht berücksichtigt worden. Die Zinsparameter der Abzinsung, der Betafaktor anhand der peer-group sowie der Wachstumsabschlag von 1,5 % seien zutreffend und sachgerecht ermittelt worden. Das nicht betriebsnotwendige Vermögen - hier nur ein Körperschaftsteuerguthaben - und der Wert der Beteiligung an der Syniq GmbH seien ordnungsgemäß und zutreffend ermittelt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragserwiderung vom 18.6.2013 (Bl. 683 ff d. A.) und den ergänzenden Schriftsatz vom 7.11.2013 (Bl. 906 ff d. A.) verwiesen.
II.
Die Anträge sind mit dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet.
Die beschlossene Barabfindung von EUR 29,02 ist auf EUR 32,72 je Aktie zu erhöhen.
Die Minderheitsaktionäre, deren Aktien auf die Antragsgegnerin übertragen wurden, haben nach §§ 327a Abs. 1 Satz 1, 327b Abs. 1 Satz 1 AktG einen Anspruch auf eine angemessene Barabfindung, die ihnen eine volle wirtschaftliche Kompensation für den Verlust ihrer Beteiligung an dem Unternehmen verschafft (BVerfG, ZIP 2007, 1261; BGH, ZIP 2005, 2107 OLG Stuttgart Beschl. v. 8.7.2011 € 20 W 14/08 € BeckRS 2011, 18552 m.w.Nachw.). Das Gericht hat aber nach § 327f Satz 2 AktG nur dann eine (neue) angemessene Barabfindung zu bestimmen, wenn die angebotene Abfindung unangemessen ist.
Unangemessen ist die angebotene Abfindung, wenn sie den übrigen Aktionären keine volle Entschädigung für den Verlust ihres Aktieneigentums bietet. Die angebotene Abfindung muss deshalb dem Verkehrswert entsprechen (BVerfGE 100, 289 €DAT/Altana€). Der Verkehrswert des Aktieneigentums ist vom Gericht im Wege der Schätzung entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO zu ermitteln (BGHZ 147, 108; €DAT/Altana€; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 - 21 W 7/11 -). Als Grundlage für diese Schätzung stehen dem Gericht fundamentalanalytische Wertermittlungsmethoden wie das Ertragswertverfahren ebenso zur Verfügung wie marktorientierte Methoden, etwa eine Orientierung an Börsenkursen. Das Verfassungsrecht als auch das allgemeine Recht gibt keine bestimmte Wertermittlungsmethode vor (vgl. BVerfG NZG 2011, 86; Telekom/T-Online€; BVerfGE 100, 289 €DAT/Altana€; OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.11.2011 - 21 W 7/11 € a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.10.2011 - 20 W 7/11 € BeckRS 2011, 24586 m.w.Nachw.). Die mit den unterschiedlichen Methoden ermittelten rechnerischen Ergebnisse geben aber nicht unmittelbar den Verkehrswert des Unternehmens bzw. den auf die einzelne Aktie bezogenen Wert der Beteiligung daran wieder, sondern bieten lediglich einen Anhaltspunkt für die Schätzung des Verkehrswerts entsprechend § 287 Abs. 2 ZPO. Mehr als ein Anhaltspunkt kann sich daraus schon deshalb nicht ergeben, weil die Wertermittlung nach den einzelnen Methoden mit zahlreichen prognostischen Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen verbunden ist, die jeweils nicht einem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich sind (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2010, 274). Dabei ist zu bedenken, dass zu zahlreichen Details in der Literatur und der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, so dass nicht nur die unterschiedlichen Methoden zu unterschiedlichen Werten führen, sondern auch die unterschiedliche Anwendung derselben Methode unterschiedliche Beträge ergeben kann.
Daher ist der Forderung im Rahmen des Spruchverfahrens müsse die Richtigkeit und nicht lediglich die Vertretbarkeit der Wertbemessung festgestellt werden (so Lochner AG 2011, 692, 693 f.) nicht zu folgen. Denn mit dieser eingeforderten Richtigkeitskontrolle wird etwas letztlich Unmögliches verlangt. Einen wahren, allein richtigen Unternehmenswert € nach der hier von einigen Antragstellern und der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Ertragswertmethode - gibt es bereits deshalb nicht, weil dieser von den zukünftigen Erträgen der Gesellschaft sowie einem in die Zukunft gerichteten Kapitalisierungszins abhängig ist und die zukünftige Entwicklung nicht mit Sicherheit vorhersehbar ist. Entsprechend führen die zahlreichen prognostischen Schätzungen und methodischen Einzelentscheidungen, die Grundlage jeder Unternehmensbewertung sind und zwingend sein müssen, im Ergebnis dazu, dass die Wertermittlung insgesamt keinem Richtigkeits-, sondern nur einem Vertretbarkeitsurteil zugänglich ist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Juli 2011 - 20 W 14/08 € AG 2011, 795).
Soweit gleichwohl in manchen € auch verfassungsgerichtlichen Entscheidungen (vgl. BVerfG Beschl v. 24.5.2012 € 1 BvR 3221/10 € BeckRS 2012, 55224 -) € von dem €richtigen€, €wahren€ oder €wirklichen Wert€ der Beteiligung die Rede ist, ist dies im Sinne einer Wertspanne zu verstehen, weil weder verfassungsrechtlich noch höchstrichterlich etwas gefordert wird, was tatsächlich unmöglich ist, nämlich einen einzelnen Unternehmenswert als allein zutreffend zu identifizieren. Dies wird in der vorgenannten Entscheidung letztlich dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Begriffe auch dort in Anführungszeichen gesetzt sind und mithin in modalisierender Funktion verwendet werden.
Der Wert eines Unternehmens lässt sich aus dem Nutzen ableiten, den das Unternehmen insbesondere aufgrund seiner zum Bewertungsstichtag vorhandenen materiellen Substanz, seiner Innovationskraft, seiner Produkte und Stellung am Markt, seiner inneren Organisation sowie seines Managements zukünftig unter Aufrechterhaltung der Unternehmenssubstanz erbringen kann.
Diese Erkenntnis ist bei der Beurteilung der vom Gericht für die eigene Schätzung heranzuziehenden Schätzgrundlagen zu berücksichtigen. Ausgangspunkt der gerichtlichen Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO ist nämlich die zur Grundlage der unternehmerischen Maßnahme durchgeführte, der Hauptversammlung vorgelegte und sodann von einem gerichtlich bestellten Prüfer untersuchte Wertbemessung der Antragsgegnerin. Die dort enthaltenen Prognosen, Parameter und Methoden sind im Regelfall vom Gericht zur eigenen Schätzung heranzuziehen, solange sie ihrerseits vertretbar sind und insgesamt zu einem angemessenen, d.h. zugleich nicht allein richtigen Abfindung führen (ähnlich BVerfG Beschl. v. 24.5.2012 € 1 BvR 3221/10 € BeckRS 2012, 55224 -; KG WM 2011, 1705).
Jedoch ist die gerichtliche Überprüfung stets das Ergebnis einer eigenen Schätzung des Gerichts. Dies beinhaltet aber ggf. auch eine abweichende eigenständige Schätzung des Gerichts etwa ausschließlich anhand des Börsenkurses oder anderer Methoden. Insoweit ist die gerichtliche Überprüfung nämlich stets das Ergebnis einer eigenen Schätzung des Gerichts, die sich nicht lediglich auf die Untersuchung der Vertretbarkeit der bei der Wertermittlung der Antragsgegnerin zur Anwendung gelangten, einzelnen Wertermittlungsmethoden und Einzelwerte zu beschränken hat, sondern insgesamt die Angemessenheit der gewährten Zahlung zu untersuchen hat (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011 € 21 W 7/11 € aaO). Dabei ist nicht der höchst mögliche Wert zu finden, sondern der angemessene. Den Grundsatz der Meistbegünstigung gibt es für die ausgeschiedenen abfindungsberechtigten Minderheitsaktionäre nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2011 - 21 W 7/11 € aaO mwN).
Im Rahmen der Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung im Spruchverfahren sind nämlich die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge jedoch durch das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere - letztlich ebenfalls nur vertretbare - Annahmen des Gerichts ersetzt werden (OLG Stuttgart, Beschluss v. 13.3.2010 € 20 W 9/08 -; AG 2007, 596, 597 f; AG 2007, 705, 706; NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425).
Zu berücksichtigen ist zudem weiter bei der Bewertung, dass sie nach ihren zu Grunde liegenden Erkenntnismöglichkeiten nicht in der Lage sein kann, mathematisch einen exakten oder €wahren€ Unternehmenswert am Stichtag festzustellen.
Nachdem auch das Ergebnis auf Grund der verschiedenen Ungenauigkeiten und subjektiver Einschätzungen der Bewerter (vgl. hierzu im Einzelnen Kammerbeschluss v. 13.3.2009 - 3-05 O 57/06 € ZIP 2009, 1322) letztlich nur eine Schätzung des Unternehmenswerts darstellt, müssen es die Verfahrensbeteiligten hinnehmen, dass eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung existiert (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 712, 714; BayObLG AG 2006, 41, 43) und das erkennende Gericht unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände (vgl. BGH NJW-RR 2002, 166, 167) hieraus einen Wert festsetzt.
Bei der Feststellung und Bewertung der erforderlichen Tatsachen, aus denen sich die Angemessenheit der Abfindung ergibt, hat sich das Gericht der ihm nach der Verfahrensordnung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu bedienen, soweit das nach den Umständen des zu entscheidenden Falles geboten ist. Soweit zu umstrittenen Bewertungsfaktoren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind, entscheidet das Gericht über Notwendigkeit, Art und Umfang einer Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen; hier ist außerdem § 287 Abs. 2 ZPO auch im Hinblick darauf anwendbar, dass jede Bewertung naturgemäß eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung € wobei zudem § 738 BGB als Grundnorm der Unternehmensbewertung selbst von Schätzung spricht - und keine punktgenaue Messung sein kann und dass deshalb Aufwand, Kosten und Dauer des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zum Erkenntnisgewinn liegen müssen (OLG Stuttgart AG 2006, 423 m. w. Nachw.). Das Gericht kann im Spruchverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen und insb. nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Erkenntnismöglichkeiten zur Ermittlung der Angemessenheit der Abfindung zurückgreifen.
Der Schutz der Minderheitsaktionäre erfordert es daher nicht, im Spruchverfahren grundsätzlich neben dem gerichtlich bestellten Prüfer einen weiteren Sachverständigen heranzuziehen. Die Einschaltung eines vom Gericht im Vorfeld der Maßnahme bestellten Prüfers soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner dienen, indem der Übertragungsbericht einer sachkundigen Plausibilitätskontrolle unterworfen wird. Gerade die Angemessenheit der Abfindung ist Gegenstand dieses präventiven Aktionärsschutzes.
Die Kammer hält bei der gegebenen Sachlage € wie sie sich zwar schon schriftsätzlich aber insbesondere in der intensiven Erörterung mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung herauskristallisiert hat - es vorliegend für sachgerecht, die Angemessenheit der Abfindung an dem von der Antragsgegnerin am 22.6.2012 gezahlten Vorerwerbspreis zu orientieren.
Der Untersuchungsgrundsatz (§§ 26 ff FamFG) gebietet es vorliegend nicht ein Sachverständigengutachten erstellen zu lassen. Bei der pflichtgemäßen Ermessensausübung ist auch der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen; im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass der damit verbundene Aufwand ein entsprechendes Mehr an Zuverlässigkeit der Aussage des Sachverständigen geschaffen hätte.
Das Gericht sieht keinen weiteren Erkenntnisgewinn darin, wenn die von einigen Antragstellern und vom Vertreter der aussenstehenden Aktionäre gewünschte Neubegutachtung der AG durchgeführt würde. Der Sachverständige müsste selbst die Planung vornehmen und ein Ergebnis herleiten.
Angesichts der Gesamtumstände hält die Kammer hier im konkreten Fall die bislang vom Bewertungsgutachter und Prüferin zugrunde gelegte Ertragswertmethode nicht für geeignet, zu einer angemessen € nicht der höchst möglichen € Abfindung zu gelangen.
Gerade das vorliegende Verfahren zeigt, dass eine fundamentanalytische Ermittlung anhand der Ertragswertmethode unter bestimmten Umständen gegenüber der marktorientierten Ermittlung nicht vorzugswürdig ist.
Nach der Ertragswertmethode sind die den Aktionären künftig zufließenden Erträge des Unternehmens zu schätzen und jeweils mit dem Kapitalisierungszinssatz abzuzinsen sowie um Sonderwerte zu ergänzen.
Zu der Problematik der Verwendung der Ertragswertmethode bei der Ermittlung eines Unternehmenswertes hat die Kammer bereits in ihren Beschlüssen vom 13.03.2009 - 3-5 O 57/06 € (BeckRS 2009, 08422; zustimmend Welf Müller, Festschrift f. G. H. Roth, S. 517, 518) und 27.1.2012 € 3-05 O 102/05 - ausgeführt:
€Die Ertragswertmethode gibt zwar ein (komplexes) mathematisches Modell vor, doch wird hier angesichts der der Ungenauigkeiten und des wissenschaftlichen Streits zu den einzelnen Abzinsungsparametern mit einer Scheingenauigkeit gearbeitet, die sie gegenüber der kapitalmarktorientierten Ermittlung des Wertes eines Unternehmens(anteils) nicht überlegen macht.
Die erste Ungenauigkeit liegt zunächst darin, dass in der Regel die Prognosen künftiger Erträge ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen sind. Diese Entscheidungen haben zwar auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, kann diese Planung nicht durch andere - letztlich ebenfalls nur vertretbare - Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. Kammerbeschluss vom 13.11.2007 € 3-05 O 174/04 m. w. Nachw.). Problematisch ist dabei auch, inwieweit letztlich im Spruchverfahren überhaupt die tatsächliche Entwicklung nach dem Stichtag zur Frage der Plausibilität der Planung herangezogen werden kann (vgl. BayObLG AG 2002, 390; LG Dortmund AG 1998, 142, Großfeld a.a.O. S. 77).
Bei der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren wird weiter überwiegend auf einen vom IDW- einer privaten Organisation der Wirtschaftsprüfer, dort der Facharbeitskreis Unternehmensbewertung (FAUB, früher AKU) - entwickelten Standard Bezug genommen. Selbst wenn man die Bedenken dagegen hinten anstehen lässt, dass trotz der kritischen Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre diese Organisation festlegt, was der aktuelle Standard der zutreffenden Unternehmensbewertung sein soll, wurde dieser Standard (IDW S 1) in den letzten Jahre doch mehrfach abgeändert (S1 2000, S1 Oktober 2005, S1 April 2008) wobei jeweils zuvor Entwürfe vorgestellt wurden, die in Fachkreisen diskutiert wurden, was teilweise zu Änderungen in den endgültig verabschiedeten Standards geführt hat. Hier stellt sich in allen Fällen die Frage, inwieweit eine Änderung des Standards, die nach dem Stichtag der Bewertung erfolgte, im späteren gerichtlichen Verfahren Anwendung finden soll. Die Gerichte haben die Frage bisher unterschiedlich beantwortet, eine einheitliche Linie fehlt (vgl. hierzu OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 116; OLG Karlsruhe Beschluss vom 16.07.2008 - 12 W 16/02 - BeckRS 2008 18939 jew. m. w. Nachw.) Auch die Literatur ist hier gespalten (vgl. hierzu Bungert WPg 2008, 811; Hüttemann WPg 2008, 822; Wagner/Saur/Willershausen WPg 2008, 731, Großfeld a.a.O. S. 49 ff jeweils mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und Literatur). In vielen Fällen führt aber die Anwendung der verschiedenen Standards bei gleichem prognostiziertem Ertrag zu nicht unbeträchtlich unterschiedlichen Unternehmens- und Anteilswerten. Wen die Frage der Anwendung eines bestimmten Standards auch letztlich eine Rechtsfrage ist, die von den Gerichten zu beantworten ist, zeigt dies dennoch, dass hier eine gewisse Beliebigkeit der Bewertung innewohnt.
In der betriebswirtschaftlichen Literatur ist auch die Frage, ob mit oder ohne persönliche Ertragsteuern zu rechnen ist, im Streit (vgl. hierzu OLG Stuttgart Beschluss vom 19.03.2008 - 20 W 3/06 - BeckRS 2008 12675; Großfeld/Merkelbach NZG 2008, 241, 245 jew. m.w.Nachw.). Zwar wird nach allen Standards IDW S 1 bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen die sogenannte Nachsteuerbetrachtung vorgenommen, d.h. persönliche Ertragsteuern werden berücksichtigt, doch ist dies in der Literatur und neuere Rechtsprechung nicht unumstritten (vgl. Jonas WPG 2008, 826; Großfeld a.a.O. S. 109 ff), zumal es sich bei der Berücksichtigung der persönlichen Ertragssteuern um eine weitgehend nur in Deutschland verwandten Methode handelt, während ansonsten im internationalen Bereich dies weit überwiegend nicht berücksichtigt wird (vgl. Nicklas €Vergleich nationaler und internationaler Standards der Unternehmensbewertung€, Diss. Chemnitz 2008, S. 96 ff; Barthel DStR 2007, 83 jew. m.w.Nachw.). Selbst wenn man die Berücksichtigung persönlicher Ertragssteuern aufgrund der besonderen deutschen Verhältnisse für grundsätzlich angemessen halten würde, ist jedoch fraglich, ob der aufgrund einer über 10 Jahre alten Ermittlungen, deren Empirie unklar ist (vgl. Großfeld a.a.O. S. 113 m.w.Nachw.), angesetzten pauschalierten Steuersatz von 35% (vgl. hierzu im Einzelnen Kammerbeschluss 13.11..2007 € 3-05 O 174/04 € BeckRS 2088, 19899; WP-Handbuch 2008 Bd. II S. 69 ff) vom überhaupt noch der steuerlichen Wirklichkeit entspricht, nachdem in diesem Zeitraum mehrfach sich die Steuersätze und die Besteuerungsansätze von Erträgen aus gesellschaftlichen Kapitalbeteiligungen geändert haben (Anrechnungsverfahren, Halbeinkünfteverfahren, Anrechnungsteuer mit Besteuerung von Kursgewinnen in allen Fällen - hierzu auch OLG Stuttgart Beschluss vom 19.03.2008 - 20 W 3/06 - BeckRS 2008 12675; Wegener DStR 2008, 935; Zeidler/Schöniger/Tschöpel FB 2008, 276; jew. m.w.Nachw.).
Noch problematischer sind die Fragen zur Kapitalisierung (hierzu ausführlich: Munkert, Der Kapitalisierungszins in der Unternehmensbewertung; Großfeld a.a.O. S. 145 ff ).
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Daneben sind weiter alle Parameter des Zinssatzes problematisch und in der betriebswirtschaftlichen Literatur im Streit (vgl. hierzu Reuter AG 2007, 1; Jonas WPg 2007, 835; Widmann/Schieszl/Jeromin FB 2003, 800 jew. m. w. Nachw.).
Am einfachsten verhält es sich noch mit dem sog. Basiszins, der nach der Empfehlung des Arbeitskreises Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer - AKU - (IDW-Fachnachrichten 2005, 555, s. a. Kniest, Bewertungspraktiker Beilage Finanzbetrieb Oktober-Dezember 2005, S. 9 ff.; kritisch hierzu: Obermaier FB 2008, 493; Reese/Wiese ZBB 2007, 38) und der in der in der Rechtsprechung häufig akzeptierten, aber letztlich nicht einhellig angenommenen Methode (vgl. hierzu OLG Stuttgart AG 2007, 128 m.w.Nachw.; Kammerbeschluss vom 2.5.2006 -3-05 O 153/04- AG 2007, 42; Großfeld a.a.O. S. 160) mittels täglich veröffentlichte Daten der Bundesbank zur Zinsstrukturkurve ermittelt werden soll (kritisch hierzu: Knoll WiSt 2006, 525 m.w.Nachw.). Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, inwieweit die hierbei gemachte theoretische Annahme einer abschätzbaren Zinsstruktur auf die weite Zukunft möglich ist, bleibt jedenfalls unklar, ob nur die Daten des konkreten Stichtags anzusetzen sind, oder einer Durchschnittsbildung über eines gewissen Zeitraums vorher sachgerecht wäre (vgl. hierzu auch Großfeld/Merkelbach NZG 2008, 241, 243) woher hier nach den Beobachtungen der Kammer in Gutachten und Prüfberichten (überwiegend ohne Offenlegung) drei Monatsdatensätze, teilweise 90 Tagesdaten angesetzt werden, teilweise aber auch nur bis zu 74 Datensätze, da die Bundesbank an Samstagen und Sonntagen keine Daten veröffentlicht. Allein diese Diskrepanz hat schon in Verfahren vor der Kammer zu Abweichungen von bis zu 0,2 % geführt, was ggf. auch Auswirkungen auf die dann entsprechend der Empfehlung der AKU (jetzt FAUB, IDW Fachnachrichten 2006, 581) vorzunehmenden Rundungen (zur Problematik: Kammerbeschluss vom 2.5.2006 -3-05 O 153/04 - AG 2007, 42; Großfeld/Merkelbach NZG 2008, 241, 243) hat und zu nicht unerheblichen Änderungen des Abzinsungsfaktors führt.
Am problematischsten und am umstrittensten ist die Ermittlung des sog. Risikozuschlags, der sich nach den Standards S1 aus der sog. Marktrisikoprämie und einem unternehmensindividuellen sog. Beta-Faktor ergeben soll (CAPM bzw. Tax-CAPM)
Bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie wird versucht, aus den Verhältnissen am Aktienmarkt die von den Anlegern geforderte Überrendite gegenüber sicheren Gläubigerpapieren abzuleiten, betrachtet also im Marktprozess realisierte Bewertungsergebnisse ohne Rekurs auf individuelle Risikopräferenzen (vgl. Stehle WPg 2004, 906).
Groß und in gewisser Weise beliebig ist die Zahl der dabei auftretenden Freiräume. Zunächst kann diese Prämie auf der Basis historischer Kurse oder aktueller Markterwartungen ermittelt werden. In der vorwiegend angewandten ersten Alternative kann es über die Festlegung eines bestimmten Untersuchungszeitraums und der verglichenen Indizes, der (Nicht)Berücksichtigung von Performancekomponenten und steuerlichen Aspekten sowie die Frage der Methode rechnerische Mittelung (arithmetisch oder geometrisch) zu erheblichen Unterschieden in der ermittelten Prämie kommen (vgl. z.B. OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 117; Knoll DStR 2007, 1053; ders. ZSteu 2006, 463; Großfeld a.a.O: S. 173 ff jew. mit weiteren Nachw. zum Streitstand).
Einzelne Gerichte haben daher einen pauschalen Zuschlag (vgl. BayObLG NZG 2006, 156, 159; OLG München AG 2007, 411; AG 2008, 37; LG Dortmund AG 2007, 792) für angemessen erachtet, während die Kammer € jedenfalls in Fällen der Ermittlung der Abfindung beim Ausschluss von Minderheitsaktionären nach § 327a AktG - hier den Risikozuschlag mit einer Modifizierung des sog. dividend discount models € zu erfassen versucht hat (vgl. z.B. Kammerbeschlüsse vom 13.11.2007 -3-05 O 174/04 € a.a.O.; v. 13.6.2006- 3-05 O 110/04 € NZG 2006, 868-). Dabei ist sich die Kammer bewusst, dass sie herbei selbst auf Kapitalmarktaten abstellt, was in gewisse Weise den Anschein eins Zirkelschlusses erweckt (näher hierzu Kammerbeschluss v. 13.11.2007 -3-05 O 174/04 € a.a.O.; zur Kritik z.B. Wp-Handbuch 2008 Bd. II S. 171 f; vgl. grundsätzlich hierzu auch Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2.Aufl.S. 101 f; Großfeld a.a.O. S. 262 f ).
Für die Marktrisikoprämie gelangen daher die zahlreich vorliegenden Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Diese hängen - abgesehen von dem untersuchten Wirtschaftsraum - unter anderem davon ab, welcher Zeitraum für den Renditevergleich gewählt und auf welche Art der Mittelwert gebildet wird (vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2.Aufl., S. 95 ff m. w. Nachw.). Es ergibt sich ein €vielfältiges Bild€ und eine beträchtliche Streubreite der ermittelten Marktrisikoprämien (vgl. Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 5. Aufl. S. 254 - 7 Studien, MRP 2,66%-8,2%; Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 97-12 Studien, MRP 1,2%-10,4%). Den Zweifeln daran, ob die in der Vergangenheit beobachteten Marktrisikoprämien auch in Zukunft erzielt werden können, soll durch einen (nicht näher begründeten) pauschalen Abschlag von 1-1,5% von der Nach-Steuer-Risikoprämie Rechnung getragen werden (vgl. Drukarczyk/Schüler S. 257). Der Arbeitskreis Unternehmensbewertung des IDW (FAUB/AKU) hat zunächst eine Marktrisikoprämie von 4%-6% (vor Steuern) empfohlen. Nunmehr sieht er eine Marktrisikoprämie vor Steuern von 4%-5% als sachgerecht an, die für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2004 herangezogen werden soll (vgl. Drukarczyk/Schüler S. 257; Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel WPg 2006, 1005/ 1019); Ballwieser/Kruschwitz/Löffler WPg 2007, 765/768).
Dem weiteren Element des Risikozuschlags, dem Beta-Faktor kommt ebenfalls eine erhebliche Hebelwirkung zu (vgl. OLG Düsseldorf Beschluss vom 07.05.2008 - 26 W 16/06 AktE - BeckRS 2008 17151), da mit ihm die angenommene Marktrisikoprämie multipliziert wird. Dabei drückt der Betafaktor die zukünftige Korrelation der Renditeschwankung der Aktie des zu bewertenden Unternehmens zur Marktrenditeschwankung aus. Wenn das Risiko der Anlage in dem konkret zu bewertenden Unternehmen dem Marktdurchschnitt entspricht, ist der Betafaktor 1. Ist das Risiko geringer, so liegt er unter 1, und wenn das Risiko größer ist, so liegt er über 1 (Großfeld, a.a.O. S. 210 ff.). Als Anhaltspunkt für das Risiko einer Geldanlage in einem börsennotierten Unternehmen, dient die Volatilität der Aktie, wobei die Marktvolatilität das Durchschnittsrisiko aller Unternehmen im jeweiligen Index ist (Betafaktor = 1). Schwankt die Aktie über dem Durchschnitt der Marktvolatilität in dem Index, so liegt der Betafaktor über 1.
Hier sind die Beliebigkeiten noch deutlicher, insbesondere bei faktischen und Vertragskonzernen (vgl. hierzu Brüchle/Erhardt/Nowak ZfB 2008, 455).
Auch die Ermittlung des Beta-Faktors unterliegt, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, beträchtlichen Ermessensspielräumen (vgl.Großfeld a.a.O. S. 212; Großfeld/Stöver BB 2004, 2799). Denn er kann insbesondere durch die Wahl der Messperiode (z. B. 250 Tage, 52 Wochen, 60 Monate), des Intervalls zur Bestimmung der Rendite (Tages-, Wochen- oder Monatsrendite) und des Vergleichsindex in erheblichem Maße beeinflusst werden.
Schon die bloße Wahl der Dauer der der Messperiode und der Indices führt zu nicht unerheblichen Veränderungen, wie von Antragsteller eingeholten Gutachtens IVC v. 22.8.2007 (dort S. 6) sowie die von der Kammer eingeholte Stellungnahme des Verschmelzungsprüfers vom 22.9.2008 (dort Bl. 24) zeigt. Abhängig von Beobachtungszeitraum und Index sind hier von IVC Beta-Verhältnisse von T-O und DT zwischen 72,8 % und 165,2 % ermittelt worden. Mit den vorliegenden Zahlen könnten folglich - ausgehend von der von der im Verschmelzungsbericht angesetzten Marktrisikoprämie von 5,5 % für die T-O Risikozuschläge zwischen 3,35 % und 5,66 % und für die DT (bei gleichen Beobachtungsparametern) von 5,5 % und 4,12 % begründet werden. Auch nach der Ermittlung des Verschmelzungsprüfers ändern sich die Verhältnisse der Betafaktoren abhängig vom gewählten Beobachtungszeitraum. Auch hier ausgehend von einer Marktrisikoprämie von 5,5 % ergeben sich bei gleichen Beobachtungszeiträumen mit Index DAX und wöchentlicher Periodizität Risikozuschläge für die T-O von 4,51 % bis 6,10 % und für die DT von 4,01 % bis 4,73 %.
Für die verschiedenen Erhebungszeiträume können jeweils durchaus nachvollziehbare sachliche Gründe angeführt werden, obwohl es nach Kenntnis der Kammer keine wissenschaftlichen Studien über die Angemessenheit des Zeitraums verfügbar sind. Für den bei der Bewertung herangezogenen längeren Zeitraum von 30.4.2000 bis 30.9.2004 könnte sprechen, dass durch umfangreicheres Datenmaterial stabilere Werte ermittelt werden können.
Die geschilderten Betafaktoren sind jedoch Vergangenheit. Die Unternehmensbewertung zielt aber auf Zukunft; das gilt ebenfalls für den Betafaktor. Daher zählen an sich die künftige Marktrendite und die künftigen Volatilitäten, was für einen kürzeren Beobachtungszeitraum sprechen könnte (vgl. Großfeld a.a.O. S. 212 ff).
Durch seine Entscheidung, welche Ausgangsdaten er für die Ermittlung des Beta-Faktors im konkreten Fall für sachgerecht erachtet, nimmt der Bewerter folglich zugleich Einfluss auf das Ergebnis, so dass letztlich auch hier die Bestimmung des Risikozuschlags von seinem sachverständigen (beliebigen) Ermessen abhängt. (vgl. OLG München Beschluss vom 02.04.2008 - 31 Wx 85/06 - BeckRS 2008 11182; Großfeld a.a.O. S. 219).
Auch die Annahme und die Größe eines sog. Wachstumsabschlags sind nicht unumstritten (vgl. Großfeld a.a.O. S. 267 ff; Großfeld/Merkelbach NZG 2008, 241, 245; Hansen/Knoll ZSteu 2005, 256; Knoll/Sedlacek ZSteu 2008, 135 m. WP Handbuch 2008 Bd. II S. 75 ff, 113 ff jew. m.w.Nachw.).
Der Wachstumsabschlag (vgl. dazu BGH, NJW 2003, 3272, 3273; BayObLG NZG 2006, 156, 159; 68; Riegger, KölnKomm, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 23; Großfeld a.a.O. S. 267) hat die Funktion, in der Phase der ewigen Rente die zu erwartenden Veränderungen der Überschüsse abzubilden, die bei der nominalen Betrachtung im Ausgangspunkt gleich bleibend aus dem letzten Planjahr abgeleitet werden). Mit dem Abschlag soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Geldentwertung in einem Unternehmen besser aufgefangen werden kann als bei der Kapitalanlage in festverzinslichen Wertpapieren (OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 118), wobei sich die Frage stellt, ob ein Abschlag unterhalb der Inflationsrate angebracht sein kann (vgl. hierzu Schüler, Referat auf dem IACVA Symposium in der Rechtsprechung in Frankfurt/M. am 18.11.2008). Neuerdings wird aber die Annahme eines Wachstumsabschlags bei Wertbeitrag aus Thesaurierungen in Abrede gestellt (Schöniger, Referat auf dem IACVA Symposium in der Rechtsprechung in Frankfurt/M. am 18.11.2008).€
An diesem Befund hat sich seitdem nichts Wesentliches geändert und zeigt sich im vorliegenden Verfahren besonders deutlich.
Ob vorliegend die Planung hinreichend plausibel ist, insbesondere im Hinblick auf dem erheblichen Einbruch in der sog. ewigen Rente ist für die Kammer weder durch die Stellungnahme von WKGT, den Prüfbericht, die ergänzende Stellungnahme der Prüferin noch die Erläuterung in der mündlichen Verhandlung durch die Antragsgegnerin feststellbar, zumal dieser Einbruch im Wesentlichen mit dem Osteuropageschäft, insbesondere Rumänien begründet wird mit den dort zu erwartenden Reglementierung des Marktes, die allerdings schon seit 2009 begannen. Dies ist jedoch angesichts eines Umsatzanteils von ca. 17 % - im Zeitraum der ewigen Rente nur schwer nachvollziehbar, wobei auch die vorgenommene Währungsumrechnung zu Forwardkursen, deren Grundlagen nicht offen gelegt sind, für das Gericht sachlich nicht nachvollziehbar und überprüfbar ist. Zudem erscheint der von Antragstellerseite in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand, dass angesichts des bei der Umrechnung in Forwardkurse - nach Angaben der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung - zu berücksichtigen Wertverlustes der rumänischen Währung zumindest auch ein inflationsgetriebenes Umsatzwachstum auf diesem Markt zu beobachten sein müsste, nicht unplausibel. Angesichts des im Vergleich zum letzten konkreten Planjahr in der ewigen Rente geplanten signifikanten Umsatz- und Gewinnrückganges stellt sich angesichts dessen ohnehin die Frage, ob der für ein die Annahme einer ewigen Rente ein eingeschwungene Zustand überhaupt schon erreicht ist, d.h. das übliche Modell der Ertragswertermittlung überhaupt sachgerecht hier Anwendung finden kann. In diesem üblichen Modell wird regelmäßig das letzte Planjahr bzw. ein Durchschnitt der konkreten Planjahre fortgeschrieben (vgl. Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 5. Aufl. S. 309, OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.12.2010, 5 W 51/10; OLG München Beschl. v. 31.3.2008 € 31 Wx 88/86 -). Würde man dies vorliegend nämlich ansetzen, würde sich in beiden Fällen schon eine beträchtliche Erhöhung des Unternehmens- und Anteilswerts (über 25 %) selbst unter Beibelassung aller anderen Parameter ergeben.
Aber auch von diesen anderen Parametern sind jedenfalls die, die vorliegend zur Ermittlung des Risikozuschlags verwendet wurden, sehr problematisch. Es ist fraglich, ob allein der Hinweis auf die Finanzkrise und den damit einhergehenden Verfall des Zinssatzes beim Basiszins es rechtfertigt, wie es der FAUB mit seiner Empfehlung vom 19.9. 2012 getan hat, und dem die Bewertungsgutachterin und die Prüferin hier gefolgt sind, die Marktrisikoprämie nach Steuern um 1% anzuheben. Zwar mögen aktuelle Befunde dies stützen (vgl. Wagner et al. WpG 2013, 950), doch stützt sich diese Beobachtung nur auf einen kurzen Zeitraum seit Beginn der Finanzkrise. Angesichts dessen, dass der früheren Empfehlung für eine Marktrisikoprämie von 4,5 % n Steuern die Studie von Stehle zugrunde lag, die einen sehr langen Zeitraum erfasste, ist doch fraglich ob eine kurzfristige Beobachtung eines Krisenszenarios eine Änderung rechtfertigt, zumal es im Rahmen von Unternehmensbewertung im Ertragswertverfahren bei gesetzlichen Strukturmaßnahmen um die Abzinsung einer von den betroffenen Aktionären an sich zustehenden Rendite für die Zukunft geht und regelmäßig hier von einer unendlichen Lebensdauer des Unternehmens ausgegangen wird.
Zur Untersuchung der historischen Marktrisikoprämie existiert eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien. Die für den Deutschen Markt wohl bekannteste Studie und gleichzeitig eine in Bezug auf den Untersuchungszeitraum der umfangreichsten stammt von Prof. Stehle, der den Zeitraum 1955-2003 analysiert hat. Generell ergeben sich bei der Ableitung künftiger Risikoprämien auf der Basis historischer Risikoprämien Schätzprobleme, da das Marktportfolio und der risikofreie Basiszins durch Indizes (z.B. DAX, CDAX, REX-P) oder einen beobachtbaren Zins (z.B. Rendite von Bundesanleiten) nur angenähert werden können. Ein Kritikpunkt an der Stehle-Studie ist, dass die von ihm ermittelte Marktrisikoprämie tendenziell überschätzt wird, da der REX-P Wertpapiere mit einer durchschnittlichen Laufzeit von lediglich rd. 6 Jahren enthält. Dennoch liefert die Stehle-Studie im Ergebnis rechnerisch nachprüfbare Resultate, da das der Untersuchung zugrunde liegende Datenmaterial verfügbar ist und wurde überwiegend von den Gerichten in der Vergangenheit auch zur Schätzung der Marktrisikoprämie für heranziehbar gehalten.
Es stellt sich die Frage, ob vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise überhaupt eine neue Marktrisikoprämie zu ermitteln ist. Die von Stehle untersuchte Zeitspanne von 1955-2003, die Grundlage für die Ermittlung der Marktrisikoprämie i.H.v. 4-5 % vor persönlichen Steuern ist, umfasst mehrere volkswirtschaftliche Zyklen, d.h. sowohl Phasen wirtschaftlichen Aufschwungs als auch Krisenphasen. Unter der Prämisse, dass die Finanzmarktkrise nur einen vergleichsweise kurzfristigen wirtschaftlichen Abschwung darstellt, müßte diese bereits in die Marktrisikoprämie eingepreist sein. Die Marktrisikoprämie i.H.v. 4-5 nach persönlichen Steuern wäre nur dann zu hinterfragen, wenn es sich um eine schwere und lange Wirtschaftskrise handeln sollte.
Ein Nachvollzug der Erhöhung der Marktrisikoprämie um ein 1 % nicht möglich. Das der Anpassung zugrunde liegende Datenmaterial oder eine Arithmetik zur Überleitung der alten zur neuen Empfehlung hat der FAUB nicht veröffentlicht oder in anderer Weise transparent gemacht.
Die von Antragsgegnerseite in der mündlichen Verhandlung gegeben Erläuterung für die Erhöhung der Marktrisikoprämie € Beobachtung der Erhöhung des internen Bankenzinssatzes im maßgeblichen Zeitraum € ist für das Gericht nicht recht nachvollziehbar ist, da nicht erkennbar ist, warum dass (ggf. berechtigte) Misstrauen der Banken untereinander in der Finanzkrise Auswirkungen auf die vom Anleger erwartete Risikoprämie bei Anlagen am Aktienmarkt in andere als Bankaktien haben soll und nach Ansicht der Kammer angesichts der Zins- und Börsenindexentwicklung seitdem eher dafür spricht, dass im Hinblick auf die geringen Zinsen bei Anleihen niedrige Risikoprämien bei Anlagen im Aktienmarkt akzeptiert werden, um überhaupt eine Rendite am Kapitalmarkt erzielen zu können.
Würde man es daher bei der bislang von der Kammer und anderen Gerichten noch als angebrachten Marktrisikoprämie von 4,5 % nach Steuern belassen, führte dies entsprechend den Darlegung der Prüferin in ihrer ergänzenden Stellungnahme unabhängig von Änderung sonstiger Parameter der Bewertung zu einer Abfindung von über EUR 40,-- je Aktie.
Nimmt man hinzu, dass auch die hier vorgenommene Verwendung von Adjusted Betafaktoren der peer group in der Wissenschaft umstritten ist, der verwendete Beobachtungszeitraum von 5 Jahren angesichts einer Bewertung für die Zukunft nicht unproblematisch ist und auch die Begründung, dass der eigene Beta-Faktor der AG für diesen Zeitraum (der sich nach den unwidersprochenen gebliebenen Angaben von Antragstellern um 0,3 bewegt haben soll) nicht das unternehmensspezifische Risiko der AG abbilde, was ohne nähere Erläuterung nicht nachvollziehbar ist, und es nicht um das Risiko einer äquivalenten Alternativinvestition (so aber Stellungnahme WKGT S. 49), sondern um das konkrete Risiko der der AG geht, wird deutlich, dass sich hier nur durch die Verwendung anderer Parameter zur Ermittlung des Risikozuschlags bei Verwendung der oben dargelegten Erhöhung des Unternehmenswertes durch die übliche Ermittlung der ewigen Rente ohne weiteres ein Anteilswert von erheblich über EUR 50,-- ergäbe (vgl. die Aufstellung auf S. 58 des Prüfberichts) d.h. ca. dem Doppelten des maßgeblichen durchschnittlichen Börsenkurses von EUR 28,56 zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Maßnahme am 25.6.2012 (vgl. BGH Beschluss v. 19.7.2010 € II ZB 18/09 € NJW 2010, 2657).
Ein derartige Marktversagen, bei dem der Markt nur die Hälfte des tatsächlichen Wertes einer Aktie erkennt, kann aber nicht ohne weitre Umstände, für die es keine Anhaltspunkte gibt, nicht angenommen werden, zumal jedenfalls in den letzten 3 Jahren vor Bekanntgabe der Maßnahme am 25.6.2012 der Aktienkurs der AG die nun festgesetzte Abfindung in keinen Fall überstieg, wobei auch in der mündlichen Verhandlung von Antragstellerseite die Auffassung vertreten wurde, dass die AG bereits in der Vergangenheit zu hohe unberechtigte Thesaurierungen vorgenommen habe. Derartige Thesaurierungen müssten aber an sich zu höheren Börsenkursen führen.
Auch die von der Prüferin vorgenommene Plausibilisierung anhand von Multiples (S. 57 des Prüfberichts) spricht gegen ein derartiges Marktversagen, da sich danach auch ein entsprechender Unternehmenswert ermitteln ließe.
All dies macht deutlich, dass in vorliegenden konkreten Fall angesichts der besonderen Umstände eine Ermittlung der angemessen Abfindung anhand des Ertragswertes nicht sachgerecht wäre, so dass es trotz der dargelegten Bedenken es der Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zur Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren nicht bedarf.
Die angemessene Abfindung kann hier daher anders als in vielen sonst vor der Kammer durchgeführten Spruchverfahren (vgl. zuletzt Beschluss vom 27.5.2014 € 3-05 O 34/13 - BeckRS 2014, 12643) nicht anhand des Ertragswertes geschätzt werden, sondern muss auf andere Umstände zurückgreifen.
Hier bietet es sich an, für die Angemessenheit auf den Vorerwerb der Antragsgegnerin vom 22.6.2012 zu einem Preis EUR 32,72 abzustellen.
Grundsätzlich stellt nämlich die Rechtsordnung für den Wert auf den Marktpreis ab. In er Marktwirtschaft ist der Marktpreis maßgeblich für die Lösung von Rechtsfragen, bei denen es um Wert und Bewertung geht (vgl. Busse von Coelbe ZGR 1994, 595; Götz DB 1996, 259 So bemisst sich schon aufgrund gesetzlicher Entscheidung etwa der Wert verkaufter Gegenstände, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, nach diesem (vgl. §§ 385, 1221, 1235 Abs. 2, 1295 BGB, § 376 Abs. 2 und 3 HGB). Auch das Aktienrecht knüpft selbst im Zusammenhang mit einem zulässigen Bezugsrechtsausschluss in § 186 Abs. 3 S. 4 AktG an den auf dem Markt erzielbaren Preis an.
Die Kammer verkennt nicht, dass bislang in der Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2010, 2657 OLG Frankfurt am Main 24.11.2011 - 21 W 7/11 € ZIP 2012, 124; 21.12.2010 - 5 W 15/10 € BeckRS 2011, 03054) ein Abstellen auf Vorerwerbe abgelehnt wurde. Allen Entscheidungen ist jedoch gemeinsam, dass hier nur eine Verpflichtung der Gerichte verneint wurde, dies € gewissermaßen als Mindestabfindungshöhe zu berücksichtigen, es wird aber nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall sich die angemessene Abfindung daran orientieren kann. So führt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 21.12.2010 € aaO € aus:
€Eine andere Frage ist zwar, ob ein gezahlter Vorerwerbspreis im Einzelfall einen Anhalt für den Wert des Unternehmens bieten kann (vgl. zu dieser Vermutungsmöglichkeit z.B. die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen BTDrucks 14/7034 S. 87). Dies ist jedenfalls vorliegend jedoch nicht der Fall.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die getätigten Vorerwerbe wenngleich nicht zur Erreichung eines bestimmten Quorums erforderlich, so doch offensichtlich Teil einer verfolgten Gesamtstrategie der Antragsgegnerin gewesen sind. Überdies weichen die gezahlten, wenig aussagekräftigen Preise stark voneinander ab. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin im Übertragungsbericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der volumengewichtete Vorerwerbspreis bei nur 0,51 € und damit unter dem ermittelten anteiligen Ertragswert von 0,99 € lag (Übertragungsbericht S. 66). Schließlich ist die Wertangabe, soweit es den Aktienerwerb der S1. AG anbelangt, schon deshalb nicht aussagekräftig, weil es sich nicht um einen in bar entrichteten Preis, sondern um einen in Aktien der S1. AG gezahlten Preis handelte (vgl. Übertragungsbericht S. 24), der offensichtlich eigenen Regeln unterlag und nicht zuletzt auch von der Bewertung der Aktien der Muttergesellschaft abhängig gewesen ist. Ein derartiger Preis eignet sich aber regelmäßig nicht dafür, den ermittelten Ertragswert einer überzeugenden Plausibilisierung zu unterziehen.€
Vorliegend verhält es sich jedoch anders. Hier wurde ein Preis pro Aktie gezahlt, der über dem von der Antragsgegnerin ermittelten Ertragswert lag und sich in der Nähe des Buchwertes von EUR 34,08 lag, von dem jedoch € wie in der mündlichen Verhandlung erörtert € als stille Belastung die beträchtlichen Mitarbeiterabfindungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen bei etwaiger Liquidation in Abzug zu bringen ist. Auch hat die Antragsgegnerin diesen Aktienvorerwerb zu diesem Preis nicht von einer Person sondern von mehreren getätigt, so dass schon dies gegen einen sogenannten Paketzuschlag spricht. Aber selbst wenn man hier einen Zuschlag annehmen wollte, weil die Antragsgegnerin durch diesen Erwerb die Schwelle von 95 % überschritt, die ihr die Möglichkeit des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre gab, wobei jedoch die Antragsgegnerin keine hinreichenden Angaben über die Ankaufverhandlungen macht um diesen Zuschlag verifizieren zu können, spricht auch nichts dagegen, einen etwaigen Zuschlag nicht auch den aufgrund dieser Maßnahme ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre zukommen zu lassen, da die Antragsgegner gerade durch diesen Ausschluss 100 % der Anteile bekommt und dann ohne Rücksicht auf Minderheitsaktionäre mit der Zielgesellschaft im Rahmen der Konzernintegration verfahren kann, mithin ein vergleichbares Interesse gegeben ist.
Dafür, dass hier ein sog. Paketabschlag ggf. gezahlt worden sein könnte, wie es der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat, fehlt jeglicher Hinweis. Zudem spricht gegen einen Paketabschlag, dass zu diesem Zeitpunkt die Veräußerung über die Börse nur zu einem niedrigeren Preis (vgl. die Darstellung der Kursentwicklung Stellungnahme WKGT S. 55) möglich gewesen wäre, zumal eine Komplettveräußerung über die Börse den Kurs zu diesem Zeitpunkt hätte fallen lassen.
Die Kostenentscheidung bezüglich der Gerichtskosten und der Kosten des Vertreters der aussenstehenden Aktionäre ergibt sich aus §§ 15 Abs. 2, 6 Abs. 2 SpruchG a. F. i.V. § 136 GNotKG. Danach hat grundsätzlich die Antragsgegnerin diese Kosten zu tragen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 136 GNotKG i.V.m. § 15 Abs. 4 SpruchG a. F. Danach findet eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht statt, es sei denn, die Billigkeit gebietet eine andere Entscheidung (vgl. Rosskopf in Kölner Kommentar zum SpruchG § 15 Rz. 48; Klöcker/Frowein SpruchG § 15 Rz. 15). Im Hinblick darauf, dass es zu einer gerichtlichen Korrektur des Abfindungsbetrags kommt und den dargelegten hier vorliegenden besonderen Schwierigkeiten zur Schätzung einer angemessenen Abfindung sind auch Billigkeitsgründe gegeben, die eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller durch die Antragsgegnerin rechtfertigen.
Die Bestimmung des Geschäftswerts für das Gericht ergibt sich aus § 136 GNotKG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 3 SpruchG a. F. Danach richtet sich der Geschäftswert nach dem Betrag, den alle antragsberechtigten Aktionäre zu dem ursprünglich angebotenen Betrag insgesamt fordern können, mindestens jedoch 200.000,-- EUR und höchstens 7,5 Mio. EUR (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG a. F.). Hinsichtlich der Abfindung ist für den Geschäftswert auf die Differenz zwischen der angebotenen und der angemessenen Abfindung, bezogen auf die vom Ausschluss betroffenen Aktien von Minderheitsaktionären, d.h. 426.770 Aktien, abzustellen. Bei der Erhöhung von EUR 3,70 je Aktie ergibt dies einen Wert von EUR 1.579.049,--.
Die Beschwerde war nicht zuzulassen, wenn die Beschwer EUR 600,-- nicht übersteigt.
Zur Frage der Zulassung einer Beschwerde folgt die Kammer der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21.5.2012 € WpÜG 10/11 -.
Auch im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit wie im Verfahren nach § 39a WpÜG, für die § 61 FamFG seit 1.9.2009 gilt. Nach § 17 SpruchG finden die Vorschriften des FamFG Anwendung, soweit ich aus dem SpruchG selbst nichts anderes ergibt. Da das SpruchG über die Beschwer keine Regelung enthält, bleibt es bei der Bestimmung des § 61 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, d.h. der Wert des Beschwerdegegenstandes muss EUR 600,-- übersteigen (vgl. Drescher in Spindler/Stilz, AktG 2. Aufl., § 12 SpruchG Rz. 7).
Eine Zulassung gem. § 61 Abs. 2 FamFG bei Unterschreiten ist nicht geboten.
Es gibt vorliegend keinen Grund, der es erforderlich machen würde, Beteiligte in Spruchverfahren, die mit ihrem früheren Aktienbesitz und die daraus begehrte Erhöhung der Kompensation die Wertschwelle nicht erreichen, anders zu behandeln als Beteiligte in sonstigen zivilrechtlichen Streitsachen oder in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wo bei Nichterreichung des Beschwerdewerts bzw. der Berufungssumme ebenfalls kein zweiter Rechtszug eröffnet ist, zumal keiner der Beteiligten auch die Zulassung beantragt hat.
LG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 25.11.2014
Az: 3-05 O 43/13, 3-05 O 43/13
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c431ef2b715c/LG-Frankfurt-am-Main_Beschluss_vom_25-November-2014_Az_3-05-O-43-13-3-05-O-43-13