Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2009
Aktenzeichen: 21 W (pat) 46/05
(BPatG: Beschluss v. 19.05.2009, Az.: 21 W (pat) 46/05)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 M des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. April 2005 aufgehoben und das Patent DE 103 13 868 erteilt.
Bezeichnung: Katheter zur magnetischen Navigation Anmeldetag: 21. März 2003. Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde: Patentansprüche 1 bis 4, gemäß Offenlegungsschrift Beschreibung, Seiten 1 und 1a eingegangen am 29. Juni 2004 Seiten 2 bis 4 eingegangen am 21. März 2003 2 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 3, gemäß Offenlegungsschrift.
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 M des Deutschen Patentund Markenamts hat die am 21. März 2003 mit der Bezeichnung "Katheter zur magnetischen Navigation" eingereichte Patentanmeldung durch Beschluss vom 13. April 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung ist in der Entscheidung ausgeführt, dass der Gegenstand des gemäß Patentanspruch 1 beanspruchten Katheters nicht neu sei.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie verfolgt ihr Schutzbegehren mit den ursprünglichen Patentansprüchen 1 bis 4 weiter und vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber den im Verfahren genannten Druckschriften D1 WO 02/07794 A2 und D2 US 6 292 678 B1 sowie den in der Offenlegungsschrift zitierten Druckschriften D3 US 6 148 823 A D4 US 6 330 467 B1 D5 US 6 241 671 B1 und D6 US 6 401 723 B1 patentfähig sei.
Patentanspruch 1 lautet mit einer Merkmalsgliederung versehen:
M1 Katheter zur magnetischen Navigation im menschlichen Körper M2 mit einem in der Katheterspitze angeordneten Magneten, um den Katheter durch ein externes Magnetfeld an die gewünschte Stelle im Körper zu bewegen, dadurch gekennzeichnet, dass M3 über die Länge des Katheters verteilt mehrere beabstandete Elektromagnete (M1-Mn) angeordnet sind, M3a die unabhängig voneinander ansteuerbar sind.
Die Patentansprüche 2 bis 4 lauten:
2.
Katheter nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Magnet Mn in der Spitze ein Permanentmagnet ist.
3.
Katheter nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass alle Magnete (M1-Mn) Elektromagnete sind.
4.
Katheter nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Elektromagnete (M1-Mn) mit einem synchron getakteten Strom ansteuerbar sind.
Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 M des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. April 2005 aufzuheben und das Patent DE 103 13 868 zu erteilen aufgrund folgender Unterlagen:
-Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Offenlegungsschrift -Beschreibung S. 1 u. 1a eingegangen am 29. Juni 2004 Beschreibung S. 2 bis 4 eingegangen am 21. März 2003
-2 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, gemäß Offenlegungsschrift.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren auch begründet.
Der Patentanspruch 1 gibt die entscheidende Richtung an, die es dem Fachmann in Verbindung mit der Beschreibung ermöglicht, ohne Aufwendung eigener erfinderischer Tätigkeit das beanspruchte Verfahren mit Erfolg auszuführen und sein Gegenstand wird vom nachgewiesenen Stand der Technik nicht patenthindernd getroffen (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 und § 4 PatG).
1.
Die geltenden Patentansprüche 1 bis 4 sind unverändert die ursprünglichen Patentansprüche und somit zulässig.
2.
Der Beschreibungseinleitung folgend bezieht sich die Erfindung auf einen Katheter zur magnetischen Navigation im menschlichen Körper mit einem in der Katheterspitze angeordneten Magneten, um den Katheter durch ein externes Magnetfeld an die gewünschte Stelle im Körper zu bewegen (vgl. Absatz [0001]).
Zum Stand der Technik ist im folgenden Absatz ausgeführt, dass derartige in vielen Kliniken im Probeeinsatz befindliche Katheter in der Katheterspitze einen Magnet aufweisen (Permanentoder Elektromagnet). Damit werde der Katheter durch den Körper gezogen, was aber bei der Führung in Gefäßen mit sehr engen Kurven und Abzweigungen durch die Steifheit der bekannten Katheter durch ein (ihn zurückziehendes) Gegenmoment behindert werde [0002].
Daran orientiert sich die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe, einen Katheter der eingangs genannten Art so auszugestalten, dass auch relativ starre Katheter problemlos in einem sich vielfach verzweigenden und krümmenden Gefäßbaum verschiebbar sind [0003].
3. Der den Druckschriften D1 bis D6 entnehmbare Stand der Technik vermag die Patentfähigkeit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 nicht in Frage zu stellen.
Ein problemloses Verschieben des Katheters betreffend ist im Absatz [0005] dargelegt, dass durch die über die Katheterlänge verteilten Elektromagnete verschiedene Abschnitte des Katheters gleichzeitig mit unterschiedlichen magnetischen Momenten versehen werden können, womit zum Beispiel einzelne Abschnitte des Katheters in den Gefäßen mit einem magnetischen Moment versehen werden, die den Katheter in einer Position halten und andere Abschnitte mit einem magnetischen Moment versehen werden, das eine Vorwärts-/Rückwärtsbewegung bewirkt, ähnlich der Bewegungsart einer Schlange.
Für eine Vorwärts-/Rückwärtsbewegung müssen die Elektromagnete (weitgehend) über die ganze Länge des Katheters ausgerichtet sein. So ist denn auch das Merkmal [M3] (..."über die Länge des Katheters verteilt"...) im Sinne der Erfindung zu verstehen.
Diese Maßnahme ist aus den im Verfahren befindlichen Druckschriften weder bekannt, noch sind ihnen Anregungen dazu entnehmbar.
3.1 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber den genannten Druckschriften neu, denn aus keiner ist ein Katheter zur magnetischen Navigation im menschlichen Körper mit allen im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen bekannt. Dies trifft auch für die D1 zu, der gegenüber die Prüfungsstelle die Neuheit des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 als nicht gegeben erachtet hat.
Die D1 betrifft magnetisch gesteuerte Führungsdrähte (pacing leads) für Herzschrittmacher und Verfahren zum Zuführen medizinischer Bauteile (medical devices). Dabei ist in einem Katheter ein Führungsdraht vorgesehen, der an seinem distalen Ende mit einem magnetischen Körper bestückt ist (vgl. in Figur 1 magnetic body 34 (im Abs. [0031] fälschlicherweise mit Bezugszeichen 38 versehen) und guide wire 30). Es können am distalen Ende auch mehrere magnetische Körper vorgesehen sein (vgl. bspw. die Figuren 2A, 3A, 8A oder 13A, B). Auch sind gemäß dem Ausführungsbeispiel der Figur 11 am distalen Ende der teleskopartig ausfahrbaren Leiter (leads 122/124; 136/138) Elektroden vorgesehen (electrodes 140/142; 132/134). Sämtlichen Ausführungsbeispielen ist jedoch gemein, dass sich die magnetischen Körper (vgl. Seite 4 Absatz [0031]) am distalen Ende des Führungsdrahtes befinden und nicht am Katheter selbst. Darüber hinaus sind anspruchsgemäß die Magnete "über die Länge des Katheters" (d. h. über die ganze Länge) verteilt angeordnet, so dass das Merkmal M3 entgegen der Argumentation der Prüfungsstelle bei dem aus der D1 bekannten Katheter nicht vorliegt.
Auch die Vorgehensweise zur magnetischen Navigation medizinischer Instrumente sowie die zugehörigen Instrumente aus D2 zeigen Katheter, bei denen sich lediglich am distalen Ende ein magnetisches Element befindet. Gemäß dem anhand der Figuren 3A bis 3C erläuterten Ausführungsbeispiel (vgl. Spalte 7 oben) wird am distalen Ende 54 des Katheters 50 ein längliches magnetisches Element 56 an jedem Ende gegenüber dem distalen Ende des Katheters mit Halteleinen (tethers 58, 60) gegen Verrutschen gesichert.
Der Katheter aus D6 ist zwar mittels dreier jeweils mit Strom zu beaufschlagender und lotrecht zueinander angeordneter Spulen navigierbar, jedoch befinden sich auch diese Spulen lediglich am distalen Ende des Katheters (vgl. insbes. Fig. 1, 2 und 12 sowie die Beschreibung in Sp. 3 ab Z. 52 und Sp. 8 ab Z. 39).
3.2 Den im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen sind auch keine Hinweise und Anregungen entnehmbar, die dem Fachmann, einem berufserfahrenen mit der Entwicklung von einschlägigen Kathetern befassten Mediziningenieur einen Weg aufzeigten, um ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu gelangen.
Der an seinem distalen Ende mit einem magnetischen Körper versehene Führungsdraht (30, 42) aus D1 wird mittels eines magnetischen Gradientenfeldes im Körper eines Patienten bewegt [0031]. Mittels mehrerer vorgesehener magnetischer Körper 40 kann zudem das distale Ende in seiner Form ausgerichtet werden [0034]. Auch können am distalen Ende eine oder mehrere elektromagnetische Körper zur Navigation herangezogen werden (vgl. bspw. Absatz [0047] zu den Figuren 9A und 13A/B). Alle diese Maßnahmen dienen dazu, einen bereits eingeschobenen Katheter erst bei Erreichen beispielsweise des Herzens mit seinem vorderen Ende an die richtige Stelle am Herzen zu dirigieren. Mithin ist es nicht die Absicht, den Katheter als solchen in einem Gefäßsystem mit seinen Krümmungen und Verästelungen zu navigieren. Sonach finden sich in D1 auch keine Hinweise, in dieser Richtung zu verfahren. Der Führungsdraht wäre im Hinblick auf die Lösung der anmeldungsgemäßen Aufgabe für einen relativ starren, problemlos im Gefäßbaum zu verschiebenden Katheter ohne dessen Rückwirkungen in einer bereits erreichten Position (Rückzugsbewegungen; vgl. Offenlegungsschrift Absatz [0014]) auch gar nicht geeignet, denn dazu müssten in D1 die magnetischen Körper (magnetic bodies 100 on the tether 94) anstatt am Führungsdraht am Katheter vorgesehen sein -wozu bei der Vorgehensweise in D1 kein Anlass besteht noch dazu müssten diese über die Länge des Katheters (es handelt sich dabei offensichtlich um weitgehend die ganze Länge) angeordnet und unabhängig voneinander als Elektromagneten ansteuerbar sein, um den Katheter durch ein externes Magnetfeld an die gewünschte Stelle in Körper zu bewegen, wie dies bei dem erfindungsgemäßen Katheter der Fall ist.
In D2 ist das lediglich am distalen Ende des Katheters befindliche längliche magnetische Element dazu vorgesehen, sich durch Einwirken eines magnetischen Feldes an eine Körperstruktur -beispielsweise am Herzen -anzupressen (vgl. bspw. Spalte 3, Zeilen 3 und 4). Mittels eines magnetischen Gradienten kann es zwar auch zum Operationsbereich einer Herzkammerwandung hin verschoben werden (Spalte 6, ab Zeile 4), die Navigation eines ganzen relativ starren Katheters gemäß dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist damit aber ersichtlich nicht beabsichtigt und auch gar nicht durchführbar. Auch die Ausführungsformen gemäß den Figuren 11 und 12, die ebenfalls nur im distalen Bereich vorgesehene magnetische Körper 124 bzw. 148 aufweisen, wären dazu nicht geeignet, zumal diese als bloße "magnetische Körper" (magnetic bodies) ohnehin nur gemeinsam durch ein Magnetfeld beeinflusst werden und nicht, wie gemäß Merkmal [M3, M3a] des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 als unabhängig voneinander ansteuerbare Elektromagneten gestaltet sind.
Schließlich ist auch der D6 keine Anregung entnehmbar, von der Anordnung der Spulen am distalen Ende des Katheters abzuweichen, da diese lediglich dessen distales Ende verbiegen sollen (vgl. Sp. 3, Z. 65 ..."to allow the distal end portion to flex"...).
Nach alledem legen die Druckschriften D1, D2 und D6 weder für sich betrachtet noch in der Zusammenschau den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nahe.
Die weiteren Druckschriften liegen, wie sich der Senat überzeugt hat, dem erfindungsgemäßen Katheter noch ferner; sie sind deshalb ohne Belang und haben demgemäß in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt.
Die Unteransprüche 2 bis 4 betreffen Ausgestaltungen des Gegenstandes des Patentanspruchs 1. Ihre Patentfähigkeit wird von der des Gegenstandes des Patentanspruchs 1 mitgetragen.
Dr. Winterfeldt Hartlieb Bernhart Dr. Müller Ko
BPatG:
Beschluss v. 19.05.2009
Az: 21 W (pat) 46/05
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