Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 51/02

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2003, Az.: 14 W (pat) 51/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Patent 197 20 844 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 8, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2003 2 Seiten Beschreibung Spalten 1 bis 3, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2003 2 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 3, gemäß Patentschrift.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. April 2002 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 197 20 844 mit der Bezeichnung

"Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen von Verzehrgütern durch Fließpressen"

widerrufen.

Der Widerruf des Patents wurde im wesentlichen damit begründet, dass das Verfahren gemäß dem seinerzeit geltenden Anspruch 1 unter Berücksichtigung der Literaturstellen

(1) "Frozen-Cone: Praxiserfahrungen mit einer neuen Technik", aus Süßwarenproduktion, Nr 8, 2. Jahrgang, 23. April 1997, S 4

(7) H. Whetstone, "Moulds and Moulding: Examples and Techniques", The Manufacturing Confectioner, June 1996, S 93-99 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Auch die Vorrichtung nach dem seinerzeit geltenden Anspruch 5 sei ebenfalls nicht patentfähig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 8 weiterverfolgt. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

Verfahren zum Herstellen von Verzehrgütern mit einer äusseren Schale, welche durch einen in eine Form (9) eintauchenden temperierten Stempel (5) fliessgepresst hergestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der Stempel (5) aus einem Grundkörper aus im wesentlichen Kupfer besteht und die mit der Masse des Verzehrgutes in Kontakt kommenden Flächen mit Silber oder einer Silberlegierung beschichtet sind und der Taupunkt der das Verzehrgut umgebenden Atmosphäre unter der Temperatur des Stempels (5) gehalten wird.

Der Patentanspruch 5 hat folgenden Wortlaut:

Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 enthaltend einen in eine Form eintauchbaren temperierten Stempel, dadurch gekennzeichnet, dass der Stempel (5) und die Form (9) sich in einem im wesentlichen geschlossenen Gehäuse (11) befinden.

Die Ansprüche 2 bis 4 sowie 6 bis 8 sind Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw der Vorrichtung nach Anspruch 5.

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin im wesentlichen vorgetragen, dass der nunmehr beanspruchte Gegenstand durch die Druckschriften (1) oder (7) und

(5) "Definierte Schalenstärken durch Frozen Cone", in Süßwaren Technik und Wirtschaft, Heft 9, Sept 1995, Titelthema, die von dem aus

(3) EP 0 589 820 A1 bekannten Verfahren ausgehen, nicht nahegelegt werde und damit patentfähig sei.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen und den Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberin und macht im wesentlichen geltend, dass der Anspruch 1 bereits nicht zulässig sei, da er eine Agglomeration von Verfahrens- und Vorrichtungsmerkmalen enthalte. Abgesehen davon werde der Fachmann durch die Lehre von (1) bzw (7) in Verbindung mit (5), woraus Aluminium als Stempelmaterial bekannt sei, in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 geführt. Ein Zusammenhang zwischen der Materialauswahl für die Stempeloberfläche und der Aufgabe, einen Beschlag zu vermeiden, könne nicht hergestellt werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig, sie konnte jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zum Erfolg führen.

1. Bezüglich der Zulässigkeit der geltenden Ansprüche 1 bis 8 bestehen keine Bedenken. Deren Merkmale sind sowohl aus den ursprünglichen Unterlagen (vgl Ansprüche 1 bis 6, 9 und 12 iVm S 3 Z 18-26, S 4 Abs 1 und S 5 Z 27-29) als auch aus der Patentschrift (vgl Ansprüche 1 bis 8 iVm Sp 2 Z 6-14) herleitbar.

Die Bedenken der Einsprechenden, dass der Anspruchs 1 nicht zulässig sei, da er als Verfahrensanspruch Vorrichtungsmerkmale enthalte, sind unbegründet. Nach ständiger Rechtsprechung kann der Anmelder die Kategorie, die er wünscht, festlegen, wenn ihm nach Art und Umfang der offenbarten technischen Lehre verschiedene Möglichkeiten offen stehen. Zu einem Verfahrensanspruch gehören, wie im vorliegenden Fall, dabei alle zur Durchführung des Verfahrens zu verwendenden Vorrichtungen, sowie die erforderlichen Randbedingungen und Parameter (BGH GRUR 1986, 163 (II 1 c) - Bohrhaltige Stähle u BPatG Mitt 97, 368).

2. Das Verfahren zum Herstellen von Verzehrgütern nach Anspruch 1 ist neu. In keiner der entgegengehaltenen Druckschriften ist ein Verfahren mit sämtlichen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen beschrieben. Dies wird von der Einsprechenden auch nicht bestritten.

3. Das Verfahren zum Herstellen von Verzehrgütern nach Anspruch 1, bei dem eine äußere Schale durch einen in eine Form eintauchenden temperierten Stempel fliessgepresst hergestellt wird, beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dem vorliegenden Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der og Art zu entwickeln, bei dem die Nachteile der aus dem Stand der Technik bekannten Verfahren und insbesondere die Fleckenbildung nicht auftreten (geltende Beschreibung Sp 1 Z 55-58). Bekannte Verfahren zum Herstellen von Verzehrgütern mit einer äußeren Schale durch Fliesspressen weisen nämlich die Nachteile auf, dass der Stempel mit einem Trennmittel versehen werden muss, um ein Haften von Schokoladenmasse als Verzehrgut auf dem Stempel zu vermeiden oder eine dünne Eisschicht auf dem Stempel zur Fleckenbildung führt (Sp 1 Z 19-54).

Die Aufgabe wird nach Anspruch 1 durch ein Verfahren mit folgenden Merkmalen gelöst:

1) Verfahren zum Herstellen von Verzehrgütern mit einer äußeren Schale, 2) bei dem in eine Form (9) ein temperierter Stempel (5) eintaucht, 3) und dadurch die äußere Schale fließgepresst wird, 4) wobei der Taupunkt der das Verzehrgut umgebenden Atmosphäre unter der Temperatur des Stempels gehalten wird, 5) der Stempel (5) aus einem Grundkörper aus im wesentlichen Kupfer besteht, und 6) dessen mit der Masse des Verzehrgutes in Kontakt kommenden Flächen mit Silber oder einer Silberlegierung beschichtet sind.

Ausgangspunkt war dabei für den Fachmann, einen Ingenieur der Lebensmitteltechnologie oder Verfahrenstechnik, das den Veröffentlichungen (1), (5) und (7) zugrundeliegende aus (3) bekannte sogenannte Frozen-Cone-Verfahren zur Herstellung von äußeren Schalen von Schokoladenmassen, bei dem in eine Form eine temperierte Schokoladenmasse eingefüllt, unmittelbar nach dem Einbringen der Schokoladenmasse ein auf unter 0oC, bevorzugt zwischen -15oC und -30oC, gekühlter Stempel in die Masse eingetaucht und die äußere Schale zwischen der Form und dem eingetauchten Stempel dadurch verfestigt wird (vgl (3) Ansprüche 1 und 3). Dabei bildet sich nach (5) ein kontrollierter Eisreif auf dem Stempel, durch den als Trennmittel sichergestellt wird, dass am Stempel keine Schokoladenmasse haften bleibt. Nach den Ausführungen der Patentinhaberin in der Streitpatentschrift (Sp 1 Z 39-41) kann es aber durch die dünne Eisschicht zur Fleckenbildung auf dem Stempel kommen und nach dem Erfahrungsbericht (1) bereitet diese Eisreifbildung in der praktischen Durchführung des Verfahrens Probleme, die wiederum zu einem Anhaften von Schokoladenmasse am Stempel führen können (vgl (1) unter Die Probleme). Nach (1) und (7) ist es zur Verhinderung der Eisreifbildung erforderlich, den Stempel in einer hoch entfeuchteten Atmosphäre zu halten ((1) unter Die Anlage, (7) S 98 li Sp Abs 2). Für den Fachmann ergibt es sich ausgehend von (1) und (7) zwar von selbst, dass er, um eine Eisreifbildung auf dem kalten Stempel zu verhindern, den Taupunkt der das Verzehrgut umgebenden Atmosphäre unter der Temperatur des Stempels halten muss, was bekanntlich durch eine hoch entfeuchtete Atmosphäre erreicht wird.

Der Fachmann erhält aber kein Vorbild aus dem Stand der Technik, die weiteren Nachteile der bekannten Verfahren, nämlich das Anhaften von Verzehrgutmasse auf dem Stempel, insbesondere auch bei Temperaturen wärmer als -15oC, wie die Patentinhaberin vorträgt, durch die Verwendung eines Stempels aus einem Grundkörper aus Kupfer mit einer Silberbeschichtung für die mit dem Verzehrgut in Kontakt kommenden Flächen als Stempelmaterial zu beseitigen. Bei (1) werden zur Verbesserung des Kälteübergangs die Kontaktstellen mit einem Gemisch von Alkohol und Glyzerin besprüht, was nach Auffassung des Senats auch das Aufbringen einer Trennschicht auf dem Stempel bedeutet. Aus (5) geht zwar hervor, dass als Stempelmaterial beim Frozen-Cone-Verfahren glatt poliertes Aluminium eingesetzt wird, das eine gute Wärmeleitfähigkeit aufweist. Kupfer und Silber sind zwar ebenfalls Materialien mit einer guten, und wie die Einsprechende vorträgt, sogar etwas besseren Wärmeleitfähigkeit als Aluminium. Es bestand aber für den Fachmann keine Veranlassung, die bekannten Aluminiumstempel durch wesentlich kostspieligere, mit Silber beschichtete Kupferstempel zu ersetzen, nachdem offensichtlich beim bekannten Verfahren keine Probleme wegen der etwas schlechteren Wärmeleitfähigkeit des Aluminiums auftraten. Die Einsprechende konnte demgegenüber nicht belegen, dass dieser Effekt auch mit dem Stempel aus Aluminium verwirklicht wird, oder dass vor dem Anmeldetag des Streitpatents mit Silber beschichtete Stempel aus Kupfer als Grundmaterial bereits bei einem gattungsgemäßen Verfahren verwendet wurden. Es war daher für den Fachmann nicht naheliegend, mit Silber beschichtete Stempel aus im wesentlichen Kupfer als Grundmaterial zu verwenden, und damit, wie die Patentinhaberin glaubhaft vorträgt, gegenüber dem Stand der Technik den Vorteil zu erreichen, dass bei einem gekühlten trockenen Stempel die Verzehrgutmasse nicht am Stempel haften bleibt.

Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen gehen nicht über die Lehren der vorstehend abgehandelten Druckschriften hinaus und führen den Fachmann ebenfalls nicht zum vorliegend beanspruchten Verfahren. Auch eine Zusammenschau des Standes der Technik ergibt keine weiteren Gesichtspunkte.

4. Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu, beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit und ist auch zweifelsfrei gewerblich anwendbar, sodass dieser Anspruch Bestand hat.

Der nebengeordnete Anspruch 5 ist auf eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für ihn die oben dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen, sodass dieser Anspruch ebenfalls Bestand hat.

Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 sowie für die auf den Patentanspruch 5 rückbezogenen Ansprüche 6 bis 8, die jeweils weitere, über platte Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen betreffen.

Schröder Wagner Harrer Gerster Pü






BPatG:
Beschluss v. 25.07.2003
Az: 14 W (pat) 51/02


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