Bundespatentgericht:
Urteil vom 18. Dezember 2001
Aktenzeichen: 3 Ni 26/00

(BPatG: Urteil v. 18.12.2001, Az.: 3 Ni 26/00)

Tenor

Das Patent 36 28 763 wird im Umfang der Patentansprüche 1,2 und 3 sowie des Patentanspruchs 6, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1,2 und 3 zurückbezogen ist, teilweise für nichtig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 14.000,- DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 25. August 1986 angemeldeten Patents 36 28 763 (Streitpatent), das eine Vorrichtung in Haushalts-Backöfen zur Auflage von Gargutträgern betrifft und 7 Patentansprüche umfaßt. Patentanspruch 1 lautet:

" Vorrichtung in Haushalts-Backöfen zur Auflage von Gargutträgern, wie Back- und Bratbleche sowie Grillroste, wobei die in verschiedenen Ebenen in der Backoffenmuffel lagerbaren Gargutträger unter Verwendung von Führungselementen aus der Backofenmuffel in eine im wesentlichen vor dieser liegende Position herausziehbar sind, dadurch gekennzeichnet, dass aus der Backofenmuffel herausnehmbare Teleskopauszüge (7, 27) an senkrecht an den Seitenwandungen (1, 21) der Backofenmuffel (2, 22) angeordneten Tragschienen (3, 23) befestigt sind, daß die beweglichen Schienen (9, 29) auf den ortsfesten Schienen (6, 26) der Teleskopauszüge (7, 27) über käfiggelagerte Kugeln (16') geführt sind, daß die beweglichen Schienen (9, 29) und die ortsfesten Schienen (6, 26) gegeneinander wirkende Auszugsbegrenzungs-Vorrichtungen aufweisen und dass die beweglichen Schienen (9, 29) der Teleskopauszüge (7, 27) im Auflagebereich für die frei auflegbaren Gargutträger (12, 14) mit diesen zusammenwirkende Auszugsbegrenzungen (10, 11, 16, 30, 31) aufweisen."

Wegen des Wortlauts der mittelbar oder unmittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin macht geltend, die Gegenstände der Patentansprüche 1, 2, 3 und 6 seien nicht patentfähig, weil sie nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhten. Hilfsweise beruft sie sich auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Offenbarung unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Ausführbarkeit, denn das Streitpatent enthalte keine Angaben darüber, wie das Material der Teleskopschienen oder verwendeter Schmiermittel beschaffen sei. Weiter hilfsweise beruft sie sich auf den Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung, da das Adjektiv "frei" im Zusammenhang mit der freien Auflegbarkeit des Gargutträgers in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht offenbart sei. Zur Begründung der fehlenden Patentfähigkeit beruft sie sich im wesentlichen auf folgende Unterlagen:

D 1 DE-Gbm 75 07 245, D 6 GB-PS 776 123, D 8 US-PS 3 059 634, D 12 EP-OS 0 091 666, D 14 Hettich-Katalog '85, D 21 US-PS 3 706 302.

Die Klägerin beantragt, das Patent 36 28 763 im Umfang der Patentansprüche 1, 2 und 3 sowie des Patentanspruchs 6, soweit dieser auf einen der Patentansprüche 1 bis 3 zurückbezogen ist, teilweise für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents im angegriffenen Umfang für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet, und führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents im angegriffenen Umfang (§§ 22 Abs 1, 21 Abs 1 Nr 1 PatG). Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist gegenüber dem vorbekannten Stand der Technik nicht patentfähig. Ein eigener erfinderischer Gehalt der auf diesen Anspruch zurückbezogenen Patentansprüche 2, 3 und 6 ist weder geltend gemacht noch sonst für den Senat ersichtlich.

I.

1) Das Streitpatent bezieht sich auf eine Vorrichtung in Backöfen zur Auflage von Gargutträgern, wie Back- und Bratbleche sowie Grillroste.

Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (Sp 1 Z 6 - 38) sind bei Haushalts-Backöfen die Backbleche meist flachrandig ausgebildet und in schlitzartigen Führungskanälen der Seitenwandungen geführt. Bekannt ist auch die Lagerung auf an den Seitenwandungen abgebrachten winkelförmigen Auflageschienen oder Ausbuchtungen, auf denen die Bleche aufliegen und nach vorne herausgezogen werden können. Allerdings ist es hier erforderlich, das Blech ganz herauszunehmen, um einen ganzflächigen Zugriff zu ermöglichen. Bei Backwagentüren werden die Bleche zusammen mit dem die Tür tragenden Backwagen herausgezogen, so daß nur das oberste Blech frei zugänglich ist. Schließlich sind auch Backbleche bekannt, die über einen Teleskopauszug verfügen, so daß die Bleche einzeln aus dem Backofen herausgezogen werden können.

2) Aufgabe des Streitpatents ist es (Sp 1 Z 39 - 43), eine Backofenmuffel dahingehend auszugestalten, daß durch einfache Maßnahmen übliche Gargutträger aus dem Backofenraum herausgezogen vor diesem gehalten werden.

3) Zur Lösung beschreibt die Lehre des Patentanspruchs 1 eine Vorrichtung in Haushalts-Backöfen zur Auflage von Gargutträgern, wie Back- und Bratbleche sowie Grillroste, 1. wobei die Gargutträger in verschiedenen Ebenen in der Backofenmuffel lagerbar sind und 2. unter Verwendung von Führungselementen aus der Backofenmuffel in eine im wesentlichen vor dieser liegende Position herausziehbar sind, wobei 2.1. aus der Backofenmuffel herausnehmbare Teleskopauszüge an senkrecht an den Seitenwandungen der Backofenmuffel angeordneten Tragschienen befestigt sind, 2.2. die beweglichen Schienen auf den ortsfesten Schienen der Teleskopauszüge über käfiggelagerte Kugeln geführt sind, 2.3. die beweglichen Schienen und die ortsfesten Schienen gegeneinander wirkende Auszugsbegrenzungs-Vorrichtungen aufweisen, und 2.4. die beweglichen Schienen der Teleskopauszüge im Auflagebereich für die frei auflegbaren Gargutträger mit diesen zusammenwirkende Auszugsbegrenzungen aufweisen.

II.

Diese Lehre beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, weil sie zum Zeitpunkt der Anmeldung für den einschlägigen Fachmann - einen Fachhochschulingenieur oder auch einen Maschinenbautechniker mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Konstruktion von Haushalts-Backöfen und Zubehör - aufgrund des von der europäischen Offenlegungsschrift 0 091 666 gebildeten Standes der Technik in Verbindung mit seinem Fachwissen nahegelegt war.

Die europäische Offenlegungsschrift 0 091 666 (D12) betrifft ebenfalls eine Vorrichtung in Haushalts-Backöfen zur Auflage von Gargutträgern, hier Grillroste, bei der - entsprechend dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 des Streitpatents - die in verschiedenen Ebenen in der Backofenmuffel lagerbaren Gargutträger 4 unter Verwendung von Führungselementen 5, 6 aus der Backofenmuffel in eine im wesentlichen vor dieser liegende Position herausziehbar sind (S 1 Abs 1 u S 6 Abs 2 iVm Fig 1).

Bei dieser bekannten Vorrichtung wird u.a. auch das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem gelöst, nämlich mit einfachen Maßnahmen zu erreichen, daß übliche Grillroste vollständig aus dem Backofenraum in eine waagrechte, auskragende Stellung außerhalb der Backofenmuffel herausgezogen und vor dieser gehalten werden können (S 3 Abs 4 iVm Fig 1).

Hierzu sind dort - entsprechend den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents - aus der Backofenmuffel herausnehmbare, jeweils aus einem ortsfesten Führungselementenpaar ("pair of horizontal guide elements") 5 und einem dieses umgreifenden und auf diesem längsverschieblich geführten Profilglied ("profile member") 6 bestehende Teleskopauszüge an senkrecht an den Seitenwandungen der Backofenmuffel angeordneten, nicht näher bezeichneten Tragschienen befestigt (S 4 Z 21 bis 34 iVm Fig 1 u 2).

Bei dem Führungselementenpaar 5 und dem Profilglied 6 handelt es sich nämlich um zwei ineinander axial verschieblich gelagerte und gegeneinander ausziehbare Elemente, die somit zusammen einen Teleskopauszug im Sinne des Streitpatents bilden. Es wird hierzu auch auf die Definition der Beklagten im Schriftsatz vom 15. November 2000 Seite 9, Absatz 3 verwiesen. Hieran ändert auch nichts, daß beim Stand der Technik das als ortsfeste Schiene wirkende Element von zwei parallel verlaufenden Stangen gebildet wird und daß das als bewegliche Schiene wirkende Element aus einem aus Blech gebogenen Formteil besteht. Ebenfalls ist es ohne Belang, daß das Profilglied 6 das Führungselementenpaar 5 nicht vollständig umschließt oder daß der mit dem Führungselementenpaar 5 zusammenwirkende Führungsteil des Profilglieds 6 relativ kurz ausgebildet ist. Wesentlich ist dagegen, daß das bewegliche Profilglied 6 einschließlich der Verlängerung ("extension") 10 von einer vollständig eingeschobenen Position in eine die Länge des ortsfesten Führungselementenpaares 5 überschreitende Position herausgezogen werden kann. Bezüglich dieser Funktion besteht aber kein Unterschied zum streitpatentgemäßen Teleskopauszug.

Die Tatsache, daß auch bei der bekannten Vorrichtung die Teleskopauszüge aus der Backofenmuffel herausnehmbar sind, ergibt sich aus der Beschreibung Seite 4, Zeile 21 bis 23 und Seite 6 vorletzter Absatz, wonach die ortsfesten Führungselementenpaare 5 - ähnlich wie beim Ausführungsbeispiel nach Figur 7 des Streitpatents - über ein Schraubsystem an den Seitenwandungen befestigt sind und wonach die komplette Vorrichtung als reines Zubehör für eine übliche Backofen-Konstruktion gedacht ist.

Weiterhin weisen auch bei der bekannten Vorrichtung die beweglichen Profilglieder 6 und die ortsfesten Führungselementenpaare 5 gegeneinander wirkende Auszugsbegrenzungen auf (S 5 Z 23 bis 26 u S 6 Z 3 bis 5). Ebenso zeigen die beweglichen Profilglieder 6 der Teleskopauszüge im Auflagebereich der Verlängerung 10 für die in diesem Bereich frei auflegbaren Gargutträger 4 mit diesen zusammenwirkende Auszugsbegrenzungen 12 (S 5 Abs 2 u 3 sowie S 6 Abs 3 iVm Fig 2 u 3). Sofern der Wortlaut des Patentanspruchs 1 - wie von der Beklagten angestrebt - so ausgelegt wird, daß mit "frei auflegbar" gemeint ist, daß die Gargutträger in ihrer Gesamtheit auflegbar sind, so ergibt sich hieraus zwar ein Unterschied zu der bekannten Vorrichtung, bei der die Gargutträger 4 zunächst nur mit ihrem vorderen Teil frei auflegbar sind und anschließend zur Festlegung in die Führung des Profilglieds 6 eingeschoben werden müssen. Dieser Unterschied beruht aber nur auf einer einfachen baulichen Abwandlung des Profilglieds 6, die im Griffbereich des Fachmanns liegt und die damit keine erfinderische Leistung zu begründen vermag.

Die in der europäischen Offenlegungsschrift 0 091 666 aufgezeigte Lösung nimmt somit den eigentlichen Kern des im Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen Gegenstands vollständig vorweg. Es besteht ein - für die Lösung des aufgabengemäßen Problems nur unwesentlicher - Unterschied lediglich noch hinsichtlich der Gestaltung der Längsführung zwischen den beiden Teleskopelementen. Während bei der bekannten Vorrichtung hierzu eine einfache Gleitführung vorgesehen ist, werden bei der Vorrichtung nach dem Patentanspruch 1 hierfür käfiggelagerte Kugeln verwendet. Die Führung von Teleskopelementen über käfiggelagerte Kugeln - beispielsweise zur Minimierung der Reibungskräfte - gehört aber zum Grundwissen des einschlägigen Fachmanns. Außerdem war auch vor dem Anmeldetag des Streitpatents die Verwendung von Längsführungen mit käfiggelagerten Kugeln innerhalb von Backofenmuffeln nichts ungewöhnliches. Es wird hierzu beispielsweise auf die britische Patentschrift 776 123 (D6 S 1 Z 85 bis S 2 Z 13 iVm Fig 2 bis 4) und auf die USA-Patentschrift 3 059 634 (D8 Sp 2 Z 1 bis 3 u Sp 3 Z 69 bis Sp 4 Z 12 iVm Fig 3 u 4) verwiesen. Die beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der bekannten Vorrichtung nach der europäischen Offenlegungsschrift 0 091 666 unterschiedlich gestaltete Längsführung vermag somit keinerlei erfinderische Tätigkeit zu begründen.

Die Klage nach Hauptantrag hatte somit Erfolg; die Hilfsanträge der Klägerin sind damit gegenstandslos.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

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Az: 3 Ni 26/00


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