Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juni 2005
Aktenzeichen: 28 W (pat) 40/05
(BPatG: Beschluss v. 08.06.2005, Az.: 28 W (pat) 40/05)
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Hauptsache gegenstandslos ist.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin hat gegen die Eintragung der Marke 304 20 816 Widerspruch aus zwei älteren Marken erhoben. Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2005 hat die Markeninhaberin beantragt, das Verfahren "einstweilen auszusetzen", denn zwischen den Beteiligten bestünde eine umfassende markenrechtliche Vereinbarung, sodass mit einer einvernehmlichen Lösung der Streitsache zu rechnen sei. Mit Verfügung vom 21. Januar 2005 hat die Markenstelle das Verfahren "für 4 Monate ausgesetzt" und die Beteiligten gebeten, von einer Einigung Mitteilung zu machen. Die Verfügung selbst ist nicht unterzeichnet; eine Unterschrift ohne Dienstbezeichnung findet sich neben dem Vermerk: "Zum Dokumentenversand am 21.01.2005".
Der Schriftsatz der Markeninhaberin vom 13. Januar 2005 wurde der Widersprechenden erst zusammen mit der Aussetzungsverfügung zur Kenntnis gebracht.
Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben. Sie hält dieses Rechtsmittel für statthaft, denn die Aussetzung stelle sich zumindest in materieller Hinsicht als beschwerdefähige Entscheidung dar. Diese sei zu Unrecht erfolgt, denn zum einen sei jegliche Anhörung ihrer Seite unterblieben, zum anderen hätten die rechtlichen Voraussetzungen für eine derartige Anordnung gefehlt.
II.
1. Die Aussetzung des Verfahrens ist ausdrücklich nur für den Zeitraum von vier Monaten erfolgt, seit dem 21. Mai 2005 ist also das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde entfallen, womit diese gegenstandslos ist. Dass ein Rechtsschutzinteresse an der nachträglichen Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme besteht, ist weder dargetan noch ersichtlich, und in Anbetracht der vom Gesetz vorgesehenen Kostenverteilung, wonach jeder Beteiligte unabhängig vom Ausgang des Verfahrens seine Kosten selbst zu tragen hat, auch nicht notwendig.
2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist aus mehreren Gründen geboten (§ 66 Abs 5 S. 3 MarkenG).
Die Verfügung über die Aussetzung des Verfahrens lässt nicht erkennen, von wem sie erlassen worden ist. Die sich neben dem Postvermerk befindliche Unterschrift kann nicht ohne weiteres auch der Verfügung zugeordnet werden, zumal nicht ersichtlich ist, welchen Dienstgrad der Unterzeichner hat. Die Aussetzung eines Verfahrens ist eine prozessleitende Maßnahme, die einer rechtlichen Nachprüfung offen steht (vgl hierzu Ströbele, Hacker, Markengesetz, 7. Auflage, § 43 Rdn 118 f; Ingerl, Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage, § 43 Rdn 54, § 252 ZPO). Damit muss unzweideutig erkennbar sein, wer sie verfügt hat, denn nur dann steht fest, welches Rechtsmittel gegen diese Anordnung gegeben ist (§ 66 Abs 1 MarkenG).
Auch hat es das Patentamt versäumt, die Widersprechende vor Erlass der Verfügung zum Sachvortrag der Markeninhaberin zu hören. In jedem behördlichen und gerichtlichen Verfahren muss den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zum gegnerischen Sachvortrag gegeben werden (vgl für das Verfahren vor dem Patentamt: § 59 Abs 2 MarkenG). Nur eine umfassende Information aller am Verfahren Beteiligter gewährleistet die Durchführung eines offenen und fairen Verfahrens. Schon der allgemeine Rechtsstaatsgedanke gebietet es, dass der Einzelne vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zu Wort kommt, um Einfluss auf das Verfahren nehmen zu können (st Rspr zB BverfG, NJW 2002, 1334; Ströbele/Hacker aaO. § 59 Rdz 26, 27). Dies ist hier nicht geschehen, obwohl mit der Verfügung über die Aussetzung eines Verfahrens unmittelbar in die Rechte der - an einer raschen Beendigung des Verfahrens interessierten - Widersprechenden eingegriffen worden ist. Eine derartige Sachbehandlung stellt einen deutlichen Verfahrensverstoß dar und rechtfertigt in aller Regel die Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Nur wenn feststeht, dass bei Gewährung des rechtlichen Gehörs in jedem Fall dieselbe Entscheidung ergangen und eine Beschwerde notwendig geworden wäre, mag dies nicht zutreffen. Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Markenstelle bei einem entsprechenden Sachvortrag der Widersprechenden die Aussetzung nicht vorgenommen hätte.
Zuletzt ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr auch geboten, weil laufende Vergleichsverhandlungen eine (förmliche) Aussetzung des Widerspruchsverfahrens nicht rechtfertigen. Im zivilprozessualen Verfahren ist insbesondere die Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit eines anderen Rechtsverhältnisses oder Rechtsstreites nach § 148 ZPO von Bedeutung. Im markenrechtlichen Verfahren ist dies vergleichbar mit der Aussetzung wegen einer noch nicht eingetragenen oder sich in einem Löschungsverfahren befindlichen Widerspruchsmarke (§ 9 Abs 2 MarkenG, § 32 MarkenV, bzw § 29 MarkenV a.F.) Darüber hinaus gibt es die Aussetzung nach § 43 Abs 3 MarkenG, wenn die angegriffene Marke bereits wegen eines anderen Widerspruchs - noch nicht rechtskräftig - gelöscht worden ist. In jedem Fall ist Ziel einer Aussetzung, Entscheidungen zu verhindern, die sich im nachhinein als gegenstandslos herausstellen. Bloße Einigungsgespräche zwischen den Beteiligten sind vom Gesetz weder ausdrücklich als Aussetzungsgrund genannt, noch sind sie ausreichend um eine "sachdienliche" Aussetzung im Sinne des § 32 Abs 1 MarkenV zu rechtfertigen.
Soweit beide Parteien damit einverstanden sind und/oder dies beantragen, kommt in einem solchen Fall vielmehr das vorläufige Nichtbetreiben des Verfahrens in Betracht, was durch einen entsprechenden Vermerk in den Akten verfügt werden kann. Denkbar erscheint auch ein Ruhen des Verfahrens (entspr. § 251 ZPO) anzuordnen. Anders als im Zivilprozess untersteht der Verfahrensablauf in Markensachen aber nicht der alleinigen Herrschaft der Parteien, denn daneben besteht ein allgemeines Interesse an einer baldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des Monopolrechtes einer Marke (vgl Ströbele, Hacker aaO, § 43 Rdz 125, 126). Zudem ist keine Notwendigkeit für den Erlass eines derartigen Beschlusses ersichtlich, denn Fristen, deren Lauf durch das Ruhen des Verfahrens gehemmt wird (vgl zB für die Verjährungsfrist § 204 Abs2 S 2 BGB), gibt es im Markenverfahren nicht. Sachgerecht und zweckmäßig erscheint deshalb in aller Regel die bloße Mitteilung an die - vorher in Kenntnis gesetzten - Beteiligten, dass das Verfahren vor Ablauf einer bestimmten Frist nicht in Bearbeitung genommen wird.
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BPatG:
Beschluss v. 08.06.2005
Az: 28 W (pat) 40/05
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