Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 22. November 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 7/10
(BGH: Beschluss v. 22.11.2010, Az.: AnwZ (B) 7/10)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit Februar 1982 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2007 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies der Anwaltsgerichtshof zurück. Auf die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 20. April 2009 (AnwZ (B) 20/08) auf. Vor Abschluss des Beschwerdeverfahrens widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 2. Februar 2009 erneut die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft, wobei sie den Widerruf der Zulassung nun zusätzlich auf den am 15. Oktober 2008 - und damit erst nach Erlass des ersten Widerrufsbescheids - gegen den Antragsteller erwirkten und im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts H. eingetragenen Haftbefehl stützte. Der Anwaltsgerichtshof wies den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung zurück. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 215 Abs. 3 BRAO, § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F.), insbesondere ist es innerhalb der zweiwöchigen Frist des - nach der Übergangsvorschrift des § 215 Abs. 2, 3 BRAO nach wie vor anwendbaren - § 42 Abs. 4 Satz 1 BRAO a.F. beim Anwaltsgerichtshof eingegangen. Der angefochtene Beschluss wurde dem Antragsteller am 28. November 2009 zugestellt. Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle des Anwaltsgerichtshofs vom 21. Dezember 2009 ist das Vorbringen des Antragstellers, den 5-seitigen Beschwerdeschriftsatz am Montag, dem 14. Dezember 2009, per Telefax übermittelt zu haben, durch das in der Akte befindliche Faxprotokoll belegt. Diesem ist zu entnehmen, dass das Telefaxgerät des Anwaltsgerichtshofs am 14. Dezember 2009 um 22.42 Uhr von der Faxnummer des Antragstellers angewählt worden ist und über die aufgebaute Verbindung eine 49 Sekunden andauernde Übertragung von 5 Seiten erfolgt ist. Durch die am 21. Dezember 2009 nochmals per Fax erfolgte Übermittlung des Beschwerdeschriftsatzes vom 14. Dezember 2009 ist belegt, dass dieser einen Umfang von 5 Seiten aufwies. Auch wenn das am 14. Dezember 2009 übermittelte Telefax als Ausdruck auf der Geschäftsstelle nicht aufzufinden war, ist durch die Angaben auf dem Eingangsprotokoll zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass der Beschwerdeschriftsatz rechtzeitig beim Anwaltsgerichtshof eingegangen ist. Für eine ordnungsgemäße Berufungseinlegung per Telefax ist nicht der Ausdruck beim Empfänger entscheidend, vielmehr reicht es aus, dass das Faxgerät des Empfängers die gesendeten Signale vor Fristablauf vollständig empfangen hat (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. September 2006 - VI ZB 7/06, NJW 2006, 3500 Rn. 6 m.w.N.). Anders als die Antragsgegnerin meint, kann die Wirksamkeit eines per Telefax eingelegten Rechtsmittels auch nicht davon abhängig gemacht werden, dass anschließend noch der Originalschriftsatz beim Gericht eingereicht wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2004 - VI ZB 30/03, BRAK-Mitt. 2004, 161 unter II).
Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Ohne Erfolg beruft sich der Antragsteller darauf, der Widerrufsbescheid vom 2. Februar 2009 und der ihn bestätigende Beschluss des Anwaltsgerichtshofs vom 28. August 2009 seien schon deswegen aufzuheben, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller vor Erlass des erneuten Widerrufsbescheids keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hatte. Denn die unterbliebene Anhörung ist - wie der Anwaltsgerichtshof in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat - dadurch nachgeholt worden, dass der Anwaltsgerichtshof dem Antragsteller am 6. April 2009 umfassende Hinweise über die maßgebliche Sach- und Rechtslage und die vom Antragsteller vorzulegenden Nachweise erteilt und diesem ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat (vgl. zu einer Heilung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die übergeordnete Tatsacheninstanz BVerfGE 5, 22). Zudem hat der Bundesgerichtshof in seiner Eigenschaft als Tatsacheninstanz das gesamte Vorbringen des Antragstellers zu berücksichtigen, so dass auch hierdurch ein möglicher Verfahrensfehler der Antragsgegnerin gegenstandslos würde.
2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind hierdurch nicht gefährdet. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 4 m.w.N.). Zudem besteht nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO eine gesetzliche Vermutung für den Eintritt eines Vermögensverfalls, wenn der Rechtsanwalt in dem vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetragen ist.
3. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.
a) Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller mit drei Haftbefehlen im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts H. (§ 915 ZPO) eingetragen. Drei Vollstreckungsgläubiger hatten am 15. Oktober 2008, am 23. Dezember 2008 (wegen 480,52 €) und am 15. Januar 2009 (wegen 2.708,53 €) Haftbefehle gegen den Antragsteller zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung erwirkt. Die dadurch begründete Vermutung für seinen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht widerlegt.
Er hat zwar im vorangegangenen Beschwerdeverfahren beim Bundesgerichtshof einen ein Guthaben von 10.342,16 € ausweisenden Kontoauszug der Postbank Ha. vom 3. Juli 2007 und zwei Bestätigungen einer luxemburgischen Bank über eine Eurogeldanlage vorgelegt, die am 29. Juni 2007 mit 37.827,82 € und am 28. Februar 2008 mit 38.415,56 € valutierte. Im erneuten Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof hat er zusätzlich einen Kontoauszug der Sparkasse H. zu den Akten gereicht, der zum 26. August 2009 ein Guthaben von 10.531,44 € auswies. Außerdem hat er belegt, dass die Eurogeldanlage bei der luxemburgischen Bank am 5. Oktober 2009 mit 30.801,58 € valutierte.
Jedoch hat er keine nachvollziehbare Erklärung dafür vorgebracht, weshalb er diese Rücklagen nicht zur Deckung der angefallenen Verbindlichkeiten verwendet hat, sondern es in mehreren Zwangsvollstreckungsverfahren zum Erlass von Haftbefehlen hat kommen lassen, obwohl die diesen Verfahren zugrunde liegenden Forderungen mit den behaupteten Rücklagen ohne weiteres hätten gedeckt werden können. Er hat lediglich unsubstantiiert vorgetragen, die Vollstreckungshandlungen beruhten darauf, dass noch "Sachverhalte zu klären" gewesen seien oder er mit dem jeweiligen Gläubiger beziehungsweise dessen Prozessbevollmächtigten aufgrund eigener Forderungen "Dinge zu regeln" habe, die teilweise auch auf Verhaltensweisen der Prozessbevollmächtigten zurückzuführen seien und eine Reaktion des Antragstellers in geeigneter Form erforderlich machten. "Es gebe nämlich "Kollegen", mit denen man aufgrund der Behandlungsweise von Angelegenheiten emotional noch etwas abzurechnen habe". Dieses vage gehaltene Vorbringen erklärt jedoch nicht, warum ein Rechtsanwalt mehrere Haftbefehle zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung mit allen damit verbundenen vermögensrechtlichen Konsequenzen gegen sich ergehen lässt. Für eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls reichen die vorgelegten Unterlagen und die gemachten Erklärungen jedenfalls nicht aus, zumal der Antragsteller keine Angaben zu seinen sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und zum Stand seiner Gesamtverbindlichkeiten gemacht hat.
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 5. Dezember 2005 - AnwZ (B) 13/05, NJW-RR 2006, 559 Rn. 8, und vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung von Mandanteninteressen ausnahmsweise nicht bestand (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511 unter II 2 c; vom 25. Juni 2007 - AnwZ (B) 101/05, aaO Rn. 9 ff.; vom 15. September 2008 - AnwZ (B) 67/07, AnwBl. 2009, 64 Rn. 5; vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, aaO Rn. 16 ff.), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht nachträglich entfallen.
a) Zwar scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Widerruf der Zulassung aus, wenn der Widerrufsgrund im Verlauf des Verfahrens entfallen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356, 357, und vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149, 150). Dies setzt aber voraus, dass der Fortfall des Widerrufsgrunds, hier des Vermögensverfalls, von dem Rechtsanwalt zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, aaO Rn. 10 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, den Vermögensverfall zu beseitigen, trifft den Rechtsanwalt (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, aaO m.w.N.), dem eine entsprechende Mitwirkungspflicht nach § 215 Abs. 3 BRAO in Verbindung mit § 36a BRAO a.F. obliegt. Dieser Nachweis ist nicht geführt.
b) Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht nachträglich konsolidiert. Er ist nach wie vor im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts H. eingetragen. Die bei Erlass des Widerrufsbescheids bestehenden Haftbefehle sind dort noch immer verzeichnet. Lediglich der auf Betreiben des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Land N. am 4. März 2009 wegen einer Forderung von 477,78 € erwirkte weitere Haftbefehl hat sich im März 2010 aufgrund erbrachter Zahlungen erledigt. Die aufgrund der vorhandenen Eintragungen fortbestehende gesetzliche Vermutung für seinen Vermögensverfall hat der Antragsteller nicht entkräften können, denn er hat nicht den Nachweis erbracht, dass der Vermögensverfall (nachhaltig) beseitigt ist. Hierfür ist zunächst erforderlich, dass der betroffene Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend dartut und belegt. Insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen konkret und nachvollziehbar vortragen, ob Forderungen zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise er die bestehenden Verbindlichkeiten zu tilgen gedenkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 2. Dezember 1991 - AnwZ (B) 40/91, juris Rn. 6; vom 10. August 2009 - AnwZ (B) 40/08, juris Rn. 10). Zudem setzt eine nachträgliche Konsolidierung voraus, dass der Rechtsanwalt über die Begleichung der aufgelaufenen Schulden oder ihre geordnete Rückführung hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Schulden entstehen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht sichergestellt ist, etwa durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Zahlungsvereinbarungen mit den jeweiligen Gläubigern (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Juli 2010 - AnwZ (B) 113/09, Rn. 10, abrufbar über die Homepage des Bundesgerichtshofs).
c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist eine nachträgliche Konsolidierung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht eingetreten. Er verweist lediglich darauf, dass er mit den ihm zur freien Verfügung stehenden Kontoguthaben jederzeit Zahlungen auf berechtigte Forderungen verlassen könne. Weshalb er dann nicht die sich in der Zwangsvollstreckung befindlichen Forderungen getilgt und die Löschung der Haftbefehle erwirkt hat, erläutert er jedoch nicht. Letztlich bleibt seine wirtschaftliche Lage im Dunkeln, da er trotz ausführlicher Belehrungen durch den Anwaltsgerichtshof seine finanzielle Situation nicht umfassend offen gelegt hat. Insbesondere ist erst durch die Mitteilung des Amtsgerichts H. vom 24. November 2009 bekannt geworden, dass weitere Gläubiger aufgrund einer zu ihren Gunsten eingetragenen Sicherungshypothek in Höhe von 54.760,70 € die Zwangsversteigerung in ein Grundstück des Antragstellers betreiben. Damit ist der erforderliche Nachweis nicht geführt, dass der Antragsteller über genügend freie Mittel verfügt, um bestehende Verbindlichkeiten (gegebenenfalls unter Ratenzahlungen) zu tilgen und seine wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltig zu ordnen.
d) Die Interessen der Rechtsuchenden sind im Hinblick auf den nicht ausgeräumten Vermögensverfall weiterhin gefährdet. Hieran hat sich seit Erlass des Widerrufsbescheids nichts geändert.
5. Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln, weil dieser sein Fernbleiben vom Termin, trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht entschuldigt hat.
Ernemann Lohmann Fetzer Frey Hauger Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 28.08.2009 - 1 AGH 17/09 -
BGH:
Beschluss v. 22.11.2010
Az: AnwZ (B) 7/10
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