Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 21. Januar 2005
Aktenzeichen: 6 W 219/04
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 21.01.2005, Az.: 6 W 219/04)
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Antragsgegner der Antragstellerin weitere 686,40 EUR nebst Zinsen in der festgesetzten Höhe zu erstatten hat.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 686,40 EUR Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner wegen Markenverletzung im Beschlußwege eine einstweilige Verfügung erwirkt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat sie für die Mitwirkung des von ihr beauftragten Patentanwalts die Erstattung einer 1,3-Gebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses gemäß Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG) beantragt. Die Rechtspflegerin hat lediglich eine 1,0-Gebühr als erstattungsfähig anerkannt und den weitergehenden Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
Der Einzelrichter hat gemäß § 568 Abs. 2 ZPO die Sache dem Senat zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der dem mitwirkenden Patentanwalt der Antragstellerin entstandene Vergütungsanspruch ist in Höhe einer 1,3-Gebühr (Nr. 3100 VV RVG) erstattungsfähig.
Gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG sind in Kennzeichenstreitsachen von den Kosten, die durch die Mitwirkung eines Patentanwalts entstehen, "die Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes€ (sowie die notwendigen Auslagen des Patentanwalts) zu erstatten. Diese Regelung kann ungeachtet des insoweit möglicherweise unklaren Wortlauts nicht dahin verstanden werden, daß die Patentanwaltskosten stets und nur in Höhe einer (1,0-)Gebühr erstattungsfähig ist, wie sie sich aus § 13 RVG in Verbindung mit der Anlage 2 zu dieser Vorschrift errechnet (so allerdings Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, RVG, 16. Auflage, Rdz. 10 zu VV 3208). Vielmehr besteht unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 140 Abs. 3 MarkenG nach Auffassung des erkennenden Senats kein Zweifel daran, daß der Gesetzgeber mit den "Gebühren nach § 13 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes€ der Sache nach diejenigen Gebühren meint, die in Kennzeichenstreitsachen dem Rechtsanwalt nach § 13 RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) zustehen.
Nachdem früher die Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten im Gesetz (§ 140 Abs. 5 MarkenG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) ausdrücklich auf die Höhe einer vollen Gebühr nach § 11 BRAGO beschränkt war, hat der Gesetzgeber diese Beschränkung mit der am 01.01.2002 in Kraft getretenen Regelung in § 140 Abs. 3 MarkenG aufgehoben und die Patentanwaltskosten in gleichem Umfang wie die entsprechenden Rechtsanwaltskosten für erstattungsfähig erklärt (vgl. allgemein hierzu BGH GRUR 04, 1062, 1063 - Mitwirkender Patentanwalt). Die hierzu im Gesetz gewählte Formulierung ("die Gebühren nach § 11 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung€) wies allerdings insoweit ebenfalls eine Unklarheit auf, als die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Rechtsanwalt Gebühren in einzelnen Verfahrensabschnitten verdiente, nicht in § 11 BRAGO, sondern § 31 BRAGO geregelt war. Gleichwohl wurde die größte praktische Bedeutung der Rechtsänderung darin gesehen, daß nunmehr auch die dem Patentanwalt entstandenen Verhandlungs-, Beweis- und Vergleichsgebühren erstattungsfähig waren (vgl. hierzu Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage, Rdz. 58 zu § 140).
Mit der nunmehr im Zuge des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes in Artikel 4 Abs. 44 Nr. 2 vorgenommenen weiteren Änderung des § 140 Abs. 3 MarkenG hat der Gesetzgeber ersichtlich an der bestehenden Rechtslage nichts ändern, sondern die in dieser Vorschrift enthaltene Verweisung lediglich redaktionell an die - der alten Regelung in § 11 BRAGO strukturell entsprechenden - neue Regelung in § 13 RVG anpassen wollen. Insbesondere läßt sich der Gesetzesbegründung (vgl. Bundestagsdrucksache 15/1971, Seite 237, 238) nichts dazu entnehmen, daß mit der Neuregelung etwa beabsichtigt war, die erst kurze Zeit zuvor abgeschaffte Begrenzung der Erstattungsfähigkeit der Patentanwaltskosten auf einen bestimmten Teil der gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts wieder einzuführen. Gegen ein solches Verständnis spricht weiter, daß § 140 Abs. 3 MarkenG in der nunmehr geltenden Fassung im Gegensatz zu § 140 Abs. 5 MarkenG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung ("bis zur Höhe einer vollen Gebühr...€) jedenfalls nicht die Bestimmung einer Obergrenze enthält. Wollte man daher § 140 MarkenG n.F. dahin auslegen, daß mit der Verweisung auf § 13 RVG eine 1,0-Gebühr als erstattungsfähig anerkannt werde, müßte dies stets gelten, also auch für den Fall, in dem - etwa bei einem Tätigwerden im Beschwerdeverfahren (Nr. 3500 VV RVG) - selbst dem Rechtsanwalt nur eine geringere Gebühr (0,5) zusteht. Dies kann ersichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein.
Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus Artikel 4 Abs. 49 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (so aber Gerold /Schmidt - Müller-Rabe a.a.O.). Daß im dort geänderten § 2 des Gesetzes über die Beiordnung von Patentanwälten bei Prozeßkostenhilfe die dem beigeordneten Patentanwalt zustehende Gebühr für die Tätigkeit ohne mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme auf den Satz von 1,0 festgelegt worden ist, beruht nach der Gesetzesbegründung (a.a.O. Seite 238) ebenfalls lediglich auf einer redaktionellen Anpassung an die neuen Vorschriften des RVG.
Die von der Antragstellerin geltend gemachten Patentanwaltskosten sind daher in voller Höhe erstattungsfähig. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die Auslegung von § 140 Abs. 3 MarkenG Zweifelsfragen aufwirft, deren Beantwortung für eine Vielzahl künftiger Fälle von Bedeutung ist.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 21.01.2005
Az: 6 W 219/04
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