Landgericht Duisburg:
Urteil vom 13. Mai 2004
Aktenzeichen: 21 O 126/03

(LG Duisburg: Urteil v. 13.05.2004, Az.: 21 O 126/03)

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, von anderen Unternehmern vertriebene pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen nicht gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen, wenn die zurückgegebene Getränkeverpackung von der Beklagten entweder nach Art, Form und Größe ins Sortiment geführt wird oder bei Verkaufsstellen der Beklagten mit weniger als 200 qm Verkaufsfläche als Marke in Verkehr gebracht wird. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,-- EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband in Deutschland. Gemäß § 2 seiner Satzung bezweckt er, die Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Er verfolgt satzungsgemäß Verstöße nach § 13 Abs. 2 UWG und macht Ansprüche auf Unterlassung gemäß §§ 1 und 2 UklaG geltend. Der Kläger ist seit dem 16. Juni 2002 in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste gemäß § 4 UklaG eingetragen.

Die Beklagte ist ein deutschlandweit agierendes Supermarktunternehmen, das unter anderem Einweg- Getränkeverpackungen vertreibt.

Der Kläger macht mit Haupt- und Hilfsanträgen Unterlassungsansprüche gemäß § 1 UWG geltend, die er darauf stützt, dass die Beklagte die nach § 6 Verpackungsverordnung (VerpackV) auferlegte Rücknahmeverpflichtung verletzt.

Ausgangspunkt der Klage war folgende Behauptung des Klägers:

Ein Mitarbeiter habe am 24. Juli 2003 versucht, eine leere Dose Alsterwasser 0,5 l, in einer anderen Supermarktkette gekauft, in der Filiale der Beklagten in Berlin, zurückzugeben und das Pfand zurückzuerhalten, was ihm verweigert worden sei, obwohl diese Filiale mit mehr als 200 qm Verkaufsfläche dieselben Dosen abgefüllt mit Alsterwasser im Sortiment geführt habe.

Der Kläger vertritt die Ansicht, dieses Verhalten der Beklagten sei sittenwidrig im Sinne von § 1 UWG. Nach § 6 Abs. 1 S. 4 und 5 VerpakV bestehe eine Rücknahmeverpflichtung auf Verpackungen der Art, Form und Größe und auf Verpackungen solcher Waren, die der Vertreiber in seinem Sortiment führe. Die Rücknahmeverpflichtung beschränke sich ausnahmsweise auf die Verpackungen der Marken, die der Vertreiber in Verkehr bringe, wenn die Verkaufsfläche weniger als 200 qm betrage. Bei Rücknahme der Verpackungen sei das darauf gezahlte Pfand zu erstatten. Die Beklagte haben offenkundig rechtswidrig gehandelt, in dem sie die Rücknahme der Verpackung verweigert und das Pfand nicht ausgezahlt habe. Die Beklagte könne sich nicht auf den Rechtsstandpunkt zurückziehen, das bis zum 1. Oktober 2003 eine Duldung dieses Verhaltens durch den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) bestanden habe. An der rechtlichen Situation habe sich dadurch nichts geändert. Im übrigen sei die Duldung im Hinblick auf das Wort der beteiligten Handelsunternehmen, zu denen auch die Beklagte gehöre, zum zügigen Aufbau des einheitlichen Pfandrücknahmesystems abgegeben worden, das, auch durch die Beklagte, inzwischen gebrochen worden sei. In der Rechtsprechung verschiedener Landgerichte des Jahres 2003 sei anerkannt, dass es sich bei den Vorschriften der VerpackV zur Erhebung des Pflichtpfands um wertbezogene Normen im Sinne von § 1 UWG handele.

Der Klageanspruch rechtfertige sich aber auch aus dem Gesichtspunkt, dass die rechtlichen Voraussetzungen der von der Beklagten angekündigten und praktizierten sogenannten Insellösung nicht vorlägen, wonach gemäß § 6 Abs. 1 S. 4 der VerpackV die Verpflichtungen nach Satz 1 - die Rücknahmeverpflichtung - sich beschränkten auf Verpackungen der Art, Form und Größe, und auf Verpackungen solcher Waren, die der Vertreiber in seinem Sortiment führe. Es treffe nicht zu, dass die Beklagte mit der von ihr als Insellösung verwendeten "Flasche" eine Verpackung eigener Art, Form und Größe geschaffen haben. Beim Vergleich der von der Beklagten verwendeten PET-Flasche 0,5 l mit anderen PET-Flaschen, insbesondere der PET-Flasche 0,5 l der Supermarktkette falle auf, dass sie zum Verwechseln ähnlich seien. bei der Beurteilung dieser Frage sei das aktuelle Merkblatt Pfandpflicht: "Insellösungen" des BMU hinzuziehen, wonach die Unterscheidungskritierien jeweils einzeln zu betrachten seien, für die Unterscheidbarkeit ein bloßer Etikettenaufdruck, Auftragungen oder Einstanzungen sowie die Farbgebung unbeachtlich seien, während Etikettaufdrucke, Einprägungen u. ä. als Sekundärmerkmale dem Verbraucher eine Hilfestellung geben könnten, wo er nach Art, Form oder Größe unterschiedliche Gebinde zurückgeben könne.

Der Kläger trägt nun einen weiteren Vorfall vor:

Eine Kundin der Beklagten habe am 1. Oktober 2003 in der Filiale der Beklagten versucht, 9 gleichartige, pfandpflichtige Getränkeverpackungen zurückzugeben, die mit einem Logo der Beklagten gekennzeichnet gewesen seien. Sie habe nur 6 Wertmarken dabei gehabt. Die Kassiererin habe die Rücknahme der drei Getränkeverpackungen abgelehnt, für die die Kundin keine Pfandmünze habe vorweisen können.

Auch damit habe die Beklagte gegen die VerpackV verstoßen. Sie sei nicht berechtigt, die Annahme vor der Einführung der Insellösung verkaufter Verpackungen zu verweigern. Die Duldungsfrist sei am Tag des Rückgabeversuchs abgelaufen gewesen.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, von anderen Unternehmen vertriebene pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen nicht gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen, wenn die zurückgegebene Getränkeverpackung von der Beklagten entweder nach Art, Form und Größe im Sortiment geführt wird oder bei Verkaufsstellen der Beklagten mit weniger als 200 qm Verkaufsfläche als Marke in Verkehr gebracht wird;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, von der vertriebene pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen aus PET-Material der Größe 0,5 l folgender Form:

(es folgen 2 Ablichtungen der Getränkeverpackung)

nicht gegen Auszahlung des Pfands in Märken mit mehr als 200 qm Verkaufsfläche zurückzunehmen, wenn die Beklagte folgende pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackung aus PET-Material der Größe 0,5 l in diesen Märkten führt;

(es folgen Skizzen von der Getränkeverpackung)

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen aus PET-Material der Größe 0,5 l mit folgender Form zu vertreiben:

(es folgen Skizzen von der Getränkeverpackung)

ohne von vertriebene pfandpflichtige Einweg- Getränkeverpackungen aus PET-Material der Größe 0,5 l folgender Form in Märkten der Beklagten mit mehr als 200 qm Verkaufsfläche gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen:

(es folgen 2 Ablichtungen der Getränkeverpackung)

2.

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, von ihr nach dem 1. Januar 2003 vertriebene pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen nicht gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen;

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen zu vertreiben, ohne diese gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen;

höchsthilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, bei der Pfanderstattung auch von der Beklagten nach dem 1. Januar 2003 vertriebene pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen nach dem 30. September 2003 die gleichzeitige Übergabe einer von der Beklagten ausgegebenen Pfandmarke zu verlangen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Klage sei aus mehreren Gesichtspunkten unzulässig.

Der Streitwert, zu bemessen nach der wirtschaftlichen Bedeutung des eingeklagten Anspruchs für den Kläger, überschreite den Betrag von 5.000,-- EUR keinesfalls, werde berücksichtigt, dass der Pfandwert einer Getränkedose lediglich 0,25 EUR betrage. Es werde der falsche Rechtsweg beschritten, da die VerpackV auf der Grundlage des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verlassen worden und somit eindeutig den Bereich des öffentlichen Rechts zuzuordnen sei. Der Kläger sei nicht aktiv legitimiert, angebliche Verstöße gegen die VerpackV zu ahnden. Seine Klagebefugnis fehle auch deshalb, weil durch die gerügte Handlung tatsächlich wesentliche Belange der Verbraucher nicht berührt würden (§ 13 Abs. 2 UWG). Schließlich fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, und zwar vor allem deshalb, weil die Beklagte die als "Zettelwirtschaft" gerügte Rücknahmepraxis seit dem Auslaufen der Übergangsregelung zur VerpackV seit dem 1. Oktober 2003 nicht mehr durchführe, sondern seitdem eine Insellösung betreibe, bei der sie ohnehin nur noch solche Getränkeverpackungen verkaufe und zurücknehme, die der eigentümlichen Art, Form und Größe nach der für die Beklagte entsprechend entwickelten Formflasche entspräche und demnach in ihrem Sortiment geführt würden. Schließlich verstoße der Kläger mit der Stellung seiner Haupt- und Hilfsanträge gegen das Bestimmtheitsgebot für die Klageantragsformulierung, weil nicht erkennbar sei, in welchem Verhältnis die zahlreichen Hilfsanträge zu den jeweiligen Hauptanträgen zu sehen seien.

Die Klage sei aber mit ihren beiden Anträgen auch unbegründet.

Zum ersten Antrag:

Die Darstellung über den Rückgabeversuch vom 24. Juli 2003 treffe nicht zu. Zum fraglichen Zeitpunkt habe die Beklagte Alsterwasser ausschließlich unter der Eigenmarke "" vertrieben. Abgesehen davon könne das beanstandete Verhalten nicht gegen § 1 UWG verstoßen, weil die durch Anwendungserläuterung des BMU vom 20. Dezember 2002 bis zum 1. Oktober 2003 festgesetzte Übergangszeit noch nicht abgelaufen gewesen sei, in der die Pfandrückgabe nur dort gegolten habe, wo Getränke gekauft worden seien.

Die von der Beklagten seit dem 1. Oktober 2003 praktizierte Insellösung für PET-Flaschen 0,5 l bestehe darin, dass sie als einzige Einweg-Verpackung die für sie entwickelte und von den zuständigen Behörden ausdrücklich als zulässig geachtete Formflasche verwende, die in der aktuell verwendeten und eingereichten Gestaltung beim deutschen Patent- und Markenamt als dreidimensionale nationale Marke eingetragen worden sei. Die Gegenüberstellung der vom Kläger zum Vergleich eingereichten PET-Flaschen mache deutlich, dass keine Ähnlichkeit mit der von der Beklagten verwendeten Flasche bestehe. Das gelte insbesondere auch für die PET-Flasche des Wettbewerbers . Insbesondere in ihrer äußeren Form wichen die beiden Flaschen ganz erheblich von einander ab. Die Flasche der Beklagten habe unterhalb einer gedachten Mittellinie eine deutlich erkennbare gleichförmig und symmetrisch zylindrische Form. Oberhalb der gedachten Mittellinie verjünge sich die Form dagegen am Flaschenhals in eine schlanke kegelförmige Form. Die von der Beklagten verwendeten Flasche erwecke insgesamt einen eher bauchigen Gesamteindruck mit einer deutlich erkennbaren Zweiteilung der Form: In der oberen Hälfte eine schlanke Kegelform mit näheren Aussparungen, in der unteren Hälfte ein relativ breiter symmetrischer Zylinder mit glatter Oberfläche und einem breiten Etikett. Bei der Flasche des Wettbewerbers setze dagegen die Verjüngung des Flaschenhalses erst im oberen Drittel der Gesamtflasche an; der relativ kurze Flaschenhals verjünge sich in einer erheblich bauchigeren Form als der Flaschenhals der Flasche der Beklagten zur Öffnung hin. Unterhalb des Halses sei im zweiten Drittel der Flasche ein symmetrisch gestalteter zylindrischer Mittelteil erkennbar, an dem sich ein ebenfalls abgesetztes unteres Drittel der Flaschenform anschließe, das als deutlich erkennbare konkave Griffmulde gestaltet sei. Schließlich wichen auch Gestaltung, Größe und Plazierung des Etiketts erheblich voneinander ab.

Zum zweiten Klageanspruch:

Das beanstandete Verhalten verstoße nicht gegen die in § 6 Abs. 1 VerpackV normierte Rücknahmepflicht, da sich diese gerade nur auf solche Verpackungen beschränke, die der Vertreiber zum Zeitpunkt der Rückgabe in seinem Sortiment führe. Soweit die Beklagte Einwegverpackungen zurücknehme, die sie seit dem 1. Oktober 2003 nicht mehr im aktuellen Sortiment führe, könne sie nach dem zugrunde zu legenden Verursachererprinzip nur dann verpflichtet sein, wenn für sie nachvollziehbar belegt sei, dass sie tatsächlich Vertreiberin der jeweiligen Verkaufsverpackung sei. Deshalb habe sie die Rücknahme derjenigen Verpackungen abgelehnt, für die keine Pfandmarke habe vorgelegt werden können. Zu einem anderen Verhalten sei sie nach Ablauf der Übergangsfrist am 1. Oktober 2003 nicht berechtigt gewesen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Es ist Beweis erhoben worden durch Inaugenscheinnahme der vom Kläger als Anlagen 1 bis 4 und zweier von der Beklagten im Termin vom 19. Februar 2004 vorgelegten PET-Flaschen. Diese 6 Flaschen befinden sich als Anlage bei den Akten.

Im übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auch die überreichten Unterlagen, verwiesen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Für die Entscheidung über die Klageansprüche ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben. Mit der Klage werden auf § 1 UWG gestützte Unterlassungsansprüche geltend gemacht, für die die Zivilgerichte zuständig sind. Die von der Beklagten insoweit erhobenen Bedenken, die von der Kammer nicht als Rüge im Sinne von § 17 a Abs. 3 GVG verstanden wird, die von der Beklagten überdies nicht vor Stellung der Sachanträge erhoben worden ist (§ 282 Abs. 3 ZPO; vgl. Höller/ Gummer, ZPO, 23. Aufl., Rdnr. 6 zu § 17 a GVG) greifen nicht durch.

2.

Das Landgericht ist sachlich zuständig. Der nach dem Interesse des Klägers zu bemessende Streitwert für jeden der beiden Hauptansprüche ist mit je 20.000,-- EUR festgesetzt worden, wobei es nicht auf den Pfandwert der einzelnen Getränkedose ankommt, um deren Rücknahmeverpflichtung gestritten wird.

3.

Die Kammer für Handelssachen ist gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG funktionell zuständig.

4.

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UWG gemäß § 13 Abs. 2 S. 2 UWG klagebefugt. Aus seinen klagebegründenden Ausführungen ergibt sich, dass er mit den Klageansprüchen Handlungen der Beklagten beanstandet, durch die er wesentliche Belange der Verbraucher berührt sieht. Deswegen kann auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht verneint werden.

5.

Die vom Kläger gestellten Hauptanträge sind nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger mit ihnen letztlich das Ziel verfolgt, die Beklagte zu einem positiven Tun zu verpflichten, nämlich Einwegverpackungen zurückzunehmen, die nicht bei ihr gekauft worden sind. Der Kläger verweist zu Recht darauf, dass nach § 1 UWG wettbewerbswidrige Handlungen verfolgt werden, wobei dieser Begriff sowohl positives Tun als auch pflichtwidriges Unterlassen beinhalte (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einleitung UWG, Rdnr. 339 m.w.N.). Die Kammer sieht diese Frage als semantisches Problem an. Der Kläger hätte die beiden Hauptanträge auch dahin formulieren können, dass die Beklagte die pflichtwidrige Ablehnung der Rücknahme von Einweggetränkeverpackungen zu unterlassen hat, ohne dass sich dadurch am Gehalt des Anspruchs etwas ändern würde.

II.

Die Klage hat mit dem ersten Hauptantrag Erfolg. Die Beklagte hat es gemäß § 1 UWG bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, von anderen Unternehmen vertriebene pfandpflichtige Einweggetränkeverpackungen nicht gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen, wenn die zurückgegebene Getränkeverpackung von der Beklagten entweder nach Art, Form und Größe ins Sortiment geführt wird oder bei Verkaufsstellen der Beklagten mit weniger als 200 qm Verkaufsfläche als Marke in Verkehr gebracht wird und somit die in der VerpackV normierten Ausnahmefälle nicht vorliegen. Dagegen kann der Kläger von der Beklagten nicht gemäß § 1 UWG verlangen, dass sie es unterläßt, von ihr nach dem 1. Januar 2003 vertriebene pfandpflichtige Einweg-Getränkeverpackungen nicht gegen Auszahlung des Pfands zurückzunehmen.

1.

Der Kläger ist gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG aktiv legitimiert. Ausweislich der von ihm vorgelegten Bescheinigung des Bundesverwaltungsamts vom 16. Juni 2002 ist er seit dem in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UklaG eingetragen.

2.

Die vom Kläger behaupteten Verstöße der Beklagten gegen die Rücknahmeverpflichtung

gemäß § 6 VerpackV stellen ein sittenwidriges Wettbewerbsverhalten im Sinne von § 1 UWG dar. Wer sich über die in der VerpackV niedergelegte Rücknahmepflicht für Einwegverpackungen hinwegsetzt, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, verschafft sich gegenüber Mitbewerbern ungerechtfertigte Vorteile, Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch, weil er die Teilnahme am Rücknahmesystem verweigert. Das Landgericht Berlin, Kammer für Handelssachen, hat in seinem Urteil vom 11. Oktober 2003 - Aktenzeichen 103 O 76/03 -, ausgehend von einem Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß § 8 Abs. 1 S. 3 VerpackV, das Pfand nur bei Rücknahme der Verpackung zu erstatten, dazu folgendes ausgeführt:

"Die Beurteilung, ob ein beanstandetes Wettbewerbsverhalten sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG ist, erfordert regelmäßig eine - am Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtende - Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens nach seinem konkreten Anlaß, seinem Zweck, den eingesetzten Mitteln, seinen Begleitumständen und Auswirkungen. Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 1 UWG, die Lauterkeit des Wettbewerbs im Interesse der Marktbeteiligten und der Allgemeinheit zu schützen, ist der darin enthaltene Begriff der Sittenwidrigkeit wettbewerbsbezogen auszulegen (BGHZ 140, 134, 138 f. - Hormonpräparate -; BGH GRUR 2000, 237, 238 - Giftnotruf-Box). Wenn das zu überprüfende Wettbewerbsverhalten zugleich gegen ein Gesetz verstößt, dass den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter dient, indiziert die Verletzung einer derartigen werkbezogenen Norm grundsätzlich die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit mit der Folge, dass es regelmäßig nicht der Feststellung weiterer Unlauterkeitsumstände bedarf. Dies hat seinen Grund darin, dass es auch dann, wenn die verletzte Norm selbst keinen unmittelbar wettbewerbsbezogenen Zweck verfolgt, in der Zielsetzung des § 1 UWG liegt zu verhindern, dass Wettbewerb unter Mißachtung gewichtiger Interessen der Allgemeinheit betrieben wird (vgl. a.a.O.).

Die Pfanderhebungspflicht gemäß § 8 VerpakV soll der weiteren Vermüllung der Landschaft durch Getränkeverpackungen und der damit einhergehenden Gefährdung der natürlichen Ressourten entgegenwirken. Gemäß Artikel 20 a GG ist der Umweltschutz, d. h. die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für künftige Generationen, zum Staatsziel erklärt. Umweltschutz ist damit ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut. Der Gesetzesverstoß hängt mit dem wettbewerblichen Handel zusammen. Damit ist die wettbewerbliche Unterlauterkeit im Sinne von § 1 UWG begründet."

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen uneingeschränkt auch im Hinblick darauf an, dass vorliegend ein Verstoß gegen die Rücknahmepflicht gemäß § 6 VerpackV in Rede steht. Denn die pflichtwidrig verweigerte Rücknahme von Einweg-Getränkeverpackungen führt zu den gleichen Auswirkungen wie die in dem zitierten Urteil beschriebene Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß § 8 VerpackV.

3.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, dass in dem vom Kläger dargestellten Vorfall vom 24. Juli 2003 - Ablehnung der Rücknahme einer Einweg-Getränkeverpassung-Dose Alsterwasser 0,5 l -, die in einer anderen Supermarktkette gekauft war, beim Rückgabeversuch in der Filiale der Beklagten in Berlin, nicht als wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG gewertet werden kann. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Vorfall sich so zugetragen hat, wie vom Kläger behauptet, insbesondere darauf, ob in der genannten Filiale der Beklagten die konkrete Marke geführt wurde und ob die Verkaufsfläche größer oder kleiner als 200 qm ist.

Denn dieser Vorfall fällt in die vom BMU bis zum 30. September 2003 gewährte Übergangsfrist (vgl. z. B. Pressemitteilung BMU vom 12. September 2003, Anlage B 10), wonach dem Handel gestattet war, die Einwegverpackungen nur dort gegen Pfanderstattung zurückzunehmen, wo sie auch gekauft waren. Damit war die Rücknahmepflicht gemäß § 6 VerpackV zwar nicht formell aufgehoben, eine Handlungsweise, die sich innerhalb der Übergangsregelung hält und in der Übergangszeit stattfindet, kann jedoch nach Ansicht der Kammer nicht gegen die guten Sitten im Sinne von § 1 UWG verstoßen, ohne dass das näher ausgeführt werden müßte.

4.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung der durchgeführten Beweisaufnahme stellt die Kammer fest, dass die von der Beklagten nach ihrer eigenen Darstellung seit dem 1. Oktober 2003 verwendete PET-Flasche 0,5 l nicht die Voraussetzungen erfüllt, um als sogenannte Insellösung im Sinn von § 6 Abs. 1 S. 4 VerpackV zu gelten.

Nach der genannten Vorschrift beschränkt sich die Rücknahmeverpflichtung auf Verpackungen der Art, Form und Größe und auf Verpackungen solcher Waren, die der Vertreiber in seinem Sortiment führt, es sei denn, dass die Verkaufsfläche weniger als 200 qm beträgt, wobei sich die Rücknahmeverpflichtung nach § 6 Abs. 1 S. 5 VerpackV auf die Verpackungen der Marken beschränkt, die der Vertreiber in seinem Sortiment führt. Der Vergleich mit den von den Parteien vorgelegten PET-Flaschen gleichen Volumens zeigt, dass die Beklagte mit der PET-Flasche, auf die sich die Markenanmeldung gemäß Anlage B 24 bezieht und die sie seit dem 1. Oktober 2003 als Insellösung vertreibt, keine Verpackung eigener Art, Form und Größe verwendet. Dass kann die Kammer, deren Mitglieder zu den angesprochenen Verbrauchern gehören, aufgrund eigener Sachkunde beurteilen, wobei sie das von der Beklagten vorgelegte, vom BMU herausgegebene Merkblatt Pfandpflicht: "Insellösungen" vom 12. August 2003 als Entscheidungshilfe ansieht. Wie in dem genannten Merkblatt zu Recht hervorgehoben wird und ersichtlich auch die Parteien zugrunde legen, gibt es ein förmliches Genehmigungsverfahren für Insellösungen nach der VerpackV nicht und ist auch eine Vorstellung geplanter oder tatsächlich verwendeter Verpackungen durch den einzelnen Vertreiber bei den Bundes- und Landesbehörden nicht vorgesehen oder erforderlich.

Dass die zu den Akten gelangten Getränkeverpackungen nach Art, nämlich Materialtyp - Glasflaschen, Kunststoffflaschen oder -becher, Aluminium- oder Weißblechdosen - und nach der Größe, nämlich einerseits dem Inhaltsvolumen, andererseits nach der Höhe, übereinstimmen, kann nach Ansicht der Kammer nicht zweifelhaft sein. Es handelt sich sämtlich um PET-Flaschen, die eine Füllmenge von 0,5 l haben und Höhenabweichungen von allenfalls wenigen Millimetern aufweisen, wobei lediglich die -Flasche der Firma etwa 10 mm niedriger ist.

Entscheidend ist, ob in der Form derartige Abweichungen festgestellt werden können, dass sie dem Begriff der Insellösung, also der objektiven Feststellbarkeit der Formunterscheidung für die subjektive Wahrnehmung durch den Verbraucher (vgl. das erwähnte Merkblatt) gerecht werden. Das ist für die von der Beklagten verwendete PET-Flasche einerseits und für die Flasche der Supermarktkette andererseits nicht der Fall, wie anhand der vom Kläger vorgelegten durchsichtigen und der von der Beklagten eingereichten farbenen PET-Flaschen festgestellt werden kann.

Dabei legt die Kammer zugrunde, dass es auf die unterschiedliche Größe und Farbgestaltung der Etiketten und die unterschiedliche Farbe der Schraubdeckel nicht ankommen kann. Werden die beiden Flaschen nebeneinander betrachtet, so fällt nach Ansicht der Kammer ihre Ähnlichkeit sofort ins Auge. Das gilt für den "Kragen" unmittelbar unterhalb des Schraubdeckels, der beispielsweise bei der -Flasche nicht vorhanden ist, für den kreisrunden Querschnitt, für den im wesentlichen zylindrischen Korpus mit einer Verjüngung zum "Kragen" hin und für den in einem 5-zackigen Stern bestehenden Boden, dessen Zacken seitlich etwa gleich hoch in Richtung auf das zylindrische Mittelstück weisen. Die Markeneinprägungen können bei dieser Beurteilung keine Rolle spielen. Unterschiede bestehen darin, dass die in einer Doppellinie verlaufenden Einprägungen bei der Flasche der Beklagten sich oberhalb des Etiketts, bei der Flasche des Mitbewerbers sich unterhalb des Etiketts befinden. Die -Flasche weist im unteren Korpus-Drittel unterhalb des Etiketts eine Einschnürung ein, die bei der -Flasche nicht vorhanden ist. Die von der Beklagten hervorgehobene unterschiedliche Gestaltung der Verjüngung vom Korpus zum "Kragen" hin ist nur bei genauem Hinsehen zu erkennen. Die -Flasche und die -Flasche unterscheiden sich demgegenüber von den beiden abgehandelten PET-Flaschen zum einen durch die Oberflächen-Gestaltung - geriffelte Oberfläche im oberen und unteren Teil der -Flasche, markante Querrillen im mittleren Bereich der -Flasche -, andererseits durch einen glatten Boden bei der -Flasche.

Daraus geht auch hervor, dass die Gestaltung leicht zu unterscheiden der Verpackungen derselben Art und Größe ohne weiteres möglich ist.

Die beschriebenen Ähnlichkeiten reichen nach Ansicht der Kammer auch unter Berücksichtigung der dargestellten von der Kammer als geringfügig bewerteten Unterscheidungen nicht aus, um aus der Sicht des angesprochenen Verbrauchers ohne nähere Überprüfung die Unterscheidbarkeit wahrzunehmen, eines Verbrauchers, der bei dem alltäglichen und als nicht besonders wichtig eingeschätzten Vorgang der Beurteilung, wo er eine Einweg-Getränkeverpackung zurückzugeben hat, auf leichte Erkennbarkeit angewiesen ist und diese auch erwarten kann.

Abgesehen davon, dass die Beklagte nach ihrer eigenen Darstellung die in den Anlagen B 13 (Zeichnung), 24 (Marken-Anmeldung) und B 25 (Lichtbilder) dargestellte PET-Flasche entsprechend ihrer Presseinformation vom 13. Juni 2003 (Anlage B 12) und gemäß ihrer Werbung für die Zeit ab 1. Oktober 2003 (Anlage B 29) als Insellösung vertreibt und damit und gleichzeitig zu erkennen gibt, dass sie die Rücknahme der PET-Flaschen gleichen Volumens anderer Vertreiber ablehnt, wodurch sie gegen § 6 VerpackV und damit gegen § 1 UWG verstößt, besteht insoweit auch Erstbegehungsgefahr. Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach der Werbung gemäß Anlage B 20 die Beklagte selbst als "Merkmale der Flaschen" lediglich auf das eingeprägte Zeichen verweist, was, wie ausgeführt worden ist, nicht als maßgebliches Unterscheidungsmerkmal im Sinne von § 6 Abs. 1 VerpackV angesehen werden kann.

5.

Der vom Kläger vorgetragene Vorfall vom 14. November 2003 - Ablehnung der Rücknahme von Einweg-Getränke-Verpackungen der Beklagten die vor dem 1. Oktober 2003 verkauft waren, wenn keine Pfandmünze vorgelegt werden kann - rechtfertigt den mit dem zweiten Hauptantrag und den dazu gestellten Hilfsanträgen geltend gemachten Anspruch nicht. Die Kammer verweist insoweit auf die Ausführungen oben unter II. 3. Nach der für die Übergangszeit bis zum 30. September 2003 zugelassenen Handhabung war der Handel und damit auch die Beklagte nur verpflichtet, selbst verkaufte Einweg-Getränke-Verpackungen gegen die Rückgabe von Pfandmünzen zurückzunehmen. Die Kammer vermag nicht einzusehen, inwiefern sich daran etwas durch Ablauf der Übergangsregelung geändert haben soll, und verneint einen Verstoß gegen die Vorschriften der VerpackV.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 709 ZPO. Bei der getroffenen Kostenentscheidung ergibt sich für die Beklagte keine Vollstreckungsmöglichkeit.






LG Duisburg:
Urteil v. 13.05.2004
Az: 21 O 126/03


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