Verwaltungsgericht Gießen:
Beschluss vom 22. Januar 1997
Aktenzeichen: 10 J 33960/96.A

(VG Gießen: Beschluss v. 22.01.1997, Az.: 10 J 33960/96.A)

Gründe

Mit Urteil vom 12.03.1996, zugestellt am 19.04.1996, wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, den Beschwerdegegner als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 des Ausländergesetzes vorliegen. Mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 21.05.1996 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, den Anerkennungsbescheid zu erlassen. Es wurde eine Frist bis zum 10.06.1996 gesetzt. Mit Schreiben des Bevollmächtigten vom 03.07.1996 wurde die Beschwerdeführerin unter Androhung der Zwangsvollstreckung und mit neuer Fristsetzung zur Übersendung des Anerkennungsbescheides bis zum 18.07.1996 aufgefordert. Zugleich machte der Bevollmächtigte Kosten aus der Zwangsvollstreckung gegenüber der Beschwerdeführerin im Gesamtwert von 148,81 DM geltend.

Am 05.07.1996 wurde der Anerkennungsbescheid erlassen und dem Bevollmächtigten am 09.07.1996 zugestellt. Unter dem 07.08.1996 beantragte der Bevollmächtigte die Gebühren und Auslagen für die Zwangsvollstreckung gegen die Beschwerdeführerin in Höhe von insgesamt 148,81 DM festzusetzen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 02.10.1996 wurde dem Antrag entsprochen.

Mit Schriftsatz vom 10.10.1996, eingegangen beim Verwaltungsgericht Gießen am 11.10.1996, hat die Beschwerdeführerin Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß vom 02.10.1996 eingelegt. Im weiteren hat sie ausgeführt, daß aufgrund der Tatsache, daß für die Umsetzung des rechtskräftigen Urteils weniger als drei Monate benötigt worden seien, keine Kosten für die Androhung der Zwangsvollstreckung erstattet werden könnten. Die Rechtskraft sei am 07.05.1996 eingetreten, der Anerkennungsbescheid am 09.07.1996 zugestellt worden.

Der Beschwerdegegner ist der Auffassung, daß die Umsetzung der Verpflichtung schneller hätte erfolgen können. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge müsse weder eine Sach- oder Rechtsfrage klären noch eine Ermessensausübung vornehmen.

Die zu erlassende Entscheidung bestehe lediglich aus zwei oder drei standardisierten Sätzen, die von Hilfskräften in wenigen Minuten vorbereitet werden könnten. Insoweit könne auch nicht auf eine Drei-Monats-Frist analog § 75 Abs.1 VwGO zurückgegriffen werden. Eine angemessene Vollziehungsfrist könne sich deshalb höchstens aus einer Postlaufzeit der Mitteilung des Bundesbeauftragten von zwei oder drei Tagen, einer Bearbeitungszeit von weiteren zwei Tagen und einer Postlaufzeit der Bescheiderteilung von wiederum zwei oder drei Tagen zusammensetzen. Alles in allem dürfe die Vollziehungsfrist auf keinen Fall mehr als 14 Tage betragen. Bis zum ersten Tätigwerden sei bereits mehr als ein Monat verstrichen. Die Vollstreckungsandrohung sei sodann weitere vier Wochen später herausgegangen, nachdem das Bundesamt untätig geblieben sei. Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß nicht abgeholfen (Blatt 76 der Gerichtsakte).

Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluß vom 02.10.1996 hätte nicht erlassen werden dürfen, denn der Beschwerdegegner konnte keine Kosten aus der Zwangsvollstreckung geltend machen. Zwar entstehen grundsätzlich bei Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung Gebühren bei dem Bevollmächtigten (§ 57 ff. BRAGO), soweit keine besonderen Angelegenheiten der Zwangsvollstreckung nach § 58 Abs.2 BRAGO vorliegen. Im vorliegenden Fall sind die Maßnahmen des Bevollmächtigten nach Auffassung des Gerichtes jedoch noch keine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung. Denn aus dem vorliegenden Urteil des Verwaltungsgerichtes Gießen vom 12.03.1996 konnte zum Zeitpunkt der Handlung des Bevollmächtigten nicht vollstreckt werden. Nach § 167 Abs.1 i.V.m. § 171 VwGO bedurfte die Entscheidung einer Vollstreckungsklausel. Diese wurde von dem Bevollmächtigten des Beschwerdegegners nicht beantragt und wäre auch keine besondere Angelegenheit der Zwangsvollstreckung nach § 58 Abs.2 Nr.1 BRAGO. Ein Fall der §§ 196 und 170 Abs.1 bis 3 VwGO (Vollstreckung zugunsten der Öffentlichen Hand bzw. Vollstreckung gegen die Öffentliche Hand wegen einer Geldforderung) liegen nicht vor. Mithin können Tätigkeiten in der Zwangsvollstreckung erst dann begründet sein, wenn eine Vollstreckung rechtlich möglich ist. Dies war vorliegend mangels Vollstreckungsklausel nicht der Fall. Unabhängig davon weist das Gericht darauf hin, daß die Auffassung der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen (Az.: 7 M 30501/96) nicht geteilt wird. Auf die Regelung der Zwangsvollstreckung und der Umsetzung rechtskräftiger Entscheidungen findet § 75 VwGO gerade keine Anwendung. Denn es geht nicht um selbständiges Verwaltungshandeln, sondern um die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen. Verfahrensgründe, welche eine längere Bearbeitungsdauer beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge begründen würden, liegen ebenfalls nicht vor, dies, zumal Stellen abgebaut werden. Ein Stellenabbau kann jedoch nur erfolgen, wenn genügend Kapazitäten vorhanden sind. Bei ausreichenden Kapazitäten müßte die Umsetzung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung binnen eines Monats oder früher möglich sein. Dies würde jedoch nicht ausschließen, daß die obsiegende Partei in diesem Zeitraum bereits die Vollstreckungsklausel beantragt und nach Erteilung das Vollstreckungsverfahren einleitet. Mithin das Bundesamt an einer zügigen Umsetzung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen, welche es zu einer Handlung verpflichten, ein hohes Interesse haben muß, um nicht unnötigen Kosten oder gar Zwangsgeldern aus der Zwangsvollstreckung zu unterliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO, § 83b Abs.1 AsylvfG. Der Beschluß ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.l






VG Gießen:
Beschluss v. 22.01.1997
Az: 10 J 33960/96.A


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/c52cd8dfac34/VG-Giessen_Beschluss_vom_22-Januar-1997_Az_10-J-33960-96A




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share