Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Januar 2000
Aktenzeichen: 26 W (pat) 74/99

(BPatG: Beschluss v. 19.01.2000, Az.: 26 W (pat) 74/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 15. Juni 1998 und 3. Dezember 1998 aufgehoben.

Die Löschung der Marke 395 49 982 wird angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die am 22. November 1996 für die Waren

"Glaswaren, nämlich Lampen und Lüster; Glaswaren, nämlich kunstgewerblich gestaltetes Glas und Waren aus Glas für Haushalt und Küche; Spiegel, soweit in Klasse 20 enthalten"

unter der Nummer 395 49 982 eingetragene farbige Wort-Bild-Markehttp://agora/bpatgkollision/docs/26W(pat)74-99.1.3.gifist ua Widerspruch erhoben worden aus der Marke 917 305 STELLA die seit 16. April 1974 ua für die Waren

"Flaschen und Behälter; ... sämtliche vorgenannten Waren aus Metall, Glas, Porzellan und/oder Kunststoff"

geschützt ist.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten.

Die Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit den beiden vorgenannten Beschlüssen zurückgewiesen. Zur Begründung hatte sie im wesentlichen ausgeführt, daß sich zwar teilweise gleiche Waren gegenüberstünden, weshalb die beiden Marken einen deutlichen Abstand einhalten müßten. Dieser sei jedoch gewahrt, denn im Gesamteindruck unterschieden sich die Marken hinreichend, weil die jüngere Marke "STELLA BOHEMIA" eine Gesamtaussage darstelle. Es sei deshalb kein Grund ersichtlich, weshalb sie lediglich mit dem Wort "STELLA" benannt werden sollte.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Zur Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Widerspruchsmarke reicht sie Unterlagen und ein Warenmuster ein. Ihrer Ansicht nach hat die Markenstelle verkannt, daß der Markenbestandteil der jüngeren Marke "BOHEMIA" mit der Bedeutung "böhmisch" als geographische Angabe für Glaswaren aus Böhmen keine selbständige Kennzeichnungskraft ausüben könne. Angesichts der angesprochenen Verkehrskreise müsse deshalb nach aller Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, daß die jüngere Marke nach dem an erster Stelle stehenden Bestandteil "STELLA" benannt werde. Für eine Verwechslungsgefahr spreche außerdem, daß der übereinstimmende Zeichenteil "STELLA" auch Bestandteil ihres Firmennamens sei.

Die Widersprechende beantragt demgemäß, unter Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen.

Der Anmelder hat sich zur Beschwerde nicht geäußert. Gegenüber der Markenstelle hat er die Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren bestritten und insoweit darauf hingewiesen, daß er ausschließlich Produkte für Privathaushalte, die Widersprechende jedoch Produkte für Gewerbebetriebe herstelle. Die beiden Marken seien auch nicht ähnlich, wobei insbesondere die graphische Gestaltung seines Zeichens "STELLA BOHEMIA" zu berücksichtigen sei.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet. Nach Ansicht des Senats besteht zwischen der angemeldeten Marke und der Widerspruchsmarke 917 305 die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des EuGH umfassend unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, die zueinander in einer Wechselbeziehung stehen, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH GRUR 1998, 387, 389 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1995, 216, 219 - Oxygenol II).

Wie die Widersprechende durch die eingereichten Unterlagen und das Warenmuster gemäß § 43 Abs 1 MarkenG glaubhaft gemacht hat, benutzt sie die Widerspruchsmarke "STELLA" zur Kennzeichnung unterschiedlich großer Tropffläschchen aus Glas, die von ihr mit speziellen Verschlüssen versehen und offenbar zur Befüllung mit Medikamenten oder Ähnlichem bestimmt sind. Nach ihren Angaben erzielte sie mit diesen Waren im Jahre 1996 einen Umsatz von mehr als 8,6 Millionen DM. Mit diesen Unterlagen ist die Benutzung der Widerspruchsmarke für den gemäß § 43 Abs 1 MarkenG relevanten Zeitraum für die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke aufgeführte Ware "Flaschen aus Glas" in erheblichem Umfang glaubhaft gemacht.

Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art der Waren, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren (EuGH GRUR 1998, 922 - CANON). Weiterhin ist zu berücksichtigen, ob die beiderseitigen Waren regelmäßig von den selben Unternehmen hergestellt werden, ob sie in ihrer stofflichen Beschaffenheit Übereinstimmungen aufweisen, dem gleichen Verwendungszweck dienen und ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (BGH GRUR 1999, 198 - GARIBALDI; GRUR 1999, 256, 246 - LIBERO).

Bei dieser rechtlichen Ausgangslage ist von einer mittleren Ähnlichkeit der in Rede stehenden Waren auszugehen: Die benutzte Ware "Flaschen aus Glas" weist insbesondere zu der vom Anmelder beanspruchten Ware "Waren aus Glas für Haushalt und Küche", die Flaschen für den Haushalts- und Küchengebrauch umfaßt, eine erhebliche Ähnlichkeit auf. Die übrigen vom Anmelder beanspruchten Waren, nämlich Lampen und Lüster, kunstgewerblich gestaltetes Glas sowie Spiegel sind den aus Glas gefertigten Flaschen, die die Widersprechende nach den von ihr vorgelegten Unterlagen herstellt, wegen der Übereinstimmung in dem verarbeiteten Material, der dadurch bedingten ähnlichen Herstellungsverfahren und aufgrund des Umstands, daß Handwerksbetriebe, die Glaswaren herstellen, nicht nur Flaschen und Gläser sondern häufig auch andere kunsthandwerkliche Glaswaren bis hin zu Lampen und Spiegeln erzeugen, ebenfalls ähnlich, wobei die Ähnlichkeit wegen der unterschiedlichen Verwendungszwecke allerdings geringer einzustufen ist.

In Anbetracht des hohen, im Jahr 1996 mit mehr als 8,6 Millionen DM erzielten Umsatzes sowie der langjährigen Benutzung der Widerspruchsmarke für Flaschen aus Glas, ist jedenfalls von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, so daß an den Abstand der sich gegenüberstehenden Marken erhebliche Anforderungen zu stellen sind, die die angegriffene Marke jedoch nicht wahrt.

Bei der Prüfung der Markenähnlichkeit ist grundsätzlich auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken abzustellen (vgl EuGH aaO - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1996, 774 - Sali Toft). Da sich im vorliegenden Fall eine kombinierte Zwei-Wort-Bildmarke und ein reines Wortzeichen gegenüberstehen, sind die Vergleichszeichen in ihrer Gesamtheit nicht ähnlich.

Der maßgebliche Gesamteindruck kann aber auch von einzelnen Elementen einer Marke geprägt werden. Dies setzt allerdings voraus, daß ein solches Element innerhalb der mehrgliedrigen Marke eine eigenständig kennzeichnende Funktion aufweist. Ein den Gesamteindruck der Marke (mit)prägender Charakter kommt nach diesen Grundsätzen insbesondere kennzeichnungsschwachen, weil beschreibenden Angaben oder an beschreibenden Angaben angelehnten Ausdrücken nicht zu (vgl BGH GRUR 1992, 105, 106 - paracet von ct/PARA-CET Woelm).

Ob an diesen Grundsätzen gemessen die angegriffene Marke - allein - durch den Zeichenteil "STELLA" geprägt wird, vermag der Senat nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Gegen eine Prägung der jüngeren Marke durch den Bestandteil "STELLA" sprechen zum einen die Kürze und das einheitliche Schriftbild der Bezeichnung "STELLA BOHEMIA", zum anderen liegt der beschreibende Charakter des Zeichenteils "BOHEMIA" nicht ohne weiteres auf der Hand, weil nicht sicher davon ausgegangen werden kann, daß der angesprochene Verkehr den Markenbestandteil "BOHEMIA" als englische Bezeichnung für "Böhmen" erkennt (vgl Collins, Englisch-Deutsch, 1981, S 68) und dieses Markenwort deshalb nur als bloße Herkunftsangabe wertet.

Dennoch besteht nach Ansicht des Senats die Gefahr, daß die Vergleichsmarken im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 letzter Halbs MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Hauptanwendungsbereich für diese Art der Verwechslungsgefahr ist die mittelbare Verwechslungsgefahr. Sie setzt voraus, daß die beteiligten Verkehrskreise zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennen und somit keinen unmittelbaren Verwechslungen unterliegen, sie aber gleichwohl einen in beiden Marken übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stammzeichen des Inhabers der älteren Marke werten und deshalb die übrigen abweichenden Markenteile nur noch als Kennzeichen für bestimmte Waren aus dem Geschäftsbetrieb des Inhabers der älteren Marke ansehen (vgl BGH GRUR 1996, 200, 202 - Innovadiclophlont). Für den notwendigen Hinweischarakter des übereinstimmenden Markenbestandteils auf den Inhaber der älteren Marke spricht, wenn das fragliche Element nicht nur als Produktmarke sondern auch als Firmenkennzeichnung verwendet wird (vgl dazu BGH GRUR 1969, 357, 359 - Sihl). Diese Voraussetzung liegt auf seiten der Widersprechenden vor, denn das in beiden Marken übereinstimmende Wort "STELLA" ist vorrangiger Bestandteil ihres Firmennamens.

Bei dieser Sachlage besteht für den angesprochenen Verkehr die Gefahr von Verwechslungen, so daß die Löschung der jüngeren Marke 395 49 982 anzuordnen war.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen (§ 71 Abs 1 MarkenG) bestand kein Anlaß.

Kraft Eder Pagenberg Mü/prö






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Beschluss v. 19.01.2000
Az: 26 W (pat) 74/99


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