Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 14. Januar 2004
Aktenzeichen: I-19 W 1/03 AktE
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 14.01.2004, Az.: I-19 W 1/03 AktE)
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 15.01.2003
werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller trägt die Antragsgegnerin, die auch die Vergütung und die Auslagen des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionä-re zu tragen hat.
Beschwerdewert: 4.800.000 EUR
Gründe
I.
Die Antragsteller waren Aktionäre der ... Versicherungs-Aktiengesellschaft. Diese wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 21.06.2000, dem ihre Hauptversammlung am 17.08.2000 zugestimmt hatte, auf die ..... Versicherungs-Aktiengesellschaft (Deutschland) verschmolzen. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 27.10.2000. Sie wurde am 24.11.2000 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Der Verschmelzungsvertrag sieht in § 2 (S. 31/32 Verschmelzungsbericht) als Gegenleistung für die Aktionäre der ... vor:
für je 1 auf den Namen der ... lautende Aktie im Nennbetrag vom 1.000,-- DM 10 Stück auf den Namen lautende Aktien der ....., für je 1 auf den Namen lautenden Aktie der ... im Nennbetrag vom 100,-- DM 1 auf den Namen lautende Aktie der ......
Die als Gegenleistung zu gewährenden Aktien der ..... sind nichtvinkulierte Namens-Stückaktien mit einem anteiligen Betrag des Grundkapitals von 100,-- DM je Aktie. Für den Fall, dass in einem Spruchverfahren nach §§ 305 ff UmwG a.F. eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses durch bare Zuzahlung rechtskräftig festgesetzt wird, soll die Entscheidung gemäß § 311 UmwG a.F. für und gegen alle Aktionäre der ... gelten.
Grundlage des angebotenen Umtauschverhältnisses war das Gutachten der ...... Der Verschmelzungsbericht wurde von der gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüferin, der ......, geprüft.
Die Antragsteller haben das Angebot für unzureichend gehalten und die Festsetzung eines angemessenen Ausgleichs durch bare Zuzahlung beantragt, da das dem Verschmelzungsbericht zu Grunde liegende Umtauschverhältnis nicht angemessen sei.
Die Antragsgegnerin hat darauf hingewiesen, dass die Anträge keine sachlichen Einwände gegen das Gutachten enthielten und die Anträge daher zurückzuweisen seien.
Das Landgericht hat die Anträge zurückgewiesen: Die Ermittlung des Umtauschverhältnisses, insbesondere die Bewertung der beiden Unternehmen sei schlüssig begründet. Das Ergebnis des Verschmelzungsberichts sei von der gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüferin als nachvollziehbar und überzeugend bestätigt worden. Ohne konkrete Einwände gegen das Gutachten von Seiten der Antragsteller habe die Kammer keine Veranlassung, weitere Nachforschungen anzustellen.
Gegen den Beschluss richten sich die fristgerecht eingelegten Beschwerden der Antragsteller. Der Antragsteller zu 3) rügt, dass der Verschmelzungsbericht kein Zahlenmaterial zur Entwicklung der einzelnen Versicherungssparten der Verschmelzungspartner enthalte. Er hält die Prognose für die ewige Rente der ... insbesondere im Hinblick auf die günstigere Beitragsentwicklung für verfehlt. Auch die Diskrepanz im Kapitalanlageergebnis sei nicht nachvollziehbar. Eine risikoärmere Spekulation bei der ... müsse sich in der Verschmelzungswertrelation für diese positiv auswirken. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Unternehmensbewertung bewertungstechnisch auf dem 31.12.1999 abstelle und der seit März 2000 eingetretene Kursverfall bis zum Tag der Hauptsversammlung im August 2000 im Anlageportfolio der ..... nicht berücksichtigt worden sei. Schließlich sei die ... Tochter .. anlässlich des Squeeze-Out-Verfahrens im Jahre 2002 um 2/3 höher bewertet worden als im Verschmelzungsbericht. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass das versicherungstechnische Ergebnis bei ... und .. in der Planungsphase in alle Ewigkeit negativ ausfalle.
Sie beantragen,
einen Ausgleich durch bare Zuzahlung anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortigen Beschwerden zurückzuweisen.
Sie hält die Einwendungen der Antragsteller für nicht stichhaltig: Bei allen Gesellschaften sei im Planungszeitraum ein versicherungstechnisches Ergebnis erzielt worden, das zwar schlechter sei als 1997/98 aber besser als 1999. Zudem sei das versicherungstechnische Ergebnis der ..... nahezu fünf Mal schlechter als das der .... Im Ergebnis verschlechtere sich auch das prognostizierte Kapitalanlageergebnis der ..... im Vergleich zur Vergangenheit erheblich, wohingegen es sich bei der ... verbessere. Eine Benachteiligung der Aktionäre der ... sei nicht ersichtlich. Die unterschiedliche Höhe der Kapitalanlagerendite beruhe auf der unterschiedlichen Höhe der stillen Reserven, die die Gesellschaften zum Bewertungsstichtag ausgewiesen hätten. Der bei allen Gesellschaften zu Grund gelegte Ausgangswert sei unter Berücksichtigung der stillen Reserven angepasst worden. Hieraus ergäben sich die unterschiedlichen Kapitalanlagerenditen. Das Anlagenportfolio der ..... und der ... unterschieden sich dabei nur unerheblich. Unzutreffend sei, dass die ..... aggressiver spekuliere als die .... Die DAX-Werte hätten sich nach dem technischen Bewertungsstichtag nicht nachteilig entwickelt, im Gegenteil habe der DAX im August 2000 über dem Wert zum Jahreswechsel 1999/2000 gelegen.
II.
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller sind gemäß § 309 Abs.1, 307 Abs.1 UmwG a.F., 22 FGG zulässig, da sie frist- und formgerecht eingelegt wurden. Die Vorschriften des Spruchverfahrensgesetzes finden nach § 17 Abs. 2 S.2 SpruchG auf das vorliegende Beschwerdeverfahren noch keine Anwendung.
Die sofortigen Beschwerden haben aber in der Sache keinen Erfolg. Das im Verschmelzungsbericht festgesetzte und von der Antragsgegnerin angebotene Umtauschverhältnis ist angemessen im Sinne des § 15 Abs.1 UmwG. Die von den Antragstellern gegen den Verschmelzungsbericht vorgebrachten Bedenken sind nicht geeignet, die von der Verschmelzungsprüferin in ihrem Prüfbericht vom 28.06.2000 als sachgerecht und angemessen beurteilte Ermittlung des Umtauschverhältnisses in Zweifel zu ziehen.
Das Umtauschverhältnis ist nur dann unangemessen, wenn die hingegebenen Aktien der übertragenen Gesellschaft nicht den gleichen Wert haben wie die dafür von der übernehmenden Gesellschaft dem außenstehenden Aktionär angebotenen Aktien.
§ 5 Abs.1 Nr. 3 UmwG sieht vor, dass der Verschmelzungsvertrag das Umtauschverhältnis der Anteile und ggf. die Höhe der baren Zuzahlung enthalten soll. Mit der Feststellung des Umtauschverhältnisses soll die wirtschaftliche Identität der Anteilsinhaberschaft zwischen übertragener und übernehmender Gesellschaft sichergestellt werden (Dehner, UmwG, 2. Aufl. 1996, § 15 Rn. 5; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG, § 15 Rn.1). Zur Bestimmung des Umtauschverhältnisses ist die so genannte Verschmelzungswertrelation festzustellen. Hierfür ist die Bewertung beider Unternehmen erforderlich. Der Wert des Unternehmens bestimmt sich maßgeblich danach, wie die Gesellschaft ohne den Abschluss des Unternehmensvertrages wertmäßig zu beurteilen wäre. Der nach diesen Grundsätzen ermittelte Wert stellt die angemessene Abfindung dar, weil der ausscheidende Aktionär die Summe erhalten muss, die dem Wert seiner Beteiligung an dem Unternehmen voll entspricht. Nur die volle Abfindung ist angemessen und wird der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art 14 GG gerecht (BVerfGE 14, 263, 284; BGHZ 71, 40, 51; BayOblG, WM 1996, 526, 528; Senat, AG 1990, 397, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz - Koppensteiner, 2. Aufl., § 305 Rn. 27; Hüffer, AktG, 5. Aufl., § 305 Rn. 18).
Bei der Berechnung des Umtauschverhältnisses sind die Gutachter zutreffend von der Ertragswertmethode ausgegangen und haben fiktiv darauf abgestellt, wie sich beide Unternehmen entwickelt hätten, wenn sie als selbstständige Einheiten fortgeführt worden wären (S. 40f Verschmelzungsbericht). Die Ertragswertmethode ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt (OLG Zweibrücken, WM 1995, 980, 981; Hüffer, a.a.O. § 305 Rn. 19; Stellungnahme HFA 2/1983, WpG 1983, 468; Seetzen, WM 1994, 46, 48). Bei der Unternehmensbewertung ist primär der Barwert des betriebsnotwendigen Vermögens unter Berücksichtigung der prognostizierten Einnahmen und Ertragsüberschüsse zu ermitteln. Ggf. ist das Ergebnis um die gesonderte Bewertung von Beteiligungen und von so genanntem nicht betriebsnotwendigen Vermögen, das regelmäßig mit dem Liquidationswert angesetzt wird, zu ergänzen. Das Ergebnis der Prognose ist mit einem an der Rendite des öffentlichen Kapitalmarktes orientierten Kalkulationszinsfuß zu kapitalisieren (BGH, NJW 1982, 2441; BGH, NJW 1985, 192, 193; Senat, ZIP 1988, 1555, 1556; Senat, WM 1990, 1282, 1286; Senat, AG 1992, 200, 203).
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen war im vorliegenden Fall bei keiner der Gesellschaften zu bewerten. Unberücksichtigt bleiben konnte auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Einbeziehung des Börsenwertes in die Unternehmensbewertung, weil keine der bewerteten Unternehmen börsennotiert war (S. 42 Verschmelzungsbericht).
Die einzelnen Angriffe gegen die Bewertung der verschmolzenen Unternehmen führen nicht zu einer anderen Festsetzung des Umtauschverhältnisses. Der Senat war auch im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 12 FGG nicht gehalten, ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen. Es ist nicht grundsätzlich geboten, neben der Prüfung durch einen Verschmelzungsprüfer ein weiteres Gutachten einzuholen, insbesondere dann nicht, wenn die Einwendung gegen das Gutachten - wie nachfolgend ausgeführt - nicht schlüssig sind. Die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens liegt im Rahmen der freien Beweiswürdigung im Ermessen des Gerichts. Die Einschaltung des gesonderten und unparteiischen Verschmelzungsprüfers soll dem präventiven Schutz der Anteilseigner dienen. Der Verschmelzungsprüfer unterzieht den Verschmelzungsbericht einer sachkundigen, unabhängigen Plausibilitätskontrolle (BGH, ZIP 1989, 980, 982). Die Frage der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses und der Höhe einer etwaigen baren Zuzahlung sind Gegenstand dieses präventiven Aktionärsschutzes. Daher kann der Senat diese Gutachten in gleicher Weise wie die Gutachten von gerichtlich bestellten Sachverständigen bewerten und ist nicht gehalten, von vornherein einen weiteren gerichtlichen Gutachter zu beauftragen.
Zu den Angriffen der Antragsteller gegen die Bewertung der verschmolzenen Unternehmen im Einzelnen:
Zahlenmaterial
Der Antragsteller zu 3) rügt, dass der Verschmelzungsbericht keine Zahlenangaben zur Entwicklung der einzelnen Versicherungssparten enthält, die es erlauben würden, eine Verprobung der insoweit obligatorischen Angaben für die Vergangenheit in den Geschäftsberichten vorzunehmen (Bl. 170 GA).
Die Antragsteller haben keinen allgemeinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin eine Spartenaufgliederung für den im Verschmelzungsbericht abgedeckten Prognosezeitraum vorlegt. Der Verschmelzungsbericht soll neben den allgemeinen dem Aktionär zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nur eine Plausibilitätskontrolle ermöglichen und nicht sicher stellen, dass alle Einzelheiten der Berechnung nachvollzogen werden können (Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, 2. Aufl., § 193 a Rn. 17; Kallmeyer, a.a.O., § 8 Rn.6; MüKo-Altmeppen, AktG, 2. Aufl., § 293a Rn. 37). Eine darüber hinaus gehende Pflicht zur Begründung der Verschmelzung ist weder aus dem Schutzbedürfnis der Aktionäre geboten noch mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu leisten. Durch den Einsatz eines gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüfers wird ein sachkundiger Schutz der Anteilsinhaber gewährleistet. Er hat weit gehende Auskunfts- und Einsichtsrechte gemäß §§ 11 UmwG, 320 HGB und kann einzelne Nachweise zur Überprüfung des Verschmelzungsberichts verlangen.
Beitragsentwicklung
Der Antragsteller zu 3) rügt ferner, dass die Beitragsprognose für die ewige Rente bei der ..... 4% über dem Durchschnittswert der Jahre 1997 - 1999 liege, bei der ... hingegen nur um 0,5%. Der Unterschied in der Beitragsentwicklung sei nicht plausibel. Zudem ergebe sich ein wesentlicher Teil des Prämienaufkommens der ..... aus Rückversicherungen, die wegen des erheblichen Konkurrenzdrucks keine risikogerechten Prämien einbrächten (Bl. 171 GA).
Dieser Einwand überzeugt nicht. Die Gutachter haben dargelegt, dass sich die unterschiedliche Beitragsentwicklung aus einer unterschiedlichen Entwicklung der Versicherungssparten ergibt. In der Prognose der Beitragsentwicklung der Sparten Kraftfahrzeug-Haftpflicht, Allgemeine Haftpflicht und Allgemeine Unfall unterscheiden sich die beiden Versicherungsunternehmen nicht (S. 51/52 bzw. 59/60 Verschmelzungsbericht). Die unterschiedliche Beitragsentwicklung resultiert zum einen aus der Bewertung der Feuerversicherung. Während die ... auf Grund eines durch Großschäden bedingten stark schwankenden Schadensverlaufs einen Rückgang der Beiträge annimmt, plant die ..... in diesem Bereich eine relativ konstante Entwicklung des Beitragsvolumens (S. 60 Verschmelzungsbericht). Darüber hinaus hat die ... wegen des nachhaltig negativen Verlaufs das Geschäft in dieser Sparte fortlaufend reduziert. Hinzukommt, dass das Rückversicherungsgeschäft bei der ..... 20,1% des Gesamtvolumens ausmacht (S. 58 Verschmelzungsbericht), wohingegen es bei der ... nur 5,4% umfasst (S. 50 Verschmelzungsbericht). Für das Rückversicherungsgeschäft weisen die Planungen ein moderates Wachstum des Beitragsvolumens in der Zukunft auf (S. 60 Verschmelzungsbericht).
Entgegen der Ansicht des Antragstellers zu 3) ist dieser Zuwachs des Prämienaufkommens nachvollziehbar. Bei dem Rückversicherungsgeschäft der ..... handelt es sich nahezu ausschließlich um Quoten-Rückversicherungsverträge verbundener Unternehmen, um das Rechtsschutzgeschäft der ..... Rechtsschutz und das Geschäft der ...... Versicherung AG (S. 60 Verschmelzungsbericht). Die Überlegungen des Antragstellers zu 3) zur Prämiensituation betreffen jedoch das Industrieversicherungsgeschäft.
Anteil der Beiträge an dem bereinigten Ergebnis vor Schwankungsrückstellung
Der Antragsteller zu 3) meint ferner, die durch die bei der ..... günstigere Beitragsentwicklung entstandene Situation werde noch dadurch verschärft, dass die Prognose für das bereinigte Ergebnis vor Schwankungsrückstellungen bei der ... 9,11 % der Beiträge ausmache, bei der ..... hingegen 9,53% (Bl. 171 GA).
Diese Bedenken greifen nicht durch. Im Durchschnitt der Jahre 1997 - 1999 machte das bereinigte Ergebnis vor Schwankungsrückstellungen bei der ... 9,8% des Beitragsvolumens aus, bei der ..... hingegen 12,36%. Der prognostizierte Rückgang fällt bei der ... mit 0,69% weitaus moderater aus als bei der ..... mit 2,82%. Eine Benachteiligung der Minderheitsaktionäre der ... ist nicht ersichtlich.
Auch der Einwand, 1999 habe als Ausnahmejahr in die Ermittlung langfristig empirischer Befunde nicht einbezogen werden dürfen, trägt nicht (Bl. 216 GA). Ertragseinbrüche hatten 1999 sowohl die ... mit 13,68% als auch die ..... mit 10,11 % hinzunehmen. Bei der Verschmelzungswertrelation kann nicht nur auf Seiten der ... der Wert aus 1999 eliminiert werden. Um die Vergleichbarkeit der Unternehmenswerte zu gewährleisten, müsste dies auch auf Seiten der ..... geschehen. Bei der vergleichbaren Größe des Renditerückgangs beider Unternehmen ergibt die Eliminierung beider Werte bezogen auf die ewige Rente keinen ins Gewicht fallenden Unterschied.
Kapitalanlageergebnis:
Die Antragsteller bemängeln zudem eine Diskrepanz im Kapitalanlageergebnis. Während bei der ... eine Verzinsung von 8% angenommen werde, bei ihrer Tochter .. gar nur 7%, betrage bei der ..... die Kapitalanlagerendite 8,75%. Dies sei, da beide Unternehmen prinzipiell dieselben Anlagen tätigten, nicht nachvollziehbar . Darüber hinaus verfolge die ..... eine aggressivere Anlagepolitik, deren Auswirkungen nicht zu Lasten der Minderheitsaktionäre der ... gehen dürfe (Bl. 171 GA). Die Antragsteller machen weiter geltend, dass sich die von den Gutachtern ermittelten Werte nicht mit denen in den Geschäftsberichten beider Unternehmen für das Jahr 2000 ausgewiesenen Renditen deckten (Bl. 217 GA).
Die Einwendungen sind nicht schlüssig. Die Gutachter haben bei dem Kapitalanlageergebnis zunächst aus der Vergangenheitsanalyse Anhaltspunkte über das künftig anzusetzende Kapitalvolumen und die künftige Kapitalrendite gewonnen. Dabei haben sie die Kapitalanlageergebnisse des Referenzzeitraums um aperiodische und außerordentliche Bestandteile bereinigt (z.B. Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Tochterunternehmen). Sie haben auf der Basis der Buchwerte einen Ausgangswert für alle Unternehmen von 6% angenommen und diesen unter Berücksichtigung der jeweils vorhandenen stillen Reserven angepasst (S. 46 Verschmelzungsbericht). Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden.
Stille Reserven in den Kapitalanlagen bilden latente, im Fall ihrer Realisierung als zusätzliche Zukunftskomponente in Erscheinung tretende Ertragspotenziale. Ob und inwieweit stille Reserven entstehen, bestehen bleiben, wachsen, abnehmen oder aufgelöst werden, wird zum einen durch den Markt beeinflusst, weil die Verkehrswerte von Kapitalanlagen auf Faktoren beruhen, die von dem einzelnen Versicherungsunternehmen grundsätzlich nicht beeinflusst werden können. Andererseits stehen stille Reserven auch zur Disposition des Managements (etwa Struktur der Kapitalanlagen oder Realisierung stiller Reserven). Aus diesem Grund ist es überzeugend, das Ertragspotenzial stiller Kapitalanlagereserven im objektiven Unternehmenswert zu erfassen und zwar durch die Integration einer Verzinsung dieser Reserven in Höhe der laufenden Kapitalanlagerendite in die Zukunftserfolgsrechnung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Auflösung stiller Reserven der in der Vergangenheit angesammelte Wertzuwachs berücksichtigt wird.
Die von den Gutachtern zu Grunde gelegte Ausgangsrendite von 6% ergibt sich als Mittelwert der durchschnittlichen Rendite für langfristige Wertpapiere von Emittenten bester Bonität und der Umlaufrendite öffentlicher Wertpapiere mit einer Restlaufzeit von 9 -10 Jahren (S. 47 Verschmelzungsbericht). Die Annahme einer solchen Rendite wird der Struktur des Anlageportfolios von Versicherungsunternehmen gerecht. Die Anpassung der Kapitalanlagerendite erfolgte dann anhand der prozentualen Anteile der stillen Reserven .
Aus den ermittelten Kapitalanlagerenditen ergibt sich gemessen an den tatsächlich in den Geschäftsberichten 2000 ausgewiesenen Renditen der Unternehmen keine Benachteiligung der Aktionäre der .... Der von der Antragsgegnerin vorgelegte Auszug aus dem Geschäftsbericht 2000 für die ... (Bl. 190 GA) weist zwar eine Rendite von 11,7% aus. Allerdings sind in den Gewinnrealisierungen von 127 Mio DM 97 Mio DM Buchgewinn aus dem Verkauf der ... Lebensversicherung enthalten, der als außerordentlicher Bestandteil ohnehin heraus zurechnen wäre. Die Rendite von 11,7% würde sich ermäßigen, wohingegen die in dem Geschäftsbericht der ..... mit 11,1% ausgewiesene Rendite in die Verschmelzungswertrelation und zwar zum Nachteil der Minderheitsaktionäre der ... einzustellen wäre. Das Vorbringen der Antragsteller vernachlässigt darüber hinaus, dass es sich bei der Kapitalanlagerendite um eine Zukunftsprognose handelt, die zwar von Vergangenheitswerten ausgeht, diese aber nicht unreflektiert für die Zukunft übernehmen kann, weil die Entwicklung der Kapitalmärkte in Zukunft - wie geschehen- einen anderen Verlauf nehmen kann als in der Vergangenheit. Diese zu prognostizierende zukünftige Entwicklung muss bei der Kapitalanlagerendite als Bestandteil des Unternehmenswertes ihren Niederschlag finden.
Es trifft auch nicht zu, dass die ..... zum Nachteil der Aktionäre der ... aggressiver spekuliert als die .... Der Anteil von Aktien und Investmentanteilen am Kapitalbestand der ..... betrug laut Geschäftsbericht für das Jahr 2000 38% (Bl: 193 GA), bei der ... 36% (Bl. 190 GA). Schon allein aus diesem Grund greift auch das Argument der Antragsteller nicht, der Verschmelzungsbericht berücksichtige zum Nachteil der Minderheitsaktionäre der ... den seit Anfang 2000 einsetzenden Kursverfall an der Börse nicht, weil er auf den technischen Bewertungsstichtag 31.12.1999 abstelle. In Anbetracht eines nahezu gleichen Anteils spekulativer Anlagen am gesamten Kapitalanlagebestand hätte sich ein Kursverfall bei beiden Unternehmen gleichermaßen ausgewirkt. Auf die Verschmelzungswertrelation hätte ein Kursverfall folglich keinen Einfluss.
Ungeachtet dessen trifft der Vortrag, im März 2000 habe ein Kursverfall an den Börsen eingesetzt nicht zu. Die Entwicklung des Deutschen Aktienindex zeigt, dass dieser zur Jahreswende 1999/2000 bei ca. 5.300 Punkten lag und im Verlauf des Jahres kontinuierlich weiter anstieg.
Versicherungstechnisches Ergebnis.
Die Antragsteller machen ferner geltend, es sei nicht nachvollziehbar, dass das versicherungstechnische Ergebnis vor Schwankungsrückstellung bei der ... und der Patria im gesamten Planungszeitraum negativ sei, obwohl die ... 1998 ein positives Ergebnis erwirtschaftet habe. Auch die Planungen im Bereich des nicht versicherungstechnischen Ergebnisses erschienen wenig glaubhaft, weil in der Vergangenheitsanalyse teilweise dramatische Abweichungen vorlägen, in der Planungsphase bei allen Gesellschaften jedoch ein fester Sockelbetrag unterstellt werde (Bl. 215 GA).
Auch diese Bedenken begründen nicht die Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses. Die Gutachter haben bei der Vergangenheitsanalyse des versicherungstechnischen Ergebnisses die Schadensaufwendungen um nicht periodengerechte Bestandteile eliminiert, um Schadensrückstellungszuführungen nur nach den tatsächlich zu erwartenden Schadenzahlungen zu bemessen (S. 44 Verschmelzungsbericht). Dies erklärt, warum sich die Abweichungen der Geschäftsjahre 1997 - 99 nicht in der Prognose des versicherungstechnischen Ergebnisses ab 2000 widerspiegeln. Die Vorgehensweise ist im Hinblick darauf, dass eine Zukunftsprognose nur den aller Wahrscheinlichkeit nach zu erwartenden Geschäftsverlauf abbilden kann, auch sachgerecht. Die Argumentation der Antragsteller übersieht, dass auch das versicherungstechnische Ergebnis der ..... im Planungszeitraum durchgehend negativ ist und zwar um ca. ein fünffaches höher als das der ... mit entsprechenden Auswirkungen auf den Ertragswert (S. 62 Verschmelzungsbericht).
Aus dem Verschmelzungsbericht ergeben sich auch die Gründe für den von den Antragstellern gerügten Ansatz von jeweils - 45.000 TDM in der Prognose des übrigen nicht versicherungstechnischen Ergebnisses der .... Die im Vergleich zu 1997 in 1998 und 1999 geringfügigeren Verluste resultieren aus der Auflösung von Pauschalberichtigungen und Minderungen bei sonstigen Rückstellungen und waren daher für die Prognose nicht zu berücksichtigen (S. 53 Verschmelzungsbericht). Der für den Planungszeitraum angesetzte Betrag von - 45.000 TDM liegt unterhalb des in 1997 tatsächlich eingetretenen Verlustes von - 48.894 TDM.
Den Antragstellern ist allerdings zuzugeben, dass bei der Planungsrechnung der Patria eine Differenz im Planungsjahr 2000 von - 4.771 TDM zu -8.889 TDM in 2001 bei dem versicherungstechnischen Ergebnis netto vor Schwankungsrückstellung im Verschmelzungsbericht nicht plausibel erklärt wird. Allerdings wirkt sich dieser Erklärungsmangel auf das Umtauschverhältnis insgesamt nicht zum Nachteil der Minderheitsaktionäre der ... aus. Schreibt man den zu kapitalisierenden Ertrag von 2000 zu Gunsten der Minderheitsaktionäre der ... auch in den Planjahren 2001 bis 2003 und unendlich fort, so ergibt sich ein (im Vergleich zu den übrigen Planrechnungen nicht gerechtfertigter) Ertragswert der Patria von 76.183 TDM. Der Gesamtwert der ... erhöht sich nach dieser Rechnung zum Stichtag 31.12.1999 auf 1.308818 TDM. Aufgezinst auf den Stichtag 17.08.2000 ergibt sich ein Wert von 1.357.542 TDM. Gemessen am Wert der einzelnen Aktie folgt hieraus sich ein rechnerisches Umtauschverhältnis von 1,02 ... Aktien zu 1 ..... Aktie. Das Umtauschverhältnis 1:1 wäre auch nach dieser für die Minderheitsaktionäre der ... ungerechtfertigt günstigen Rechnung angemessen.
Damit kann gleichzeitig auch der Einwand dahin stehen, die .. sei anlässlich ihrer Bewertung im Rahmen des Squeeze-Out im Jahre 2002 mit 33,4 Mio EUR bewertet worden. Wie die Vergleichsrechnung zeigt, hat auch die Zugrundelegung eines solchen Unternehmenswertes keinen Einfluss auf das Umtauschverhältnis.
Kapitalanlageergebnisse:
Die Antragsteller bemängeln ferner, dass bei der ..... im Planungszeitraum ein konstantes Kapitalanlageergebnis unterstellt wird, während sich bei der ... ein Rückgang von 2,5 Mio DM ergibt. Bei der ..... betrage das Kapitalanlagevolumen 16,4% der Prämieneinnahmen, wohingegen die ... fast doppelt so hohe Prämien erziele, ihr Anlageergebnis jedoch nur 50% über dem der ..... liege (Bl. 226 GA).
Dieses Zahlenwerk ist nicht nachvollziehbar. Während bei der ... gemessen am durchschnittlichen Kapitalanlageergebnis 1997-1999 von 171.305 TDM der Planungswert 2003 mit 181.341 TDM um 7 % über diesem Durchschnittswert liegt, ist bei der ..... gemessen am Durchschnittswert der Jahre 1997 - 1999 von 140.862 TDM bei einem Wert von 121.481 TDM in 2003 ein Rückgang um 14% zu verzeichnen. Der durchschnittliche Anteil des Kapitalanlageergebnisses an den verdienten Bruttobeiträgen betrug bei der ... 1997 - 1999 12%, in der Planungsrechnung beträgt der Anteil 2003 13%, enthält also eine Steigerung von 1 Prozentpunkt. Bei der ..... betrug der Anteil des Kapitalanlageergebnisses im Verhältnis zu den Beitragseinnahmen 1997 - 1999 19%, im Planjahr 2003 sind es nur noch 16%, also ein Rückgang von 3 Prozentpunkten. Eine Benachteiligung der Minderheitsaktionäre der ... ist auch hier nicht erkennbar.
Schwankungsrückstellungen
Die Antragsteller sind der Auffassung, es sei auffällig, dass bei keiner der Gesellschaften Veränderungen der Schwankungsrückstellungen angenommen worden seien. Dies entspreche nicht dem wirtschaftlichen Lebenslauf von Versicherungsunternehmen (Bl. 240 GA).
Entgegen der Auffassung der Antragsteller haben die Gutachter folgerichtig Veränderungen bei den Schwankungsrückstellungen eliminiert. Schwankungsrückstellungen gehören bilanziell zum versicherungstechnischen Fremdkapital. Es handelt sich um gesetzlich auferlegte Sicherungen zum Risikoausgleich im Zeitablauf eines Geschäftsjahres. Als zusätzliches Risikokapital ist es deshalb betriebswirtschaftlich nicht als ausgabewirksames Eigenkapital anzusehen. Durch die Nichtbeachtung der Schwankungsrückstellungen wird daher der Ertragswert nicht künstlich gemindert. Die Eliminierung der Schwankungsrücklagen verstößt auch nicht gegen das Vollausschüttungsgebot, weil der Auflösung bzw. der Zuführung jeweils wegfallende bzw. zufließenden Zinserträge gegenüberstehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 312 Abs.4 S.1 UmwG a.F.. Billigkeitsgründe, die es rechtfertigen, die Kosten einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, sind nicht ersichtlich. Es entspricht insoweit auch der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller trägt. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Vergütung und den Ersatz angemessener barer Auslagen des Vertreters der außenstehenden Aktionäre zu tragen, ergibt sich aus § 308 Abs.2 UmwG a.F.
Der gerichtliche Geschäftswert ist gemäß § 30 Abs.1 KostO, auf den § 312 Abs.3 UmwG a.F. verweist, nach freiem Ermessen zu bestimmen. Zu ermitteln ist deshalb der so genannte Beziehungswert. Dieser wird grundsätzlich bestimmt durch den Wert des betroffenen Wirtschaftsgutes und das Ausmaß, in welchem es durch das zu bewertende Geschäft betroffen wird (Korinthenberg/Lappe/Bengel/ Reimann, KostO 12. Aufl., § 30 Rdnr. 8)., Für den Fall, dass die angebotene Abfindung zu Gunsten der Aktionäre abgeändert wird, kann das Produkt aus der Anzahl der von außenstehenden Aktionären gehaltenen Aktien und des festgesetzten Unterschiedsbetrages ein Anhaltspunkt für die Wertfestsetzung sein (Senat, AG 1987, 314,; Senat AG 1998, 236, 238, Emmerich/Habersack, a.a.O., § 306 Rn. 33; Hüffer, a.a.O., § 306 Rn. 21).
Eine solche Vorgehensweise kommt jedoch nicht in Betracht, wenn wie hier eine Differenz zwischen vertraglich angebotener und angemessener Abfindung nicht besteht, da in diesem Fall der Geschäftswert mit "Null" anzusetzen wäre. Andererseits kann der Geschäftswert nicht höher liegen als bei einem auch nur minimalen Erfolg des Antrags. Es verbietet sich auch, auf ein eventuell beziffertes Interesse eines oder mehrerer Antragsteller auf Feststellung einer baren Zuzahlung abzustellen. Nach § 30 Abs.1 KostO ist der objektive Wert eines Geschäftes maßgebend, zum anderen wirkt die Entscheidung ausweislich des Verschmelzungsvertrages für und gegen alle Aktionäre, sodass das subjektive Interesse nur eines Beteiligten lediglich nur einen Teil des gesamten Geschäfts ausmacht.
Der Senat hat deshalb unter Berücksichtigung der Bedeutung des Verfahrens für die Beteiligten dem Geschäftswert den Umstand zu Grunde gelegt, dass sich 0,7% des Grundkapitals mit Wert von umgerechnet 4.800.000 EUR an dem durch die Gutachter festgestellten Ertragswert der ... in Händen außenstehender Aktionäre befinden.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 14.01.2004
Az: I-19 W 1/03 AktE
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