Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 23. April 2007
Aktenzeichen: 13 Ta 130/07

(LAG Hamm: Beschluss v. 23.04.2007, Az.: 13 Ta 130/07)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats

- unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 08.02.2007 - 1 BV 46/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 16.000,00 € festgesetzt.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer auf 20,00 € ermäßigten Gebühr zu tragen.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren nach § 98 ArbGG haben die Beteiligten um die Errichtung einer Einigungsstelle zur Erstellung von Dienstplänen für die Beschäftigten in der Pflege und im Küchenbereich gestritten. Die Arbeitgeberin erhob Einwände gegen die Zuständigkeit sowie die Person des Vorsitzenden und die Anzahl der Beisitzer. Darüber hinaus hat sie hilfsweise für den Fall der Errichtung einer Einigungsstelle beantragt, festzustellen, dass in fünf Punkten des vom Betriebsrat vorgelegten Entwurfs einer Betriebsvereinbarung kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bestehe.

Mit einem inzwischen rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts vom 16.01.2007 wurde die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle antragsgemäß gebildet.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 08.02.2007 den Gegenstandswert auf 8.000,00 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die von den Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates gerichtete Beschwerde, mit der sie im Zusammenhang mit der Errichtung einer Einigungsstelle eine Wertfestsetzung in Höhe von insgesamt 12.000,00 € begehren und daneben für jeden der fünf von der Arbeitgeberin gestellten Hilfsanträge weitere 4.000,00 €. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 33 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist aus dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet; im Übrigen war sie kostenpflichtig zurückzuweisen.

1. Was den Streit der Beteiligten um die Errichtung einer Einigungsstelle einschließlich der Bestellung des Vorsitzenden und der Festlegung der Anzahl der Beisitzer angeht, hat das Arbeitsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der für Gegenstandswertbeschwerden zuständigen beiden Kammern des Landesarbeitsgerichts Hamm (zuletzt Beschluss vom 30.10.2006 – 13 Ta 656/06) zu Recht den Wert des Gegenstandes insgesamt auf 8.000,00 € festgelegt. Es ist nämlich bei Streitigkeiten um die Zuständigkeit der Einigungsstelle stets vom Ausgangswert des § 23 Abs. 3 S. 2 2. Hs. RVG auszugehen, wobei im Falle eines Streits – wie hier – auch über die Person des Vorsitzenden und die Anzahl der Beisitzer regelmäßig eine Erhöhung um jeweils die Hälfte des Ausgangswertes in Höhe von 4.000,00 € vorzunehmen ist und nicht – wie die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates meinen – um jeweils den vollen Wert.

2. Des Weiteren sind die hilfsweise von Arbeitgeberseite gestellten fünf Feststellungsanträge wertmäßig in Höhe von weiteren 8.000,00 € zu berücksichtigen.

a) In dem Zusammenhang ist es unerheblich, dass diese Anträge, worauf der Betriebsrat bereits im Schriftsatz vom 12.01.2007 zu Recht hingewiesen hat, im Rahmen des Verfahrens nach § 98 ArbGG offensichtlich unzulässig waren.

b) Der Umstand, dass das Arbeitsgericht über diese Anträge gar nicht entschieden hat, steht ihrer Berücksichtigung im vorliegenden Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG ebenfalls nicht entgegen.

Allerdings bestimmt § 45 Abs. 1 S. 2 GKG, dass ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch streitwertmäßig nur dann zu erfassen ist, wenn eine Entscheidung über ihn ergangen ist. Die Vorschrift ist hier aber nicht anwendbar. Denn der Gegenstandswert in arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren richtet sich nicht nach dem Gerichtskostengesetz; die Wertfestsetzung hat sich vielmehr ausschließlich an der erbrachten anwaltlichen Tätigkeit zu orientieren (vgl. § 33 Abs. 1 RVG). Wenn sich also, wie hier, die anwaltliche und die gerichtliche Tätigkeit nicht decken, kommt es ausschlaggebend darauf an, welche Leistungen der Anwalt im Verfahren zu erbringen hat.

Zu den Aufgaben der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates gehörte es, sich im Rahmen der Stellungnahme zu den Ausführungen der Gegenseite im Schriftsatz vom 08.01.2007 auch mit den fünf hilfsweise gestellten Feststellungsanträgen zu befassen, was dann tatsächlich auch im Schriftsatz vom 12.01.2007 geschah. Folglich sind diese Anträge wertmäßig mit zu erfassen.

c) Die Kammer hält es für sachgerecht, insoweit den doppelten Ausgangswert des § 23 Abs. 3 S. 2 2 Hs. RVG in Ansatz zu bringen.

Allgemein ist bei der Bemessung des Gegenstandswertes von § 23 Abs. 3 S. 2, 2 Hs. RVG auszugehen. Danach ist der Gegenstandswert auf 4000 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500000 € anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (vgl. BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE BRAGO Nr. 50 zu § 8; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 313).

aa) Vorliegend hat die Arbeitgeberseite im Rahmen ihrer hilfsweise gestellten Feststellungsanträge die Reichweite des Mitbestimmungsrechtes des Betreibsrates gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Frage gestellt und damit eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit aufgeworfen.

bb) Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 S. 2, 2 Hs. RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4000 € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die in Beschlussverfahren infrage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; Schneider, Anm. zu BAG EzA ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 36; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 443).

Maßgebend ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.

Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es in erster Linie auf die Bedeutung der Angelegenheit ankommt; daneben kann im Einzelfall der Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit eine Rolle spielen (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 S. 1 GKG).

Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist die Tragweite der gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen angesprochen, was ihnen selbst die Sache "wert" ist. Die daneben zu berücksichtigenden Gesichtspunkte des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen in Relation zur Bedeutung der Sache gewichtet werden. Entspricht also der anwaltliche Arbeitsaufwand von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit her typischerweise der Bedeutung der Sache, bleibt es bei deren Bewertung; die Bedeutung ist also letztlich das ausschlaggebende Moment für die vorzunehmende Wertfestsetzung (BVerfG, a.a.O.; LAG Hamm LAGE BRAGO § 8 Nr. 50).

Andererseits ist der in Beschlussverfahren zum Ausdruck kommenden Grundtendenz Rechnung zu tragen, wonach die dem Arbeitgeber gem. § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Hamm EzA ArbGG 1979 § 12 Streitwert Nr. 70; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 444; vgl. auch § 37 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG und § 48 Abs. 2 S. 1 GKG). Damit steht wiederum die Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 GKG in Einklang, wonach in Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden.

Nach alledem ist also ein Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber tragbare Gebühren ergibt (LAG Hamm LAGE BRAGO § 8 Nr. 50).

Hier hat die Arbeitgeberin zwar insgesamt fünf verschiedene Punkte mitbestimmungsrechtlich in Frage gestellt. Andererseits darf aber nicht unbeachtet bleiben, dass sich alle aufgeworfenen Fragen im Rahmen einer vom Betriebsrat vorgeschlagenen einheitlichen Betriebsvereinbarung zur Erstellung und Änderung von Dienstplänen stellten. Legt man deshalb für die erste Rüge den Ausgangswert des § 23 Abs. 3 S. 2 2 Hs. RVG zugrunde, hält es die Kammer wegen des aufgezeigten Sachzusammenhangs für sachgerecht, für die weiteren vier Rügen jeweils 1.000,00 €, insgesamt also weitere 8.000,00 €, in Ansatz zu bringen.

3. Die Entscheidung über die Auferlegung von Gebühren in Höhe von 20,00 € wegen des teilweise Unterliegens der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates mit der Beschwerde beruht auf § 1 S. 2 GKG in der Fassung des seit dem 01.01.2007 geltenden 2. Justizmodernisierungsgesetzes vom 22.12.2006 (BGBl. I 2006, 3416) in Verbindung mit Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG.

Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der getroffenen Neuregelung in § 1 S. 2 GKG ist jetzt das Beschwerdeverfahren nach § 33 RVG nicht mehr gerichtskostenfrei. Es kann also seit dem 01.01.2007 nicht mehr an der zuvor bereits umstrittenen Ansicht (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 14.10.1976 –

AR-Blattei ES 160.13 Nr. 78; LAG Hamm, Beschluss vom 13.09.1979 –

AR-Blattei ES 160.13 Nr. 97; vgl. auch: GK-ArbGG/Wenzel, a.a.O., § 12 Rz. 105; andere Auffassung bereits früher: LAG Niedersachsen, Beschluss vom 22.03.1988 - JurBüro 1988, 998; LAG Köln, Beschluss vom 31.03.2000 - LAGE § 10 BRAGO Nr. 10; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 5. Aufl., § 12 Rz. 132 m.w.N.) festgehalten werden, die nach § 10 Abs. 3 BRAGO (jetzt § 33 Abs. 3 RVG) erhobene Streitwertbeschwerde habe an der Kostenfreiheit des § 2 Abs. 2 GKG für das Beschlussverfahren teil (so jetzt auch LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007 – 10 Ta 97/07).

§ 33 Abs. 9 S. 1 RVG steht dem nicht entgegen. Denn danach ist nur das Verfahren über den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts gebührenfrei, nicht aber auch ein sich möglicherweise anschließendes Beschwerdeverfahren. § 33 Abs. 9 S. 2 RVG schließt sodann lediglich eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren aus (Schneider, NJW 2006, 325, 328).

Da hier die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates insgesamt einen Gegenstandswert in Höhe von 32.000,00 € erstrebt haben und insoweit ihre Beschwerde teilweise zurückgewiesen wurde, hat es die Kammer für sachgerecht gehalten, im Rahmen des durch Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG eingeräumten Ermessens die Regelgebühr in Höhe von 40,00 € auf die Hälfte zu ermäßigen.

Dr. Müller






LAG Hamm:
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Az: 13 Ta 130/07


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