Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. August 1996
Aktenzeichen: 6 U 74/96
(OLG Köln: Urteil v. 30.08.1996, Az.: 6 U 74/96)
0,11 DM für ein Handy UWG § 1 Die Werbung für den Erwerb eines Mobiltelefons (Handy) verbunden mit der Freischaltung einer D-2 Karte verstößt unter dem Gesichtspunkt des übermäßigen Anlockens gegen die guten Sitten im Wettbewerb, wenn der Preis für das allein nicht erhältliche Handy - prominent herausgestellt - mit lediglich 0,11 DM angegeben ist. Offen bleiben kann daher die Frage, ob die Abgabe des Telefons bei gleichzeitiger Vermittlung eines kostenpflichtigen Netzkartenvertrages - auch - einen Zugabeverstoß darstellt.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen
Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht der Antragsgegnerin untersagt, die
Abgabe eines Handy für 0,11 DM in Verbindung mit der Freischaltung
einer Debitel D2 Netzkarte in der Weise zu bewerben, wie dies durch
die verfahrensgegenständliche Anzeige im Hamburger Abendblatt vom
14.9.1995 geschehen ist. Der Antrag auf Erlaß einer dieses Verbot
enthaltenden einstweiligen Verfügung ist - was auch die
Antragsgegnerin nicht in Zweifel zieht - gem. §§ 13 Abs.2 Ziff.2,
25 UWG zulässig. Er ist aber auch in der Sache begründet.
Die beanstandete Werbung stellt unter dem Gesichtspunkt des
übertriebenen Anlockens einen Verstoß gegen § 1 UWG dar.
Eine Werbemaßnahme ist als übertriebenes Anlocken dann im Sinne
des § 1 UWG sittenwidrig, wenn durch die Zuwendung besonderer
Vorteile die Entschließungsfreiheit des Beworbenen unsachlich
beeinflußt und dieser auf diese Weise veranlaßt wird, von einer
sachgerechten Prüfung der Angebote der Mitbewerber abzusehen (vgl.
Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 18.Aufl., § 1 UWG, RZ 90 ff
m.w.N.). Diese Voraussetzung ist durch die beanstandete Werbung
erfüllt.
Dem Kunden, der sich für den Erwerb eines Handys und die
Möglichkeit interessiert, dieses auch zu benutzen, wird durch die
Anzeige augenfällig ein komplettes Handy für den Preis von nur 0,11
DM angeboten. Hierin ist ein übertriebenes Anlocken deswegen zu
sehen, weil selbst das 100-fache dieses Betrages noch um ein
Vielfaches unter dem wirtschaftlichen Wert eines Handys liegt. Der
Kunde wird angesichts dieses verlockenden Angebots in nicht
unerheblicher Zahl davon absehen, Konkurrenzangebote noch näher zu
beachten, und stattdessen sogleich auf das Gesamtangebot der
Antragsgegnerin eingehen. Dabei wird ihm verborgen bleiben, daß bei
der gebotenen Beachtung der Gesamtkosten, also derjenigen für das
Handy und für die Freischaltung der debitel D-2 Karte, das Angebot
sich nicht in einem solchen Umfang von denjenigen von Mittbewerbern
unterscheidet wie der prominent herausgestellte verlockende
Pfennigspreis von nur 0,11 DM für das Handy dies vermuten läßt.
Es ist zunächst schon zweifelhaft, ob wirklich - von zu
vernachlässigenden Einzelfällen abgesehen - jeder flüchtige Leser
der Anzeige erkennt, daß das Angebot nur dann gilt, wenn er
gleichzeitig eine D-2 Karte zu den angebotenen Konditionen
freischalten läßt. Soweit dies nicht zutrifft und der Kunde erst
bei dem Erwerb des Handys auf die näheren Konditionen aufmerksam
wird, liegt auf der Hand, daß er durch den völlig außer Verhältnis
zu seinem Wert stehenden Preis für das Handy angelockt worden ist,
gerade auf das Angebot der Antragsgegnerin einzugehen. Es kann
dahinstehen, ob die Anzeige demgegenüber tatsächlich - wie die
Antragsgegnerin behauptet - so gestaltet ist, daß dem flüchtigen
Leser sogleich bewußt wird, daß dieser Preis für das Handy die
entgeltliche Freischaltung einer D-2 Karte voraussetzt. Denn auch
wenn das wirklich so sein sollte, wird der Leser der Anzeige auf
diese Weise doch zunächst angelockt, sich mit dem Gesamtangebot,
das aus der Abgabe des Handy und der Freischaltung der D-2 Karte
besteht, näher zu befassen. Dieses Anlocken ist angesichts der
Tatsache, daß das Handy als voll funktionsfähiges Funktelefon einen
wirtschaftlichen Wert in der angedeuteten Größenordnung hat und
daher mit dem Entgelt von nur 0,11 DM praktisch verschenkt
erscheint, als in sittenwidriger Weise übertrieben anzusehen.
Dem interessierten Kunden geht es darum, ein Handy und die
Möglichkeit, mit diesem Gerät auch zu telefonieren, zu erwerben.
Durch das Angebot, das Handy für nur 0,11 DM kaufen zu können, wird
er daher deswegen in besonderer Weise angelockt, weil der Kunde auf
diese Weise einen zumindest nach seiner Vorstellung erheblichen
Teil dieses Zieles, eben den Erwerb des Gerätes, auf eine besonders
günstige Weise nahezu umsonst bereits erreichen kann. Dem kommt
deswegen ein besonderes Gewicht zu, weil die Anschaffungskosten für
ein Handy ohne gleichzeitige Freischaltung einer Karte in der Regel
höher als die Anschlußkosten sind und die Anschaffung eines
einsetzbaren Handys in der Vorstellung zumindest eines nicht
unwesentlichen Teils der Verbraucher von der Anschaffung des
Gerätes selber geprägt wird. Bei dem Interessenten wird daher der
zumindest unterschwellige Eindruck erweckt, wenn er auf das Angebot
eingehe, habe er für den Gegenwert von nur 0,11 DM einen
wesentlichen Teil seines Wunsches bereits erfüllt. Diese Fragen
vermag der Senat aus eigener Sachkunde zu beurteilen, weil seine
Mitglieder als potentielle Erwerber eines Handy zu den
angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
Es kommt hinzu, daß die Höhe der Folgekosten nicht auf einen
Blick erfaßbar ist und die angesprochenen Verbraucher auch dadurch
veranlaßt werden, sich ausschließlich mit dem Angebot der
Antragsgegnerin und nicht auch solchen von Wettbewerbern zu
befassen. Der Text, auf den das Sternchen hinweist, läßt die Höhe
der Folgekosten auch nicht ohne weiteres deutlich werden. So
enthält der eigentliche Fließtext keine Preisangaben und ist der
angegebene Tarif aus den von dem Landgericht dargelegten Gründen
zumindest bezüglich des Mindestumsatzes unklar. Die Tatsache, daß
das Erfassen der Höhe der Folgekosten erst ein näheres Befassen mit
der Tarifstruktur erforderlich macht, läßt die beschriebene
Anlockwirkung durch das Angebot von 0,11 DM für das Handy besonders
wirksam erscheinen. Es besteht nämlich die Gefahr, daß der
Verbraucher sich nicht näher mit der Struktur des Tarifs befaßt und
sich allein von dem Lockangebot verleiten läßt, auf das
Gesamtangebot einzugehen. Diese Gefahr liegt auch deswegen nahe,
weil der Verbraucher in nicht unwesentlicher Zahl annehmen wird,
daß sich die Tarife für ein Telefonieren in dem D-2 Netz in der
Höhe der Gesamtkosten zumindest ähneln werden. Dem Verbraucher wird
daher durch das Herausstellen des Pfennigspreises von 0,11 DM für
das Handy verborgen bleiben, daß sich das Gesamtangebot keineswegs
so gravierend von den Angeboten von Wettbewerbern unterscheidet,
wie dies der Preis für das Handy vermuten läßt.
Keine wesentliche Bedeutung kommt dabei der Tatsache zu, daß der
Kunde vor dem späteren Abschluß des Geschäftes durch das Angebot
verschiedener Tarife und die Notwendigkeit der Angabe persönlicher
Daten in der Regel noch Gelegenheit bekommen mag, sich über die
finanziellen Auswirkungen des Gesamtangebotes klarzuwerden. Denn in
diesem Stadium hat die Anzeige jedenfalls schon bewirkt, daß der
Kunde sich zumindest vorrangig mit diesem Angebot des
Antragsgegners befaßt, was für dessen Sittenwidrigkeit
ausreicht.
Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, daß auch andere Anbieter
in ähnlicher Weise Koppelungsangebote machen und dabei mit einem
besonders günstigen Preis für das Handy werben. Es geht im
vorliegenden Fall nicht um den Vorwurf, daß die Antragsgegnerin den
Erwerb eines Handys überhaupt von der Freischaltung einer Karte
abhängig macht. Der Vorwurf geht vielmehr dahin, daß der
blickfangmäßig hervorgehobene Preis für das Handy so niedrig ist,
daß der Kunde aus den vorstehenden Gründen veranlaßt wird, sich mit
den Angeboten der Mitbewerber gar nicht mehr ernsthaft zu befassen.
Daß es inzwischen üblich wäre, mit einem Preis in der Größenordnung
von nur 0,11 DM das Gerät praktisch zu verschenken, und daß die
umworbenen Verbraucher dies auch wüßten, hat die Antragsgegnerin
indes nicht glaubhaft gemacht. Der Senat verkennt nicht, daß von
vielen Anbietern Handys in Verbindung mit der Freischaltung einer
Netzkarte zu Preisen angeboten werden, die um ein Vielfaches unter
deren Wert liegen. Dies vermag aber an der Unlauterkeit der
angegriffenen Anzeige nichts zu ändern, weil nicht glaubhaft
gemacht ist, daß - von zu vernachlässigenden Ausnahmen abgesehen -
den angesprochenen Verbrauchern inzwischen klar wäre, daß ein
Angebot zum Erwerb eines Handy für nur 0,11 DM im Rahmen des
Óblichen liege. Es wird vielmehr eine nicht unerhebliche Anzahl von
Verbrauchern geben, die bei dem ersten Interesse für ein Handy und
dessen Inbetriebnahme auf die angegriffene Anzeige stoßen und in
Verkennung der Bedeutung des angebotenen Tarifes für den
wirtschaftlichen Wert des Gesamtangebotes in der beschriebenen
Weise unlauter angelockt werden.
Verstößt die angegriffene Werbung daher bereits gegen § 1 UWG,
so kann die Frage dahinstehen, ob darüberhinaus auch ein Verstoß
gegen § 1 ZugabeVO vorliegt, wie dies in einem vergleichbaren Fall
das OLG Düsseldorf angenommen hat (WRP 96,762 ff).
Schließlich ist der Verstoß auch geeignet, den Wettbewerb auf
dem Markt der Telekommunikation im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.2 UWG
wesentlich zu beeinträchtigen. Das ergibt sich schon aus der Größe
der Antragsgegnerin und dem Umfang der durch das Angebot daher
eintretenden Wettbewerbsverzerrung. Es handelt sich um einen
Eingriff in den Kernbereich des lauteren Wettbewerbs, ohne daß
Anhaltspunkte dafür ersichtlich wären, daß dieser ausnahmsweise als
unwesentlich angesehen werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 75.000 DM
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OLG Köln:
Urteil v. 30.08.1996
Az: 6 U 74/96
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