Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 10. Dezember 1993
Aktenzeichen: A 16 S 2118/93

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 10.12.1993, Az.: A 16 S 2118/93)

1. Für eine gegen die Ablehnung einer beantragten Aufenthaltsgenehmigung sowie gegen eine ausländerrechtliche Abschiebungsandrohung gerichtete Klage steht dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers keine Prozeßgebühr nach § 114 Abs 7 BRAGO (BRAGebO) zu.

Gründe

Die auf eine ausländerrechtliche Entscheidung bezogene und damit vom Ausschluß des § 80 AsylVfG nicht erfaßte Beschwerde hat Erfolg. Zu Unrecht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nur 3/10-Prozeßgebühr nach Maßgabe von § 114 Abs. 7 BRAGO i.d.F. vom 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2109) festgesetzt. Tatsächlich steht dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller eine 10/10-Prozeßgebühr gemäß § 114 Abs. 1 und 6 i.V.m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 40 BRAGO zu. Die 3/10-Gebühr im Sinne des § 114 Abs. 7 BRAGO gilt nicht stets dann, wenn eine Abschiebungsandrohung angefochten wird. Zwar spricht hierfür, daß die Abschiebungsandrohung eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung darstellt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 15.4.1991, EZAR 622 Nr. 11). § 114 Abs. 7 BRAGO gilt jedoch nur für eine selbständige Anfechtung von Akten der Zwangsvollstreckung/des Verwaltungszwanges und nicht auch für solche Klagen, bei denen eine Grundverfügung im weitesten Sinne mit angefochten wird. Um einen Fall der letzten Art geht es jedoch hier, weil vorliegend Verfahrensgegenstand auch der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen die Ablehnung der Aufenthaltsgenehmigung gerichteten Widerspruchs gewesen ist.

Die Antragsteller haben im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch vorläufigen Rechtsschutz in bezug auf ihren Widerspruch gegen die Ablehnung der Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Dies ergibt sich bereits aus der Fassung des Antrages, wonach die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung ohne jede Einschränkung für den Bescheid vom 25.6.1992 begehrt haben. Eine Beschränkung des Aussetzungsantrages auf die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung kann dagegen nicht mit der Erwägung angenommen werden, gegen die Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung sei offensichtlich die Möglichkeit eines vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht gegeben, so daß auf einen Willen, einen solchen Antrag doch zu stellen, nicht geschlossen werden darf. Tatsächlich wird in der Rechtsprechung und Literatur in erheblichen Teilen die Auffassung vertreten, daß gegen die Ablehnung einer Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist, sei es im Hinblick auf die Fiktionswirkung des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG, sei es wegen der Regelung des § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG bezüglich der Vollziehbarkeit einer Versagung der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung (vgl. GK-AsylVfG, § 69 RdNr. 55 m.w.N.). Auch der Antragsbegründung kann eine Antragsbeschränkung der erörterten Art nicht entnommen werden. Zwar verweisen die Antragsteller auf ein Verfahren bezüglich einer beantragten Duldung. Dieses Verfahren ist jedoch mit dem auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichteten Verfahren nicht identisch. Die Antragsteller haben vielmehr in ihrem Antrag ausdrücklich auf einen am 23.12.1991 gestellten Antrag auf Weitererteilung der Duldung und - unabhängig davon - auf einen am 24.12.1991 eingereichten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung Bezug genommen. Zudem folgt aus dem in der Antragsbegründung enthaltenen Hinweis auf die Ablehnung der beantragten Aufenthaltsgenehmigung und der dazu geäußerten Auffassung der Rechtswidrigkeit der Wille der Antragsteller, auch diesen Verfahrensteil zum Gegenstand ihres Aussetzungsantrages zu machen. Auch soweit die Antragsteller mit Schriftsatz vom 30.12.1992 ihre Bereitschaft geäußert haben, das Verfahren für den Fall für erledigt zu erklären, daß die Antragsgegnerin keine Rechte aus der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung vom 25.6.1992 herleite, folgt nicht, daß bezüglich der Ablehnung der Aufenthaltsgenehmigung ein vorläufiger Rechtsschutz nicht begehrt wird. Denn zu der erwähnten Bereitschaft ist es erst nach Erteilung einer Aufenthaltsgestattung, also nach Verleihung eines ausländerrechtlichen Status gekommen, den die Antragsteller ursprünglich mit ihrem auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichteten Begehren verfolgt hatten.

Hat sich somit das vorangegangene Aussetzungsverfahren auch auf die unter Ziff. 1 der Verfügung vom 25.6.1992 ausgesprochene Ablehnung der Aufenthaltsgenehmigung in Form einer Aufenthaltsbefugnis bezogen, so hat es nicht nur einen Akt der Zwangsvollstreckung bzw. des Verwaltungsaktes zum Gegenstand gehabt, sondern einen Verwaltungsakt betroffen, der eine ausländerrechtliche Statusverleihung und damit eine Grundverfügung betraf. Für dieses Begehren steht aber dem Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller eine 10/10 Prozeßgebühr nach Maßgabe von § 114 Abs. 1 und 6 BRAGO i.V.m. den §§ 31 Abs. 1 Nr. 1 und 40 BRAGO auf der Grundlage des mit Beschluß des 11. Senats vom 27.4.1993 - 11 S 744/93 - festgesetzten Streitwerts von 15.000,-- DM zu. Von dieser Gebühr ist auch nicht ein - auf die Aussetzung der angefochtenen Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung bezogener - Anteil abzuziehen und gesondert nach § 114 Abs. 7 BRAGO als 3/10-Gebühr zu berechnen. Denn der die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung betreffende Teil des Verfahrens ist streitwertmäßig nicht zu berücksichtigen, da er von der Rechtmäßigkeit des Anspruchs auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung abhängig und damit nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28.4.1982, Buchholz 402.24 § 9 AuslG Nr. 3; OVG Münster, Beschluß vom 13.11.1980, KostRspr. Nr. 41 § 13 GKG; Bay. VGH, Beschluß vom 21.9.1981, BayVBl. 1982, 190). Scheidet aber eine Streitwertfestsetzung bezüglich des die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung betreffenden Verfahrensteils aus, so entsteht insoweit keine Prozeßgebühr, die gesondert nach § 114 Abs. 7 BRAGO berechnet werden müßte. Ein anderes Ergebnis folgt daher auch nicht aus der Erwägung, ein 3/10-Gebührenanteil müsse bereits deshalb angesetzt werden, weil sonst dem Prozeßbevollmächtigten entgegen dem Gesetz eine 10/10-Gebühr bezüglich der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung zuerkannt würde. Denn eine solche 10/10-Gebühr fällt, wie dargelegt, mangels einer darauf bezogenen Streitwertfestsetzung gerade nicht an.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 10.12.1993
Az: A 16 S 2118/93


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