Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 16. September 2010
Aktenzeichen: I-4 U 107/10

(OLG Hamm: Urteil v. 16.09.2010, Az.: I-4 U 107/10)

Tenor

Die Berufung des Antragstellers gegen das am 27. April 2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Antragsteller bietet nach seiner Behauptung auf der Internetplattform "Y" Fahrzeuge für gewerbliche und private Käufer an. Die Antragsgegnerin handelt mit Kraftfahrzeugen, die sie u.a. auf der Internetplattform "Y" anbietet.

So bot die Antragsgegnerin am 8. März 2010 einen BMW 318 i zum Preis von 4.990,00 € an (Bl.8). Auf keiner der Internetseiten, insbesondere auch nicht im Impressum wurde der Geschäftsführer der Antragsgegnerin vollständig genannt. In dem beigefügten Impressum (Bl.10) war als "Vertretungsberechtigt:" angegeben: "K".

Der Antragsteller nahm dieses Angebot zum Anlass, die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom gleichen Tag (Bl.11 ff.) wegen eines darin gesehenen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 TMG abmahnen zu lassen.

Die Antragsgegnerin hat daraufhin ihr Impressum geändert, in dem ihr Geschäftsführer nun mit dem Vor- und Zunamen als Vertretungsberechtigter angegeben ist. Die vom Antragsteller begehrte Unterlassungserklärung hat sie nicht abgegeben.

Der Antragsteller hat mit dem am 26. März 2010 beim Landgericht eingegangenen Verfügungsantrag der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagen lassen wollen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

beim Kfz-Handel Angebote gegenüber Endverbrauchern im Internet ohne Angabe des Geschäftsführers mit Vor- und Zunamen zu unterbreiten.

Der Antragsteller hat gemeint, die Angabe allein des Anfangsbuchstabens des Vornamens des Geschäftsführers der Antragsgegnerin stelle eine relevante Verletzung von dessen Informationspflichten als Diensteanbieter dar. Er hat behauptet, er betreibe unter der Firma T3 einen Kfz-Handel und sei Mitbewerber der Antragsgegnerin. Er biete nach wie vor Fahrzeuge unter Y im Internet an. Bei der Bezeichnung "T3 Automobile" handele es sich um die irrtümliche Verwendung der ehemaligen Firmenbezeichnung. Bei der Anschrift "T-Straße" in L handele es sich um seine Geschäftsanschrift. Er biete auf dem Hof wechselnde Gebrauchtfahrzeuge an. Sein Rechtsanwalt fahre zur Wahrung von Gerichtsterminen regelmäßig an dem Hof vorbei und bemerke das wechselnde Fahrzeugangebot. Er, der Antragsteller, sei unter der angegebenen Festnetznummer und der angegebenen Mobilfunknummer üblicherweise erreichbar. Die ehemals angegebene Telefonnummer ...# sei irrtümlich als Nummer des Autohandels genannt worden.

Bei regelmäßigen Telefonaten mit ihm habe ihn sein Rechtsanwalt auch in 9 von 10 Fällen unter der Festnetznummer erreicht. Die in sein Wissen gestellten Tatsachen hat Rechtsanwalt L2 mit der Unterzeichnung des Schriftsatzes vom 26. April 2010 eidesstattlich versichert.

Die Antragsgegnerin hat sich gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung verteidigt. Sie hat bestritten, dass der Antragsteller unter T3 Automobile einen Autohandel betreibe. Unter den angegebenen Telefonnummern sei der Antragsteller in der Regel nicht erreichbar. Rechtsanwalt T2 und eine Angestellte hätten mehrfach versucht, den Antragsteller zu erreichen. Unter der Nummer ...#/...habe sich niemand gemeldet. Unter der Nummer ...# habe sich eine Dame in gebrochenem Deutsch gemeldet und die Nachfrage nach Fahrzeugen und dem Antragsteller abrupt beendet. Das spreche dafür, dass der Antragsteller seinen Kfz-Handel eingestellt habe. Bei der Rechtsverfolgung durch den Antragsteller läge zudem ein Rechtsmissbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG vor. Wer sich selbst so wettbewerbswidrig verhalte wie der Antragsteller sei zu einer Abmahnung der vorliegenden Art ohnehin nicht berechtigt. Es sei auch fraglich, ob in der Angabe des abgekürzten Vornamens ihres Geschäftsführers überhaupt ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 TMG vorliege. Jedenfalls sei ein solcher Verstoß nicht wettbewerbsrechtlich relevant, weil er sich nicht zu Lasten der angesprochenen Verbraucher auswirken könne.

Dem Senat ist in einem anderen Rechtsstreit des Antragstellers gegen Herrn T (4 U 90 / 10), der zunächst vor dem Landgericht Paderborn geführt wurde, bekannt geworden, dass der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten in der Vergangenheit eine Vielzahl von Abmahnungen aussprechen ließ. Bei diesen hat es sich jedenfalls zum weit überwiegenden Teil um Verstöße gegen die Impressumspflicht gehandelt. So sind beispielsweise im Jahre 2009 28 Abmahnungen bekannt geworden. Eine Recherche für 2010 habe laut einer vom dortigen Antragsgegner vorgetragenen Liste 29 Abmahnungen in der Zeit bis zum 23. März 2010 ergeben. Der dortige Antragsgegner hatte vorgetragen, dass der Antragsteller seit dem 17. Februar 2010 für Kunden unter den bei Y veröffentlichten Telefonnummern nicht mehr erreichbar sei. In den letzten acht Wochen vor dem Termin am 16. April 2010 soll sich auch sein Fahrzeugbestand nicht mehr verändert haben.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Antragsteller schon nicht antragsbefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr.1 UWG sei. Im Gegensatz zu einer früheren Entscheidung in einem Rechtsstreit des Antragstellers gegen den Autohändler Recep M (6 O 76 / 10) sei nicht mehr davon auszugehen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen Mitbewerber der Antragsgegnerin als Autohändlerin handele. Denn er habe nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass er unter der Firma "T3" unter der Anschrift "T-Straße" in L eine Geschäftstätigkeit entfalte. Zwar habe sein Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt L2, eidesstattlich versichert, dass er bei regelmäßigen Fahrten, die ihn am Geschäftsgrundstück des Antragstellers vorbeiführten, ein wechselndes Fahrzeugangebot bemerkt habe und dass er den Antragsteller auch unter der Festnetznummer regelmäßig erreicht habe. Das reiche aber zur Glaubhaftmachung nicht aus, weil der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt T2, gleichfalls eidesstattlich versichert habe, dass er mehrfach vergeblich versucht habe, mit dem Antragsteller Kontakt aufzunehmen. Berücksichtige man, dass auch der damalige Prozessbevollmächtigte im Rechtsstreit 6 O 76 / 10 LG Bielefeld in ähnlicher Weise vorgetragen habe, eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller sei nicht möglich gewesen, verdichteten sich die Zweifel an der Richtigkeit des Vortrags des Antragstellers. So sei insbesondere zweifelhaft, dass jemand, der während der üblichen Geschäftszeiten regelmäßig telefonisch nicht erreichbar sei, eine Tätigkeit als Autohändler ausübe. Es liege vielmehr der Verdacht nahe, dass der Antragsteller mit Rechtsanwalt L2 zusammenwirke, um rechtsmissbräuchlich Abmahnungen auszusprechen. Dieser Verdacht werde durch den nahezu wortgleichen Vortrag in den beiden Verfahren und den vergleichbaren Vortrag der Gegner zur fehlenden telefonischen Erreichbarkeit begründet.

Im Übrigen liege auch kein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG vor. Es sei im Rahmen der Anbieterkennzeichnung ausreichend gewesen, dass der Vertretungsberechtigte der Antragsgegnerin als "K" ausgewiesen gewesen sei. Die Angabe des vollständigen Vornamens "K2" sei insoweit nicht erforderlich gewesen.

Der Antragsteller greift das Urteil mit der Berufung an. Mit näheren Ausführungen macht er zunächst noch einmal deutlich, dass und warum § 5 TMG den im Internet auftretenden Gewerbetreibenden ausdrücklich die Pflicht auferlege, die zur Vertretung berechtigte Person mit Vor- und Zunamen anzugeben. Ein solcher Verstoß kann nach seiner Ansicht auch angesichts der Bedeutung der Anbieterkennzeichnung keine Bagatelle sein. Er hat ferner gemeint, dass er für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruches in Bezug auf diesen Wettbewerbsverstoß als Mitbewerber auch aktiv legitimiert sei. Es treffe nicht zu, dass er kein aktiver Autohändler mehr sei und deshalb auch kein Wettbewerbsverhältnis mehr bestehe. Das Landgericht sei unzutreffend und inhaltlich nicht überzeugend zu einem solchen Schluss gekommen. Es habe dabei auch gegen den Beibringungsgrundsatz verstoßen, indem es Ausführungen in anderen Rechtsstreiten herangezogen habe. Soweit sich das Gericht auf die erfolglosen Versuche der Gegenseite, den Antragsteller telefonisch zu erreichen, bezogen habe, habe es übersehen, dass der Vortrag dazu unsubstantiiert gewesen sei. Es sei nicht angegeben worden, an welchem Tag, zu welcher Zeit und unter welcher Nummer angerufen worden sei. Es käme hinzu, dass der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin offensichtlich mit unterdrückter Nummer bei ihm angerufen habe. Solche Anrufe nehme er aber wie auch andere Autohändler aus guten Gründen nicht entgegen. Außerdem sei er häufig telefonisch nicht erreichbar, etwa wenn er Probefahrten durchführe oder Verkaufsgespräche führe. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin habe offensichtlich auch nicht auf den Anrufbeantworter gesprochen und um Rückruf gebeten. Beispielhaft legt der Antragsteller eine Telefoneingangsliste für die Zeit vom 27. April bis 15. Mai 2010 (Bl.88 ff.) vor. Der Antragsteller behauptet, nach wie vor mit wechselnden Angeboten bei Y aktiv zu sein und Fahrzeuge zu verkaufen. Er legt insoweit Angebotslisten vom 30. März 2010 (Bl.95 ff.) und vom 4. Juni 2010 (Bl.99 ff.) vor.

Mit weiterem Schriftsatz vom 24. August 2010 hat der Antragsteller eine Bescheinigung seines Steuerberaters vom 23. August 2010 über Umsätze in den Jahren 2007 bis 2009 zu den Akten gereicht.

Der Antragsteller beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und der Antragsgegnerin

unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs beim Ktz-Handel

Angebote gegenüber Endverbrauchern im Internet ohne Angabe des

Geschäftsführers mit Vor- und Zunamen zu unterbreiten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zunächst noch einmal auf die Treuwidrigkeit des Verhaltens des Antragstellers. Dieser trete unter verschiedenen Firmennamen auf und gebe eine falsche Telefonnummer an. Wenn er selbst so handele, könne er nicht eine GmbH abmahnen, bei der der Vorname des Geschäftsführers versehentlich abgekürzt worden sei. Sie hält den Vortrag des Antragstellers in der Berufungsbegründung für dreist. Kein einziger Autohändler, der Geschäfte abschließen wolle, nehme nur Anrufe ohne unterdrückte Nummer entgegen. Soweit der Antragsteller eine Telefonliste vorgelegt habe, scheine dies nur deutlich zu machen, dass kein einziges der angeblich rege geführten Telefongespräche länger als eine Minute gedauert habe. Die Aufzeichnungen bezögen sich offensichtlich nicht auf Gespräche des Antragstellers, sondern auf eine Annahme von Gesprächen durch eine Maschine, die offensichtlich Töne simuliere. Sie horche in die Leitung hinein, ob ein Anruf oder Fax erfolge und simuliere währenddessen ein Freizeichen. Das zeige sich auch daran, dass dem Anruf des entscheidenden Richters am 27. April 2010 um 8.50 Uhr kein Gespräch mit einer Dauer von 30 Minuten gefolgt sei. Verkaufsgespräche könnten jedenfalls in diesen kurzen Zeiträumen nicht geführt worden sein. Die Telefonliste belege nun deutlich, dass der Antragsteller telefonisch keine Geschäfte vermitteln konnte. Das hätten auch zahlreiche eigene Testanrufe, auch jetzt noch während des Berufungsverfahrens ergeben.

Der Antragsteller hat erwidert und vorgetragen, dass es sich bei der in der Telefonliste festgehaltenen Zeit nicht um die Gesprächsdauer, sondern um die Dauer des Klingelns handele, bis der Anrufer aufgelegt habe, das Telefonat übernommen wurde oder der Anrufbeantworter angesprungen sei. Bei unbekannten Anrufern dauere das üblicherweise 30 Sekunden. Im Übrigen gehe er, der Antragsteller, in der Regel nach 5 bis 10 Sekunden ans Telefon. Der Antragsteller hat sodann beispielhaft zu Annahme und Dauer zweier mit seinem Prozessbevollmächtigten geführter Gesprächen vorgetragen.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg, weil es schon an der Antragsbefugnis und der Aktivlegitimation des Antragstellers fehlt.

1) Die Antragsbefugnis des Antragstellers fehlt hier, weil ein rechtsmissbräuchliches Verhalten im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG vorliegt. Die Frage des Rechtsmissbrauchs ist in jeder Phase des Rechtsstreits von Amts wegen zu prüfen, weil davon mit der Antragsbefugnis eine Zulässigkeitsvoraussetzung betroffen ist. Die Antragsgegnerin hat sich selbst auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers berufen. Das Landgericht hat gleichfalls Ausführungen zu einem vermuteten rechtsmissbräuchlichen Verhalten gemacht. In der Berufungserwiderung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass es dem Antragsteller bei den methodischen Abmahnungen offenbar nicht um den lauteren Wettbewerb, sondern um das Gebührenerzielungsinteresse gegangen sei, das auch das Landgericht schon angesprochen hatte. Da grundsätzlich von der Zulässigkeit der Geltendmachung des Anspruchs auszugehen ist, ist es an sich Sache der Antragsgegnerin, Tatsachen für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs darzulegen und im Falle des Bestreitens Beweis dafür anzubieten (OLG Hamm MD 2007, 381, 382; KG WRP 2010, 129, 134). Anderes gilt aber dann, wenn wie hier unstreitige oder gerichtsbekannte Tatsachen vorliegen, die für den Rechtsmissbrauch sprechen und damit die ursprünglich bestehende Vermutung der Antragsbefugnis erschüttern. Dann ist es Sache des Anspruchstellers, substantiiert die Gründe vorzutragen, die gegen einen Missbrauch sprechen.

a) Von einem Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssen zwar nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein, aber eindeutig überwiegen. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz ausdrücklich das Gebührenerzielungsinteresse. Von einem solchen Gebührenerzielungsinteresse ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Gläubiger kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung in einem ganz bestimmten Umfang haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt haben muss.

b) Die Abmahnung des Antragstellers steht nicht für sich. Schon dem Landgericht waren zwei parallele Fälle nahezu textgleicher Abmahnungen bekannt, wobei es die Kenntnis aus dem Parallelfall jedenfalls bei der Prüfung eines Rechtsmissbrauchs verwerten durfte. Dem Senat ist aus einem weiteren Parallelfall, nämlich der Sache 4 U 90 / 10 bekannt, dass auch in diesem Fall ein Gebrauchtwagenhändler wegen der Angabe des unvollständigen Namens beim Impressum auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde, und zwar auch im Rahmen eines Auftritts bei Y. Das Landgericht hat die Klage wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Antragstellers abgewiesen. Der Antragsteller hat seine Berufung zurückgenommen, weil er insoweit wegen eines zweimaligen Antrages auf Terminsvertagung die für ihn sprechende Dringlichkeitsvermutung selbst widerlegt hatte. In diesem Rechtsstreit ist dem Senat ferner bekannt geworden, dass es entsprechend einer Liste eines Verbandes der Gebrauchtwagenhändler allein in der Zeit vom Anfang 2010 bis zum 23. März 2010 zu 29 Abmahnungen von dem Antragsteller und seinen Anwälten gekommen ist. Auch wenn die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dient und auch umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein noch keinen Missbrauch belegen können, ist diese Vielzahl gleichartiger Abmahnungen in so kurzer Zeit schon ein erhebliches Indiz für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers als Einzelunternehmer.

c) Entscheidend für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs ist, dass zu diesem Indiz weitere unstreitige und glaubhaft gemachte Umstände hinzukommen, die für ein sachfremdes Motiv sprechen. So ist in diesem Fall schon fraglich, ob der Antragsteller überhaupt ein ernsthafter Mitbewerber der Antragsgegnerin beim Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen ist oder ob er sich nur als solcher ausgibt. Fahrzeugangebote alleine, insbesondere im Internet unter Y sagen insoweit noch nicht viel aus. Es kommt vielmehr auf die tatsächliche Verkaufstätigkeit an, deren Umfang beim Antragsteller für die hier entscheidende Zeit Anfang 2010 vollkommen unbekannt ist. Der Vortrag der Antragsgegnerin und der des abgemahnten Händlers M in dem vom Landgericht Bielefeld angesprochenen Parallelfall erinnern an einen Fall, bei dem eine Firma über Monate Möbel im Internet anbot, ohne dass Kaufinteressenten eine telefonische Kontaktaufnahme mit dem Verkäufer möglich war. So wäre es den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin nach deren glaubhaft gemachten Vortrag auch hier nicht gelungen, eines der weiterhin angebotenen Fahrzeuge käuflich zu erwerben, weil ein telefonischer Kontakt zu keiner Zeit zustande kam. Daraus ergibt sich jedenfalls, dass der Antragsteller durch sein Verhalten deutlich macht, dass er an einer solchen konkurrierenden Geschäftstätigkeit im fraglichen Zeitraum kein großes Interesse (mehr) hatte. Er ist jedenfalls für Fremde telefonisch nur schwer zu erreichen und gibt Telefonnummern an, die mit dem Geschäft nichts zu tun haben. Auch die mit dem weiterem Schriftsatz vorgelegte Umsatzbescheinigung des Antragstellers sagt insoweit nichts über eine rege Geschäftstätigkeit aus. Die Bescheinigung weist fallende Umsätze seit 2007 aus und bezieht sich gerade nicht auf 2010, also die Zeit, als die Abmahntätigkeit immer mehr zunahm. Es ergibt sich hier jedenfalls ein ganz erhebliches Missverhältnis zwischen der Zahl der Abmahnungen und dem Umfang des konkurrierenden Geschäftsbetriebs, wenn es ihn gegeben haben sollte. Kommt ein solcher Umstand bei einem Mitbewerber mit vielfachen Abmahnungen zusammen, liegt ein Missbrauch der an sich im Interesse der Wahrung des lauteren Wettbewerbs bestehenden Klagebefugnis im Bereich des Internethandels, wo es bekanntermaßen gerade im Bereich der Informationspflichten zu einer kaum überschaubaren Vielzahl von Wettbewerbsverstößen gekommen ist, besonders nahe.

d) Weitere Umstände kommen hinzu. Auch die besondere Art der Rechtsverfolgung lässt in der Gesamtschau nur den Schluss zu, dass mit den Abmahnungen in erster Linie Kosten und Vertragsstrafen generiert werden sollten. Der Antragsteller mahnt fast ausschließlich Wettbewerbsverstöße wegen unzutreffender Anbieterkennzeichnung im Rahmen des Impressums ab. Eine derartige Spezialisierung auf bestimmte Wettbewerbsverstöße, die als solche wegen obergerichtlicher Entscheidungen eine relativ sichere Bank sind, passt ins Bild. Das gilt insbesondere auch angesichts dieser Art von Wettbewerbsverstößen. Dadurch, dass der Vorname des Geschäftsführers der ansonsten zutreffend gekennzeichneten Antragsgegnerin als GmbH nur mit dem ersten Buchstaben angegeben wird, kann der Antragsteller nämlich ohnehin nur in geringem Umfang beeinträchtigt werden. Ein solcher Verstoß ist vom wirtschaftlichen Gewicht für den Mitbewerber noch nicht einmal mit den Fällen zu vergleichen, in denen Informationspflichten im Rahmen der Widerrufsbelehrung verletzt werden, Garantiebedingungen nicht mitgeteilt werden oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässige Regelungen zum Vertragsschluss enthalten sind. Für ein geringeres Interesse an der Sicherung des lauteren Wettbewerbs spricht dann auch die Tatsache, dass der Antragsteller selbst es mit seinem Wettbewerbsverhalten nicht so genau nimmt und seine Geschäftsbezeichnungen selbst für seinen Anwalt im Unklaren lässt und falsche Telefonnummern angibt.

e) In Zusammenhang mit der hier ausgesprochenen Abmahnung fällt auf, dass diese den unrichtigen Hinweis enthält, dass die (vorformulierte) Unterlassungserklärung unbedingt und unter Einschluss der Zahlungsverpflichtung abzugeben sein soll. Die Zahlungsverpflichtung ist aber von der Abgabe der Unterlassungserklärung völlig unabhängig. Der abgemahnte Händler erhält somit den falschen Eindruck, dass er auch die Anwaltskosten begleichen muss, wenn er eine gerichtliche Inanspruchnahme vermeiden will. Insoweit ist auch der maßvolle Streitwert kein Argument. Er erleichtert es den Abgemahnten dann, mit dem Ausgleich der gerade noch erträglichen Kosten vermeintlich alles abschließend zu regeln.

f) Angesichts dieser für einen Rechtsmissbrauch sprechenden Umstände wäre es Sache des Antragstellers gewesen, darzutun, dass es ihm dennoch in erster Linie um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs gegangen ist (BGH GRUR 2006, 243 -MEGA SALE; Fezer/Büscher, UWG, 2.Auflage, § 8 Rdn. 287). An substantiierten Vortrag dazu fehlt es. Er hat insbesondere nicht hinreichend dazu vorgetragen, wieso Abmahnungen wie die vorliegende vom Interesse, den lauteren Wettbewerb zu fördern, getragen sein sollten.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 16.09.2010
Az: I-4 U 107/10


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