Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. August 2005
Aktenzeichen: 9 W (pat) 314/03

(BPatG: Beschluss v. 24.08.2005, Az.: 9 W (pat) 314/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das am 17. Mai 1996 angemeldete und am 31. Oktober 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung

"Motorunabhängiges Heizgerät für ein Kraftfahrzeugmit Verbrennungsmotor und Brennstoffpumpe"

ist von der W... AG Einspruch erhoben worden.

Zur Begründung ihres Einspruchs verweist die Einsprechende u.a. auf folgende Druckschriften :

- WO 96/06 305 A1

- DE 44 15 513 C2 Sie ist der Meinung, der Gegenstand des Streitpatents sei gegenüber diesem Stand der Technik nicht patentfähig.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten :

- Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 24. August 2005,

- noch anzupassende Beschreibung,

- eine Zeichnung gemäß Patentschrift.

Sie hält die schriftsätzliche Einspruchsbegründung für unzureichend substantiiert und den Einspruch deshalb für unzulässig. Im übrigen ist sie der Meinung, das Heizgerät nach dem geltenden Patentanspruch 1 sei gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet :

"Motorunabhängiges Heizgerät (1) für ein Kraftfahrzeug mit einem Verbrennungsmotor (2), welchem aus einem Brennstofftank (3) durch eine Brennstoffpumpe (4) Brennstoff (5) über eine Vorlaufleitung (6) zugeführt wird, wobei die Vorlaufleitung (6) des Verbrennungsmotors (2) über eine eine Brennstoffdosiereinrichtung (8) aufweisende Brennstoffleitung (9) mit dem Brenner (10) des Heizgeräts verbunden ist und die Brennstoffpumpe (4) über ein Steuergerät (11) in einer Steuerverbindung (12) mit der Brennstoffdosiereinrichtung (8) steht, um den Brenner mit Brennstoff durch die Brennstoffpumpe auch bei Motorstillstand zu versorgen, dadurch gekennzeichnet, dass in der Brennstoffleitung (9) vor der Brennstoffdosiereinrichtung (8) ein Druckspeicher (13) als Brennstoffbevorratungs-Puffer angeordnet ist, in welchen Brennstoff bei eingeschalteter Brennstoffpumpe (4) einspeicherbar und aus welchem Brennstoff für eine Brennstoffversorgung des Brenners (10) insbesondere bei abgeschalteter Brennstoffpumpe (4) entnehmbar ist, wobei die Brennstoffdosiereinrichtung ein mit einer leistungsabhängigen, konstanten Frequenz angesteuertes Magnetventil mit einer über dem Druck veränderlichen Anzugszeit ist."

Diesem Patentanspruch schließen sich die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 an.

II.

Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts ist durch PatG §147 Abs. 3 Satz 1 begründet.

Der Einspruch ist zulässig. Er hat Erfolg durch den Widerruf des Patents.

1. Die Patentinhaberin meint, in der schriftsätzlichen Einspruchsbegründung fehle der Bezug zu - den Kern des streitpatentgemäßen Heizsystems kennzeichnenden - Merkmalen. Es sei nicht angegeben, inwiefern die die Brennstoffpumpe mit der Brennstoffdosiereinrichtung über ein Steuergerät verbindende Steuerverbindung zur Versorgung des Brenners durch die Brennstoffpumpe mit Brennstoff auch bei Motorstillstand aus dem entgegengehaltenen Stand der Technik entnehmbar sei.

Gemäß PatG §59 (1) 4 sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im Einzelnen anzugeben. Ausreichend substantiiert ist eine Einspruchsbegründung, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Widerrufsgründe maßgeblichen tatsächlichen Umstände so vollständig darlegt, dass die Patentinhaberin und insbesondere die überprüfende Instanz daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen eines Widerrufsgrundes ziehen können (BGH BlPMZ 87, 203 "Streichgarn").

Diese Voraussetzung ist nach Überzeugung des Senats erfüllt. Die besagten, von der Patentinhaberin als wesentlich bezeichneten Merkmale sind in der von der Einsprechenden erstellten Merkmalsgliederung des erteilten Patentanspruchs 1 als Merkmale c), c1) und c2) in der Einspruchsbegründung genannt.

Diese Merkmale lauten (Einspruchschriftsatz Seite 2) :

c) die Brennstoffpumpec1) über ein Steuergerätc2) in einer Steuerverbindung mit der Brennstoffdosiereinrichtung steht, um den Brenner mit Brennstoff durch die Brennstoffpumpe auch bei Motorstillstand zu versorgen.

Zu dem aus der DE 44 15 513 C2 bekannten Heizgerät nennt die Einsprechende in Bezug auf mangelnde Neuheit des Streitpatentgegenstandes neben anderen auch die folgenden Merkmale (Einspruchschriftsatz Seite 3) :

- eine Brennstoffpumpe in einem Brennstoffkreislauf,

- eine ferngesteuerte Brennstoffdosiereinrichtung in Gestalt eines Magnetventils,

- die Versorgung des Brenners mittels der Brennstoffdosiereinrichtung auch bei Betriebsruhe des Kraftfahrzeugs.

Dazu gibt sie jeweils die Textstellen in der Beschreibung der DE 44 15 513 C2 an, aus denen sie diese Merkmale zu entnehmen meint.

Wenngleich die Einsprechende damit einen Bezug zwischen diesen dem Stand der Technik zugeschriebenen und den o.g. streitpatentgemäßen Merkmalen nicht unter Wiederholung des Wortlauts derselben herstellt, ist doch offensichtlich, dass sie in der von ihr angegebenen Eigenschaft der Brennstoffdosiereinrichtung "ferngesteuert" die Existenz eines Steuergerätes sowie eine Steuerverbindung zu dieser Brennstoffdosiereinrichtung sieht. Denn diese sind notwendige Voraussetzung zur Bildung einer Fernsteuerung. In der Versorgung des Brenners mittels der Brennstoffdosiereinrichtung (des "ferngesteuerten" Magnetventils) auch bei Betriebsruhe des Kraftfahrzeugs sieht die Einsprechende dann offenbar die Steuerverbindung zwischen Dosiereinrichtung und Brennstoffpumpe. Dieses Verständnis der Ausführungen im Einspruchschriftsatz kann die Einsprechende bei der Patentinhaberin und der überprüfenden Instanz voraussetzen, denn es liegt auf der Hand, dass im - zumindest uneingeschränkten - Standheizbetrieb zu einer Versorgung des Brenners die Brennstoffpumpe auch bei abgeschaltetem Fahrmotor eingeschaltet werden können muss. Eine solche Ausgestaltung ist im einschlägigen Fachgebiet gang und gäbe.

Der Senat sieht deshalb keine Hindernisse, bei sachgerechter Betrachtung der Ausführungen der Einsprechenden in diesen den Bezug zu den streitpatentgemäßen Merkmalen c), c1) und c2) zu erkennen. Der Bezug zu den übrigen Merkmalen gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 ist - von der Patentinhaberin unbestritten - aus den Ausführungen der Einsprechenden im Einspruchschriftsatz ebenfalls ersichtlich.

Für das Vorliegen des Widerrufsgrundes der mangelnden Neuheit lassen sich somit aus der schriftsätzlichen Einspruchsbegründung ohne weitere Ermittlungen abschließende Folgerungen ziehen.

Damit ist die Einspruchsbegründung durch die Darlegungen jedenfalls schon zur DE 44 15 513 C2 ausreichend substantiiert und der Einspruch auch insoweit zulässig.

2. Das Patent betrifft ein motorunabhängiges Heizgerät für ein Kraftfahrzeug mit einem Verbrennungsmotor.

Im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 ist der Stand der Technik nach der WO 96/06 305 A1 berücksichtigt. In der Beschreibungseinleitung der Streitpatentschrift ist sinngemäß ausgeführt, dass bei einem herkömmlichen Heizgerät nach Art der WO 96/06 305 A1 die für die Brennstoffversorgung des Fahrmotors vorgesehene Brennstoffpumpe zur Bedienung der Heizung mittels eines PWM-Signals (Pulsbreitenmodulations-Steuersignal) angesteuert werde, wobei wegen des nur geringen Brennstoffbedarfs für die Heizung und der für weitaus höhere Volumenströme ausgelegten Pumpe ein derart niedriges Tastverhältnis des Impulszuges erforderlich sei, dass ein optimaler Betrieb des Pumpenmotors nicht zu erwarten sei. Im Extremfall sei damit zu rechnen, dass der Elektromotor mit dem hochfrequenten PWM-Signal gar nicht läuft (Streitpatenschrift Spalte 1, Zeilen 14-47).

Das dem Patent zugrundeliegende und mit der Aufgabe formulierte technische Problem besteht daher darin, ein motorunabhängiges Heizgerät der genannten Art zu schaffen, welches mit Hilfe einfacher Mittel in allen Betriebslagen, auch bei Motorstillstand, mit geringem Energieverbrauch zuverlässig und effektiv betrieben werden kann.

Dieses Problem soll durch das Heizgerät mit den im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen gelöst werden.

3. Einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Patentanspruchs 1 hinsichtlich ursprünglicher Offenbarung bzw. Erweiterung des Schutzbereichs sowie über die Neuheit des Anspruchsgegenstands bedarf es nicht, da dieser - wie nachstehend ausgeführt - für den zuständigen Fachmann aus dem Stand der Technik naheliegend auffindbar war.

Als Durchschnittsfachmann nimmt der Senat einen Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau an, der bei einem Kfz-Hersteller/-Zulieferer mit der Konstruktion von Zusatz- und Standheizgeräten befasst ist und auf diesem Gebiet über mehrjährige Berufserfahrung verfügt.

Aus der WO 96/06 305 A1 ist ein motorunabhängiges Heizgerät für ein von einem Verbrennungsmotor 100 angetriebenes Kraftfahrzeug bekannt. Aus einem Brennstofftank 104 wird dem Verbrennungsmotor durch eine Brennstoffpumpe 106 Brennstoff über eine Vorlaufleitung 108 zugeführt. Die Vorlaufleitung ist über eine Brennstoffleitung 38 mit dem Brenner 34 des Heizgeräts 32 verbunden. In der Brennstoffleitung ist eine Brennstoffdosiereinrichtung 42 vorgesehen. Die Brennstoffpumpe steht über ein Steuergerät 36 mit der Brennstoffdosiereinrichtung in Steuerverbindung, um den Brenner mit Brennstoff durch die Brennstoffpumpe auch bei Motorstillstand zu versorgen (Seite 7, Zeilen 10-14; Seite 14, Zeilen 12-17; Anspruch 9). Als Brennstoffdosiereinrichtung ist ein Magnetventil 42 vorgesehen, welches mit einem Steuersignal mit von einer eingestellten Soll-Brennerleistung abhängigen definierten Frequenz betätigt wird (Seite 4, Zeilen 34 und 35; Seite 6, Zeilen 20-30; Seite 13, Zeilen 1-10, Anspruch 3). Die Frequenz ist damit bei gegebener Brennerleistung konstant (Seite 4, Zeile 33 bis Seite 5, Zeile 3).

Bei diesem Heizgerät geben die oben unter 2. aufgeführten, ins Auge fallenden Antriebsprobleme der Brennstoffpumpe bei Motorstillstand dem Fachmann in eindringlicher Weise Veranlassung zur Abhilfe. Der Fachmann wird deshalb im einschlägigen Fachgebiet nach Heizgeräten Umschau halten, bei denen die Kraftstoffpumpe zur Versorgung des Heizgerätes mit Brennstoff in ihrer Leistung nicht oder nur in einem ihre volle Funktionsfähigkeit erhaltenden Maße reduziert werden muss.

Ein derartiges Heizgerät findet er in der DE 44 15 513 C2, aus der es bekannt ist, während des Betriebs des Fahrmotors aus der Vorlaufleitung einen Brennstoff-Teilstrom abzuzweigen und in einen als Druckspeicher gestalteten Brennstoff-Vorratsbehälter 3 für das Heizgerät 4 einzubringen. Aus dem Vorratsbehälter kann das Heizgerät dann bei Betriebsruhe des Kraftfahrzeugs auch bei abgeschalteter Brennstoffpumpe versorgt werden (Spalte 1, Zeilen 41-50). Der Fachmann erkennt ohne weiteres, dass bei Verwendung eines derartigen Vorratsbehälters eine Drosselung der Brennstoffpumpe auf ein dem für den Heizbetrieb erforderlichen Brennstoff-Volumenstrom entsprechendes Maß nicht nötig ist, weil der dem Vorratsbehälter zuzuführende Volumenstrom von dem für den Betrieb des Brenners nötigen Brennstoffdurchsatz nicht abhängt. Dieser Sachverhalt bietet ihm somit den naheliegendsten Weg zur Beseitigung des Antriebsproblems bei dem Heizgerät nach der WO 96/06 305 A1. Die bei diesem vorhandene Zuschaltbarkeit der Brennstoffpumpe bei Stillstand des Fahrmotors kann zudem ohne weiteres ersichtlich auch bei Verwendung eines Vorratsbehälters erhalten bleiben. Den Vorratsbehälter vor der Brennstoffdosiereinrichtung anzuordnen, liegt auf der Hand, denn eine Dosierung des Brennstoffs ist erst im Brenner notwendig. Davon abgesehen ist die Anordnung des Vorratsbehälters vor einem als Dosiereinrichtung wirkenden Magnetventil aus der DE 44 15 513 C2 unmittelbar bekannt (Spalte 2, Zeile 64 bis Spalte 3, Zeile 2; Figur, Pos. 3,2).

Um einen stationären Brennerbetrieb durchführen zu können, muss der Brenner selbstverständlich mit gleichbleibendem Brennstoffdurchsatz betrieben werden. Hierzu muss die Dosiereinrichtung, hier das frequenzgepulste Magnetventil nach Art der WO 96/06 305 A1, Veränderungen im stromaufwärts zugeführten Brennstoffstrom ausgangsseitig zum Brenner hin kompensieren. Eine Veränderung ergibt sich, wenn der Druck im Vorratsbehälter bei laufender Brennstoffentnahme absinkt und dadurch bei ansonsten gleichen Strömungsbedingungen zu verringertem Brennstoffstrom führt. Der Fachmann muss demnach das Magnetventil so ansteuern, dass trotz Druckabfall der Brennstoffdurchsatz im Brenner unverändert bleibt. Diese Notwendigkeit sieht der Fachmann aufgrund seines für ihn typischen Fachwissens. Den anstehenden Druck als Bezugsgröße zum Ansteuern des Magnetventils zu wählen liegt dabei auf der Hand, denn dieser ist Ursache für die Veränderung des Brennstoffstromes und steht zudem mit diesem über physikalische Gesetzmäßigkeiten in festem Zusammenhang. Über diese Gesetzmäßigkeiten ist der Fachmann auch in der Lage, das Öffnungs-/Schließverhalten des Magnetventils so vorherzubestimmen, dass der Brennstoffdurchsatz trotz abfallenden Drucks stets den betrieblich notwendigen Wert aufweist. Eine Veränderung des Öffnungs-/Schließverhaltens zur Kompensierung des Druckabfalls bietet sich demnach an. Dabei ist die druckabhängige Veränderung der Anzugszeit des Magnetventils eine fachnotorisch bekannte Möglichkeit zur Realisierung.

Zu diesen Schlussfolgerungen war der Fachmann am Anmeldetag des Streitpatents schon durch sein Grundlagenwissen in der Lage. Sie auch tatsächlich durchzuführen und zur Anwendung zu bringen hatte er Anregung durch die bei beiden vorbekannten Heizgeräten (WO 96/06 305 A1, DE 44 15 513 C2) vorliegende Verwendung eines Magnetventils als Brennstoffdosiereinrichtung.

Der von dem Heizgerät nach der WO 96/06 305 A1 ausgehende Fachmann konnte demnach unter fachmännischer Zufügung des aus der DE 44 15 513 C2 bekannten Vorratsbehälters für Standheizungen für Kraftfahrzeuge ohne erfinderische Tätigkeit zu dem Heizgerät nach dem geltenden Patentanspruch 1 kommen.

Mit dem Patentanspruch 1 fallen die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8.

Petzold Fuchs-Wissemann Bork Reinhardt Ju






BPatG:
Beschluss v. 24.08.2005
Az: 9 W (pat) 314/03


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