Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Mai 2006
Aktenzeichen: 6 W (pat) 3/04
(BPatG: Beschluss v. 15.05.2006, Az.: 6 W (pat) 3/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Patentabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts hat im Einspruchsverfahren das am 25. Februar 1998 angemeldete und am 26. August 1999 veröffentlichte Patent 198 07 857 mit Beschluss vom 2. Dezember 2003 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
Walze, umfassend ein Walzenrohr (1), das eine Stützwelle (2) mit radialem Abstand umschließt, wobei das Walzenrohr (1) und die Stützwelle (2) durch zumindest einen Stützkörper (3) aus elastomerem Werkstoff aufeinander abgestützt sind und wobei der Stützkörper (3) symmetrisch zu einer das Walzenrohr (1) axial mittig durchschneidenden, gedachten Radialebene (4) angeordnet ist, wobei axial beiderseits des Stützkörpers (3) jeweils ein Dichtring (5, 6) angeordnet ist, wobei die Dichtringe (5, 6) den Innenumfang (7) des Walzenrohrs (1) und den Außenumfang (8) der Stützwelle (2) unter radialer Vorspannung dichtend berühren und wobei das Walzenrohr (1) axial zwischen den Dichtringen (5, 6) eine bündig verschließbare Durchbrechung (9) zum Einspritzen von Elastomerwerkstoff in den Hohlraum (10) aufweist, der durch das Walzenrohr (1), die beiden Dichtringe (5, 6) und die Stützwelle (2) begrenzt ist.
Hinsichtlich des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8, sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift verwiesen.
Im Erteilungsverfahren wurden insgesamt folgende Druckschriften berücksichtigt:
1) DE 195 42 850 A1 2) DE 296 13 795 U1 3) GB 2 186 661 A 4) Verbindliche Erklärung von Herrn Kari Holopainen, vom 8. Februar 2001 5. Firmenzeichnung RAU2K01444, VALMET vom 10. Mai 1995 6. Firmenzeichnung RAU3K01116, VALMET vom 17. Februar 1995 7) Gebrauchsanweisung für die an Kaukas-Papierwerke gelieferte Walze vom 11. Oktober 1995 8) Lieferbestätigung "Confirmation of order" vom 24. Februar 1995 9) DE 298 06 028 U1 (Priorität vom 3. April 1997)
10) FI 854 272 11) DE 612 499 C 12) DE 446 513 C 13) GB 2 186 662 A.
Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen den Beschluss der Patentabteilung vom 7. Januar 2004. Sie stützt sich auf die DE 298 06 028 U1 (Priorität vom 3. April 1997) und argumentiert hierzu, der Anspruchsgegenstand weise gegenüber dieser Schrift keine Erfindungshöhe mehr auf, außerdem sei die Offenkundigkeit der Benutzungshandlung (Entgegenhaltungen 4 bis 8) im Beschluss der Patentabteilung ihrer Ansicht nach nicht adäquat berücksichtigt worden. Mit Eingabe vom 24. April 2006 hatte die Einsprechende bereits mitgeteilt, dass sie an der für 11. Mai 2006 angesetzten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen würde.
Die Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.
Sie begründet ihren Antrag mit einem Geheimhaltungshinweis auf den Zeichnungen, aufgrund dessen die Öffentlichkeit davon keine Kenntnis erlangt haben könne und verweist darauf, dass die genannte Druckschrift ihrer Meinung nach weniger offenbare als von der Einsprechenden unterstellt und damit der Anspruchsgegenstand als Resultat einer erfinderischen Tätigkeit angesehen werden könne.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die erteilten Patentansprüche sind zulässig.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 setzt sich aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1, 6 und 8 zusammen.
Die Merkmale der Unteransprüche 2 bis 8 sind identisch mit denjenigen der ursprünglichen Ansprüche 7, 2, 3, 4, 5, 9 und 10.
2. Der Patentgegenstand ist patentfähig nach §§ 1 bis 5 PatG.
a. Zur offenkundigen Vorbenutzung Die Einsprechende hatte mit Schriftsatz vom 15. Februar 2000 vorgetragen, sie habe im Oktober 1995 (Inbetriebnahme am 17. Oktober 1995) an die Kaukas-Papierwerke eine Doppelwandwalze geliefert. Darin beinhaltet gewesen seien auch die als E5 und E6 benannten Zeichnungen, sowie eine Gebrauchsanweisung (E7). Eine Lieferbestätigung hierfür wurde ebenfalls nachgereicht (E8).
Seitens der Patentabteilung wurde daher auch der Sachverhalt der erfolgten Lieferung einer Walze, wie angegeben, nicht in Zweifel gezogen. Sie hat allerdings begründet ausgeführt, durch die Lieferung der Walze selbst könnten die Merkmale einer Walze nach Anspruch 1 des Streitpatents keiner Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sein.
Wie bereits den Figuren des Streitpatents einerseits, aber auch den Zeichnungen gemäß der E5 und E6 andererseits entnommen werden kann, liegen die wesentlichen Merkmale der anspruchsgemäßen Walze in deren Innerem. Diese Merkmale können bei evtl. stattfindenden Betriebsbesichtigungen den Besuchern, selbst wenn zugunsten der Einsprechenden unterstellt wird, es handelte sich um Fachkundige, nicht offenbart worden sein. Weder können durch die Walze an sich die Stützkörper selbst, deren Anordnung, deren Begrenzung, die Dichtringe oder die Vorspannung noch die Bedeutung der bündig verschließbaren Durchbrechung öffentlich geworden sein, zumal laut Konstruktionszeichnung die Walze nach dem Einspritzen auch noch einen Überzug erhält.
In ihrer Beschwerdeschrift hat die Einsprechende diese Behauptung auch nicht weiter vertieft sondern auf die Bedeutung der Zeichnungen, sowie auf die Erklärung (E4) abgestellt. Indes beinhaltet die E4 (bezogen auf die schriftlichen Unterlagen) lediglich, dass nach Aussagen des Herrn Holopainendie gelieferte Walze einer Ausbildung, wie in den Zeichnungen (E5, E6) entsprochen hat, die Zeichnungen (E5, E6) und die Gebrauchsanweisung mitgeliefert wurdendie Walze zusammengebaut war, so dass Urethan eingespritzt wurde, wobei die Walzenoberfläche nach dem Einspritzen überzogen werden soll (vgl. E5, "joint points urethanized, before shell is coated"). Es muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, ob der Vortrag der Einsprechenden so zutrifft oder nicht, da diese Aussage des Herrn Holopainen jedenfalls keinen Beleg für die Offenkundigkeit einer Walze nach Anspruch 1 darstellt. Die Konstruktionszeichnungen nach der E5 und E6 beinhalten beide jeweils einen Geheimhaltungshinweis ("The information contained herein is proprietrary to Valmet Corporation and is not to be reproduced, communicated to a third person ...") Eine solche Geheimhaltungsverpflichtung, die, da nichts anderes nachgewiesen wurde, seitens der Einsprechenden wohl auch befolgt worden ist, schließt die öffentliche Zugänglichkeit aus.
Anderweitige Angaben wurden durch die Einsprechende nicht gemacht und auch nicht angekündigt. Durch ihre Ankündigung, an der für 11. Mai 2006 angesetzten Verhandlung nicht teilnehmen zu wollen, hat sie im Gegenteil erkennen lassen, dass weitere Erläuterungen zur Offenkundigkeit der technischen Merkmale der bezogenen Walze nicht zu erwarten oder nicht möglich sind. Insbesondere hat die Einsprechende es unterlassen, im Einzelnen die Tatsachen anzugeben, aus denen sich die Zugehörigkeit des Inhalts der von ihr genannten und für ihre Argumentation unerlässlichen Zeichnungen und Schriftstücke zum Stand der Technik gehören. Das bloße Mitschicken von Zeichnungen, zusammen mit einem produzierten Gegenstand, an einen bestimmten Empfänger kann noch keine öffentliche Zugänglichkeit einer Lehre herstellen. Im Übrigen spricht die Lebenserfahrung für das Vorbringen der Patentinhaberin, wonach es nicht in deren Interesse gelegen haben kann, konstruktionsgemäße Einzelheiten der Walze von sich aus öffentlich zugänglich zu machen.
Die von der Einsprechenden vorgebrachten Angaben zum angeblich benutzten Gegenstand müssen daher an dieser Stelle nicht überprüft werden, da sie mangels öffentlicher Zugänglichkeit nicht zum Stand der Technik gezählt werden können.
b. Die DE 298 06 028 U1 (E9) bzw. die FI 106 254 B sind nicht dem Stand der Technik zuzurechnen.
Das Vorbringen der Einsprechenden zur DE 298 06 028 U1 (E9) ist ohne Relevanz. Diese Schrift (Anmeldetag 2. April 1998) ist jünger als das Streitpatent (Anmeldetag 25. Februar 1998). Die Prioritätsschrift (Anmeldetag 3. April 1997) ist eine nationale finnische Anmeldung, die am 4. Oktober 1998, d. h. nach dem für die Anmeldung relevanten Anmeldetag, veröffentlicht wurde und damit nicht in die Regelung zum älteren Zeitrang nach § 3, Abs. 2, PatG fällt. Damit ist weder die DE 298 06 028 U1 selbst, noch deren Prioritätsschrift, die FI 106 254 B, als zum Stand der Technik i. S. d. § 3, Abs. 2 PatG gehörend anzusehen und damit auch nicht als solcher in Bezug auf die Neuheit oder die erfinderische Tätigkeit einer Walze mit den Merkmalen nach Anspruch 1 zu berücksichtigen.
c. Die Walze nach Anspruch 1 ist neu.
Die Walze nach Anspruch 1 ist neu gegenüber dem vorveröffentlichten Stand der Technik in Form der Entgegenhaltungen 1 bis 3 und 9 bis 13. Gegenteiliges hat die Einsprechende auch nicht behauptet. Insbesondere das Merkmal der angegebenen, "bündig verschließbare(n) Durchbrechung (9) zum Einspritzen von Elastomerwerkstoff in den Hohlraum" im Walzenrohr 1 konnte bei keiner anderen Druckschrift nachgewiesen werden.
d. Die gewerblich anwendbare Walze nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Walze nach Anspruch 1 geht aus von einem Stand der Technik, wie er durch die DE 195 42 850 A1 (E1) dokumentiert wird. Diese Schrift zeigt und beschreibt eine Walze, umfassend ein Walzenrohr 3, das eine Stützwelle 11 mit radialem Abstand umschließt, wobei das Walzenrohr 3 und die Stützwelle 11 durch zumindest einen Stützkörper 10 aus elastomerem Werkstoff aufeinander abgestützt sind. Der Stützkörper 10 ist symmetrisch zu einer das Walzenrohr 3 axial mittig durchschneidenden, gedachten Radialebene angeordnet, wobei axial beiderseits des Stützkörpers 10 jeweils ein Dichtring 12, 13 angeordnet ist, wobei die Dichtringe 12, 13 den Innenumfang des Walzenrohrs 3 unter radialer Vorspannung dichtend berühren.
In der Beschreibung der DE 195 42 850 A1 wird darauf verwiesen, dass der Schaum 10 aushärten soll, gleichzeitig wird aber auch ausgeführt, dass die Auswahl des zu verwendenden Schaums in Abhängigkeit des Einsatzzweckes erfolgt, so dass auch ein Schaum 10 verwendet werden kann, der eine bestimmte Restelastizität aufweist (Sp. 4, Z. 52 bis 57). Zur Herstellung der Walze erläutert die E1, dass das Walzenrohr 3, das Lagerelement 6 und die Dichtkörper 12, 13 zusammengesetzt werden und solange konzentrisch gehalten werden, bis der Schaum ausgehärtet ist. Es wird dabei nicht erläutert, wann und wie der Schaum in den durch den Zusammenbau entstehenden Hohlraum eingebracht wird.
Die Walze nach Anspruch 1 unterscheidet sich hiervon dadurch, dass sich das Walzenrohr 1 unmittelbar über den Stützkörper 3 an der Stützwelle 2 abstützt, es ist kein weiteres Lagerelement, in das die Stützwelle eingeführt wird, nötig. Außerdem weist das Walzenrohr 3 axial zwischen den Dichtringen 5, 6 eine bündig verschließbare Durchbrechung 9 zum Einspritzen von Elastomerwerkstoff in den Hohlraum 10 auf, der durch das Walzenrohr 1, die beiden Dichtringe 5, 6 und die Stützwelle 2 begrenzt ist.
Der Grundgedanke der beanspruchten Erfindung, die Doppelfunktion der Stützwelle, die zusammen mit den Dichtelementen und dem Walzenrohr bereits eine dichtende Verbindung eingeht und gleichzeitig auch die Funktion einer Stützwelle als solches übernimmt, ist der E1 genauso wenig entnehmbar wie die konstruktive Ausgestaltung des einfachen Einbringens des Stützkörpers über die bündig verschließbare Durchbrechung des Walzenrohres.
So erfolgt auch bei der Walze nach der FI 854 272 (E10) das Einfüllen des Stützkörpers 15 axial in den Ringspalt zwischen Stützwelle und Walzenrohr (vgl. insb. Fig. 2), wie die Einsprechende selbst unter Hinweis auf die dort eingesetzte Lippendichtung 20 zutreffend ausführt. Insofern kann eine solche Ausbildung hinsichtlich des Merkmals "Einspritzen" allenfalls Anregungen geben, die vom Anmeldegegenstand wegführen.
Die DE 296 13 795 U1 (E2), die GB 21 86 661 A (E3) und die GB 21 86 662 A (E13) lehren Walzen, bei denen der Stützkörper einstückig mit der inneren Stützwelle, bzw. einstückig mit dem äußeren Walzenrohr ausgebildet sind. Diese Ausbildung bedingen andersartige Herstellungsverfahren, bei denen sich eine Frage, wie der Stützkörper in den Zwischenraum eingebracht worden ist, nicht stellt. Sie können für sich, bzw. in Zusammenschau mit der DE 195 42 850 A1 (E1) eine anspruchsgemäße Walze nicht nahe legen.
Die Walzen gemäß der DE PS 612 499 (E11) und der DE PS 446 513 (E12) beschreiben ältere Ausführungsformen von Walzen, bei denen elastische Ringe zum Abstützen auf die Stützwelle geschoben werden. Eine solche Ausbildung kann ebenfalls weder für sich noch in Zusammenschau mit den anderen Schriften zu einer Walze nach Anspruch 1 führen.
Wie gezeigt, kennt der entgegengehaltene Stand der Technik das Merkmal, "bündig verschließbare Durchbrechung (9) zum Einspritzen von Elastomerwerkstoff in den Hohlraum" nicht. Von daher erübrigen sich Überlegungen, ob ein solches Merkmal einzeln oder in Zusammenschau als nahe liegend angesehen werden kann. Ausweislich des dokumentierten Standes der Technik hat die komplette Fachwelt vor dem Anmeldetag des Streitpatents einen anderen Weg gewählt, um die als notwendig betrachteten Stützkörper - soweit flüssig - in den Hohlraum einer Walze einzubringen.
Patentanspruch 1 hat damit Bestand.
Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 8 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Walze nach Anspruch 1 und haben damit ebenfalls Bestand.
BPatG:
Beschluss v. 15.05.2006
Az: 6 W (pat) 3/04
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