Anwaltsgerichtshof Berlin:
Beschluss vom 14. Januar 2010
Aktenzeichen: I AGH 06/09, I AGH 6/09

(AGH Berlin: Beschluss v. 14.01.2010, Az.: I AGH 06/09, I AGH 6/09)

1) Bewusst unwahre Angaben eines Anwaltsbewerbers in seinem Zulassungsantrag sprechen für die Annahme seiner Unwürdigkeit im Sinne von § 7 Nr. 5 BRAO. Aus einer bewusst unwahren Angabe ist allerdings nicht automatisch die Unwürdigkeit des Bewerbers zu folgern. Vielmehr ist der Unwürdigkeitsvorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens mit allen erheblichen Umständen des Einzelfalls - wie z.B. Zeitablauf, zwischenzeitliche Führung und Lebensumstände des Bewerbers - nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf (noch) nicht tragbar erscheinen lässt.

2) Bei der Abwägung sind nicht nur solche Verhaltensweisen schädlich, die im technischen Sinne schuldhaft sind, sondern auch sonstiges vorwerfbares Verhalten und private Verfehlungen.

3) Zu den Umständen, die in die Abwägung im Einzelfall einfließen.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren in der Hauptsache erledigt ist.

2. Die Gerichtskosten haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

3. Der Geschäftswert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1.

Nachdem die Antragsgegnerin den Antragsteller nunmehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen hat, ist dieser klaglos gestellt und folglich Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache eingetreten.

2.

In der Folge war über die Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Parteien gemäß § 40 Abs. 4 BRAO in Verbindung mit § 13a FGG sowie analog § 91a ZPO nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei vor allem die Erfolgsaussichten des Antrages zum Zeitpunkt der Erledigung zu berücksichtigen sind (vgl. Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 40 Rdnr. 35, m.w.N.). Zu den Erfolgsaussichten des vorliegenden Antrages ist gemäß § 7 Nr. 5 BRAO Folgendes festzustellen:

a)

3Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichthofes können bewusst unwahre Angaben eines Anwaltsbewerbers zur Annahme seiner Unwürdigkeit führen, insbesondere wenn die unwahren Angaben im Zulassungsverfahren zwecks Täuschung der Zulassungsbehörde gemacht werden (vgl. nur BGH , BRAK-Mitt 1995, 166, Rdnr. 14 zit. nach Juris; BGH , BRAK-Mitt 1996, 258, Rdnr. 10 zit. nach Juris; BGH , BRAK-Mitt 1999, 38, Rdnr. 6 zit. nach Juris; zustimmend Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 61). Aus einer bewusst unwahren Angabe ist allerdings nicht automatisch die Unwürdigkeit des Bewerbers zu folgern. Vielmehr ist im Hinblick darauf, dass die Versagung der Zulassung einen Eingriff in die von Art. 12 GG geschützte Berufswahlfreiheit des Bewerbers darstellt, der Unwürdigkeitsvorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn der Bewerber ein Verhalten gezeigt hat, das ihn bei Abwägung dieses Verhaltens mit allen erheblichen Umständen des Einzelfalls € wie z.B. Zeitablauf, zwischenzeitliche Führung und Lebensumstände des Bewerbers € nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf (noch) nicht tragbar erscheinen lässt ( BGH , BRAK-Mitt 1996, 258, Rdnr. 8 zit. nach Juris; BGH , BRAK-Mitt 1995, 166, Rdnr. 6, 11 und 14 zit. nach Juris; vgl. ebenso BVerfG , BRAK-Mitt 1996, 37; BVerfG , BRAK-Mitt 1993, 50). Dabei sind nicht nur solche Verhaltensweisen schädlich, die im technischen Sinne schuldhaft sind, sondern auch sonstiges vorwerfbares Verhalten und private Verfehlungen ( Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 7 Rdnr. 39 f.) Hinsichtlich des Wohlverhaltenszeitraumes, der gegen die Annahme von Unwürdigkeit spricht, hat die Rechtsprechung bei leichteren Fällen eine Zeit von vier bis fünf Jahren angenommen und bei schweren Fällen fünfzehn bis zwanzig Jahre (vgl. Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 41, m.Rspr.N.; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 7 Rdnr. 43, m.Rspr.N.). Die Abgabe unzutreffender dienstlicher Äußerungen wird dabei als leichterer Fall eingeschätzt ( Henssler in Henssler/Prütting, a.a.O.).

b)

In die demgemäß vorzunehmende Abwägung ist vorliegend Folgendes einzubeziehen:

5aa) Im Ausgangspunkt spricht für die Annahme einer Unwürdigkeit, dass der Antragsteller in seinem Zulassungsantrag bewusst unwahre Angaben hinsichtlich des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens gemacht hat.

Seinem Vortrag, er habe des Fragebogen missverstanden, weshalb ihm die Unwahrhaftigkeit der Angabe nicht bewusst war, vermag der Senat nicht ohne weiteres zu folgen. Denn es ist schon nach dem Wortlaut und der druckgraphischen Gliederung der Frage Nr. 4 fernliegend, dass sich € wie vom Antragssteller angeblich angenommen € die erfragten Ermittlungsverfahren auf Verfahren nach den Fragen Nrn. 1 bis 3 beziehen. Das gilt um so mehr, als sich die Frage Nr. 1 gar nicht auf ein gegen den Anwaltsbewerber gerichtetes Verfahren bezieht (€Haben Sie bereits anderweitig oder früher eine Zulassung zur Anwaltschaft beantragt€€). Auch enthält die Frage Nr. 4 keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass nur solche Ermittlungsverfahren abgefragt werden sollten, die €direkt€ gegen eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sprechen. Erst recht aber verbieten sich derart einschränkende Auslegung nach dem eindeutigen Hinweis in den €Erläuterungen€ des Fragebogens, wonach €alle Ermittlungsverfahren€ anzugeben seien. Weil einerseits die €Erläuterungen€ direkt neben den jeweiligen Fragen in dem Fragebogen abgedruckt sind und andererseits auch dem Antragsteller fraglich sein musste, was unter einem €unmittelbar€ gegen die Zulassung sprechenden Ermittlungsverfahren zu verstehen ist, ist auszuschließen, dass er die €Erläuterungen€ nicht zur Kenntnis nahm. Das gilt umso mehr, als davon ausgegangen werden kann, dass der Antragsteller als angehender Jurist mit rechtlichen Fragestellungen und Auslegungsfragen vertraut ist. Auch ist es deshalb sehr unwahrscheinlich, dass der Antragsteller die €Erläuterungen€ nicht weiter zur Kenntnis nahm, weil in ihnen im Fettdruck die Nichtzulassung für den Fall falscher Angaben angedroht wird. Schließlich ist auch nicht anzunehmen, dass dem Antragsteller im Moment der Antragstellung das Ermittlungsverfahren nicht mehr geistig präsent war. Denn wiederholte polizeiliche Vernehmungen und eine Hausdurchsuchung unter Anwendung von Zwang, dürften selbst einem in dieser Hinsicht abgehärteten Beschuldigten auf längere Zeit unvergesslich bleiben. Insgesamt erscheint der Vortrag des Antragstellers zu seinem angeblichen Missverständnis daher als eine bloße Schutzbehauptung.

Die unwahre Angabe des Antragstellers war für das Zulassungsverfahren von hervorgehobener Bedeutung. Denn der Vorwurf einer erheblichen Unterschlagung und eines Betruges, bei dem immerhin drei verschiedene Stellen getäuscht wurden (Versicherung, Leasinggesellschaft und staatliche Organe), führt in aller Regel dazu, dass die Zulassung jedenfalls bis zur Klärung des Vorwurfes nicht erteilt wird. Ein derartiges Verhalten ist zum Schutze von Mandanten sowie der Integrität der Rechtspflege insgesamt nämlich unvereinbar mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts (vgl. Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 58 und 62). Dass dem Antragsteller dieser Zusammenhang bewusst war, lässt der Umstand erkennen, dass er die Frage Nr. 4 mit €Nein€ beantwortet hat. Denn hätte er das Ermittlungsverfahren für unerheblich für das Zulassungsverfahren gehalten, hätte er sich dem erheblichen Risiko der Nichtzulassung gemäß § 7 Nr. 5 BRAO nicht durch dessen Verschweigen ausgesetzt.

bb) Das sonstige Verhalten des Antragstellers lässt ebenfalls darauf schließen, dass er dazu neigt, Probleme durch wahrheitswidriges Leugnen beiseite zu schieben:

So war die Angabe des Antragstellers gegenüber der Polizei am 20. Mai 2005, er habe Herrn S... bisher erst einmal gesehen und habe sich mit ihm nicht unterhalten können, weil dieser kein Deutsch spreche, evident unwahr, wenn der Antragsteller € wie er gegenüber der Kfz-Versicherung am 18. Juni 2005 angab € Herrn S... in Wahrheit bereits seit dem Jahre 2003 kannte, sich im Jahre 2004 mehrfach mit ihm getroffen hatte, um ihre geschäftlichen Interessen auszuloten, und der Kontakt dem Antragsteller beruflich sehr wertvoll erschien. Vor dem Hintergrund, dass Herr S... der mutmaßliche Mittäter des Antragstellers war, kann die unwahre Angabe gegenüber der Polizei auch nicht als nebensächlicher Irrtum des Antragstellers angesehen werden.

Auch hat der Senat zumindest starke Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung des Antragstellers gegenüber der Polizei vom 20. Mai 2005, wonach auf ihn sechs Fahrzeuge aus nichtgewerblichen Gründen zugelassen waren. Insbesondere ist unwahrscheinlich, dass der Antragsteller aus reiner Freundlichkeit Fahrzeuge, die einem Kollegen bzw. einem Freund und Geschäftspartner gehörten, auf seinen Namen zulassen ließ, damit jene €versicherungstechnische€ Vorteile erlangten. Denn mit der Zulassung sind in aller Regeln Haftungsrisiken für den die Zulassung Beantragenden verbunden (etwa nach § 7 StVG); im Übrigen hat nach § 1 Abs. 1 StVG der Verfügungsberechtigte, nicht ein Dritter, den Zulassungsantrag zu stellen. Es ist daher anzunehmen, dass der Antragsteller seinen €guten€ Namen für Zulassungen zur Verfügung stellte und dafür eine Gegenleistungen erhielt. Zudem räumt der Antragsteller hinsichtlich des VW Passat selbst ein, diesen Pkw billig erworben zu haben und ihn ursprünglich weiterverkaufen zu wollen; selbstredend mit Gewinn. Schließlich waren auf dem beschlagnahmten Laptop des Antragstellers diverse, professionell wirkende Verträge zwischen dem Antragsteller und Herrn A... über den Verkauf mit Finanzierungsvereinbarung eines Pkw Mercedes Cabrio von September/Oktober 2005 gespeichert. Insgesamt ergibt sich daher das Bild der Gewerblichkeit.

Zudem diente die hartnäckige Nichtreaktion des Antragstellers auf das Klingeln, Klopfen und Rufen der Polizeibeamten zu Beginn der Hausdurchsuchung am 19. Januar 2006 offenbar dem Zweck, den wahrheitswidrigen Eindruck zu erwecken, es sei niemand zu Hause, verbunden mit der Hoffnung, die Beamten würden sich hierauf wieder entfernen. Der Vortrag des Antragstellers, er habe das Klingeln, Klopfen und Rufen nicht gehört, ist angesichts der von den Polizeibeamten urkundlich festgehaltenen Dauer und Lautstärke des Klingelns etc. und angesichts der überschaubaren akustischen Verhältnisse einer 3-Zimmerwohnung und angesichts des Umstandes, dass auch die Lebensgefährtin des Antragstellers zugegen war und hätte das Klingeln etc. hören können, wiederum als bloße Schutzbehauptung anzusehen. Der Umstand der Anwesenheit der Lebensgefährtin lässt im Übrigen auch erkennen, dass der Antragsteller sogar die Energie besitzt, Dritte in seine Täuschungsmanöver einzubinden.

Ferner hat der Antragsteller durch den Lebenslauf, den er seinem Zulassungsantrag vom 15. Juli 2008 beifügte, den wahrheitswidrigen Anschein erweckt, in den Jahren 2001 bis 2006 nur als Mitarbeiter an einer Universität und in einer Rechtsanwaltskanzlei beruflich tätig gewesen zu sein. Insbesondere verschwieg er seine immerhin etwa zweijährige und € mit großer Wahrscheinlichkeit € erwerbsmäßig bedeutsamere Tätigkeit als Handelsvertreter für das Versicherungsunternehmen Deutscher Herold, obwohl deren Erwähnung selbst in einem kurzen Lebenslauf nahe lag. Mutmaßlich verschwieg der Antragsteller die Verbindung zu dem Versicherungsunternehmen mit gutem Grund: Denn das Versicherungsunternehmen war nicht nur sein ehemaliger Auftraggeber, sondern auch eines der Geschädigten in dem gegen den Antragsteller gerichteten Ermittlungsverfahren. Der Antragsteller musste jedoch befürchten, dass bei einer Erwähnung des Versicherungsunternehmens gegenüber der Antragsgegnerin diese mit dem Versicherungsunternehmen Kontakt aufgenommen hätte, um zu erfahren, ob der Antragsteller weiterhin für das Unternehmen als Handelsvertreter tätig ist, weil dies einer Zulassung zur Anwaltschaft möglicherweise gemäß § 7 Nr. 8 BRAO entgegen gestanden hätte (vgl. Feuerich in Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 7 Rdnr. 118; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl. 2004, § 7 Rdnr. 105 €Versicherungsmakler€). Dabei hätte wiederum die Gefahr bestanden, dass die Antragsgegnerin über das laufende Ermittlungsverfahren von dem Versicherungsunternehmen informiert würde. Durch das Verschweigen seiner Tätigkeit bei dem Versicherungsunternehmen umging der Antragsteller daher die Gefahr der Zurückweisung seines Zulassungsantrages sowohl nach § 7 Nr. 5 BRAO als auch nach § 7 Nr. 8 BRAO.

cc) Die von dem Antragsteller vorgelegten Referendarzeugnisse sprechen nicht gegen die Annahme der Unwürdigkeit.

Denn die ihm dort bescheinigten juristischen Fähigkeiten haben keinen Aussagewert über seine Charaktereigenschaften, namentlich nicht über seine hier in Frage stehende Aufrichtigkeit. Dasselbe gilt für die in den Zeugnissen wiederholt anzutreffende Bemerkung, wonach das dienstliche Verhalten des Antragstellers einwandfrei gewesen sei. Denn die Zusammenarbeit eines Referendars mit einem Stationsausbilder bzw. Arbeitsgemeinschaftleiter ist zu kurz und zu wenig intensiv, als dass die bloße Nichtwahrnehmung von Beanstandenswertem durch den Zeugnisverfassers eine aussagefähige Beurteilungsgrundlage für die Persönlichkeit des Referendars sein könnte. Der in jungen Jahren abgeleistete Wehrdienst ist schon wegen erheblichen Zeitablaufs (10 Jahre) ungeeignet, irgendwelche Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Antragstellers zuzulassen.

Ob die Einreichung des Zeugnisses, das von dem Onkel und ehemaligen Strafverteidiger des Antragstellers ausgestellt wurde und das mit der Bewertung €sehr gut€ (17 Punkte) endet, weiteren Anlass zu Zweifeln an der charakterlichen Eignung des Antragsstellers gibt, mag dahin stehen. Dafür, dass die von dem Onkel vergebene Note weniger den juristischen Fähigkeiten des Antragstellers als der verwandtschaftlichen Beziehung der beiden geschuldet ist, spricht immerhin der gescheiterte Examensversuch, der mit nur €ausreichend€ (5,76 Punkten) bestandene Wiederholungsversuch sowie die drei sonstigen mit €befriedigend€ (8 bis 9 Punkte) bewerteten Referendarsstationen des Antragstellers.

dd) Die dem Senat bekannten Finanztransaktionen des Antragstellers werfen ebenfalls ein ungünstiges Licht auf diesen.

Denn die erheblichen Barauszahlungen innerhalb kurzer Zeit (23.000 EUR innerhalb von 2 ½ Wochen sowie weitere 5.000 EUR zwei Monate später) lassen darauf schließen, dass der Antragsteller einen Zahlungsverkehr, der üblicherweise unbar durch Überweisung o.ä. erfolgt, undokumentiert lassen wollte. So ist der unbare Zahlungsverkehr deutlich bequemer und bei hohen Beträgen vor allem sicherer als der bare Zahlungsverkehr. Die Vermutung liegt daher nahe, dass der Antragsteller sich oder dem Zahlungsempfänger, unrechtmäßige Steuervorteile o.ä. verschaffen wollte oder fragwürdige, wenn nicht gar illegale Transaktionen vor den Augen Dritter verbergen wollte. Einen Verbrauch der 23.000 EUR zur Deckung des täglichen Lebensbedarfes innerhalb weniger Wochen ist zumindest äußert unwahrscheinlich.

Auch deutet der Umstand, dass der Antragsteller sein Bankkonto zeitweise mit über 16.000 EUR überzogen hat, bei einem Studenten mit einem Einkommen nach Steuer von knapp 3.000 EUR darauf hin, dass er entweder Einnahmen aus Geschäften erwartete, die er bislang verschwiegen hat oder dass er deutlich über seine Verhältnisse lebte.

ee) Die (zeitweise) Nichtzulassung als Rechtsanwalt beeinträchtigt den Antragsteller in seinen Lebensverhältnissen vergleichsweise weniger schwer.

Denn der Antragsteller steht am Anfang seines Berufslebens und war bislang nicht als Rechtsanwalt tätig. Es dürfte ihm deshalb leichter fallen, sich einem anderen juristischen oder einem außerjuristischen Berufsfeld zuzuwenden, als etwa einem seit längerem bereits als Rechtsanwalt Tätigen, dessen Zulassung wegen Unwürdigkeit gemäß §§ 7 Nr. 5, 14 Abs. 1 BRAO zurückgenommen wird. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bereits über einen längeren Zeitraum erfolgreich als Handelsvertreter beruflich tätig war. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller auch in Zukunft ohne Rechtsanwaltszulassung wird erfolgreich beruflich tätig sein können € etwa wieder als Handelsvertreter € und sich dadurch ein auskömmliche wirtschaftliche Lebensgrundlage schafft.

Im Übrigen kann das vergleichsweise junge Alter des Antragstellers gemäß §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AGG weder für noch gegen die Versagung der Zulassung ins Feld geführt werden.

ff) Ob der Zeitraum von gut einem Jahr, der seit den unwahren Angaben des Antragsstellers im Zulassungsantrag vom 15. Juli 2008 verstrichen ist, erheblich gegen die Annahme der Unwürdigkeit spricht, ist zweifelhaft. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Begehung von Straftaten durch den Antragsteller letztlich nicht festgestellt werden konnte. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Stellung seines Zulassungsantrages immerhin erheblichen strafrechtlichen Vorwürfen (Unterschlagung, Versicherungsbetrug und Vortäuschung eines Raubes) seitens der Strafverfolgungsbehörde ausgesetzt war, die er gegenüber der Antragsgegnerin verschwiegen hat. Es ist daher in tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft, ob der Ablauf eines Zeitraumes von gut einem Jahr die Annahme rechtfertigt, der Antragsteller sei von seiner bisherigen Verhaltesweise mittlerweile innerlich abgerückt. Dies gilt umso mehr als der Antragsteller auch seitdem versucht hat, sich durch unwahre Angaben € zu seinem angeblichen Missverständnis des Fragebogens € Vorteile zu verschaffen.

c)

Die Entscheidung des Senats hing somit im Wesentlichen von der weiteren Aufklärung der oben als maßgeblich geschilderten, tatsächlichen Umstände € vor allem durch Befragung des Antragstellers € ab. Die Erfolgsaussichten des Antrages auf gerichtliche Entscheidung waren daher zum Zeitpunkt der Erledigung nach beiden Seiten offen. Nachdem eine weitere Tatsachenaufklärung mit Eintritt der Erledigung in der Hauptssache nicht mehr vorzunehmen ist, hält der Senat daher die Kostenverteilung wie aus dem Beschlusstenor ersichtlich für angemessen.

3.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 202 Abs. 2 BRAO i.V.m. § 30 KostO.






AGH Berlin:
Beschluss v. 14.01.2010
Az: I AGH 06/09, I AGH 6/09


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