Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. März 2001
Aktenzeichen: 11 W (pat) 47/00

(BPatG: Beschluss v. 08.03.2001, Az.: 11 W (pat) 47/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse E 06 B vom 18. Februar 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens und zur erneuten Entscheidung an das Patentamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse E 06 B des Patentamts hat die am 23. Mai 1997 eingegangene Patentanmeldung, betreffend einen

"Profilholm", mit Beschluß vom 18. Februar 2000 zurückgewiesen.

Gegenüber der DE 296 01 388 U1 sei der Gegenstand des Patentanspruches 1 nicht neu.

Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.

Sie trägt in ihrem Schriftsatz vom 15. Mai 2000 zur Begründung im wesentlichen vor, daß die Entgegenhaltungen keine Materialansammlung des Haltestegs zur Bildung des druckstarren Querbereichs in der oberen Hälfte der Tiefe der Glasleistennut gemäß dem neuen, durch Aufnahme der Ansprüche 11 und 12 gebildeten Anspruch 1 zeigen.

Sie beantragt sinngemäß, den Beschluß des Patentamts vom 18. Februar 2000 aufzuheben und das Patent mit den am 15. Mai 2000 eingegangenen Ansprüchen 1 bis 10 zu erteilen.

Wie schriftlich angekündigt, ist die Anmelderin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten hierzu und des weiteren Vorbringens wird auf die einschlägigen Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Profilholm (1) für den Rahmen eines Fensters/einer Tür mit eingesetzter Glasscheibe/Füllung, wobei am Profilholm (1) rauminnenseitig (4) eine sich zum Nutgrund (12) erweiternde Glasleistennut (9) zum Einclipsen einer scheibenseitig mit Scheibendichtung (8) vorbestückten Glashalteleiste (7) vorgesehen ist, die einen in die Glasleistennut (9) hineinragenden und quer zur Glasleistennut (9) um seine Längsmittellinie (18) federelastischen Haltesteg (13) aufweist, der mit seinem Stegfuß (17) den Eintrittsquerschnitt (21) der Glasleistennut (9) zu deren Außenwand (10) gerichtet hintergreift, dadurch gekennzeichnet, daß

1.0 bei eingebauter Glashalteleiste (7) der Haltesteg (13) in seinem Längsbereich innerhalb der sich erweiternden Glasleistennut (9) einen druckstarren Querbereich (19) aufweist, der 1.1 sich so weit quer zwischen den sich gegenüber liegenden Wandungen (10, 11) der Glasleistennut (9) erstreckt, daß

1.2 das Ausmaß der Quererstreckung (20) dieses druckstarren Querbereichs (19) größer ist, als der Eintrittsquerschnitt (21) der Glasleistennut, und daß

1.3 der druckstarre Querbereich (19) biegesteif (22) mit dem Kopf (16) des Haltestegs (13) verbunden ist, und daß

1.4 der druckstarre Querbereich (19) von einer Materialansammlung des Haltestegs gebildet wird, die sich innerhalb der oberen Hälfte der Tiefe (31) der Glasleistennut (9) quer zur Glasleistennut (9) von der Außenwand (10) zur Innenwand (11) erstreckt."

Auf diesen Anspruch sind die Ansprüche 2 bis 10 rückbezogen.

Es liegt die Aufgabe zugrunde, die bekannte Paarung aus Profilholm mit einclipsbarer Glashalteleiste so zu verbessern, daß ohne Beeinträchtigung der Optik eine untergreifsichere Verbindung zwischen Glashalteleiste und Profilholm entsteht.

Als Fachmann ist hier ein Fachhochschulingenieur für Maschinenbau anzusehen, der einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen im Bau von Fenstern und Türen insbesonders aus Kunststoff hat.

1. Der geltende Anspruch 1 ist zulässig.

Sein Gegenstand ist der - den ursprünglichen Unterlagen entsprechenden - DE 197 21 578 A1, Ansprüche 11 und 12 sowie Sp 7 Z 24 bis 27 und Z 32 bis 34, zu entnehmen. Die geltenden Ansprüche 2 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 10.

Die Unterlagen, insbesonders die Ansprüche, bedürfen einer Überarbeitung im Rahmen des ursprünglich Offenbarten. Im Anspruch 1 ist "Längsmittellinie (18)" zu präzisieren. Der Haltesteg (13) ist um eine Parallele zur Fensterkante - und nicht um (18) gemäß Sp 4 Z 42, 43 - elastisch schwenkbar. Diese Angaben sind hinsichtlich den Figuren 1 bis 4 und 7 zu berichtigen. Der "druckstarre Querbereich" (19) gemäß Anspruch 1 ist in den Figuren 1 bis 4 und 7 als Gerade zwischen seinen beiden gegenüber liegenden Anlagepunkten an den Nutwänden einzuzeichnen. Diese Anlagepunkte sind in den Figuren 2 bis 4 und 7 an der Außenwand (10) nicht für den druckstarren Bereich, sondern für die "Vorsprünge (24)" eingezeichnet. Dies widerspricht der Definition des druckstarren Bereichs, der zwischen seinen Anlagepunkten an den Nutwänden liegen soll, ebenso wie dem Anspruch 4, nach welchem die Vorsprünge (24) als Teil des druckstarren Bereichs elastisch sein sollen. Die Ortsangabe im Anspruch 1 "obere Hälfte" ist nicht definiert, da sie sich auf die beliebige Tiefe der Nut (9) - s Fig 1 bis 5 und 7 - und nicht auf die eindeutige Höhe des Haltestegs bezieht. Diese Mängel sind zu beseitigen.

2. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik neu.

Wie im angegriffenen Beschluß, Seite 2 unten bis Seite 3, 4. Absatz, zutreffend dargelegt, erstreckt sich der in Figur 2 des DE 296 01 388 U1 dargestellte Querbereich der Glashalteleiste diagonal von der einen zur gegenüber liegenden Nutwand und ist in seinem Querbereich als druckstarr anzusehen, da nur bei einer derartigen Ausbildung die Glashalteleiste rastend in die Nut eingreifen kann, (vgl S 6 Abs 1). Neu gegenüber dem Inhalt dieser Druckschrift ist aber beim Gegenstand des geltenden Anspruchs 1, daß eine Materialansammlung zur Bildung des druckstarren Bereichs des Haltestegs nahe der Nutöffnung vorgesehen ist.

Neuheit ist auch gegenüber dem übrigen sich im Verfahren befindlichen Stand der Technik gegeben, da er nicht alle Merkmale des Anspruches 1 zeigt.

Aus diesen Gründen trifft die Begründung mangelnder Neuheit im Zurückweisungsbeschluß nicht mehr zu, so daß dieser aufzuheben war.

3. Der Patentgegenstand ist unstreitig gewerblich anwendbar und beruht gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit.

Die DE 296 01 388 U1 läßt schon die zugrunde liegende Problematik nicht erkennen; denn in erster Linie geht es dort um die Verbesserung der Schall- und Wärmedämmung von Kunststofffenstern. Auch die dort enthaltene Lösung gibt keine Hinweise, eine Anordnung nach der Lehre des geltenden Anspruches 1 vorzusehen, denn diese Lösung zielt auf optimale Maße der Profilquerschnitte der Blend- und Flügelrahmen, der Verglasung und der Glashalteleiste, nicht aber auf den Haltesteg. Der Fachmann hatte demnach keinen Anlaß, die erfindungsgemäßen Maßnahmen zu treffen.

4. Dem Senat sind noch die DE 38 01 172 C2 (Anspruch 1 Sp 1 Z 20 bis 24 und 36, Sp 2 Z 68 bis Sp 3 Z 6 sowie Fig 1 und 2) und die DE 8 711 539 U1 (Anspruch 1 und 5 S 1 Z 20 bis S 2 Z 5, S 2, Z 9 bis 18, S 4 Z 23 bis 30 sowie Fig 1 und 2) bekanntgeworden, s. Anlage. Sie zeigen Glashalteleisten mit Haltestegen, die zwar die erfindungsgemäße Aufgabe lösen, aber dazu andere Mittel anwenden. Ihre Würdigung ist für das Patentbegehren wesentlich, da die Frage zu klären ist, ob durch sie der Fachmann eine Veranlassung hatte, einen Haltesteg für Glashalteleisten mit den Merkmalen des geltenden Anspruches 1 vorzusehen.

5. Nach alledem ist derzeit eine Gewährbarkeit eines überarbeiteten Anspruchs 1 und der darauf rückbezogenen, nicht selbstverständlichen Ansprüche 2-10 nicht ausgeschlossen.

Aus diesem Grund war der angegriffene Beschluß aufzuheben.

In der Sache selbst konnte nicht abschließend entschieden werden, weil durch den neuen Anspruch 1 eine wesentliche Änderung des Patentbegehrens eingetreten ist und auch sonst neue Tatsachen eingeführt wurden, die für die Entscheidung wesentlich sind und als solche einer erneuten Sachprüfung bedürfen; vgl Schulte PatG, 5. Auflage, § 79, Abs 3 Nr 3 iVm Rdn 13. Daher ist im einschlägigen Stand der Technik eine weitere Recherche insbesondere bezüglich der Verstärkung des Haltestegs für eine untergreifsichere Verbindung der Glashalteleiste mit dem Profilholm und die Würdigung des der Prüfungsstelle noch nicht vorgelegenen Standes der Technik für sich und in der Zusammenschau mit den bereits bekannten Druckschriften notwendig. Dies erfolgt zweckdienlich in der zuständigen Prüfungsstelle des Patentamts, ebenso wie die vor einer etwaigen Patenterteilung notwendige Überarbeitung der Unterlagen.

Somit war die Anmeldung gemäß § 79 III Nr 3 PatG zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückzuverweisen.

Niedlich Dr. Henkel Sekretaruk Harrer Mü/prö






BPatG:
Beschluss v. 08.03.2001
Az: 11 W (pat) 47/00


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