Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 8. Dezember 2004
Aktenzeichen: 6 L 2130/04
(VG Köln: Beschluss v. 08.12.2004, Az.: 6 L 2130/04)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, der diese Kosten selbst trägt. 2. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Betreiberin des Internet-Auftritts "www. .de". Der Bei- geladene bietet unter der Firma "C. " Sportwetten an, die offenbar vorrangig über das Internet ("www. .de") bereitgestellt und abgewickelt werden. Auf- grund einer zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen bestehenden Ver- einbarung findet sich auf der Internet-Seite "www. .de" ein Hinweis auf die Internet-Seite "www. .de", durch dessen "Anklicken" man unmittelbar auf die letztgenannte Seite gelangt, auf der man entsprechende Sportwetten online ab- schließen kann. Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 15.3.2004 mit, sie habe festgestellt, dass im Rahmen des Internet-Auftritts "www. .de" für die Seite "www. .de" geworben werde. Dies sehe sie als Werbung für ein unerlaubtes Glücksspiel an, die sie zu untersagen beabsichtige. Der Antragstellerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, die diese mit Schreiben vom 1.4.2004 wahrnahm. Mit Ordnungsverfügung vom 6.7.2004 gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf, die Werbung für Sportwetten im Rahmen des genannten Internet-Auftritts inner- halb von zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung einzustellen. Zugleich ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Verfügung an und drohte für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR an. Zur Begrün- dung der Ordnungsverfügung wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass es sich bei der Sportwette "C. " um ein Glücksspiel handele, das wegen des Fehlens einer Erlaubnis nach dem nordrheinwestfälischen Sportwettengesetz unerlaubt sei. Die für den Beigeladenen erteilte Genehmigung des Kreises M. vom 11.4.1990 gelte nicht in Nordrhein-Westfalen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei vor dem Hintergrund der Strafbarkeit der untersagten Werbung, zum Schutz der sich rechtstreu verhaltenden Wettunternehmer sowie zur Vermeidung von Nachahmeffek- ten geboten. Mit Schreiben vom 22.7.2004 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Ord- nungsverfügung. Am 26.7.2004 hat sie bei dem beschließenden Gericht um vorläufi- gen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus: Bei dem Hinweis auf das Wettangebot "C. " handele es sich nicht um einen Medien-, sondern um einen Teledienst, so dass der Mediendienste-Staatsvertrag unanwendbar und die Antragsgegnerin unzuständig sei. Des weiteren werde mit "C. " kein unerlaubtes Glücksspiel angeboten, da eine entsprechende Erlaubnis des Landkreises M. vom April 1990 vorliege, die aufgrund des Einigungsvertrages auch in den "alten Bundesländern" gelte. Die Un- tersagung verstoße ferner gegen die vom Europäischen Gerichtshof in seiner Ent- scheidung vom 6.11.2003 ("H. ") aufgestellten Grundsätze, denen zufolge Be- schränkungen der privaten Veranstaltung von Glücksspielen nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig seien, an denen es vorliegend fehle. Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der An- tragsgegnerin vom 6.7.2004, Aktenzeichen 00.00.00.000/00, hinsichtlich Ziffer 1. des Bescheides wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 3. des Beschei- des anzuordnen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie trägt zur Begründung vor: Es handele sich bei dem Internet-Angebot der Antrag- stellerin um einen Mediendienst, da die redaktionelle Gestaltung im Vordergrund ste- he und die Seite sich an die Allgemeinheit richte. Das im nordrheinwestfälischen Landesrecht verankerte Sportwettenmonopol sei durch sachliche Gründe gerechtfer- tigt und genüge den Anforderungen der "H. "-Rechtsprechung. Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Antragstellerin an und führt er- gänzend aus: Bestreben der staatlichen nordrheinwestfälischen Gesellschaft "X. " bzw. des länderübergreifenden "P. "-Verbundes sei nicht die Eindäm- mung des Spieltriebs, sondern das Generieren möglichst hoher Gewinne durch ex- zessive Werbung und Ausweitung des Spielangebots. Diese Motivation sei unverein- bar mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages und den Grundrechten sowohl der Antragstellerin, als auch des Beigeladenen. Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. II. Der Antrag hat keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Ziffer 2. der in Rede stehenden Verfügung begegnet im Hinblick auf ihre formelle Rechtmäßigkeit keinen Bedenken. Sie erfüllt insbesondere die Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die Antragsgegnerin hat im Einzelnen dargelegt, warum sich gerade aus der Strafbarkeit der untersagten Werbung, dem Interesse der Wettbewerber sowie der Gefahr von Nachahmungseffekten ein Bedürfnis nach sofortiger Umsetzung der Anordnung ergebe. Ob diese Gesichtspunkte inhaltlich überzeugen, ist hier nicht relevant, da es bei dem Formerfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO maßgeblich darum geht, dem Adressaten der Anordnung darzulegen, welche Gründe die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen ha- ben. Die Voraussetzungen einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Kammer liegen nicht vor. Das Gericht stellt gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung wieder her, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist der Fall, wenn entweder der zu vollziehende Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, so dass ein öffentliches Interesse an seiner Vollziehung nicht gegeben sein kann, oder wenn aus sonstigen Gründen das Aussetzungsinteresse des Adressaten das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Gemessen an diesem Maßstab ist der Antrag abzulehnen, weil bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung die Ordnungsverfügung nicht offensichtlich rechtswidrig ist (dazu 1.) und auch sonst keine Gründe ersichtlich sind, die das Aussetzungsinteresse als höherrangig erscheinen lassen als das Vollzugsinteresse (dazu 2.). 1. Die Ordnungsverfügung vom 6.7.2004 ist nicht offensichtlich rechtswidrig, es spricht vielmehr einiges für ihre Rechtmäßigkeit. Rechtsgrundlage der Verfügung ist § 22 Abs. 2 des Mediendienste-Staatsvertrages vom 20.1/12.2.1997, bekannt gemacht mit Zustimmungsgesetz vom 27.6.1997 (GVBl. NRW S. 158), zuletzt geändert durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vom 10./27.9.2002, bekannt gemacht mit Zustimmungsgesetz vom 28.2.2003 (GVBl. NRW S. 84), - MDStV -. Stellt die Aufsichtsbehörde einen Verstoß gegen Bestimmungen des Mediendienste-Staatsvertrages - mit Ausnahme einiger vorliegend nicht relevanter Vorschriften - fest, so trifft sie nach § 22 Abs. 2 MDStV die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Dienstanbieter. Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen. a) Der Mediendienste-Staatsvertrag ist - entgegen der Auffassung der Antragstellerin - anwendbar. Die Antragstellerin dürfte bei der im Verfahren des vorläufigen Rechts- schutzes nur möglichen summarischen Betrachtung einen an die Allgemeinheit gerichteten "Mediendienst" betreiben. Mediendienste sind gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 MDStV Informations- und Kommunikationsdienste in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet werden. Dazu gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV insbesondere Abrufdienste, bei denen Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur Nutzung übermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der individuelle Leistungsaustausch oder die reine Übermittlung von Daten im Vordergrund steht. Dabei ist im Bereich der Abrufdienste dann von einem Mediendienst - in Abgrenzung zum Teledienst - auszugehen, wenn der Dienst der allgemeinen Meinungsbildung dienen soll, also die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung im Vordergrund steht. Dies geht insbesondere aus § 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 3 des Teledienstegesetzes vom 22.7.1997 (BGBl. I S. 1870), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.12.2001 (BGBl. I S. 3721) - TDG - hervor, das von den Bestimmungen des Mediendienste-Staatsvertrages nach dessen § 2 Abs. S. 3 unberührt bleiben soll. Unter redaktioneller Gestaltung ist das Sammeln und Aufbereiten von verschiedenen Informationen oder Meinungen mit Blick auf den potentiellen Empfänger zu verstehen. Die inhaltliche, sprachliche, graphische oder akustische Bearbeitung eines Angebotes muss der Einwirkung auf die öffentliche Meinungsbildung zu dienen bestimmt sein, und diese Bestimmung zur Meinungsbildung darf nicht bloßes Bei- werk sein, sondern muss die Seite prägen. Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2003 - 8 B 2567/02 - , NJW 2003, 2183 ff.; und den Beschluss der Kammer vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02 -, S. 15 f., jeweils mit weiteren Nachweisen. Demgegenüber handelt es sich um einen Teledienst insbesondere dann, wenn die elektronisch erbrachten Leistungen auf ein konkretes Individualverhältnis zwischen Nutzer und Anbieter bezogen sind - so z.B. beim Telebanking - oder wenn es sich um ein reines Informationsangebot ohne redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung handelt - so z.B. bei online abrufbaren Fahrplänen, Wetterberichten oder Devisenkursen -. Siehe zu diesen Beispielen auch die Gesetzesbegründung des MDStV einerseits (LT-Drucksache 12/1954 f., S. 31 f.) und des TDG andererseits (BT-Drucksache 13/7385, S. 18 f.). Bei der Entscheidung, ob ein Internet-Angebot dem Teledienstegesetz oder dem Me- diendienste-Staatsvertrag zuzuordnen ist, wird regelmäßig nicht zwischen einzelnen Bestandteilen des unter einer Internet-Adresse abrufbaren Angebots zu differen- zieren sein. Es ist vielmehr eine die vorstehenden Aspekte berücksichtigende Gesamtschau des inhaltlichen Angebotes vorzunehmen. Vgl. auch OVG NRW a.a.O.; Tettenborn, in: Beck'scher IuKDG- Kommentar, 2001, § 2 TDG Rn. 43. Gemessen an diesen Vorgaben spricht bei summarischer Betrachtung vieles dafür, dass die Seite "http://www. .de" einen Mediendienst darstellt. Zwar finden sich auf der Seite teilweise auch reine Informationsangebote ohne Meinungsre- levanz, etwa wenn dort der Spielplan für die laufende Bundesliga-Saison, die Kartenpreise oder die Zusammensetzung des Kaders abgerufen werden können. Auch werden einzelne Service-Leistungen angeboten, die für sich genommen als Teledienst erscheinen, wie etwa der Online-"Fanshop" oder der Online- Kartenvorverkauf für die Spiele des Vereins. Es finden sich aber auch und nach Meinung der Kammer schwerpunktmäßig Inhalte, die redaktionell gestaltet und der Meinungsbildung zu dienen bestimmt sind. So enthält bereits die "Startseite" eine Reihe von Texten, welche offensichtlich der Selbstdarstellung des Vereins dienen und auf einen Imagegewinn, also letztlich eine positive Beeinflussung der öffent- lichen Meinung abzielen. Dies gilt auch für viele andere Texte, sie sich über die Startseite aufrufen lassen. So stellen etwa die Texte über "Große Spieler", "Große Spiele" oder "Das Double `78" u.s.w. keine reinen Informationsangebote dar, sondern meinungsprägende, redaktionell gestaltete Bestandteile eines in seiner Ge- samtheit auf die Imagepflege ausgerichteten Angebotes. b) Bei summarischer Prüfung dürfte ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 MDStV vorliegen. Nach dieser Vorschrift sind die allgemeinen Gesetze einzuhalten. Dazu gehören auch und gerade die Vorschriften des Strafgesetzbuches - StGB -. Vorliegend ist ein Verstoß gegen § 284 Abs. 4 StGB gegeben, der die Werbung für ein ohne behördliche Erlaubnis veranstaltetes öffentliches Glücksspiel unter Strafe stellt. "Glücksspiel" im Sinne von § 284 StGB ist ein nach vorbestimmten Regeln verlaufendes Spielen um Gewinn oder Verlust, bei dem die Entscheidung über Gewinn oder Verlust nicht wesentlich von Fähigkeiten, Kenntnissen oder vom Grad der Aufmerksamkeit des einzelnen Spielers bestimmt ist, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall, wobei nicht auf einen besonders versierten, sondern auf einen Durchschnittsspieler abzustellen ist. So BGH, Urteil vom 28.11.2002 - 4 StR 260/02 -, DVBl. 2003, 669 ff.; Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 52. Aufl. 2004, § 284 Rn. 3 m.w.N.. Bei einer Sportwette hängt die Richtigkeit der Vorhersage von einer Vielzahl nicht sicher abzuschätzender Einflussfaktoren und damit vom Zufall ab. Auch wenn Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Sports die Chance, einzelne Ergebnisse richtig vorherzusagen, verbessern können, schließt dies die Zufälligkeit des Ergebnisses nicht aus. Das Sportgeschehen, soweit es wettkampforientiert ist, gewinnt gerade daraus seinen Reiz. Dem entsprechend sieht die neuere Rechtsprechung nahezu einhellig die Sportwette als ein Glücksspiel an. Vgl. nur BGH, Urteil vom 28.11.2002 - 4 StR 260/02 -, DVBl. 2003, 669 ff.; BGH, Urteil vom 14.3.2002 - 1 ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175; BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 - 6 C 2/01 -, BVerwGE 114, 92 ff.; OVG NRW, Urteil vom 14.5.2004 - 4 B 2096/03 -, NVwZ-RR 2004, 653 ff. Dem schließt die Kammer sich an. Die somit als Glücksspiel anzusehende Sportwette wird durch den Beigeladenen auch i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB ohne Erlaubnis öffentlich veranstaltet. Denn er veranstaltet das Glücksspiel nicht nur in Sachsen - insoweit könnte eine wirksame Genehmigung vorliegen -, sondern auch ohne die erforderliche Erlaubnis in Nordrhein-Westfalen. Nach § 9 StGB, der nicht nur bei Straftaten mit Auslandsbezug, sondern auch bei Kollisionen innerhalb des Staates Anwendung findet - vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., vor § 3 Rn. 24 f. -, ist Begehungsort einer Tat jeder Ort, an welchem der Täter gehandelt hat oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach den Vorstellun- gen des Täters eintreten sollte. Erfolgsort ist dabei der Ort, an welchem ein zum gesetzlichen Tatbestand gehörender Handlungserfolg eintritt bzw. an welchem sich die Gefahr verwirklicht, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist. Vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 9 Rn. 4. Taterfolg des § 284 Abs. 1 StGB ist die Eröffnung der Möglichkeit, sich an dem Glücksspiel zu beteiligen. Für das "Veranstalten" eines Glücksspiels genügt demnach bereits das Vertragsangebot, also etwa das Zugänglichmachen eines Spielplans oder Wettscheins. Der Erfolg tritt folglich jedenfalls auch an demjenigen Ort ein, an welchem der Adressat das Angebot nach der Vorstellung des Veranstalters zur Kenntnis nimmt. Übermittelt der Veranstalter sein Angebot per Internet, so verwirklicht sich der Erfolg an denjenigen Orten, an denen die Nutzer des Internet auf das Angebot zugreifen. Dies ist technisch praktisch überall im In- und Ausland möglich. Selbst wenn man im Hinblick auf die dadurch erzeugte Ausdehnung des "Erfolgsortes" bei Delikten im Zusammenhang mit dem Internet bzw. - allgemeiner - bei "Distanzdelikten" eine einschränkende Auslegung des § 9 befürwortete, vgl. zu den zahlreichen Ansätzen in dieser Richtung nur Tröndle/ Fischer, a.a.O., § 9 Rn. 5 ff., müsste man vorliegend einen Erfolgsort in Nordrhein-Westfalen annehmen. Denn der Beigeladene lässt für sein Glücksspiel - wie aus dem vorliegenden und den Parallelverfahren ersichtlich - unter anderem auf verschiedenen Internet-Seiten werben, deren Nutzer gerade in Nordrhein-Westfalen (so in dem vorliegenden Verfahren) oder bundesweit und damit auch in Nordrhein-Westfalen ansässig sein dürften. Der Beigeladene richtet sich also gezielt an Internet-Nutzer im gesamten Bundesgebiet und (auch) in Nordrhein-Westfalen. Vgl. zu den vorstehenden Überlegungen auch OVG NRW, Beschluss vom 5.12.2003 - 4 B 1987/03 - und Beschluss vom 14.5.2004 - 4 B 2096/03 -, NVwZ-RR 2004, 653 f.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27.9.2004 - 15 L 1806/04 -, S. 7 f.; VG Münster, Beschluss vom 5.11.2004 - 1 L 1118/04 -, S. 5 ff.. Eine "behördliche Erlaubnis" für das von ihm in Nordrhein-Westfalen veranstaltete Glücksspiel ist dem Beigeladenen nicht erteilt worden. Eine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 des Sportwettengesetzes vom 3.5.1955 (GVBl. NRW S. 672), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.5.2004 (GVBl. NRW S. 248) - SportwettenG - , liegt nicht vor. Auch die dem Beigeladenen aufgrund des Gewerbegesetzes der DDR vom 6.3.1990 (GBl. I S. 138) erteilte Gewerbegenehmigung vom 11.4.1990 vermag an der (objektiven) Strafbarkeit der Veranstaltung des Glücksspiels in Nordrhein-Westfalen nach summarischer Prüfung nichts zu ändern. Dabei kann dahin stehen, ob die Gewerbegenehmigung, die sich auf ein "Wettbüro für Sportwetten" bezieht, die durch den Beigeladenen heute betriebenen Tätigkeiten überhaupt abdeckt. Die Organisation und der Umfang der Tätigkeiten des Beigeladenen, soweit sie der Kammer bekannt sind, könnten daran Zweifel aufkommen lassen, die noch verstärkt werden, wenn man die Einbindung des Beigeladenen in die österreichische C. .com J. Entertainment AG berücksichtigt, wie sie aus der Internet-Seite "http://www. " hervorgeht. Letztlich fehlen der Kammer diesbezüglich aber nähere Erkenntnisse über die Beschaffenheit und Organisation dieses Konzerns. Die Gewerbegenehmigung vom 11.4.1990 stellt jedenfalls keine Erlaubnis für das Veranstalten von Sportwetten in Nordrhein-Westfalen dar. Daran ändert der von der Antragstellerin herangezogene Art. 19 des Einigungsvertrages (vgl. das Gesetz zum Einigungsvertrag vom 23.9.1990, BGBl. II S. 885, zuletzt geändert durch Gesetz vom 31.5.1994, BGBl. I S. 1168) nichts, dem zufolge vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der DDR wirksam bleiben. Diese Vorschrift ist nämlich nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass eine Genehmigung zum Veranstalten von Sportwetten nicht für das gesamte Bundesgebiet gilt, sondern allenfalls für das Gebiet der neuen Bundesländer. Insoweit schließt die Kammer sich der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen an. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14.5.2004 - 4 B 2096/03 -, NVwZ- RR 2004, 653 ff.; ebenso Dietlein, BayVBl. 2002, 161, 166 f.; Hübsch, GewArch 2004,313, 315; anderer Ansicht Horn, NJW 2004, 2047, 2049 ff. und wohl auch das ThürOVG, Beschluss vom 21.10.1999 - 3 EO 939/07 -, GewArch 2000, 118, 119. Art 19 Einigungsvertrag soll bewirken, dass Verwaltungsakte von Behörden der DDR ebenso behandelt werden, wie Verwaltungsakte, die vor der Wiedervereinigung im alten Bundesgebiet erlassen worden sind. Dem gegenüber kann es nicht Absicht der Vertragsparteien bzw. des Gesetzgebers gewesen sein, den räumlichen Geltungsbereich des Verwaltungsaktes einer DDR-Behörde nachträglich zu erweitern. Dem steht auch nicht das von der Antragstellerin als Hintergrund des Art 19 Einigungsvertrag verstandene Bedürfnis nach Rechtseinheit entgegen. Denn es wäre nicht im Sinne der Rechtseinheit, wenn durch Art. 19 Einigungsvertrag ein Verwaltungsakt entstünde, den ein "altes Bundesland" weder vor noch nach der Wiedervereinigung hätte erlassen können, nämlich eine bundesweit geltende Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten. Zur weiteren Begründung wird auf die zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW Bezug genommen. c) Die von der Antragstellerin und dem Beigeladenen aufgeworfene Frage, ob das in § 1 Abs. 1 S. 2 SportwettenG NRW statuierte Monopol der öffentlichen Hand im Be- reich der Sportwetten gemeinschaftsrechtskonform ist, hält die Kammer bei summarischer Prüfung für nicht entscheidungserheblich. Dabei kann man schon zweifeln, ob eine Unvereinbarkeit des § 1 Abs. 1 S. 2 SportwettenG NRW mit Gemeinschaftsrecht der weiteren Anwendung des § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 2 SportwettenG NRW entgegenstünde oder ob nicht das in der zuletzt genannten Vorschrift festgelegte Erfordernis einer Erlaubnis auch ohne die möglicherweise gemeinschaftsrechtswidrigen Vorschriften über das Monopol bestehen bliebe. In diesem, letzteren Sinne VG Münster, Beschluss vom 5.11.2004 - 1 L 1118/04 -, S. 7 ff.. Jedenfalls den für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidenden § 284 StGB hält die Kammer bei summarischer Prüfung für gemeinschaftsrechtlich zulässig. Zwar mag die Pönalisierung des ohne behördliche Erlaubnis veranstalteten Glücksspiels eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 ff. EGV und der Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 ff. EGV darstellen. Eine solche Beschränkung ist aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zulässig, wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist. Vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 6.11.2003 - C 243/01 -, DVBl. 2004, 300 ff. ("H. "); weitere Nachweise bei Müller-Graff, in: Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, Kommentar, 2003, Art. 49 Rn. 97 ff.. Derartige Gründe können in dem hier betroffenen Bereich insbesondere vorliegen, wenn die Beschränkung dazu dient, die Gelegenheiten zum Spiel aufgrund möglicher sittlich und finanziell schädlicher Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft zu vermindern, wobei den Staaten ein Einschätzungsspielraum zukommt. Vgl. EuGH a.a.O.; so auch schon EuGH, Urteil vom 21.9.1999 - C 124/97 -, DVBl. 2000, 111 ff. ("Läärä"). Allerdings können sich die staatlichen Behörden zur Rechtfertigung entsprechender Maßnahmen dann nicht auf die Notwendigkeit der Eindämmung von Gelegenheiten zum Glücksspiel berufen, wenn sie auf der anderen Seite die Verbraucher dazu anreizen und ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen. So EuGH, Urteil vom 6.11.2003, a.a.O.. Gemessen an diesen Maßstäben dürfte § 284 StGB nach Auffassung der Kammer mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren sein. Denn Ziel dieser Vorschrift ist es u.a., die übermäßige Anregung der Nachfrage von Glücksspielen zu verhindern, durch staatliche Kontrolle einen ordnungsgemäßen Spielablauf zu gewährleisten und eine Ausnutzung des natürlichen Spieltriebs zu privaten oder gewerblichen Gewinnzwecken zu verhindern. Vgl. die Begründung zur Neuregelung der §§ 284 und 287 StGB im Rahmen des 6. StrafRÄndG, Bundestags-Drucksache 13/8587, S. 67. Diese - nach den oben skizzierten Maßstäben auch vor dem Gemeinschaftsrecht legitimen - Ziele werden hinsichtlich des § 284 StGB auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Länder sich ein Monopol für die Veranstaltung von Sportwetten vorbehalten und bei dessen Wahrnehmung (auch) Anreize zum Glücksspiel setzen (lassen). § 284 StGB selbst enthält nämlich zu der Frage, wer ein öffentliches Glücksspiel veranstalten darf, keinerlei Vorgaben. Die Vorschrift beinhaltet lediglich die Vorgabe, dass der Veranstalter eines Glücksspiels der "behördlichen Erlaubnis" bedarf. Insoweit bevorzugt § 284 StGB weder private noch öffentliche Veranstalter, sondern er ist vielmehr in Bezug auf die Person des Veranstalters und die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Erlaubnis erteilt wird, neutral. Die damit zusammenhängenden Fragen sind durch den jeweiligen Landesgesetzgeber zu beantworten. Gleiches gilt für die Frage, ob die staatlichen oder staatlich gelenkten Sportwetten-Unternehmen Anreize zum Spiel setzen. Dies ist Sache der Landesgesetzgebung und ihrer konkreten Umsetzung, die zwischen den Bundes- ländern durchaus differieren kann. Nach alledem dürfte § 284 StGB als eine durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigte Vorschrift anzusehen sein, und zwar unabhängig davon, ob dies auch für die landesrechtlichen Vorschriften im Zusammenhang mit der Sportwettenerlaubnis gilt. Das ohne behördliche Erlaubnis veranstaltete Glücksspiel bliebe also auch im Falle der teilweisen oder vollständigen Europarechtswidrigkeit des Sportwettengesetzes NRW strafbar. So im Ergebnis auch BGH, Urteil vom 1.4.2004 - I ZR 317/01 -, BGHZ 158, 343 ff.; Meyer, JR 2004, 447, 452; Walz, EuZW 2004, 523, 524, mit weiteren Nachweisen; ebenso wohl auch VG Aachen, Beschluss vom 12.11.2004 - 3 L 344/04 -. Für grenzüberschreitende Sachverhalte, bei denen sich die Frage der Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht in erster Linie stellt, wäre es aufgrund der beschriebenen Neutralität der Vorschrift im übrigen auch denkbar, § 284 StGB gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass auch Erlaubnisse anderer Mitgliedstaaten eine Strafbarkeit des Veranstaltens von Glücksspielen im Bundesgebiet ausschließen. Vgl. Fritzenmeyer/Rinderle, CR 2004, 367, 369 f.; so auch schon LG München I, Beschluss vom 27.10.2003 - 5 Qs 41/03 -, NJW 2004, 171. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 284 StGB mit Art. 12 Grundgesetz - GG - stel- len sich im wesentlichen die gleichen Fragen. Auch wenn man schon in § 284 StGB und nicht erst in den landesrechtlichen Vorschriften eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit sieht, ist diese durch wichtige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 - 6 C 2/01 -, BVerwGE 114, 92 ff.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27.10.2004 - 2 G 701/04 -. d) Die Verfügung ist bei summarischer Prüfung auch ermessensfehlerfrei erfolgt. Insbe- sondere ist die Entscheidung, überhaupt gegen die Antragsgegnerin vorzugehen, nicht zu beanstanden, da der Aufsichtsbehörde nach § 22 Abs. 2 MDStV insoweit wohl kein (Entschließungs-) Ermessen zusteht. Erlangt sie von Verstößen Kenntnis, so ist sie zum Einschreiten verpflichtet. So OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2003 - 8 B2567/02 -, NJW 2003, 2183, 2186. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme sind nicht ersichtlich. Die Anordnung ist geeignet und - mangels eines milderen Mittels - erforderlich, um die den Straftatbestand des § 284 Abs. 4 StGB erfüllende Werbung zu unterbinden. Dass dieses Anliegen in einem unangemessen Verhältnis zu der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin oder den Beigeladenen steht, vermag die Kammer schon deshalb nicht festzustellen, weil die genannten Beteiligten zu der wirtschaftlichen Bedeutung keine Angaben gemacht haben. e) Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 der Verfügung sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich, so dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung insoweit ebenfalls nicht in Betracht kommt. 2. Spricht somit einiges für die Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung, so wäre eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nur dann gerechtfertigt, wenn aufgrund sonstiger Umstände das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwöge, etwa weil die (vorläufige) Fortsetzung der Werbetätigkeit von existenzieller wirtschaftlicher Bedeutung für sie ist. Dergleichen ist von der Antragstellerin jedoch nicht vorgetragen worden. Welche wirtschaftliche Bedeutung die Vereinbarung mit dem Beigeladenen für sie hat, ist der Kammer vielmehr unbekannt. Dasselbe gilt für die Interessen des Beigeladenen, der in seiner Tätigkeit im übrigen nicht unmittelbar eingeschränkt wird. Dem gegenüber kommt dem Schutz der Bevölkerung vor den dargelegten Gefahren, die mit einem nicht erlaubten Glücksspiel verbunden sind, erhebliche Bedeutung zu. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, den Klägern nicht die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen; denn dieser hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 Ge- richtskostengesetz. Die Kammer hat die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens mangels konkreter Angaben der Beteiligten auf das Zweifache des gesetzlichen Auf- fangstreitwertes bestimmt.
VG Köln:
Beschluss v. 08.12.2004
Az: 6 L 2130/04
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