Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 5. November 2004
Aktenzeichen: IXa ZB 202/03

(BGH: Beschluss v. 05.11.2004, Az.: IXa ZB 202/03)

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Zwangsverwalters wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 28. Mai 2003 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Auf Antrag der weiteren Beteiligten zu 1 ordnete das Amtsgericht Wolfhagen am 18. Juni 2001 die Zwangsverwaltung des vorbezeichneten Wohnungseigentums an. Zum Verwalter wurde der als Rechtsanwalt tätige Rechtsbeschwerdeführer ernannt. Er stellte nach Inbesitznahme der Wohnung und weiteren Ermittlungen fest, daß dieselbe vermietet, der Mieter mit über 40.000 DM rückständig und der Eigentümer Hausgelder sowie öffentliche Grundstücksabgaben seit längerem schuldig geblieben war.

Der Zwangsverwalter kündigte das Mietverhältnis am 30. Juli 2001 fristlos und erwirkte Titel zur Räumung der Wohnung und Vollstreckung der Mietschuld. Letztere verlief erfolglos. Die Herausgabe der renovierungsbedürftigen Wohnung an den Zwangsverwalter im Wege der Räumungsvollstreckung erfolgte am 17. Januar 2002.

Nach Zwangsversteigerung der Wohnung hob das Amtsgericht die Zwangsverwaltung am 30. August 2002 auf. Der Aufhebungsbeschluß wurde dem Zwangsverwalter am 7. September 2002 zugestellt.

Für die Abrechnungszeiträume 2001 und 2002 fordert der Zwangsverwalter Vergütung nach Zeitaufwand gemäß vorgelegtem Tätigkeitsnachweis und Ersatz von Umsatzsteuer in Gesamthöhe von 15.144,96 €, daneben die Erstattung von baren Auslagen für Fahrten, Fotokopien, Porto und Telefon. Außerdem verlangt der Zwangsverwalter Auslagenersatz für die anwaltliche Führung gerichtlicher Verfahren mit Einschluß der Zwangsvollstreckung in Höhe von 4.338,88 €.

Das Amtsgericht hat dem Festsetzungsantrag des Zwangsverwalters im wesentlichen entsprochen und hiervon lediglich drei Zeitstunden zu 130 € nebst anteiliger Umsatzsteuer für die angegebene Restabwicklung abgesetzt.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 hat das Landgericht die Vergütung des Zwangsverwalters nebst Auslagen auf 5.128,45 € ermäßigt. Hiergegen wendet sich seine -zugelassene -Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Sachverhalt ist nicht soweit geklärt, daß bereits jetzt hinreichende Sicherheit für eine Zurückweisung der Rechtsbeschwerde gemäß § 577 Abs. 3 ZPO bestünde. Daher führt das Rechtsmittel nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO zur Zurückverweisung.

1. Das Landgericht hat den Vergütungsanspruch des Zwangsverwalters nach § 24 ZwVerwVO unter Heranziehung einer geschätzten Brutto-Sollmiete von monatlich 1.000 DM (= 511,29 €) berechnet. Das hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Durch die wirksame Kündigung des Zwangsverwalters vom 30. Juli 2001 war die Vermietung der zwangsverwalteten Wohnung beendet. Im Anschluß daran hatte der Zwangsverwalter einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß den §§ 571, 546a BGB für die Dauer der Vorenthaltung. Auch dieses Rechtsverhältnis kann als Nachwirkung der Wohnraummiete vergütungsrechtlich noch einer Grundstücksnutzung durch Vermietung nach § 24 ZwVerwVO (§ 18 ZwVwV) gleichgestellt werden, weil sie dem Zwangsverwalter ähnliche Mühewaltung der Geschäftsführung abverlangt wie ein intaktes Mietverhältnis. Allenfalls können sich hier Erschwerungen seiner Tätigkeit ergeben, die nach § 25 ZwVerwVO zu berücksichtigen wären. Dafür spricht auch, daß der Zwangsverwalter die Mietsache während ihrer rechtswidrigen Vorenthaltung durch den gekündigten Mieter nicht anderweitig nutzen kann, mithin ein Vergütungsanspruch infolge einer Neuvermietung in dieser Zeit ausscheidet.

Nach Zwangsräumung einer Wohnung und vor einer Neuvermietung scheiden jedoch die §§ 24, 25 ZwVerwVO als Vergütungstatbestand für die Geschäftsführung des Zwangsverwalters aus. Das Amtsgericht hat für den Zeitraum nach dem 17. Januar 2002 hier den Vergütungsanspruch des Zwangsverwalters somit dem Grunde nach zu Recht auf § 26 ZwVerwVO gestützt.

Die zu Beginn bestehende Nutzungsform des § 24 ZwVerwVO oder § 26 ZwVerwVO kann auch nicht unbeschadet tatsächlicher Übergänge für die gesamte Dauer eines Abrechnungszeitraums vergütungsrechtlich eingefroren werden. Denn damit würde sich die Berechnung der Vergütung entgegen § 152a Satz 2 ZVG von der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie von der Leistung des Zwangsverwalters entfernen. Wenn schon Veränderungen der Miethöhe im Laufe eines Abrechnungszeitraums gemäß § 24 ZwVerwVO berücksichtigt werden müssen, kann erst recht eine nach Zwangsräumung der Wohnung wegfallende Miete oder wegfallende Nutzungsentschädigung nicht -wie vom Beschwerdegericht angenommen -vergütungsrechtlich dennoch als weiter eingezogen gelten. Dies widerspräche dem am Nutzen der Gläubiger ausgerichteten Leistungsprinzip, ließe aber auch die nach der Räumung veränderte Aufgabe des Zwangsverwalters außer Acht.

b) Der Bundesgerichtshof hat -nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses -bereits entschieden, daß nicht realisierte Mietforderungen im Einklang mit dem Wortlaut der Bestimmung nach § 24 Abs. 1 ZwVerwVO nicht vergütungswirksam sind, sondern außer dem Mindestbetrag gemäß § 24 Abs. 3 ZwVerwVO nur eine Mißverhältnisvergütung gemäß § 25 ZwVerwVO entstehen lassen können (BGH, Beschl. v. 25. Juni 2004 -IXa ZB 44/03, ZinsO 2004, 911, 912 = ZIP 2004, 2022, 2023). Eine Mißverhältnisvergütung kann 912 = ZIP 2004, 2022, 2023). Eine Mißverhältnisvergütung kann hier aber, anders als in der vorstehend angeführten Senatsentscheidung, auch nicht in Anlehnung an § 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZwVwV zugebilligt werden, weil der Zwangsverwalter eine außergerichtliche Inkassotätigkeit nicht entfaltet hat. Er hat eine solche Tätigkeit vielmehr mit gutem Grund als aussichtslos angesehen und ist sogleich gerichtlich gegen den säumigen Mieter vorgegangen.

Die im Beschwerdefall noch nicht anwendbare Zwangsverwalterverordnung vom 19. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2804) hat mit § 17 Abs. 3 ZwVwV die landgerichtliche Rechtsprechung zu den §§ 25, 27 Abs. 2 ZwVerwVO bestätigt, daß der Zwangsverwalter, welcher -wie hier -als Rechtsanwalt zugelassen ist, für die anwaltliche Führung gerichtlicher Verfahren, die ein anderer Verwalter einem Rechtsanwalt übertragen hätte, nach Maßgabe der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte abrechnen kann. Diese Vorschrift entspricht § 5 Abs. 1 InsVV und gibt dem Zwangsverwalter wie dem Vormund nach § 1 Abs. 2 BRAGO i. V. m. § 1835 Abs. 3 BGB ein Wahlrecht, ob er Auslagenerstattung (künftig gemäß § 17 Abs. 3 ZwVwV) oder eine erhöhte Vergütung nach § 25 ZwVerwVO beanspruchen will (Beschl. v. 25. August 2004 -IXa ZB 32/03, ZinsO 2004, 1026, red. LS).

Im Beschwerdefall hat sich der Zwangsverwalter für die Auslagenerstattung nach Maßgabe des Anwaltsgebührenrechts entschieden. Das umfaßt nicht nur die Titulierung der Mietforderungen, sondern auch den von ihm geführten Räumungsprozeß gegen den Mieter. In beiden Angelegenheiten gilt zu Lasten des Zwangsverwalters nach Wahl der Auslagenerstattung (Gebührenerstattung gemäß § 17 Abs. 3 ZwVwV) aber auch das Anrechnungsprinzip des § 118 Abs. 2 Satz 1 der hier noch anwendbaren Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (vgl. neuerdings § 19 Abs. 1 Nr. 1 RVG und Vorbemerkung 3 Abs. 4 Vergütungsverzeichnis RVG). Der Zwangsverwalter kann nicht nach den §§ 25, 27 Abs. 2 ZwVerwVO Auslagenerstattung nach Gebührenrecht fordern und zugleich noch für damit gebührenrechtlich durch Anrechnung abgegoltene Geschäftstätigkeit eine weitere Mißverhältnisvergütung gemäß § 25 ZwVerwVO beanspruchen. Die Bedeutung dieses Gesichtspunktes ist im bisherigen Verfahren nicht erkannt worden. Der Zwangsverwalter muß infolgedessen im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren Gelegenheit erhalten, seinen Tätigkeitsnachweis bis zur Zwangsräumung der Wohnung entsprechend zu ergänzen.

Danach wird das Beschwerdegericht erneut zu prüfen haben, ob dem Zwangsverwalter neben der Auslagenerstattung nach den §§ 25, 27 Abs. 2 ZwVerwVO und der Mindestvergütung gemäß § 24 Abs. 3 ZwVerwVO noch eine weitere Mißverhältnisvergütung für seine Geschäftstätigkeit bis zur Zwangsräumung zusteht. Die Höhe einer solchen Vergütung könnte auch für die Abrechnungszeiträume 2002 und 2003 schon entsprechend § 19 Abs. 2 ZwVwV einheitlich nach dem geleisteten und erforderlichen Zeitaufwand bemessen werden.

c) Für die Geschäftstätigkeit nach der Zwangsräumung am 17. Januar 2002 steht dem Zwangsverwalter gemäß § 26 ZwVerwVO grundsätzlich eine Vergütung des erbrachten Zeitaufwandes zu. Hierbei kann bereits der Stundensatzrahmen herangezogen werden, der nach § 19 Abs. 1, § 25 ZwVwV erst für die Abrechnungszeiträume nach dem 31. Dezember 2003 anzuwenden ist (BGH, Beschl. v. 27. Februar 2004 -IXa ZB 37/03, ZinsO 2004, 382 m.Anm. Haarmeyer = ZIP 2004, 971). Zur Ausfüllung des Stundensatzrahmens ist dabei ergänzend zu dem vorgelegten Tätigkeitsnachweis weiterer Vortrag des Zwangsverwalters erforderlich (vgl. zu den hier erheblichen Gesichtspunkten BGH, aaO S. 383 unter 3.).

2. Rechtlich derzeit im Ergebnis nicht zu beanstanden ist die Kürzung des vom Berufungsgericht zugebilligten Ersatzes barer Auslagen und der Auslagenerstattung für Anwaltstätigkeit im Rahmen der Zwangsverwaltung nach gebührenrechtlichem Maßstab. Der Zwangsverwalter muß jedoch Gelegenheit erhalten, seinen bisherigen Festsetzungsantrag ergänzend zu begründen, soweit das Landgericht zu seinem Nachteil beschlossen hat.

a) Die Rechtsbeschwerde rügt, daß das Beschwerdegericht die Gebühren nach den §§ 57, 58 BRAGO für die Erwirkung von zwei Pfändungsund Überweisungsbeschlüssen von der Forderung des Zwangsverwalters abgesetzt hat.

Diese Rüge kann nach gegenwärtigem Sachstand schon deshalb nicht durchdringen, weil der Zwangsverwalter seinem Festsetzungsantrag keine Gebührenberechnung gemäß § 18 Abs. 1 BRAGO (§ 10 Abs. 1 ZVG) beigefügt hat. Dazu ist der Zwangsverwalter jedoch auch gegenüber dem Vollstrekkungsgericht verpflichtet, wenn er seine Vergütung durch Auslagenerstattung von Anwaltstätigkeit abrechnen will. Mangels entsprechenden Hinweises im bisherigen Verfahren muß der Zwangsverwalter Gelegenheit erhalten, eine Gebührenrechnung noch nachzureichen.

b) Die vom Zwangsverwalter am 6. Juni und 29. August 2002 beantragen Pfändungsund Überweisungsbeschlüsse liegen nicht vor. Es ist auch nicht festgestellt, welche Forderungen des Vollstreckungsschuldners hier gepfändet werden sollten. Daher kann die Angemessenheit der geltend gemachten Gebührenforderungen nach den §§ 25, 27 Abs. 2 Satz 2 ZwVerwVO aufgrund ergänzter Begründung nicht ausgeschlossen werden.

Das Beschwerdegericht hat allerdings mit Recht geprüft, ob hier die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich erschien; denn dann hätte ein nicht als Rechtsanwalt zugelassener Zwangsverwalter die von ihm verrichtete Vollstreckungstätigkeit einem Rechtsanwalt übertragen. Wie der Bundesgerichtshof entschieden hat, ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Bereich der Forderungspfändung ohne Prüfung des Einzelfalls nicht schlechthin zu verneinen (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Juli 2003 -IXa ZB 124/03, BGH-Report 2003, 1302). Eine solche Prüfung wird das Beschwerdegericht nach der Zurückverweisung und weiteren Angaben des Zwangsverwalters nachzuholen haben.

Weiterhin wird in diesem Zusammenhang auf die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 12. Dezember 2003 (IXa ZB 234/03, Rpfleger 2004, 250) und vom 24. September 2004 (IXa ZB 115/04, z.V.b.) hingewiesen.

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BGH:
Beschluss v. 05.11.2004
Az: IXa ZB 202/03


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