Landgericht Stuttgart:
Urteil vom 13. Februar 2006
Aktenzeichen: 40 O 16/06 KfH

(LG Stuttgart: Urteil v. 13.02.2006, Az.: 40 O 16/06 KfH)

Tenor

1.

Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, jeweils zu vollziehen an einem Geschäftsführer, untersagt, in dem von ihr verlegten Gesundheits-Supplement "M" Anzeigen zu veröffentlichen, die nicht eindeutig als solche gekennzeichnet sind, es sei denn, dass sich der Charakter als Anzeige aus der Gestaltung selbst unzweideutig ergibt, wenn dies geschieht durch Veröffentlichungen wie

Informationsangebote der "P" auf Seite VII des Supplements "M" 7/2005 der Verfügungsbeklagten (siehe nachfolgendes Bild),

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

für "O" Kautabletten auf Seite IX des genannten Supplements (siehe nachfolgendes Bild),

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

und für "f" Schlankheitsmittel auf Seite 14 des genannten Supplements (siehe nachfolgendes Bild).

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, die hier nicht wiedergegeben werden kann.

2.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Streitwert: 20.000,00 Euro

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin ist .... Die Verfügungsbeklagte ist Verlegerin von Gesundheitsmagazinen, die als sog. "Supplements" regionalen und überregionalen Tageszeitungen beigefügt werden. Die Verfügungsklägerin wendet sich gegen Werbeanzeigen, die in dem Gesundheitsmagazin "M" der Verfügungsbeklagten erschienen sind, die sie für wettbewerbswidrig hält.I.

Bei der Verfügungsbeklagten als Herausgeberin erschien das Gesundheitsmagazin "M - Vorsorgen Schützen Heilen" in der Ausgabe 7/2005 (Anlage AS 2). Dieses wurde verschiedenen Tageszeitungen als sog. "Supplement" beigelegt.

Es enthielt unter anderem Werbeanzeigen für Informationsangebote zu Rheuma und Psoriasis (Seite VII d. Anlage AS 2), für "O"-Kautabletten (Seite IX d. Anlage AS 2 auf der linken Seitenhälfte) und für das Schlankheitsmittel "f" (Seite 14 d. Anlage AS 2 in der linken Spalte).

Die Werbeanzeigen waren durch die Verwendung des Begriffes "Anzeige" am oberen Seitenrand (am oberen rechtenSeitenrand auf Seite VII sowie am oberen linkenSeitenrand auf Seite IX und 14) in grauer Schriftfarbe gekennzeichnet.II.

Die Klägerin behauptet:

Die Verfügungsbeklagte habe in den genannten Fällen der Werbeanzeigen für den Leser nicht eindeutig klargestellt, dass es sich dabei um Wirtschaftswerbung handelt. Die Gestaltung der Werbeanzeigen auf den Seiten VII und IX füge sich aufgrund der einheitlichen Gestaltung in Fettdruck von Über- und Zwischenüberschriften, einheitlichen Schrifttypen, der Verwendung gleichartiger Hinweissymbole sowie des Seitenabdrucks in entsprechenden Spalten in die des redaktionellen Teils ein. Bei der Werbeanzeige auf Seite IX gelte dies verstärkt, da die - nicht beanstandete - Werbeanzeige in der rechten Seitenspalte anders gestaltet sei. Die Gestaltung der Werbeanzeige in der linken Spalte auf Seite 14 sei von den nebenstehend abgedruckten redaktionellen Beiträgen nicht zu unterscheiden. Die als Kennzeichnung verwendeten Überschriften "Anzeige" seien dabei wie die Überschriften in den übrigen Rubriken gehalten. Im Ergebnis werde in den beanstandeten Fällen daher jeweils das Vorliegen redaktioneller Beiträge vorgetäuscht.

Sie trägt vor:

Die Verfügungsbeklagte handle damit i.S.v. § 3 i.V.m. § 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (UWG) unlauter und wettbewerbswidrig. Die Verfügungsbeklagte habe mit den Anzeigen gegen das Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Text verstoßen. Daran ändere auch die Kennzeichnung durch das Wort "Anzeige" nichts. Eine solche Kennzeichnung stehe in Wechselwirkung mit der Anordnung und Gestaltung der Anzeige, wobei sich Zweifel bezüglich der Erkennbarkeit als Anzeige zu Lasten der Verfügungsbeklagten auswirken würden. Die in der Gestaltung bereits erörterte Kennzeichnung reiche für eine Abgrenzbarkeit auch bei einem informierten und verständigen Durchschnittsleser nicht aus, da sie mangels hinreichender Unterscheidung keine Kennzeichnungskraft entfalte.

Die Verfügungsklägerin beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, in dem von ihr verlegten Gesundheits-Supplement "Medizin" Anzeigen zu veröffentlichen, die nicht eindeutig als solche gekennzeichnet sind, es sei denn, dass sich der Charakter als Anzeige aus der Gestaltung selbst unzweideutig ergibt, wenn dies geschieht durch folgende Veröffentlichungen wie

- für Informationsangebote der Psoriasiswelt auf Seite VII

- es folgt die Abbildung auf Bl. 2 d. A. -,

- für O Kautabletten auf Seite IX

- es folgt die Abbildung auf Bl. 3 d. A,

- für f Schlankheitsmittel des Jahres auf Seite 14

- es folgt die Abbildung auf Bl. 4 d. A. -

2. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung gem. Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jeweils zu vollziehen an einem Geschäftsführer, angedroht.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie behauptet:

Die Werbeanzeigen seien aufgrund ihrer Gestaltung deutlich als solche erkennbar. Die von ihr gewählte Kennzeichnung übersteige die verkehrs- und marktübliche Kennzeichnung redaktionell gestalteter Anzeigen, wie sie bei anderen Mitbewerbern zu finden sei. Die Seite VII enthalte eine Anzeige, bei der eine Verwechslungsgefahr zu redaktionellen Beiträgen nicht ausgeschlossen werden könne, weshalb diese als Anzeige gekennzeichnet sei. Die Anzeige auf Seite IX sei aufgrund ihrer redaktionellen Gestaltung als solche gekennzeichnet.

Der Begriff "Anzeige" sei in den dadurch gekennzeichneten Werbebeiträgen deutlich erkennbar oberhalb des Anzeigentextes angeordnet und nicht in diesen versteckt. Die Schriftgröße des Begriffes "Anzeige" als auch die Schriftdicke übertreffe den darunter enthaltenen Textbeitrag.

Sie trägt vor:

Die gewählte Werbeanzeigengestaltung entspreche daher den gesetzlichen Vorgaben und übertreffe diese sogar. Die Kennzeichnung als "Anzeige" in der gewählten Form genüge durch die Alleinstellung auch den Anforderungen der Rechtsprechung.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien und die von Ihnen vorgelegten schriftlichen Unterlagen sowie auf das Protokoll des Termins vom 06. Februar 2006 Bezug genommen.

Die Parteien sind mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende einverstanden.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig. Die Antragsbefugnis der Verfügungsklägerin folgt aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.II.

Die einstweilige Verfügung ist zu erlassen.

Der Verfügungsklägerin steht ein Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 3 Nr. 2 UWG zu, weil die Veröffentlichung der Werbeanzeigen in der vorliegenden Form gegen § 3 i.V.m. § 4 Nr. 3 UWG verstößt.

1. Die Klägerin ist ein Verband i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Ihr kann daher ein Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 2 S. 1 UWG grundsätzlich zustehen.

2. Die Veröffentlichung der Werbeanzeigen stellt eine Wettbewerbshandlung der Verfügungsbeklagten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Dabei hat die Verfügungsbeklagte den Werbecharakter der Anzeigen verschleiert und daher unlauter i.S.d. § 3 i.V.m. § 4 Nr. 3 UWG gehandelt. Wiederholungsgefahr ist zu besorgen.

a) Dies gilt zunächst für die Werbeanzeige für Informationsangebote zu Rheuma und Psoriasis (Seite VII d. Anlage AS 2). § 4 Nr. 3 UWG fordert, dass der Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen nicht verschleiert werden darf. Dies bedeutet, dass Werbeanzeigen einem informierten und verständigen Durchschnittsleser als solche deutlich erkennbar sein müssen, in dem sie sich von dem redaktionellen Teil abheben, sog. Trennungsgebot. Ansonsten gelten sie als verschleiert (Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl. 2004, § 4 UWG Rz. 3.11). Als genügend wird dabei jedoch angesehen, wenn die Anordnung und Gestaltung der Anzeige ausreicht, um sie ohne weiteres als Werbung zu erkennen.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Werbeanzeige fügt sich aufgrund der einheitlichen Gestaltung in Anordnung des Textes, Farbe, Schrifttyp und Nummerierung nahtlos in den vorhergehenden und folgenden redaktionellen Teil des Magazins ein. Ein Kriterium der Unterscheidung ist nicht vorhanden. Insbesondere erfolgt keine räumliche Trennung von redaktionell aufbereiteten Werbeanzeigen und echten Redaktionsbeiträgen. Aufgrund dieser Tatsache ist es auch einem aufmerksamen Leser nicht möglich, die Anzeige anhand ihrer Gestaltung von redaktionellen Beiträgen abzugrenzen. Aus der Nennung von Produkten im Anzeigentext ergibt sich nichts Anderes, da auf den Inhalt der Anzeige hier nicht abzustellen ist. Denn dieser betrifft nicht die Abgrenzung von offener zu verschleierter Werbung, sondern von namentlicher und anonymer Werbung. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass an anderer Stelle des Magazins (beispielhaft sei hier nur auf die Anzeige auf Seite VI verwiesen) offen geworben wird. Insofern wird es dem Leser noch schwerer fallen, eine redaktionell gestaltete Werbeanzeige als solche zu erkennen, wenn Werbeanzeigen an anderer Stelle durch eine typische Gestaltung klar erkennbar sind.

Allerdings genügt eine redaktionell gestaltete Werbeanzeige den Anforderungen des Trennungsgebotes dann, wenn sie als solche ausdrücklich gekennzeichnet ist, z.B. durch die Verwendung des Wortes "Anzeige". Abzustellen ist dabei jedoch nicht auf die formale Verwendung dieser Kennzeichnung. Vielmehr stehen Erkennbarkeit durch Gestaltung und Kennzeichnung in einem Verhältnis der Wechselwirkung. Entscheidend ist, ob eine Anzeige ihrer gesamten Erscheinung nach als solche erkennbar ist. Daher sind an die Kennzeichnung von redaktionell aufbereiteten Werbeanzeigen höhere Anforderung zu stellen als an werbetypisch aufgemachte Anzeigen. Denn der Leser misst den redaktionellen Beiträgen eines Magazins, das für sich einiges Vertrauen in die Sachkompetenz im Bereich der Gesundheit in Anspruch nimmt, größere Bedeutung zu und steht ihm unkritischer gegenüber als den in ihm vorhandenen üblich gestalteten Werbeanzeigen (dazu OLG München v. 20.1.2005 - 29 U 4589/04; BGH v. 5.6.1997 - I ZR 69/95, MDR 1998, 301 = GRUR 1998, 489 (493)).

Diesen erhöhten Anforderungen genügt die gewählte Form der Kennzeichnung durch das Wort "Anzeige" nicht. Es ist nicht dazu geeignet, dem Leser klar erkennbar zu machen, dass es sich bei dem Beitrag um eine reine Werbeanzeige handelt. Dagegen spricht schon, dass sich die Kennzeichnung in der rechten oberen Ecke des Beitrags befindet. Im Rahmen natürlicher Lesegewohnheiten wird der Leser diesen Bereich vor der Lektüre des Textes nicht erfassen. Er wird aufgrund der redaktionellen Aufmachung des Textes insbesondere auch nicht erwarten, dass es sich dabei um Werbung handelt, und daher auch nicht gezielt nach einer entsprechenden Kennzeichnung suchen. Jedoch würde die Kennzeichnung auch dann nicht genügen, wenn sie an anderer Stelle angebracht wäre. Dafür spricht zunächst dass sie sich in Schrifttyp, -größe und -farbe nicht von den vorhergehenden und nachfolgenden redaktionellen Themenüberschriften abhebt, und somit leicht überlesen werden kann. Zudem tritt sie durch die graue farbliche Gestaltung gegenüber den leuchtend gefärbten Artikelüberschriften deutlich in den Hintergrund. Daran kann auch der verhältnismäßig groß gewählte Schriftgrad nichts ändern.

Schließlich können die festgestellten Verstöße auch nicht mit dem Verweis auf Praktiken anderer Wettbewerber beseitigt werden. Wenn in vergleichbaren Magazinen auf ähnliche Weise geworben wird, so hat die Verfügungsbeklagte nicht überzeugend dargelegt, weshalb diese Tatsache dazu führen könnte, dass die streitgegenständlichen Anzeigen deshalb keinen Verstoß gegen das Trennungsgebot darstellen. Vielmehr konnte nicht festgestellt werden, dass die vorgelegten Vergleichsexemplare die Anforderung des Trennungsgebot erfüllen. Eine Gleichheit im Unrecht gibt es mithin nicht.

b) Auch die Werbeanzeige für "O"-Kautabletten (Seite IX d. Anlage AS 2 auf der linken Seitenhälfte) entspricht den Anforderungen des Trennungsgebotes nicht. Für sie kann nichts anderes als für die vorhergehend untersuchte Werbeanzeige gelten. Insbesondere wurde dort bereits festgestellt, dass auch die örtliche Verschiebung der Kennzeichnung daran nichts ändert. Hinzu tritt hier, dass sich die durch einen Trennstrich abgegrenzte Kennzeichnung unmittelbar über der in leuchtenden Farben gehaltenen Artikelüberschrift befindet und so stets damit gerechnet werden muss, dass sie auch von einem aufmerksamen Leser übersehen wird.

c) Schließlich entspricht auch die Werbeanzeige für das Schlankheitsmittel "f.. L 112" (Seite 14 d. Anlage AS 2 in der linken Spalte) nicht den Anforderungen des Trennungsgebotes. Dabei gilt das zuvor Gesagte hier umso mehr. Eine klare Trennung zwischen Werbeanzeigen und redaktionellen Beiträgen findet mithin überhaupt nicht mehr statt. So ist der Charakter des in der mittigen Spalte unten stehenden Beitrags sowie des Beitrags in der rechten Spalte nicht aufzuklären. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Parteien in der mündlichen Verhandlung davon ausgingen, es handle sich dabei sämtlich um Werbeanzeigen, während die Verfügungsklägerin in ihrem Schriftsatz noch von teilweise redaktionellen Beiträgen ausgeht (Schriftsatz v. 20.02.2006, Bl. 10 d. A.), und diese folgerichtig nicht rügt. Aus der Vermengung der Kennzeichnung als "Anzeige" am oberen linken Seitenrand und der Rubrikbezeichnung "Neues & Bewährtes" am oberen Seitenrand in der Mitte ist nicht mehr ersichtlich, ob es sich bei einem Beitrag um einen redaktionellen Text oder um eine Werbeanzeige handelt. Diese Unklarheit geht zu Lasten der gestaltenden Verfügungsbeklagten.III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO; die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.






LG Stuttgart:
Urteil v. 13.02.2006
Az: 40 O 16/06 KfH


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