Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 30. Januar 2006
Aktenzeichen: 20 W 56/05

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 30.01.2006, Az.: 20 W 56/05)

Eine Aktiengesellschaft kann verpflichtet sein, einem Aktionär in der Hauptversammlung auf Frage Auskunft über die Gesamtvergütung der Mitglieder eines Gremiums zu erteilen, das innerhalb einer Umstrukturierung der Führungsebene neu geschaffen wurde und dem eine herausragende, exponierte Stellung zukommt.

Gründe

I. Im Anschluss an die ordentliche Hauptversammlung der Antragsgegnerin haben die drei Antragsteller als Aktionäre bei dem Landgericht Antrag auf Auskunftserteilung gemäß § 132 AktG zu folgenden in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 2. Juni 2004 nicht beantworteten Fragen gestellt:

1. Wie hoch war im abgelaufenen Geschäftsjahr die Gesamtvergütung der nicht im Vorstand vertretenen Mitglieder des € Committee ( GEC )€

2. Wie viele Mitarbeiter des A-Konzerns € einschließlich Vorstand und € Committee € haben im (abgelaufenen) Geschäftsjahr eine Vergütung bezogen zwischen - mehr als 500.000,-- EUR und höchstens 1.000.000,-- EUR, - mehr als 1.000.000,-- EUR und höchstens 2.000.000,-- EUR, - mehr als 2.000.000,-- EUR und höchstens 4.000.000,-- EUR, - mehr als 4.000.000,-- EUR€

3a) Mit wie viel Prozent sind alle von der A-Bank insgesamt gemanagten Investmentfonds bei B... beteiligt (sofern die Antragsgegnerin diese Frage nicht für einen aktuellen Stichtag in zeitlicher Nähe zur Hauptversammlung beantworten wollte, war es ihr in der Hauptversammlung freigestellt worden, die Frage in Bezug auf den jeweils letzten Stichtag zu beziehen, zu welchem die Investmentfonds die Öffentlichkeit über die Zusammensetzung ihres Portfolios unterrichten müssen; diese Freiheit soll der Antragsgegnerin auch im hiesigen Antragsverfahren zugestanden werden)€

3b) Wie haben diese Fonds in den beiden letzten Hauptversammlungen von B... abgestimmt€ Warum haben Sie bei den Entlastungsbeschlüssen € wie die Antragsteller vermuten € die Verwaltung unterstützt€ War Ihnen dabei bekannt, welche Schäden die Herren C und D gemessen an ihren individuellen Vermögensvernichtungsfaktoren bis heute angerichtet haben€

Mit Beschluss vom 18. Januar 2005 (Bl. 163 € 175 d. A.), auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Landgericht die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung der Auskunft über die Frage 1 an den Antragsteller zu 1) festgestellt, die weitergehenden Anträge des Antragstellers zu 1) auf Auskunftserteilung als unbegründet zurückgewiesen, die Anträge der Antragsteller zu 2) und 3) insgesamt als unzulässig zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend, die Anträge der Antragsteller zu 2) und 3) seien zulässig, da bereits durch die Bündelung der Stimmen aller drei Antragsteller auf einer Stimmkarte im Interesse eines zügigen Ablaufes der Hauptversammlung sich ohne nochmalige Erklärung ergebe, dass sämtliche Wortmeldungen, Fragen und Erklärungen in der Hauptversammlung durch den Antragsteller zu 1) zugleich auch als Vertreter für die Antragsteller zu 2) und 3) erfolgt seien. Bei der Frage nach Anzahl und Staffelung der Spitzengehälter gehe es um Aufklärung darüber, in welchem Umfang angesichts der geringen Kurssteigerung und Dividende in den zurückliegenden Jahren ein potentiell erwirtschaftbarer Zuwachs des Unternehmenswertes durch unverhältnismäßig hohe Gehälter abgeschöpft werde. Die Frage nach dem Abstimmungsverhalten beruhe auf der zu vermutenden Förderung der Misswirtschaft der B... AG durch zentrale Vorgaben der Antragsgegnerin und damit einer rechtswidrigen Missachtung der Interessen der Fondsanleger, da es keinen legitimen Grund für eine Unterstützung des Managements von B... durch die Antragsgegnerin gebe.

Die Antragsgegnerin wendet sich weiterhin gegen eine Auskunftserteilung zu allen drei Fragen. Sie macht im Wesentlichen geltend, das GEC sei als ein reines Diskussions- und Informationsforum ausgestaltet, das dem Vorstand als Beratungsgremium zuarbeite. Die Bekanntgabe der Vergütung der nicht dem Vorstand angehörenden Mitglieder des GEC sei für die Aktionäre nicht beurteilungserheblich, für die Gesellschaft jedoch wegen der erhöhten Gefahr der Abwerbung und der im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht unzulässigen Offenlegung individualisierter Bezüge erheblich nachteilig und unzulässig. Dies gelte sinngemäß auch für die Frage nach der Staffelung der Gehaltsklassen der Führungskräfte, zumal angesichts der Größe und internationalen Zusammensetzung des Konzerns eine Beantwortung auch unzumutbar und für die Aktionäre irrelevant sei. Zur Frage des Abstimmungsverhaltens könne über die in der Hauptverhandlung erteilte Antwort, wonach die E auf der Hauptversammlung von B... 0,6% des Grundkapitals vertreten hat und im Übrigen mangels eines einheitlichen Stichtages auf die entsprechenden Jahresabschlüsse verwiesen wurde, keine Auskunft erteilt werden, zumal die im gerichtlichen Antrag genannte Erleichterung nicht Gegenstand der Fragestellung in der Hauptverhandlung gewesen sei. Das Abstimmungsverhalten der Fonds betreffe keine Angelegenheit der Antragsgegnerin. Im Übrigen habe es Weisungen an oder Abstimmungen mit den Fondsgesellschaften über deren Abstimmungsverhalten nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die sofortigen Beschwerden sind kraft Zulassung im landgerichtlichen Beschluss nach § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache führen sie jedoch jedoch € bis auf die aus dem Tenor ersichtliche formale Abänderung - nicht zum Erfolg.

Die Beschwerde der Antragsteller zu 2) und 3) bleibt erfolglos, da das Landgericht zutreffend deren Antragsberechtigung verneint hat. Antragsberechtigt im gerichtlichen Auskunftserteilungsverfahren ist nach § 132 Abs. 2 Satz 1 AktG jeder Aktionär, dem die verlangte Auskunft in der Hauptversammlung nicht gegeben worden ist und wenn über den Gegenstand der Tagesordnung, auf den sich die Auskunft bezog, Beschluss gefasst worden ist, jeder in der Hauptversammlung erschienene Aktionär, der Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Vorliegend wurden sowohl die Fragen als auch der Widerspruch in der Hauptversammlung nur von dem Antragsteller zu 1) zu Protokoll erklärt und vorgebracht. Will ein Aktionär in der Hauptversammlung derartige Erklärungen nicht nur für sich selbst, sondern zugleich auch für von ihm vertretene andere Aktionäre abgeben, so muss er dies entsprechend dem allgemeinen und auch hier anwendbaren Rechtsgedanken des § 164 Abs. 2 BGB deutlich machen. Da dies im vorliegenden Falle unterblieb, ist nach dem objektiven Erklärungsgehalt davon auszugehen, dass der Antragsteller zu 1) insoweit nur für sich selbst gehandelt hat ( ebenso für den Widerspruch: OLG München AG 01, 482; OLG Stuttgart NZG 03, 1025 ). Eine derartige Klarstellung war entgegen der Auffassung der Antragsteller hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich aus den Umständen eine Vornahme der Rechtshandlung für einen anderen ergeben würde (vgl. hierzu OLG Oldenburg WM 75, 1143). Dies kann insbesondere nicht aus der Verwendung der dem Antragsteller zu 1) für alle drei Antragsteller antragsgemäß einheitlich erteilten Stimmkarte gefolgert werden, da diese sich nur auf die Ausübung der Stimmrechte nach § 134 AktG in der Hauptversammlung bezieht und ihr der von den Antragstellern darüber hinaus beigemessene Erklärungsgehalt, alle in der Hauptversammlung von dem Inhaber der Stimmkarte vorgenommenen Rechtshandlungen seien sämtlichen Aktionären zuzurechnen, deren Stimmrechte in der Stimmkarte gebündelt wurden, nicht zukommt.

Auch den Beschwerden des Antragstellers zu 1) und der Antragsgegnerin ist in materieller Hinsicht kein Erfolg beschieden, da das Landgericht inhaltlich zutreffend von der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung der Auskunft zu Frage 1) ausgegangen ist und dies bezüglich der Fragen 2) und 3) zu Recht abgelehnt hat. Lediglich in formaler Hinsicht war bezüglich der Frage 1) die Entscheidung des Landgerichts dahin abzuändern, dass nicht nur die Feststellung der Pflicht zur Auskunftserteilung zu treffen, sondern entsprechend der gesetzlichen Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs in § 131 Abs. 1 i.V.m. § 132 Abs. 1 S. 1 AktG der Antragsgegnerin die Erteilung der Auskunft als unvertretbare Handlung unmittelbar aufzugeben war (vgl. Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 132 Rn.4; MünchKomm AktG/Kubis, 2. Aufl., § 132 Rn. 8 und 52; OLG Koblenz AG 96, 34).

Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist. Durch die Gewährung des Auskunftsrechtes soll es dem Aktionär ermöglicht werden, von seinem Stimmrecht und den sonstigen Mitgliedschaftsrechten einen sinnvollen Gebrauch zu machen. Er soll hierdurch in die Lage versetzt werden, die Gegenstände der Tagesordnung beurteilen zu können. Dazu sind ihm diejenigen konkreten Informationen zu erteilen, die er zur sachgerechten Ausübung seines Rechts auf Teilnahme an der Hauptversammlung benötigt. Nach seiner Zweckbestimmung ist das Auskunftsrecht auf solche Auskünfte beschränkt, die zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung der Hauptversammlung erforderlich sind. Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung ist hierfür ein objektiver Maßstab geboten. Allgemein wird eine Auskunft für erforderlich gehalten, wenn sie aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur aufgrund allgemein bekannter Tatsachen kennt, ein wesentliches Element für seine Urteilsfindung bildet und deshalb von ihm benötigt wird (vgl. BayObLG AG 96, 563 und NJW-RR 96, 680; KG ZIP 95, 1585; OLG Düsseldorf WM 86, 1435; OLG Frankfurt am Main AG 94, 39; MünchKomm AktG/Kubis, § 131 Rn. 1; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 131 Rn. 1; KölnKomm AktG/Zöllner § 131 Rn. 2, jeweils m. w. N.). Dies kann jeweils nur im Zusammenhang mit dem konkret betroffenen Tagesordnungspunkt der Hauptversammlung beurteilt und beantwortet werden (vgl. BayObLG AG 96, 563 und 2001, 424; OLG Stuttgart AG 2001, 540; KG ZIP 95, 1585; OLG Frankfurt AG 94, 39). Dabei ist hinsichtlich des hier jeweils betroffenen Tagesordnungspunktes der Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates für die Beurteilungsrelevanz die gesetzliche Funktion der Entlastung zu berücksichtigen (BayObLG NJW-RR 96, 680; OLG Karlsruhe NZG 96, 604; OLG Frankfurt AG 94, 36). Diese besteht nach § 120 Abs. 2 AktG in der Billigung der Verwaltung der Gesellschaft durch die Mitglieder der Gesellschaftsorgane des Vorstandes und des Aufsichtsrates, enthält jedoch keinen Verzicht auf Ersatzansprüche und gilt typischerweise auch als Vertrauenskundgabe für die künftige Verwaltung (BGHZ 94, 326; KölnKomm/Zöllner § 120 Rn. 21 m.w.N.). Durch die gesetzliche Vorgabe des § 120 Abs. 3 AktG über die Verbindung der Verhandlungen über die Entlastung und die Verwendung des Bilanzgewinnes sowie die Verpflichtung zur Vorlage von Jahresabschluss, Lagebericht und Bericht des Aufsichtsrates wird zugleich der Rahmen aufgezeigt, in dem die Aktionäre mit der Entscheidung über die Entlastung eine Gesamtwürdigung vornehmen sollen (OLG Frankfurt AG 94, 39). Ist nach diesen Maßstäben ein Auskunftsanspruch des Aktionärs gegeben, so darf der Vorstand nach § 131 Abs. 3 AktG die Auskunft nur verweigern, wenn einer der dort aufgezählten Fälle gegeben ist.

Nach diesen Grundsätzen hat das Landgericht zu Recht einen Auskunftsanspruch des Antragstellers zu 1) zu Frage 1) angenommen. Bei dieser Frage nach der Gesamtvergütung der nicht im Vorstand vertretenen Mitglieder des GEC handelt es sich um eine Auskunft über eine Angelegenheit der Gesellschaft, die zur sachgemäßen Beurteilung der Tagesordnungspunkte €Entlastung des Vorstandes€ und €Entlastung des Aufsichtsrats€ erforderlich ist und für die kein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG besteht.

Dabei kann dahinstehen, ob die Einschätzung des Landgerichts zutrifft, wonach aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs es sich bei diesem Gremium um ein Leitungsorgan auf gleicher Stufe neben oder anstelle des Vorstandes handelt. Eine solche Ausgestaltung lässt sich zumindest den Angaben der Antragstellerin im Jahresbericht 2003 und im Finanzbericht 2003 sowie der im Januar 2004 beschlossenen Fassung der Geschäftsordnung für den Vorstand, die bei der hier betroffenen Hauptversammlung den Aktionären zu ihrer Information zur Verfügung standen, nicht ohne weiteres entnehmen. Dabei kann nicht isoliert die vom Landgericht herangezogene grafische Darstellung betrachtet werden. Vielmehr sind in einer Gesamtschau sämtliche dortigen Angaben und damit insbesondere auch die einzelnen verbalen Aufgabenbeschreibungen für den Vorstand und das GEC einzubeziehen, die jeweils eine Beratungs- und Unterstützungsfunktion dieses Gremiums hervorheben. Andererseits deuten die Bezeichnungen und die sonstigen Tätigkeitsbeschreibungen der nicht dem Vorstand angehörenden GEC-Mitglieder auf deren besondere Stellung an der Spitze des Unternehmens hin. Dies bedarf jedoch vorliegend ebenso wie die Frage der rechtlichen Beurteilung eines Leitungsgremiums neben oder anstelle des Vorstandes im Hinblick auf die Vorschrift des § 23 Abs. 5 AktG und die zwingenden gesetzlichen Regelungen über den Zuständigkeitsbereich, die Zusammensetzung und die innere Organisation der Organe der Aktiengesellschaft keiner Vertiefung und Entscheidung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Antragsgegnerin mit der Gründung dieses Gremiums im Jahre 2002 jedenfalls eine grundlegend neue Führungsstruktur der Gesellschaft geschaffen hat, die in der Öffentlichkeit starke Beachtung gefunden und eine breite Diskussion über die Zulässigkeit organexterner Führungsgremien sowie die Stärkung der Position des Vorstandsvorsitzenden oder -sprechers ausgelöst hat (vgl. hierzu im Einzelnen Hoffmann-Becking NZG 03, 745 und Götz ZGR 2003, 1, 9 jeweils m.w.N.). Auch wenn man davon ausgeht, dass das GEC nicht auf gleicher Ebene wie der Vorstand angesiedelt ist und ihm keine nach dem Aktienrecht unzulässigen Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die grundlegenden Führungsentscheidungen der Gesellschaft zugewiesen sind, handelt es sich um ein Gremium, dem für die Leitung der Gesellschaft eine besondere Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich aus der Institutionalisierung des Zusammenwirkens des Vorstandes mit den sieben Leitern der wichtigsten Geschäftsbereiche (€Global Business Heads€) unter der Führung des Vorstandssprechers, dem zugleich die nicht dem Vorstand angehörenden GEC-Mitglieder zu berichten haben (vgl. Hoffmann-Becking, a.a.O., S. 748). Damit wurde mit dem GEC ein Gremium geschaffen, dem innerhalb der Organisationsstruktur der Gesellschaft eine exponierte Stellung und herausragende Bedeutung zukommt. Die erstmalige Einrichtung einer solchen Organisation ist eine für die Gesellschaft wichtige Angelegenheit. Die nicht zum Vorstand gehörenden GEC-Mitglieder erhalten durch ihre Einbindung in dieses Gremium eine über ihre bisherige Führungsposition in den einzelnen Geschäftsbereichen hinausgehende, exponierte Stellung innerhalb der Konzerngesellschaft. Dies alles begründet nach Auffassung des Senates aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs eine Beurteilungsrelevanz der Gesamtvergütung der nicht dem Vorstand angehörenden Mitglieder des GEC in Bezug auf die Tagesordnungspunkte der Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, da es sich bei der Schaffung dieses Gremiums um eine bedeutsame unternehmerische Entschließung mit weit reichender Bedeutung für die Gesellschaft handelt.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Ziffer 1 AktG nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift darf der Vorstand die Auskunft verweigern, soweit ihre Erteilung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Eine Auskunftsverweigerung aus diesen Gründen ist hier weder zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechtes der einzelnen GEC-Mitglieder noch zur Abwehr von Abwerbungsversuchen von Konkurrenzunternehmen geboten. Zwar bezieht sich das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das grundsätzlich im Rahmen der arbeits- oder dienstvertraglichen Treuepflichten ebenso wie die spezialgesetzlichen Vorschriften des BDSG ( vgl. §§ 1 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 2 Abs. 4 S. 1, 27, 28 BDSG) von der Gesellschaft zu beachten ist, und bei dessen Verletzung sie sich schadensersatzpflichtig machen kann (vgl. etwa Tschöpe Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 4. Aufl., 1 C Rz. 175 ff ) nicht nur auf die Erhebung und Weitergabe von Daten in individualisierter Form, sondern auch auf solche Daten, für die ein Personenbezug etwa durch eine annähernd verlässliche Schätzung herstellbar ist (BVerfG DB 84, 36; OLG Düsseldorf AG 97, 519). Da die Mitglieder des GEC nach den Angaben der Antragsgegnerin individuell ausgehandelte und somit unterschiedlich hohe Vergütungen erhalten, hat bereits das Landgericht zutreffend festgestellt, dass sich aus der Angabe der Gesamtvergütung keine hinreichend konkreten Rückschlüsse auf die Einzelvergütung jedes einzelnen GEC-Mitgliedes ziehen lassen, zumal sich die erfragte Gesamtvergütung immerhin auf insgesamt 7 GEC-Mitglieder bezieht. Eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes ist deshalb hier nicht gegeben.

Des Weiteren vermag die von der Antragsgegnerin angeführte Gefahr der Abwerbung ein Auskunftsverweigerungsrecht nicht zu begründen. Auch insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Individualisierung in Bezug auf einzelne Personen durch die Angabe der Gesamtvergütung im Hinblick auf die unterschiedliche Höhe der Einzelvergütungen und die Anzahl der Mitglieder nicht erfolgen kann. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin selbst ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat, dass bei Führungskräften eine Gefahr der Abwerbung durch die Konkurrenz im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad und die bekannte Qualifikation dieser Personen ohnehin gegeben ist, wie die von ihr genannten und in der Presse erörterten Fälle belegen. Eine konkrete Gefahr der deutlichen und zusätzlichen Erhöhung derartiger Abwerbungsversuche durch die Erteilung der Auskunft ist somit nach Auffassung des Senates nicht gegeben.

Letztlich vermag auch die nur mit allgemeinen Erwägungen von der Antragsgegnerin in den Raum gestellte Befürchtung von Nachverhandlungsforderungen der einzelnen GEC-Mitglieder im Hinblick auf die fehlende Individualisierbarkeit der Einzelvergütungen ebenfalls einen Auskunftsverweigerungsgrund nicht zu rechtfertigen.

Des Weiteren hat das Landgericht zu Recht einen Auskunftsanspruch des Antragstellers zu 1) bezüglich der Frage 2 (Anzahl und Staffelung der Gehälter im Konzern ab einer Größenordnung von 500.000,-- EUR) abgelehnt.

Einen Auskunftsanspruch des Aktionärs zu derartigen Staffelungen der Gehälter hat die Rechtsprechung und Literatur bisher ganz überwiegend abgelehnt, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für eine sachlich nicht gebotene, überhöhte Vergütung der Belegschaft bestehen (vgl. KG NJW-RR 95, 98; BayObLG NJW-RR 96, 679; LG Berlin AG 94, 40; MünchKomm/Kubis, a.a.O., § 131 Rn. 209; Mutter, Auskunftsansprüche des Aktionärs in der HV, S. 17). Dabei wurde die Beantwortung solcher Fragen zum einen unter Hinweis auf die fehlende Beurteilungsrelevanz für den vernünftig denkenden Durchschnittsaktionär abgelehnt (vgl. KG a.a.O.). Zum anderen wurde sie mit Hinweis auf die Unzumutbarkeit der Ermittlung und Erteilung derart umfangreicher Auskünfte (vgl. BayObLG a.a.O.) zurückgewiesen.

Im vorliegenden Fall betrifft das Auskunftsverlangen, das bei einer Gehaltsstaffel in der Größenordnung von 500.000,-- EUR beginnt, zwar nicht die gesamte Gehaltsstruktur der Gesellschaft, sondern bezieht sich nur auf die Gruppe der Spitzenverdiener innerhalb des Konzerns. Auch hierfür gilt jedoch, dass im Hinblick auf die international weit gestreute Tätigkeit und die Vielzahl der Tochtergesellschaften und die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse in den einzelnen Ländern durch die Erteilung der Auskunft wesentliche Informationen für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes der Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs nicht vermittelt würden. Hieran vermag auch der Hinweis der Antragsteller auf die ohnehin in der Öffentlichkeit bekannte und teilweise kritisierte sehr hohe Dotierung der führenden Mitarbeiter der Banken insbesondere im Investmentbankbereich nichts zu ändern. Auch konkrete Anhaltspunkte für eine sachlich nicht gebotene, überhöhte Dotierung vermag der Senat nicht zu erkennen, zumal sich die Kritik an der Bezahlung im Investmentbankbereich nicht speziell gegen die Antragsgegnerin, sondern die gesamte Branche richtet. Unabhängig davon wäre die Bekanntgabe der hinterfragten Vergütungsstaffeln nach der Einschätzung des Senates jedenfalls nicht geeignet, verlässliche Auskunft über die von den Antragstellern als eigentlichem Grund des Auskunftsbegehrens aufgeworfene Frage zu erlangen, ob auch im Falle der Zahlung deutlich geringerer Vergütungen an diesen Personenkreis ein vergleichbares Geschäftsergebnis hätte erzielt und deshalb letztlich eine höhere Rendite an die Aktionäre hätte ausgeschüttet werden können.

Letztlich ist das Landgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass das Auskunftsersuchen des Antragstellers zu 1) bezüglich der Frage 3 (Abstimmungsverhalten der Fondsmanager in der Hauptversammlung der B... AG) nicht begründet ist.

In diesem Zusammenhang hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die zum Konzern der Antragsgegnerin gehörenden Investmentgesellschaften das Fondsvermögen als Sondervermögen nach §§ 30 ff InvG zu verwalten haben, welches gesondert vom eigenen Vermögen angelegt wird, so dass Gewinne oder Verluste aus diesen Kapitalanlagen grundsätzlich nicht die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage der Investmentgesellschaften und der dahinterstehenden Konzernmutter beeinflussen (vgl. KG ZIP 95, 1585). Des Weiteren ist für die Einschätzung der Beurteilungserheblichkeit auch zu berücksichtigen, dass de lege lata nach deutschem Recht auch keine Verpflichtung der Fondsgesellschaften zur Bekanntgabe ihres Abstimmungsverhaltens an die unmittelbar betroffenen Anleger besteht.

Zwar käme ein Auskunftsanspruch in Betracht, wenn konkrete Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Verhalten des Vorstandes der Antragsgegnerin etwa durch die Erteilung von § 9 Abs. 2 Nr. 1 InvG zuwider laufenden Weisungen gegeben wäre. Für ein derart missbräuchliches oder rechtswidriges Verhalten waren jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptversammlung konkrete Anhaltspunkte nicht ersichtlich und wurden von dem Antragsteller zu 1) auch nicht geltend gemacht. Insbesondere reicht hierzu der Hinweis nicht aus, die von ihm vermutete einhellige Entlastung auf der Hauptversammlung der B... AG durch sämtliche Fondsgesellschaften der Antragsgegnerin könne zwangsläufig nur auf derartigen Umständen beruhen. Soweit der Antragsteller zu 1) nunmehr erstmals im Beschwerdeverfahren behauptet hat, ihm liege ein diesbezügliches Schreiben des Geschäftsführers der E vor, war dies nicht geeignet, zum maßgeblichen Zeitpunkt der Hauptversammlung aus der Sicht eines vernünftigen Durchschnittsaktionärs ein nachvollziehbares Informationsinteresse in Bezug auf die konkrete Tagesordnung zu begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 132 Abs. 5 S. 7 AktG. Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht angezeigt.Die Festsetzung des Wertes beruht auf §§ 132 Abs. 5 S. 1 und 5 AktG i.V.m. 31 Abs. 1 S. 2, 30 Abs. 2 KostO, wobei der Regelwert von 5.000,-- EUR im Hinblick auf die Mehrzahl der umstrittenen Auskünfte angemessen zu erhöhen war (BayObLG DB 2001, 139).






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 30.01.2006
Az: 20 W 56/05


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